Full text: St. Ingberter Anzeiger

Leipzig, 6. Febr. Heute früh zwischen 3 
und 4 Uhr wurden aus einem Postwagen auf dem 
Berliner Bahnhofe zwei Briefpostbeutel mit 80,000 
Mt. gestohlen. Die Thäter scheinen mit dem Pofl- 
dienst vertraut gewesen zu sein. 
Die Kohlenproduktion Deutsche 
lands hat in den letzten zwei Dekaden sich auf 
solche Weise gesteigert, daß man die Erschöpfung 
der Kohlenfelder zu befürchten anfängt. Während 
die Kohlen Produktion Englands während derselben 
Periode von 85,4 Millionen Tonnen auf 149,8 
Millionen, die Frankreichs von 8,3 Millionen Tonnen 
auf 19,4 Millionen Tonnen gestiegen ist, hat die 
von Deutschland von 12,8 Millionen Tonnen sich 
auf 70,8 Millionen gesteigert. Wenn man an— 
mimmt, daß die Kohlenfelder Belgiens etwa 900 
Quadratmeilen, die von Frankreich 1800 Quadrat⸗ 
meilen, die von Deutschland 3600 Quadratmeilen 
und die von England 9000 Quadratmeilen in sich 
— 
Judiens von 35,000 Quadratmeilen vergleicht, 
dann mit den 193,870 von Nord⸗Amerika und 
den über 200,000 von China — erlangt die Frage 
eines internationalen billigen Kohlen-Transportes 
die höchste Bedeutung. 
Wien. Der Mörder des Floridsdorfer Po⸗ 
lizisten Blöch ist wirklich erkannt als der Schuh— 
macher Stellmacher aus Grottkau. Ein Amts—- 
schreiber Roͤßler in Dresden muthmaßte Dies nach 
dem öffentlichen Signalement (2 Warzen an der 
linken Wange), ging dann auf die Polizei, ließ sich 
die von Wien übersandte Photographie zeigen und 
erkaunte den Mörder als den Korporal Stellmacher, 
mit dem er 1876 im sächsischen Grenadier- Regi— 
ment gedient hatte. Stellmacher war von dort in 
die Schweiz desertirt. 
F Durch Wiener Blätter läuft augenblicklich 
eine Notiz, in welcher das Schicksal eines 
Briefes mitgetheilt wird. Derselbe war von 
einem Wiener Bezirk in einen andern bestimmt, 
kam aber erst sieben Monate nach seiner Absendung 
in die Hände des Adressaten, und zwar — von 
den Azoren⸗-Inseln. Er hatte die weite Reise nach 
der atlantischen Inselgruppe in einer Zeitung ge⸗ 
macht, in welche er sich in dem Briefkasten einge— 
schoben hatte. Die Wiener Zeitungen beschaäftigen 
sich mit Vorschlägen, welche ein solches Vorkomm⸗ 
nis verhindern können. Sie gehen dabei von der 
Voraussetzung aus, daß ähnliches häufiger vorkommt. 
Und das kann man durchaus bestätigen, namentlich 
was Postkarten anbetrifft. Briefe in Drucksachen 
eingeschoben, findet man auch, aber doch nur selten; 
Postkarten, welche sich in Kreuzbandsendungen ein— 
geschoben hatten, recht oft. Namentlich sind Send⸗ 
ungen in offenen Briefcouverts, deren offene, zum 
Ankleben bestimmte Seite bei Dreipfennigsendungen 
eingeschoben wird, den Postkarten gefährlich. So 
fand man noch kürzlich in einem solchen offenen 
Briefe eng aneinandergeschmiegt drei Posikarten nach 
zanz verschiedenen Bestimmungsorten. Dies kann 
am besten dadurch vermieden werden, daß man die 
Postkarten, ehe man sie in den Briefkasten einwirft, 
zur Hälfte umknifft, wodurch bewirkt wird, daß 
dieseibe nicht flach hineinfällt, sondern hohl auf die 
anderen Briefschaften zu liegen kommt, mithin sich 
nicht in solche hineinschieben kann. Auch in den 
spateren Stadien der Bearbeitung (beim Leeren der 
Briefkasten, Sortieren ꝛc.) wird dadurch ein Ver—⸗ 
schieben der Kreuzbandsendungen wesentlich verhin— 
dert, und hat dies einfache Mittel in allen Fälien, 
wo es bisher angewendet wurde, den erwmünschten 
Erfolg qehabt. 
FParis, 3. Febr. Abermals hat unser Ge— 
richt in einer der leider schon altbekannten „Vitriol⸗ 
Attentats- Affairen“ zu entscheiden gehabt. Eine 
Frau hatte neben ihrem Gatten einen Liebhaber 
detterer wurde ihr „untreu“, worauf sie ihn der⸗ 
artig mit Vitriol begoß, daß er alsbald starb, ein 
Versfahren, das den Beifull der Pariser Geschworenen 
in so hohem Giade fand, daß sie am lehten Sams. 
33 de wackere Frau ohne Weiteres freisprachen. 
Pablikum zollte — wie der „Figaro“ seinem 
ericht hinzufügt — den üblichen Beifallt!! 
—V—— der Repanche wird im 
8 e ntiprussien besungen.) Das 
Jun nmn ein Gedicht, in welchem die Ermordung 
enn nade flehenden Gefangenen und die Nie⸗ 
nnung der Hauser und Wälder verherrlicht 
werden. Es heißt in dem Gedicht: „Umsonst 
eet ihr stohnen und um Gnade flehen —vDie 
Aurtwrer von Sedan — Werden zu uns, den 
egern kommen, durch den Raum hin rufend 
„„Auge um Auge! Zahn um Zahn.““ — Eure 
Wälder, Eure Häuser, Eure Paläste, Eure Wun⸗ 
derwerke — Werden trotz Euer Königlein — 
Brennen in jenem Feuer, das in Bazeilles entzün⸗ 
det — Die bayerischen Soldaten! — Und Eure 
blonden Greichen, deren ländliche Töne — Eure 
Tchos wachrufen — Werden eines Tages ihre me— 
ancholischen Lieder — In den Armen des Turkos 
nden!“ Das idhyllische Gemüth der generösen 
Antiprussiens“ enthüllt sich in diesen Versen gar 
jerrlich und kann es offenbar kaum erwarten, bis 
Wie eine Lawine — die Straße fegend — Die 
Franzosen sich um ihre Rache zu nehmen — von 
Ztraßburg nach Betlin stürzen werden.“ 
F Ein gräflicher Drehorgelspieler!) 
In letzter Zeit zog durch die. Straßen Warschaus 
ein junger Italiener mit einer Drehorgel. Unlängst 
vurde bekannt, daß dieser Leierkastenmann ein Graf de 
Serevare war. Derselbe erstammt einer vornehmen, 
aber verarmten Familie, und da er keinerlei Erzie⸗ 
jung genossen hatte, entschloß er sich, gleich vielen 
einer armen Landsleute, sein Brod in der Ferne zu 
erwerben. Plötzlich wird er in Warschau gesucht, 
um den Nachlaß eines kürzlich verstorbenen Oheims 
anzutreten. Gleichzeitig wurde ihm eine ansehnliche 
Summe zur Verfügung gestellt, um in die Heimath 
zurückkehren zu können. Vrergnügt machte er sich auf 
d)en Weg, nachdem er seinen Leierkasten einem 
armen Landsmanne geschenkt hatte. 
F In einem Städtchen Südrußlands war 
'm Sommer 1880 ein Mann im trunkenen Zu⸗ 
tande auf eine Nacht in's Wachtlokal gebracht, von 
dort aus Versehen am Morgen mit wirklichen Ge— 
angenen an die Kerkerverwaltung geliefert und 
313 Jahre lang vergessen worden, weil niemals 
eine Revision der Kerker stattgefunden hatte und 
eine Bücher geführt wurden. Der Mann war 
Ingenieur, heute ist er ein Bettler! 
F New⸗-NYork, 7. Febr. Den hier bis Mitter⸗ 
nacht eingegangenen Berichten zufolge nehmen die 
Wasserfluthen im Westen zu. Der Schaden in 
Pittsburg wird auf eine Million Dollars geschäßt, 
3000 Personen sind obdachlos und vorläufig in 
jffentlichen Gebäuden untergebracht. 
F New⸗-York, 7. Febr. Im Ohiogebiet sind 
'n Folge heftiger Regengüsse und Schmelzen des 
Schnees Ueberschwemmungen eingetreten, die Fluth 
teigt stetig und der Bahnverkehr ist unterbrochen. 
Durch die Ueberschwemmung sind große Verluste 
herbeigeführt werden. Nach Berichten aus Virginia, 
West⸗ Pensylvanien und Ohio stocken in Folge der 
Ueberschwemmung die Mühlen. In Louisville und 
Pittsburg wurde großer Schaden angerichtet. In 
Tincinnati wird eine stärkere Fluth befürchtet, als 
in den letzten Jahren. 
xGn Amerika gestorben.) Die, N.Y. 
St.“3.“ schreibt: „Einer der achiungswerthesten 
deutschen Bürger in Cincinnati, Paul Wilhelm 
Zeuner, ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Er 
var im Jahre 1803 zu Butzbach in Hessen-Darm⸗ 
itadt geboren und im alten Vaterlande ein geschick— 
ter Maschinist. Mit Begeisterung betheiligte er sich 
an den Freiheitsbestrebungen im Anfange der Drei— 
ziger Jahre. Er wurde deßhalb in die Untersuch⸗ 
ung gegen Pfarrer Weidig, gegen August Becker 
ind gegen andere hessische Patrioten verwickelt, die 
ange Jahre im Gefängnisse schmachteten und von 
denen der edle Weidig einen tragischen Tod im 
terker fand. Zeuner gelang es damals, unter 
allerlei Gefahren Bremerhafen zu erreichen, wo ihn 
ein freiheitsliebender Schiffskapitän im Schiffsraume 
verbarg, bis das Schiff in die See stach, und von 
vo aus er dann glücklich nach Newyork entkam. 
Dort fand er bald passende Beschäftigung als Er— 
»auer von Feuerspritzen. Seine Verhälinisse ge— 
talteten sich bald so günstig, daß er seine in 
Deutschland zurückgelassene Braut nachkommen lassen 
onnte und sich mit ihr verheirathete. Auch in der 
neuen Heimath betheiligte er sich lebhaft an den 
politischen Fragen der damaligen Zeit. Spaäter 
iedelte er nach Cincinnati über. In der Ofenin⸗ 
ustrie im Westen hatte er durch Einführung besseren 
Beschmacks und künstlerischen Formen Epoche gemacht. 
fCGiesenschornstein.) Der größte und 
kühnste Schornstein, ein staunenerregendes Werk der 
eutigen Bauchtechnik, der die Riesenschornsteine von 
Weston (320 Fuß Höhe) und Termant (360 Fuß 
Hohe) überragt, ist der zur chemischen Fabrik in 
St. Rollar in England gehörende. Derselbe ist 
120 Fuß hoch und hat an der Basis 40 Fuß, an 
der Spitze 3 Fuß 6 Zoll Durqchmesser. Im In⸗ 
nern befindet sich ein gleicher, ganz freistehender 
Schornstein, um eine starke Abkühlung zu verhin⸗ 
dern. Der Bau dieses Riesenschornsieins wurde 
29. Juni 1841 begonnen und am 29. Juni 1842 
beendet. 
fF (GZucker zum Weichkochen von Erb—⸗ 
sen und Bohnen.) Um diese Hülsenfrüchte 
in Brunnenwasser weich zu kochen, seßzt man ge⸗ 
wöhnlich etwas Soda zu. Die Speise crhält je— 
doch dadurch einen faden unangenehmen Geschmack. 
In der „Wiener Illustr. Gartenztg.“ empfiehlt 
man die Anwendung von Zucker statt Soda. Wird 
dem Wasser ein wenig Zucker zugesetzt, und werden 
die Hülsenfrüchte darin gekocht und danach mit ge- 
vöhnlichem Salz gewürzt, so kochen sie sich weich 
und nehmen einen trefflichen Geschmack an. In 
Familien, in welchem man viel dieser vorzüglich 
aährenden Hülsenfrüchte kocht, wird man gewiß 
einen diesbezüglichen Versuch gern machen. 
Marktberichte. 
Zweibrücken, 7. Februar. (Fruchtmittelpreis und Vik⸗ 
ualienmarkt.) Weizen 8 M. 68 Pf., storn 7? M. 82 pf., 
*pelz O M. — Pf., Spelztern — M. — pPf., Dinkei 
—WM.—Pf., Mischfrucht 8 M. 12 Ppf., Hafer 6 M. 
7 Pf., Erbsen d M. — Pf., Widen 0 M. — Pf., 
derste zweireihige 6 M. 61 Pj, vierreihige O M. — Pf., 
dartoffeln 1 M. s80 pf., Heu 3 M. 20 Pf., Stroh 3 M. 
0 Pf., Weißbrod 193 Kilogr. 52 Pf. Korubrod 3 Kils 
33 Pf. Gemischtbrod 8 Kilogr. 78 Pf., paar Weck 90 Gr. 
Pf., Rindfleisch J. Qual. 60 Pf. II. Qual. 56 Pf., Kalb⸗ 
leisch 50 Pf. Hammelfleisch 60 Hf., Schweinefleisch 58 Pf., 
Butter /3 Kilogr. O M. 95 Pf., Wein 1 Liler 80 Pf., 
Bier 1 Liter 24 Pf. 
Homburg, 6. Februar. (Fruchtmittelpreis und Viktu— 
lienmartt.) Weiten 9 M. 25 Pf. Korn 7 M. B8 Pf. 
Spelzlern — M. — Pf. Spelz d M. — Pf., Gerfie 
reihige O M. — Pf. Gecste üreihige — Mpf., 
dafer 6 M. 583 Pf. Miischfrucht 7 M. 63 pf., Erbsen 
— M. —, Pf., Widen 0 M. — pf., Bohnen 0O M. 
7 Bf., Kleesamen — M. — Pf., Kornbrod6 Pfund, 
30 Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 72 Pf. Ochsenfleijsch — Pf. 
Rindfleisch 60 Pf., Kalbfleisch 50 Pf., Hammelileisch — Pf. 
Schweinefleisch 50 Pf. Butter 1 Pfund 1 M. 00 pf.— 
dartoffeln per Zentner 1 M. 60 Pf. 
Landstuhl, 4. Februar. (Fruchtmittelpreis und Vik. 
ualienmarkt.) Weizen O M. — Pf. Korn d M. — pf. 
Spelz0 M. — Pf. Hafer 6 Mi. 40 Pf., Gerste 0 M. 
7 Pf., Wicken — M. — pf., Erbsen0 M. — pf. 
Linsen — M. — Pf., Kleesamen M. Pf., Kartoffeln 
per Ztr O M. — Pf., Kornbrod 6 Pfd. 68 Pf. Weis- 
brod 2 Pfd. 45 Pf., Gem. Brod 2 Ppid. — Pf., Butter 
per Pfd. O M. 90 Pf., Eier per Dutzend 78 Pf. 
Kaiserslautern, 5. Februar. (Fruchtmitielpreis und 
Viktualienmarkt) Weizen 9 Mk. 14 Pf., Korn 7 M. 
80 Pf. Spelztern — M. — ppf., Spelze6 V. 66 pf. 
Berste 6 M. 46 Pf., Hafer 6M. 63 pf. Erbsen 0O M., 
— Pf. Wicken O M. — Pf., Linsen — M. — Pf. Klee⸗ 
samen — M. — Pf., Schwarzbrod 6 Pfund 46pf., 
8 Pfd. 835 Pf., Gemischtbrod 3 Pfund 40 Pf., Butter pro 
Pfd. O,95 - 0,00 M. Eier per Dd. 96 Pf.. Kartoffeln per 
Zentner 1M. 90 bis O M. — Pf. Stroh 8 M. 25 Pf., 
vis 0O M. — Pf., Heu pro Ctr. 8 M. 20 Pf., bis O M. 
— Pf., Kleeheud M. — Pf. bis 0O M. — pf. 
Ster befälle. 
Gestorben: in Schifferstadt die Gatlin von 
Dermann Schuster, Elisabetha geb. Rupp, 838 J. 
a., in Grünstadt Joseph Dorner, 48 J. a., in 
Kaiserslautern Frau Elifabeth Eicher Wwe. geb. 
Bardens, 71 J. a 
Eisenbahn⸗Dienstes nachrichen. 
Vecsetzt wurde: der Diätor August Schmelzle von der 
Lontrole in Ludwigshafen in gleicher Eigenschaft zum ma⸗ 
chinentechniscwen Bure au daselbst. 
ur die Pedaltion verant· ortlich· F. x. Deme 
Noch nie hat ein Unlernehmen solchen Anklang 
efunden, wie dasjenige des St. Johaunes-gZweig⸗ 
Bereins in Aschaffenburg und dessen Lotterien 
ür arme verwaiste Kinder aus dem Spessart. 
Wie viele in tiefster Armuth schmachtende Kinder 
at dieser wohlthätige Verein schon gerettet! Arme 
Znaben unterstellt er tüchtigen Meistern: er läßt. 
ie vorzüglich in der Holzschnitzerei, in der Filzschuh⸗ 
abrikation, in der Korbflechterei und solchen Be— 
chaftigungen unterrichten, welche dazu angethan sind, 
eine umfangreiche, sichere, in die Lebensverhältnisse 
des rauhen waldigen Spessart eingreifende Insti⸗ 
rution zu schaffen. Viele Knaben werden auch im 
Aschaffenburger Waisenhause und bei tüchtigen Lehr— 
neistern untergebracht. Auch für die armen Mäd— 
hen aus dem Spessart ist gesorgt. Es blüht be— 
ceits in der Mitte des Spessart eine weibliche Er⸗ 
iehungsanstalt, die schon gar viele in tiefer Armuth 
chmachtende Waisen zu heitern, thätigen Kindern 
umschuf, und freudig kommt das Vertrauen der 
Bevölkerung der seltsamen Thätigkeit des Vereins 
entgegen. Die Spessarttotterien haben nun den Zweck, 
die nöthigen Geldmittel zu verschaffen, um das an— 
gestrebte Ziel zu ereichen. Daher aus tausend 
armen Kinderherzen innigsten Dank allen Guten, 
die durch Ankauf von Spessartloosen dieses schöne 
Werk zu fördern suüchen!