Full text: St. Ingberter Anzeiger

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amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Jnabert. 
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der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerotag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhal tun 
glatt und Sountags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet viertelijahrlich 1A 60 — einichlicßlich Traͤgerlohn; durch die Post bezogen 146 75 H, einschließt. 
A Zuftellunasgebuhr. Die Einrückungsgebühr fuür die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solche 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 A, Reclamen 30 H. Bei 4maliger Sinrückung wird nur dreimalige berechnet. 
—F 212. J Samstag, 1. November 1884. 
193 ahrg. 
PUB. Nach dem Sturme. 
So erregt und bewegt, wie diesmal sind die 
deichstagswahlen seit dem Bestand des neuen 
deutschen Reiches noch nicht gewesen. Mit einer 
zuerhörten Erbitterung wurde von den Parteien 
egeneinander angekämpft und mündlich wie schrift⸗ 
ich den Gegnern jeder Fuß breit Boden streitig 
einacht. Leider drängt sich dem Beobachter dieses 
Freibens zugleich die Wahrnehmung auf, daß wir 
dem amerikanischen Rowdiesthum schon bedenklich 
zahe gekommen sind, und die Pfalz ist mehrfach 
henfalls ein Schauplatz von Vorgängen diesmal 
jewesen, welche die traurigste Perspektive in die 
Zukunft des konstitutionellen Lebens von Deutsch— 
nd eröffnen. Vor Wochen haben wir einmal in 
mem Berliner Blatt einen „Wahlschatten“ über— 
hriebenen feuilletonistischen Artikel über die Wahl . 
eit gelesen. Grau in grau, schwarz in schwarz 
vat in demselben das Wahlgetriebe gezeichnet, so 
daß wir an die Wählerei in der Reichshauptstadt 
mit einem gewissen Abscheu nur denken konnten. 
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der minder überall an den Bevölkerungscentren 
»es Reiches die gleichen Bilder wiederholen. Das 
Wählen, fürchten wir, wird, wenn es sich in dieser 
Art noch weiter auswächst, bald zu einem Sporl 
ediehen sein, der auf Geschrei und Schlägerei ge— 
ründet ist. Es lebe die beste Lunge und die beste 
Faust! In Ludwigshafen, Frankenthal, auch in 
daiserslautern und an anderen pfälzischen Orten 
mwman — Gott sei's geklagt — schon nahe genug 
aran, daß wir auf diesem Punkte stehen. Da müssen 
vir uns billigerweise fragen, ob nicht ein gut Theil der 
Unzulänglichkeit aller menschlichen Institutionen sich 
amentlich in der Ausübung unserer staatsbürger— 
ichen Wahlobliegenheiten bekunde. Lassen wir die 
Reden und Zeitungsartikel mit denen bis vor 
venigen Tagen auf die Volksmassen einzuwirken 
versucht wurde, lassen wir die Aufnahme, welche 
gewisse Ansprachen im Volke gefunden noch einmal 
in uns vorüberziehen, dann fragen wir, was haben 
ruhmreiche Kriege und das Gift des Demagogen— 
hums aus dem Volke der Dichter und Denker ge— 
macht? Das volle Bewußtsein der Macht, welche 
——— 
an dem' Tage der Entscheidung in dem Einzelnen 
aur abzuhäufig die edlern Regungen in den Hinter— 
tund gedrängt und zu keiner Zeit wird tman so 
iberzeugt von der Wahrheit des Satzes sein, daß 
ie Polͤtik den Charakter verdirbt, wie zur Zeit 
der Wahlen. Doppelt haben wir deshalb darauf 
sinzuwirken, daß nunmehr in die Gemüther Ruhe 
ind Frieden wiederkehre und Wunden, welche un— 
iherlegter Parteieifer in der Hitze des Gefechts ge⸗ 
—VV allmäligen 
deilüng überlassen werden. Die Pfalz kann ja 
eider nicht ganz von kleinen Versündigungen los⸗ 
jesprochen werden, welche auf Konto der Wahl⸗ 
tzeugung zu setzen sind. Forschen wir nicht üher 
»eren Entstehung jetzt am Ausgang der Wahlschlacht, 
ber tragen wir sie auch nicht nach. Vor allem 
nöge sich die pfälzische Bevölkernng davor hüten, 
iie mit der Reichstagswahl heraufbeschworene 
tellenweise Erbitterung bei den nothwendigen Stich⸗ 
dahlen aufs Neue anzufachen, oder gar auf die 
»evorstehenden Gemeinderathswahlen zu übertragen. 
dalte Jeder eben an der Ueberzeugung fest, daß 
der Einzelne, an welchem Platze immer er seiner 
Meinung Ausdruck zu verleihen gesucht, das allge⸗ 
neine Beste nur gewolll. So allein darf er sich 
als gerecht denkender Politiker betrachten, so allein 
vird' es gelingen, sich künftighin über die an uns 
— D Ver⸗ 
valtung unseres Staats- und Gemeinwesens zu 
verständigen. Jnsbesondere erwarten wir von 
mseren Gesinnungsgenossen, daß sie überall den 
gegnern, welcher Partei sie sich auch zuzählen, die 
Zzand zum Frieden reichen werden! 
Der Herzog von Cumberland findet hier überhaupt 
rotz seiner Verwandtschaft mit dem englischen 
Qönigshause sehr wenig Sympathie. Der „Ob— 
server“ nennt seinen von Gmunden erlassenen Auf⸗ 
ruf anmaßend und lächerlich und bemerkt über sein 
bisheriges Trutzthum: „Es ist merkwürdig, daß in 
den fruͤheren Zeiten des Herzogthums der fähigste 
deutsche Fürst, Heinrich der Löwe, nicht zu groß 
war, um fsich dem größten aller Hohenstaufen 
flehend zu nahen; und jetzt, wenn das Dasein des 
Herzogthums bedroht ist, kann sein Nachkomme es 
nicht uͤber sich gewinnen, dem größten der Hohen— 
zollern Gefolgschaft zu leisten.“ 
Politische Nebersicht. 
Der Entwurf des Postsparkassen-Gesetzes 
iegt nun im Wortlaut vor. Wir entnehmen dem—⸗ 
selben folgende Bestimmungen: 
g 1.“ Das Reich übernimmt die Annahme, 
Verzinsung und Rückzahlung von Spareinlagen 
inter Vermittelung der Postverwaltungen nach 
Maßgabe dieses Gesetzes. 
g 2. Die Annahme der Spareinlagen erfolgi 
zei den Postanstalten in Beträgen von einer Mark 
»der dem Mehrfachen einer Mark. 
8 3. Bei der ersten Einzahlung erhält der 
Finzahlende ein Sparkassenbuch, welches von der 
Postanstalt auf seinen Namen oder auf den Namen 
ner anderen von ihm bezeichneten Person aus— 
gestellt wird. Weitere Einzahlnngen zu Gunsten 
zes Berechtigten (Sparers) koönnen unter Vorlegung 
des Buches bei jeder Postanstalt bewirkt werden. 
8 4. Die erste Einzahlung zugunsten eines 
Minderjährigen oder einer unverheiratheten Frauens⸗ 
derson kann mit der Maßgabe geschehen, daß die 
Auszahlung nicht vor der Großjährigkeit des Minder⸗ 
ährigen oder der Verheirathung der Franensperson 
Tfolgen soll. Diese Maßgabe gilt auch für die 
päteren Einzühlungen, welche auf dasselbe Buch 
eleistet werden. Sie erstreckt sich auf die Haupt⸗ 
ummen und die Zinsen. Andere Beschränkungen 
zürfen der Einzahlung nicht beigefügt werden. 
Zürbt der Minderjährige vor der Großjährigkeit 
der die Frauensperson vor der Verheirathung, so 
ritt die Beschränkung außer Kraft. Dasselbe gilt, 
wenn die Frauensperson, ohne zu heirathen, das 
dierzigste Lebensjahr vollendet. 
g' 5. Eheftauen können ohne Genehmigung 
des Ehemannes, Hauskinder, Minderjährige und 
Personen, welche in der Verfügung über ihr Ver—⸗ 
mögen beschränkt sind, ohne Genehmigung ihres 
gesetzlichen Vertreters Sparbeträge einzahlen. 
z 6. Vormünder oder Pfleger können das 
Vermögen der von ihnen vertretenen Personen durch 
Finzahlung bei einer Postanstalt nach Maßgabe 
diescs Gesetzes anlegen. 
8 7. Auf den Namen derselben Person dars 
nur ein Sparkassenbuch ohne Beschränkung und 
außerdem ein Sparkassenbuch mit einer der im 
8 7— bezeichneten Beschränkung ausgestellt werden. 
88. Auf dasselbe Sparkassenbuch dürfen an 
einem Tage höchstens einhundert Mark eingezahl: 
werden. Beträge, durch deren Einzahlung ein Gut— 
haben die Höhe von eintausend Mark überschreiten 
würde. werden nicht angenommen. 
Deutsches Reich. 
Müünchen, 28. Okt. Wie uns von ver— 
ässiger Seite versichert wird beabsichtigt das Staats- 
ministerium des kgl. Hauses und des Aeußeren für 
den Fall, daß der Reichstag die Vorlage betr. die 
Errichtung von Postsparkassen genehmigt, auch an 
die Errichtung von Postsparkassen in Bayern heran⸗ 
zutreten und eine diesbezügliche Vorlage für den 
nächsten Landtag vorzubereiten. 
München. Das Staatsministerium gibt 
hekannt, daß die Wiederbesetzung folgender Forst⸗ 
reviere mit Oberförstern in Absicht liegt: Seeftetten, 
Forst⸗ Amts Passau; Gräfenberg, Forst Amts Peg- 
iitz; Nordhalben, Forst:A. Kronach; Langheim, 
Forst⸗ A. Kulmbach; Hannesreuth, Forst-⸗A. Vilseck; 
Schnaittach, Forst: A. Sebaldi; Aura, Forst⸗A. 
Lohr; Vundorf und Maisondheim, Forst-⸗A. Main⸗ 
derg; Erlenbach (Kommunialredier), Forst-Amts 
Aschaffenburg; Rohrbrunn, Forst-A. Stadtprozelten; 
Zellingen, Forst⸗A. Würzburg; Gronenbach, Forst⸗ A. 
Htindelheim. Jene Oberförster, welche ihre Ver— 
setzung auf eines dieser Reviere anstreben, haben 
hte Bewerbungsgesuche alsbald bei ihrer vorgesetzten 
streisregierung zur weiteren Behandlung in Vorlage 
zu bringen. Die Besetzungsanträge der betheiligten 
stegierungen sind längstens bis zum 15. November 
ds. Is. an das Staatsministerium der Finanzen 
einzubefördern. 
Berlin, 30. Okt. Der Kaiser, der Kronprinz, 
die Prinzen Wilhelm, Friedrich Karl und August 
von Württemberg, der Großfürst Wladimir von 
Rußland nebst Adjutanten sind um 10 Uhr zur 
Jagd nach Hubertusstock abgereist. 
— Das westafrikanische Geschwader, bestehend 
aus den Schiffen „Bismarck“, „Gneisenau“, „Olga“ 
und „Ariadne“, ist heute Vormittags von Wilhelms- 
haven ausgelaufen. 
Straßßburg, 28. Okt. Auf das gestern 
Abend bei dem Kommers an den Fürsten Bismarck 
abgesandte Telegramm ging, der „Landeszeitung“ 
zusolge, dem Feftausschusse der Studentenschaft heute 
Vormittag folgende Antwort des Fürsten Bismarck 
zu: „Ihnen und Jhren Commilitonen danke ich 
hon Herzen für Ihre ehrenvolle Anerkennung und 
Ihren Beitrag zur Belebung der tröstlichen Hoff⸗ 
aungen, womit ich in dem Vertrauen auf den vater⸗ 
ändischen Sinn der deutschen Jugend über die 
Parteikämpfe der Gegenwart hinweg in die Zukunft 
blicke. auch ohne die Gewißheit, sie selbst zu schauen.“ 
Ausland. 
Paris, 29. Okt. Das Ergebniß der Wahlen 
in Elsaß⸗Lothringen hat großen Enthusiasmus in 
Paris erregt. Das gelegentlich offizisse Blatt 
„Paris“ schreibt: „Kable, Dollfus und Antoine, 
dieses Patriotentrio, fährt fort, die Sache des ge— 
waltsam unterdrückten Rechtes zu verfechten. Sie 
»ertreten gleichsam die Trikol Ze des Elsaß, zu der 
Die englischen Blätter beschäftigen sich jetzt viel 
mit deutschen Angelegenheiten. „Times“ führt in 
inem Artikel über die Erbfolge in Braun— 
schweig die Unmöglichkeit einer Thronbesteigung 
durch den Herzog von Cumberland aus. Der Tod 
des Herzogs von Braunschweig wurde schon im 
Juli für nahe bevorstehend gehalten, und damals 
hatte es der Herzog von Cumberland unzweifelhaft 
n seiner Gewalt, Arrangements zu treffen, die ihm 
seute das Herzogthum Braunschweig gesichert hätten