Full text: St. Ingberter Anzeiger

die dem Geiste nach deutsch ist, wie der Trans— 
daal in Südafrika. Würden sich einige Tausend 
deutsche Familien in den Transvaal-Ländern 
niederlassen, so würde dieses große Land in einigen 
Jahren schon einen Theil des deutschen Reiches 
ausmachen. Die Blätter glauben dieses Ereigniß, 
nämlich die Uebergabe Transvaals an Deutschland 
noch zu erleben. 
Trotzdem Frankreich unter allen Großmächten 
das relativ zahlreichste Heer unterhält, so ist doch 
don der Regierung nunmehr ein Gesetzentwurf fest 
zestellt worden, welcher nach seiner Durchführung 
die Kopfstärke der Armee nochmals bedeutend er— 
jöhen würde. Wir meinen die Errichtung einer 
Colonial-Armee und die Umwandlung des 19. (Al⸗ 
gerischen) Armeekorps in eine sogenannte afrikanische 
Armee. Die betreffenden Pläne sind zwar durch— 
rus nicht neuen Ursprungs, da ähnliche Gesetzent— 
würfe bereits am 26. Juli 1882 und am 8. Dez. 
1883 der ArmeeKommission vorgelegt worden waren, 
aber es gewinnt den Anschein, als ob es diesmal 
mit der Sache Ernst werden und eine Errichtung 
reuer Truppentheile stattfinden sollte. Es würde 
daun die französische Armee eine Vermehrung um 
44 Bataillone und 20 Baͤtterien erfahren, oder um 
circa 45,000 Mann und 120 Geschütze, wobei nur 
die aus national-französischen Truppen zusammen— 
zusetzenden Abtheilungen in Betracht gezogen sind, 
während weiterhin noch Regimenter aus Eingeborenen 
der verschiedenen Colonien Bestandtheile der Colonial⸗ 
Armee bilden. Die Gründe für diese neuen mili— 
— 
zierung aus den Erfahrungen des tunesischen mada— 
zassischen und des gegenwärtig in China geführten 
rieges, welche gelehrt haben, daß die wenig elastische 
Organisation des französischen Heeres die Führung 
don Kolonialkriegen nur unter schwerer Schadigung 
der allgemeinen Kriegsbereitschaft gestattet. Da 
aber Frankreich wohl auf lange Jahre hinaus aktive 
Kolonialpolitik zu treiben gesonnen scheint, so hat 
die Aufstellung einer besonderen Kolonialarmee ihre 
formelle Berechtigung. Weniger durchsichtig sind 
die Gründe für eine Verstärkung der afrikanischen 
Armee und tierbei tritt auch für Deutschland in— 
sofern ein gewisses Interesse in den Vordergrund, 
als zweifelsohne Frankreich im Falle eines Krieges 
auf dem Continent die afrikanischen Trurpen ebenso 
bei seiner Feldarmee verwenden würde, wie dies 
1870 771 geschah. 
Die Arbeitslosigkeit macht ähnlich wie 
in Frankreich auch in England Forischritte und 
derlangen die Beschäftigungslosen von den städtischen 
Behörden Arbeit und Verdienst. Wie weitreichend 
die Folgen der gegenwärtigen Handelsstockung sind, 
zeigt u. A. das Vorgehen der Landwirthe in Ost— 
dent, Sandwich und Wingham, wo dieselben Zu— 
ammegnkünfte hielten, um unter sich ein Ueberein— 
ommen zur Herabsetzung der Löhne ihrer ländlichen 
Arbeiter zu Wege zu bringen. Die Landardeiter 
haben jedoch beschlossen, sich der angedrohten Lohn— 
herabsetzung nicht zu fügen, insbesondere im Hin— 
zlick auf die diesjährige gute Ernte. Es wird ferner 
ogar versichert, daß die neidische Herausstreichung 
der auswärtigen Kriegsflotten aus ähnlicher Quelle 
stamme. Der Schiffsbau liegt nämlich auch im 
Argen. Die Schiffswerfte feiern; die Arbeiter find 
dem Hungertode nahe. Staatshülfe ist nothwendig, 
wie soll sie sich außern? Unmittelbare Geldunter— 
tützungen sind ebenso unthunlich wie die Schaffung 
cünstlicher Beschäftigungsarbeiten. Unter diesen 
Umständen verfiel man auf die Marine, deren 
Schwäche längst bekannt war, und im Besonderen 
zuf die Torpedoboote, die den Engländern in auf— 
älliger Weise mangeln. Die Regierung wurde zu 
hestimmen gesucht, den Bau der nothwendigen 
Schiffe auf den Privatwerften zu beschleunigen, 
tatt sie dem langsamen Gang der Regierungsdocks 
zu überlassen. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 3. Nov. Die in den Zeilungen 
imlaufenden Nachrichten von einer in Vorbereitung 
„egriffenen Vorlage wegen Erhöhung der Getreide— 
zoͤlle ist, wie von bestunterrichteter Seite versichert 
wird, völlig aus der Luft gegriffen. 
Ausland. 
In Paris lehnten die dortigen Bäcker in 
iner sehr stürmischen Verhandlung mit 1149 gegen 
150 Stimmen die Anerbietungen der Regierung 
und der Stadt Paris ab, den Preis des Brodes, 
»on 2 Kilo Gewicht, von 170 auf 165 Centimes 
jerabzusetzen und so die Einführung der Brodtaxe 
zu verhindern. Die Bäcker zeigten sich sehr aufge— 
zracht und drohten, sie würden den Arbeitern keinen 
kredit mehr hewilligen und das Brod weniger gut 
iefern, sowie den Lohn der Bäckergesellen herab— 
etzen. Infolge des Widerstandes der Bäcker hat 
»ie Verwaltung der Stadt Paris die Absicht, Ge— 
neindebäckereien einzurichten. Das große Publikum 
st gegen die Bäcker. Nur der Mehlgroßhandel 
teht auf ihrer Seite. — In Lyon hat eine Anar— 
histen⸗ (Umstürzler⸗—)Versammlung von 2000 Köpfen 
jeschlossen, zu verhindern, daß den Arbeitern, welche 
hre Miethe nicht zahlen können, die Wohnungen 
intzogen werden. Bekanntlich herrscht in Lyon Ar— 
eitsstockung. — Gegen das Arsenal in Lyon soll 
ein Anschlag geplant sein, weßhalb schärfste Ueber— 
vuchung angeordnet ist. 
London, 83. Nov. Die „Times“ erfährt, 
der Khedive habe am Samstag der Königin und 
dem Prinzen von Wales die ihm zugegangene Nach— 
richt telegraphirt, daß Khartum gefallen und Gordon 
Befangener des Mahdi sei. (7) Auf telegraphisches 
Ersuchen wiederholte der Khedive am Sonntag früh 
diese Nachricht 
Lskale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert. Nach Verfügung des 
Seneralkommandos haben die im heurigen Jahre 
iusgehobenen Rekruten am Samstag den 8. Nov. 
um Dienst bei ihren Abtheilungen einzurücken 
die Rekruten der Equitationsanstalt sind gleich den 
Dekonomiehandwerkern aller Abtheilungen bereits 
im 1. Oktober eingerückt. 
Nach amtlicher Ermittelung stiellt sich das 
steichstagswahlergebniß für den Wahlkreis Kaiser s⸗ 
autern-Kirchheimbolanden: Neumayer 
7020, Grohe 4833, Recknagel 499, Windthorst 
2182. Bebel 335, zersplittert 2. Gesammtzahl: 
14,871. Absolute Majorität: 7436. Herrn Neu— 
nayer fehlen 416 St. Demnach Stichwahl zwischen 
sdeumaher und Grohe. — Für den Waͤhlkreis 
frankenthal-Speyer: Groß 8516, Merkle 
081, Siden 4752, Dreesbach 4822, zersplittert 
12. Gesammtzahl: 19,183. Die absotute Majorität 
zeträgt 9592. Herrn Groß fehlen demnach 1076 
ztimmen. Mithin Stichwahl zwischen Groß und 
Oreesbach. — Für den Wahlkreis Neustadt-— 
Landau: Bürklin 11,114, Sartorius 5700, 
tugler 4751, zersplittert 223. Gesammtzahl: 
21,788. Absolute Majorität 10,894. Herr Bürklin 
ist sonach mit 219 Stimmen Majorität gewählt. 
— Für den Wahlkreis Germersheim-Berg— 
zabern: Brünings 8606, Siben 7080, zer— 
plittert 87. Gesammtzahl: 15,773. Absolute 
Najorität 7887. Herr Brünings ist demnach mit 
iner Majarität von 719 Stimmen gewählt. 
Das amtliche festgestellte Resultat für die Wahlkreise 
zweibrücken-Virmasens und Homburg-Kusel haben 
vir bereits in vor. Nr. mitgetheilt.) 
*— Die Stichwahl in den beiden pfälzischen 
Bahlkreisen Kaiserslautern-Kirchheim-— 
»olanden und Speyer-Frankenthal! 
indet am nächsten Samstag, den 8. Nov. statt. 
*— Die „Kaisersl. Ztg.“ enthält folgende 
Nahnung zur Vorsicht: In neuerer Zeit werden 
son Eierhändlern importirte gekalkte Eier auf dem 
Wochenmarkt an andere feilhaltende Landleute zum 
LHerkauf abgegeben und dadurch bei dem Publikum der 
Hlaube erweckt, dasselbe erhalte frische Eier vom 
dande, wofür es auch mehr bezahlt. Solche Hand— 
ungen sind vollendeter Betrug und werden zur 
zestrafung rücksichtslos angezeigt werden. Das 
Zublikum wird darauf aufmerksam gemacht und er⸗ 
ucht, derartige Wahrnehmungen sofort der anwesen⸗ 
en Polizeimannschaft zur Anzeige zu bringen. 
— Zweibrücken, 1. Nov. Herr Karl 
Baehr aus Zweibrücken, beschäftigt als Vorsteher 
der Uhrmacherbranche im Hause der HH. Krause 
F Cie. in Pernambuco (Brasilien), hat, wie das 
zrasitianische Blatt „Binculo“ meldet, eine inter⸗ 
ssante Erfindung gemacht. Die betr. Notiz lautet 
in der Uebersetzung: „Dieser Herr zeigte uns in 
seinem großen Atelier auf einer Glasplatte, welche 
in großes Zifferblatt (eine Uhr) vorstellt, einen 
aum erkennbaren Mechanismus, durch welchen die 
eiden Uhrzeiger direkt in Bewegung gesetzt werden, 
hne daß unterhalb des Zifferblattes ein Räder— 
verk sich befindet. Nicht genug mit dieser inter— 
ssanten Maschinerie, hat Hr. Baehr in einen der 
zeiger noch eine kleine Uhr eingefügt, welche durch 
en erwähnten Mechanismus ebenfalls ihre Requ— 
lirung erhält. Wir zollen dieser Arbeit des Heren 
Baehr, welcher seinem deutschen Vaterlande all⸗ 
Ehre macht und alles Lob verdient, unsere volle 
Anerkennung.“ — Die „Zw. Ztg.“ fügt dem Vor. 
tehenden den Wunsch bei, daß die Erfindung für 
unseren Landsmann sich reichlich rentiren moͤchte. 
— Aus dem letzten Jahresbericht der nörd— 
lichen Pacific-Bahn, deren Erbauer bekanntlich unser 
etzt in Berlin lebender berühmter Landemang 
denry Villard (GGilgard) ist, erhellt u. M. 
auch, daß der bekannte Ausflug der zur Voll. 
endungsfeier eingeladenen deutschen Gäste und die 
Feier selbst einen Aufwand erheischten von 171,881 
Doslar (7?7,370 Mt.) Ist die Summe auch sehr 
tattlich, so bleibt sie doch hinter der seitherigen 
Schätßung weit zurück. 
— Die am vergangenen Mittwoch in Kaisers— 
lautern stattgehabte Versammlung pfälzischer 
Bäckermeeister war von 125 Interessenten aus 
allen Theilen der Pfalz besucht. Der in Aussicht 
genommene Verband wurde einstimmiqg beschlossen 
und führt den Namen „Pfälzischer Bäckerverband'. 
Als Vorort wurde Zweibrücken bestimmt und zu 
Vorstandsmitglieder die Herren Horn, Holzgräfe und 
Ichsner von dort gewählt; Beisitzer sind die Herren 
3. Christmann in Kaiserslautern, L. Gelbert in 
Ludwigshafen, J. Fuchs in Neiustadt a. H., 
Thomas in Speyer. Der erste Verbandstag wird 
im nächsten Jahr in Neustadt a. H. abgehalten. 
— Nach einer dem Landauer „Eilb.“) zuge⸗ 
sandten Mittheilung fand am Freitag die dreizehn— 
ährige Ernestine Bonnet auf dem Neukafsteler Hof 
dei Leinsweiler ihren Tod in grauenhafter Wiise. 
Das Mödchen wollte gebratene Kastanien vom 
Dfen herunter in ihre Schürze thun, dabei fing 
dieses Kleidungsstück Feuer und in wenigen Sekunden 
war das unglückliche Kind ganz in Flammen ein— 
zehüllt. Obwohl Hülfe sofort zur Stelle war, 
qatte das Mädchen doch so schwere Brandwunden 
erlitten, daß es Abends gegen 9 Uhr seinen Ver— 
etzungen erlag. 
—— Neustadt, 2. Nov. Heute vormittag 
1 Uhr fand dahier im Saalbau eine Versammlung 
ffälzischer Buchbinder statt, um über verschiedene, 
ihr Gewerbe schädigende Fragen schlüssig zu werden. 
Man einigte sich über Abfassung einer Beschwerde— 
chrift gegen die Unsitte, daß Pedelle, Hausmeister 
c. an höheren Lehranstalten Schreibmaterialien u. 
.w. verkaufen dürfen. Auch wurde in der Be— 
chwerdeschrift niedergelegt, daß der Pächter des 
„ayerischen Zentralschulbücher-Verlags, R. Olden— 
vourg, die pfälzischen Schulbücher nicht in uunge— 
„undenem Zustande an die pfälzischen Buchbinder 
ibgebe und wird um Abhilfe dieses Verfahrens 
gebeten. Im Uebrigen beschloß man, sich in dieser 
Angelegenheit den Innungen von München, Fürth 
ind Schweinfurt und deren Eingabe au das Mini— 
terium des Innern für Kirchen- und Schulange⸗ 
egenheiten, anzuschließen, wovon die Münchener 
Innung telegraphifch benachrichtigt wurde. Eine 
veitere Versammlung soll im nächsten Jahre im 
August in Landau stattfinden. (EFrkth. Tgbl.) 
— In Neustadt scheint dem Wahtkampf 
ein ganzes Heer von gerichtlichen Nachspielen folgen 
u sollen: der Redakteur der nationalliberalen 
„Neustadter Ztg.“ kündigt gegen die Redaktion der 
ortschrittlichen „Neuen Bürgerztg.“ einen „Monstre— 
drozeß von ca. 60 Privatbeleidigungsklagen“ an! 
— Landau. Vr. med. Stöpel, welchet 
den 38 J. a. Prem.Lieut. Degelmann im Duell 
rschossen hat, ist flüchtig; wie es heißt, wird er 
ine schon vor Monalten angenommene Stelle als 
Schiffsarzt auf den holländ. Besitzungen in Asien 
antreten. Der Vater des Dr. Stöpel hat in den 
etzten Jahren 2 Söhne als Opfer des Duellwesens 
»erloren; nun kam dieser Fall hinzu. Der im 
Duell Getödtete, ein tüchtiger Militär und liebens— 
vürdiger Mensch, stand nahe am Hauptmann. 
— Aus dem Wahlkreise Bergzabern⸗-Ger⸗ 
nersheim wird uns folgende gelungene 
Wahlgeschichte berichtet. In einem Dorfe zwischen 
Herinersheim und Wilgartswiesen unterhielten sich 
‚wei Wähler am Abend des Wahltages über diet 
im Sonntag vorher gehaltene Predigt. Erster 
Wähler: Nun, Du hast doch auch gehört, wie am 
S„onntag der Herr Pfarrer gesagt hat, wir müßten 
am jüngsten Tag unsern Wahlzettel vorzeigen, un' 
u beweisen, daß wir für unsere Kirche ein Interefse 
aben? Zweiter Wähler: Freilich habe ich das 
jehört. Erster Wähler: Und wen hast Du denn 
jewählt? Zweiter Wähler: Ich habe zwei Zette 
kommen, einen mit dem Namen Bruuings (L.