Full text: St. Ingberter Anzeiger

titisirt wurde. „Wen wählst Du denn?“ fragten 
In plötzlich seine Genossen. „Ich wähle Zeitz!“ 
urgelte der Halbrasirte. — „Dann laß'n sitzen 
rasir' nicht weiter', war der Ruf, der von allen 
Zeiten lebhaft unterstützt wurde. Und das halb— 
sirte Opfer seiner Ueberzeugung mußte sich aufs 
ehentlichste Bitten verlegen, um sich aus seiner 
zartwildniß völlig zu retten. Er wird die Ope— 
ation schwerlich zum zweiten Male im Wirths⸗ 
qause vornehmen lassen. 
Einige biographische Daten über Frau v. 
olemine mögen hier folgen: Komtesse Alex— 
undrine Czapska-Hutten erblickte in einem russischen 
orte als Tochter des Kammerherrn Grafen Adam 
Hutten-Czapska das Licht der Welt; die glückliche 
Multer nannte ihren Sprößling: „Du mein Königs- 
nd!“ Dies geschah am 18. November 1853; 
ie Gräfin steht jetzt somit im 31. Lebensjahr. In 
ehr romantischer Weise wird erzählt, daß dem 
inde, als es mit seiner Wätterin einst spazieren 
ug, eine Zigeunerin begegnet sei, welche prophetisch 
prochen habe: „Eine Krone schwebt über Deiner 
nen, aber die Krone bleibt Dir fern!“ Die 
chilich wohlinformirte Zigeunerin im fernen Ruß 
ind begnügte sich mit diesem allgemeinen Hinweis 
af eine schöne Carrière des Kindes, ohne speziell 
Merwähnen, daß dadurch das friedliche Großher— 
ogthum Hessen einst in so tiefe Aufregung versetzt 
Xrden würde. Die schöne Komtesse Alexandrine 
»uchs herrlich empor, und als ihr Vater todt war, 
og sie mit ihrer Mutter nach Stockholm; auch die 
5chwester Marie war mitgereist. Die noch immer 
höne Mutter und die beiden Schwestern fanden in 
ztockholm am Hofe des Königs Oskar II. eine 
änzende Aufnahme. Man naunte die reizenden 
üssischen Damen nur die drei Grazien. Komtesse 
starie heirathete den Fürsten Raoul Joseph v. 
Brede, Attaché der Oesterreichischen Gesandtschaft 
Stockholm; sie starb frühzeitig im Jahre 1873. 
tomtesse Alexandrine hegte eine unglückliche, hoff— 
ungslose Liebe im Herzen, genehmigte aber schließlich 
e Bewerbungen eines Russischen Kammerjunkers, 
ez (dermalen in Karlsruhe lebenden) Botschafts⸗ 
tretärs v. Kolemine, und wurde am 21. Februar 
383 seine Gattin. Die diplomatischen Missionen 
qres Mannes hatten die schöne Frau nach Bern, 
Beimar und schließlich nach Darmstadt geführt, wo 
er verwittwete Großherzog ein tiefes JInteresse für 
e interessante Russin faßte. Am 30. April 1884 
cffolgte die heimliche Vermählung mit dem Groß—⸗ 
erzog. Es war derselbe Tag, an welchem der 
zroßherzog seine Tochter Victoria mit dem Prinzen 
udwig v. Battenberg vermählte, und die Hessische 
zebvölkerung wollte einen Akt der Pietätlosigkeit in 
jeser Wahl des Datums erblicken. Die Verthei— 
igerin der Frau v. Kolemine, welche diese Annahme 
arückweist, erklätt dagegen: „Der einzige Grund, 
ch an diesem Tage zu vermählen, war der, daß 
ch dem Paare in dem Hochzeitstrubel am ersten 
zelegenheit bot, unbemerkt ihren Ebebund zu 
Nießen.“ 
s Rom, 14. Okt. (Cholerabericht.) Gestern 
ckrankten, resp. starben an der Cholera in Aquila 
2, bezw. 3, Bergamo 4, bezw. 2, Bologna 5, 
ezw. 3, Brescia 4, bezw. 2, Caserta 7, hezw. 2, 
Fremona 3, bezw. 3, Cuneo 26, bezw. 11, Fer⸗ 
ara 3, bezw. 2, Genua 18, bezw. 6, davon in 
er Stadt Genug 8, bezw. 2, Massa 5, bezw. 4, 
Nodena 6, bezw. 1, Neapel 116, bezw. 65, davon 
der Stadt Neapel 94, bezw. 54, Novara 3, 
w. 4, Reggio Emilia 8, bezw. 2, Turin 2., 
w. 3 Personen. 
dUeber die Katastrophe bei Catania sei 
ach folgende vom 9. Oktober datirte Schilderung 
aitgetheilt: Gestern gegen 1 Uhr Nachmittags 
„gen vom westlichen Horizont quer über den Aetna 
ywarze Haufenwotken herein, und das Meer, bis 
ahin stürmisch und grau, begann zu rasen und zu 
häumen, als ob es von unsichtbaren Ketten gepeitscht 
vürde. Fünfzehn Minuten darauf öffnete sich der 
Ammel und es begann so dicht zu regnen, daß 
iun nicht einen Schritt weit zu sehen vermochte. 
)er Wind heulte mit unheimlicher Gewalt durch 
e Straßen und riß Alles mit sich fort, was ihm 
diderstand zu bieten wagte; es war eine bange 
zeit, in der den Muthigsten ein geheimes Grauen 
eschlich und fromme Frauenseelen ahnungsvoll zu 
zott um Erbarmen für die Wehrlosen flehten, die 
raußen auf freiem Felde vom Sturme ereilt würden. 
och Niemand hätte sich denken können, daß der 
ag so Gräßliches bringen werde. Des Unwetters 
traft hatte kauin etwas nachgelassen, als ein Eil— 
vote mit der Schauerbotschaft zur Präfektur kam, 
daß die unmittelbor an Catania angrenzenden Dörfer 
Fibali, Borgo, Guardia, und Ognissa vom Orkan 
öllig zerstört. Hunderte von Menschen unter dem 
Schutte der Häuser begraben, die Felder, Weinge— 
ände und Kastanienwälder auf den umliegenden 
zügeln bis zur Unkennilichkeit verwüstet worden 
eien. Man eilte dahin und fand, daß die Mel⸗ 
Ring lange nicht dem sich darbietenden Schreckens— 
hilde eutsprach. Die vielen schönen Landhäuser, 
ie noch kurz vorher wer weiß welch' glückliche 
Menschen bargen, lagen zerrissen und zerbröckelt da; 
Zügel von Mauerschutt deuteten die Stellen an, 
vo früher Dörfer standen — kein Haus hatte der 
insteren Macht der Natur trotzen können; Alles 
var auf den Boden hingestreckt worden, und unter 
»en Steinen, Balken und Eisensparren wimmerten 
eise die lebendig Begrabenen. Alles, was die 
Urme bewegeu konnte, stüczte sich mit verzweiflungs— 
nollem Eifer auf die Ruinen, um dem Tode seine 
Beute abzuringen; und die Arbeit gelang, Gott 
ei Danuk, zum größten Theile — aber der erste 
Unblick war schrecklich. Ohnmächtige, bleiche Frauen, 
dinder im zartesten Alter, manche noch in den 
Bindeln, dann aber auch stämmige Burschen und 
Nänner zog man aus dem Schutt hervor, die 
neisten bewußtlos oder betäubt, fast Alle mehr 
»der minder schwer verwundet. Aber auch Todte 
nußte es geben; achtundzwanzig bisher ... wer 
veiß, wie viele noch, bis die Arbeit beendet sein 
vird! Die Zahl der Verwundeten beläuft sich bis 
s)eute Abend auf 500, die alle in den Hospitäiern 
»on Catania untergebracht wurden, aber nicht alle 
vieder genesen werden. Es giebt solche darunter, 
enen die zusammenstürzenden Balken den Kopf 
erschmettert, Arme und Beine weggerissen; einer 
irmen Frau drang ein starker Eisensplitter tief in 
ie Brust; einem Bauer brach das Rückgrat, ein 
Anderer verlor das Augenlicht. . . . Es ist kurz⸗ 
im ein Unglück, das in viele Familien die heroste 
krauer, in die zahlreichsten nebst der Trauer auch 
sie Noth bringt. Das Feld ist vernichtet; die 
chönsten Olivenpflanzungen sind dem Boden gleich 
emacht; die Weinberge setzen aus, als ob sie von 
nnen heraus von einer Riesenhand zerrauft worden 
oären. Der Schaden bezgiffert sich nach einer bei— 
zufigen Schätzung auf 4 bis 5 Millionen. Italien 
t seit zwei Jahren von so schweren Unglücksfällen 
eimgesucht, daß die ganze Welt davon schmerzlich 
etroffen sein muß. Es genügte nicht Casamicciola; 
ie Cholera mußte das Weh und Elend noch steigern, 
ind nun gesellt sich Catania hinzu. 
F Die größte Petroleumquelle in der 
Belt ist die kürzlich von den Gebrüdern Philipps 
rbohrte und nach denselben benannte am Thorn 
Freek in Pennsylvanien. Die Quelle liefert durch— 
hnitilich 2000 Faß den Tag. Kürzlich wurde 
ieselbe um 2*2 Fuß tiefer gebohrt, worauf die 
Zroduktion in den nächsten 24 Stunden auf 3240 
faß stieg. Die Erbohrung dieser ergiebigften aller 
detroleumquellen hat nicht nur in der Umgegend, 
ondern auch in vielen anderen Staaten der Union 
ine solche Aufregung verursacht, daß Tausende von 
Zersonen nach dem neuen „Oel-Dorado“ strömen, 
im Land zur Erbohrung von Oelquellen zu kaufen, 
)andel zu treiben u. s. w. Erst seit wenigen 
Vochen ist die neue Quelle in Thätigkeit, und 
»ereits ist dicht in der Nähe, wo sonst kein Haus 
tand, eine Ortschaft, welche den Namen Philipps 
Fity führt, entstanden, in der es Hotels, Restau— 
ationen, Schnapskneipen, Geschäftsläden, Spiel⸗ 
zöllen und andere Gebäude gibt. 
Ein Teppich, dessen Werth sich in fünf 
Jahren verzehnfacht, dürfte wohl zu den Selten— 
seiten gehören, doch ist ein solcher vor einigen 
Wochen in San Francisco — verbrannt worden. 
Er hatte seit fünf Jahren den Fußboden der dor— 
igen Münze bedeckt und, trotzdem man ihn jeden 
Tag höchst sorgfältig fegte, ergab doch bei der 
Verbrennung, welche, nachdem der Teppich zer— 
tückelt worden war, in Retorten geschah, das heraus— 
hmelzende Gold einen Werth von 2500 Dollars. 
F (GMondesfinsterniß und Aber— 
glaube.) Man sschreibt aus Konstantinopel, 
7. Okt.: Es gibt hier unter der muhamedanischen 
Zevölkerung eine alte Tradition, die auch in die 
interen Schichten des hellenischen und armenischen 
fẽlementes Eingang gefunden hat, welche die Er— 
cheinung der Mondesfinsterniß in kindlich-phanta— 
tischer Weise dahin erklärt, daß ein Bär von furcht— 
arer Größe das himmlische Gestirn mit Vernichtung 
edrohe. Wenn es dem Ungethüm je gelänge, als 
SZieger aus dem Kampfe hervorzugehen, würde der 
Mond verschwinden, was auch unseres irdischen 
Planeten Verderben nach sich zöge. Um also dem 
Monde Muth zu machen, und das Unthier zu er— 
chrecken, begleitet man hier die ganze Dauer des 
Pyänomens einer Mondesfiasterniß mit heillosem 
sepolter, das man mit allen erdenklichen Kasserollen, 
ktupfergeschirren und sonstigen Lärminstrümenten 
eranstaltet, ferner mit Pistolen- und Flintenschüssen, 
zie man in der Richtung der zwei Duellanten ab— 
euert. Noch bei jeder Mondesfinsterniß gab es 
sjier ein infernalisches Getöse, wobei es an Unfällen, 
nitunter beklagenswerther Art, nicht fehlte. Dies— 
nal hatte die Polizei alle Maßregeln getroffen, um 
sieser bedenklichen Uebung, namentlich dem Unwesen 
es Schießens, zu steuern, ohne daß es ihr aber 
selungen wäre, es ganz zu verhindern. Während 
er ganzen Dauer der Mondesfinsterniß am Samstag 
onnte man sich in Konstantinopel in eine Schlacht 
versetzt wähnen. Es gab ein unausgesetztes Gekcache, 
as namentlich aus den Vierteln von Stambul, 
Tatavla uund Tarlabaski am intensiosten tam. 
F EGtephanievihle.) Lieutenant Sieg— 
nund Israel veröffentlicht in der „Kölnischen Zei— 
ung“ Reiseskizzen über eine Stanley-Exrpedition 
m nördlichen Congogebiete und erzählt darin unter 
Underem: „Als wir an den Niadi kamen, waren 
vir förmlich glücklich, dem bekannten schönen Wasser 
vieder nahe zu sein, und beeilten uns möglichst, 
5tephanieville (Station im Königreiche Ludema), 
iach der Tochter Sr. Majestät des Königs der 
Zelgier, Ihrer kais. Hoheit der österreichischen Kron— 
zrinzessin so genannt, zu erreichen. Stephanieville 
iegt an der Mündung des Ludema in den Niadi. 
Die beiden Flüsse sind tief und haben felsige Ufer. 
Veite Strecken von Kussowa-Feldern bilden das 
ine, schöne Berge, mit Palmen und Baumwoll— 
»äumen dicht besetzt, das andere Ufer bei Stephanien— 
tadt. Ich sah niemals eine hübschere Landschaft. 
Um Fube der Station ziehen alle der Küsie zu⸗ 
trebenden Karawanen vorüber. Durch Fernrohre 
demerkten wir die umliegenden Dörfer und wir 
vörten ihre Pauken- und Trommelkonzerte, wodurch 
ie ihre Freude über die Ankunft Geschenke bringen⸗ 
er Weißen ausdrücken. Aus nah und fern kommen 
Fingeborne, uns zu sehen, auch Frauen. Ich zählte 
35 Frauen eines Häuptlinzs und erhiellt auf meine 
Fxrage, ob das Alle seien, die Antwort, er habe 
noch ungefähr 30 im Hause. Wie viel Kinder er 
nesäße, konnte er nicht sagen, da ihm viele derselben 
ntlaufen, sobald sie merken, daß sie verkauft werden— 
osllen. Ein Eingeborner verkauft seine nächsten 
Angehörigen, mitunter sogar sich selbst für einige 
rlaschen Rum. Wir waren schon mehrere Tage 
sier, ohne den König gesehen zu haben, endlich 
ießen wir ihm sagen, wenn er nicht an demselben 
Tage noch erschiene, würden wir abmarschiren. Da 
equemte er sich denn endlich, zu kommen. Fr— 
mpsing von uns so viel Geschenke, daß zwei Mann 
öthig waren, dieselben zu befördern, verkaufte uns 
ein Land und übergab seine Oberherrschaft dem 
Comité d'Etudes du Haut-Congo“ Einer seiner 
Zöhne, ein Knabe von sechs Jahren, sollte uns zur 
Züste begleiten, um die englische Sprache zu er⸗ 
ernen. Sonderbar war es anzusehen, wie dier 
König zum erstenmal in seinem Leben eine ihm 
vom Kommandanten geschenkte Cigarre rauchte. 
Alle seine Leute, sogar die Häuptlinge entfernten 
ich schreckensvoll von ihm, sie glaubten, unser Be— 
ehlshaber gebe ihrem König Zaubermittel. 
Gemeinnuüitziges. 
(Trinken während des Essens.) Der Nach⸗ 
heil des reichlichen Trinkens beim Essen erklärt sich 
nach der „Fogr.“ hinlanglich aus der Verduüumung 
des Magensaftes und der Abschwachung seiner 
ösenden Kraft. Jedenfalls ist die Volksmeinung 
»ine ganz richtige, daß man eigentlich nur am Ende 
»es Mahles trinken sollte, weil daun verschi edene 
zwecke damit erfüllt werden, vor allem der leichtere 
lebergang der Peptone aus dem Darme in das 
Blut und damit die Fortdauer der Verdauung. 
Anverdauliche ur halb gelsste Massen gelangen 
mit der Flüssigkeit durch den Pförtner in den Darm 
und werden hier der weiteren Verdauung unter⸗ 
worfen oder durch den Stuhlgang entfernt, so daß 
sie weder für den Magen, noch den Darm eine 
Ursache der Reizung abgeben. Hier kommt auch 
noch in Betracht, daß zu kalte Getränke an sich 
schon die Verdauung stören, indem sie dem Magen 
die dazu nöthige Wärme entziehen. 
Gegen Halsweh und Heiserkeit hilft oft ein 
Amschlag aus gekochten und gut zerdrückten Kar—