Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
Der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs
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M 28. Sonntag, 10. Februar 1884.
*Die neue Krisis in Frankreich.
histen besitzen keine genialen, die Franzosen be⸗
trickenden Führer, sondern nur bekannte Maul⸗
jelden, deshalb können sie sich höchstens zu einer
Intrigue, aber zu keiner großen, politische Epoche
machenden That erheben. Auch hat die französische
Republick noch genug besonnene Männer zu ihren
Anhängern, um den Wiedersachern zu begegnen,
eine ernste Gefahr scheint daher für die französische
—V
mit fatalen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.
Politische Uebersicht.
Deutsches RNeich.
München, 6. Jan. Se. Majestät der König
von Portugal hat, den früheren Bankier und nun—
nehrigen Rentier Herrn J. F. Ruederer hier
zum Konsul in München ernannt. In Bayern be—⸗
stand bisher nur in Nürnberg ein poriugiesisches
consulat.
Badische Braumalzsteuer. Eine greu
liche Confussion herrscht in den Kreisen der badi⸗
chen Bierbrauer über das vorgeschlagene Braumalz
teuergesetz. Die Herren petitionirten alle an die
ammern. Aber der Eine will die Beibehaltung
der bisherigen Kesselsteuer, der Andere die Brau—
nalzsteuer ohne alle Umstände, der Dritte will nur
8 Mark Malzsteuer per 100 Kilo zahlen, der
Vierte versteht sich zu 9 M., keiner aber zu den
von dor Regierung verlangten 10 Mk. Was soll
nun da die Regierung, was soll da ein braver
Polksvertreter hhun? Die Zeit wird's lehren.
Ausland.
Kairo, 7. Febr. Der Totalverlust der egyp⸗
tischen Truppen bei Tokar beträgt 2250 Mann,
darunter 96 Offiziere, davon 16 Stabsoffiziere.
Bater telegraphirt, er verfüge jetzt noch über 3500
Mann, wovon jedoch ein Drittiel unbewaffnet sei.
Kairo, 7. Febr. Nach Meldungen des Reu—
lerschen Bureaus wurde Gordon frühestens morgen
in Berber erwartet, es ist kaum möglich, daß Nach—
tichten über ihn früher eintreffen können. Die
Berüchte über seine Gefangennahme werden als
zure Goni⸗ektur angeseßen
Eine Regierungskrisis in Frankreich ist für
dieses Land und überhaupt für die Welt ein ge—
wöhnliches Ereigniß von selten hoher Bedeutung,
denn seit dem Bestehen der dritten französischen Re—
publik hat man erfahren, daß sie allerdings poli⸗
tische Krisen der seltsamsten Art Dutzendweife hatte
und daß die Minister in ganzen Sektionen der
parlamentarischen Schlachtbank zum Opfer gebracht
wurden, daß aber trotzdem seit dem zwölfjährigen
Bestehen der französischen Republik ein wirklich
grundstürzendes Ereigniß nicht stattgefunden hat
und schließlich das republikauischdemokratische Re—
gierungsprincip in Frankreich doch noch mit genug
Klugheit und Mäßigkeit gehandhabt wurde, um
das republikanische Staatsschiff über Wasser zu
halten. Man darf daher auch die neueste Krifis
in Frankreich nicht besonders gefahrooll auffassen,
denn das Ministerium Ferry wird immer noch von
den beiden stärksten republikanischen Parteien, der
republikanischen Union und der demokratischen Ver—
einigung, unterstützt und braucht sich die beiden
üngst erlittenen Niederlagen im Senat und der
Deputiertenkammer nicht besonders zu herzen zu
nehmen, zumal diese Niederlagen sich um keine
politischen Principienfragen, sondern um parlamen⸗
tarische Wortstechereien drehten, denen Jules Ferry
durch ein leicht einlenkendes Manöver den Boden
hätle entziehen können. Im Uebrigen bleibt aber
Jules Ferry mit seinen Ministercollegen am Ruder
und wird mit Energie versuchen, den Schwierig⸗
keiten der Situatiou sich gewachsen zu zeigen. —
Diese Schwierigkeiten sind dieses Mal für Frank—
reich allerdings besonders verwickelter und delika—
ler Natur. Nichts Geringeres als die Brodfrage
der französischen Arbeiter und das Schreckensge⸗
spenst der rothen Republik ist in die —X0
Diskussion der Deputiertenkammer Frankreichs ein⸗
detreten und da es gegen Ardeitsmangel
und Nahrungsnoth weder in der französischen
Republik noch in sonst einem Staate besonders
wirksame Mittel giebt, noch geben kann, so erscheint
das Ministerium Ferry leicht in der peinlichsten
Verlegenheit, weil die Radikalen und Communisten,
Monarchisten und Bonapartisten Frankreichs dreist
denug sind und die gegenwärtige französische Re—
gierung für sociale und wirthschaftliche Nothstände
xerantwortlich machen, deren Abhälfe in der Macht
einer Regierung liegt. Oder sollte Jules Ferry
nit seinen Ministern wirklich für Mißernten und
Handelskrisen des Landes und für die sociale
Unvollkommenheit des französischen Volkes, für
ꝛessen Leichtlebigkeit und Unmoralität in gewissen
Bolksschichten und den daraus entstandenen sozialen
Schaden haftbar gemacht werden?! — Kein ge⸗
techter und vernünftiger Mensch in Frankreich wird
der Regierung dergleichen zumuthen, aber die— poli⸗
ischen Intriguenten und ehrgeizigen Streber be—⸗
uutzen diese Gelegenheit, um ihre Eisen zu schmie—
»en. Die Radikalen unter Cléͤmenceaux wollen
mit Hülfe der Nothlage des vierten Standes die
wahre Demokratie, die echte Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, errichten, und die Monarchisten und
Bonapartisten schmeicheln den Arbeilern und dem
„Volke“ auch, machen aber gleichzeitig den franzö—
ischen Bürgern vor der drohenden „rothen Rupu⸗
lik“ bange, um die Franzosen die einzige Rettung
nm einem Konig- oder Kaiserreich erblicken zu lassen
Aber die in unnatürlicher Gemeinschaft operirenden
Nanöver der Radikalen Kommunisten und Monar
Lokale und pfälzische Nachrichten.
— Die Nachricht, daß anläßlich des Pirma—
senser Postraubes ein dortiger Geschäftsmann
derhaftet worden sei, wird der „Pf. Pr.“ von
derrn Geschäftsmann Chr. Guckes in Pirmasens
als „bodenlose Erfindung und gemeine Lüge“ be—
zeichnet. (3. 3.)
— Speier, 7. Febr. Oer von 265 Um—
lagepflichtigen gegen das Budget der Stadt Speier
für das Jahr 1883 erhobene Einspruch ist vom
igl. Ministerium in letzter Instanz zurückgewiesen
worden. Das Budget fuͤr 18883 ist demnach rechts—
giltig.
— Haßloch, 6. Febr. Bei der heutigen
Verpachtung der hiesigen Jagd (Feld- und Wald—
lagd) wurde in Summa ein jährlicher Pachtzinẽ
yon 5560 Mk. erzielt gegen 3620 Mt. des vor—
Jergehenden Bestandres.
— Die allgemeinen Fortbildungskonfe—
senzen des Lehrerpersonals an den Volks—
chulen der Pfalz werden am 30. April, 25. Juni
ind 13. August, die besonderen am 5. März, 2
April, 28. Mai und 23. Juli l. J. abgehalten.
Die Konferenzorte bleiben die nämlichen wie im
yerflossenen Jahr. Lokal und Stunde des —R
»er Konferenzen werden durch den Haupilehrer be—
annt gegeben.
19. Jahrg.
Verm ischtes.
Am Dienstag früh wurde in Mettz der Raub—
mörder Sonnenschein eingeliefert; es dürfte
bei dieser Gelegenheit nicht uninteressant sein, über
die s. Z. stattgehabte Flucht Näheres zu erfahren.
Gleich nach dem an der Wittwe Schneider Queu—⸗
leu verübten Verbrechen war man den Thätern auf
der Spur. Kurowsky der Hauptthäter und An—
stifter wurde Nachts im Bette verhaftet, dann wollte
nan zur Arretirung Sonnenschein's schreiten. Die
Polizei begab sich nach dessen Wohnung, auf der
Treppe begegnete ihr ein Mann in Hemdsärmel
ind blauer Schürze, welchen man fragte, wo
Sonnenschein wohne? Mit der Antwort „Oben“
ging der Mann, der selbst Sonnenschein war,
weiter, trieb sich noch 152 Tage in der Stadi
herum, ohne daß man seiner habhaft werden konnte.
Es begünstigte ihn sein jugendliches Alter (26
Jahre) bei der Flucht über die Grenze, indem er
sich in Frankreich als Deserteur ausgab.
7O berstein, 8. Febr. In dem benachbar⸗
ten Idar, gegenüber dem „Schützenhofe“, sind
gestern Vormittag durch Rutschen von Berg⸗
massen, verursacht durch die heurige nasse Wine—
rung, drei am Fuße der Anhöhe stehende Wohn⸗
häuser so stark beschädigt worden, daß das Ver—⸗
lassen der Hausbewohner von polizeilicher Seite
angeordnet werden mußte. (S. u. Bl.⸗Ztg.)
FGeuentdecktes Augenleiden.) In
„drangvoll fürchterlicher Enge“ während einer
Sonntags⸗Vorstellung im Berliner Opernhause
tritt, so erzählt „Schorers Familienbl.“, ein wuch—
liger Schlachtergeselle seinem Gallerienachbar, einem
Schneider, in aller Herzhafkigkeit des Musikent⸗
husiasmus auf den Fußk. Der Schneider schreit
entfetzlich, der Schlachter aber applaudiert weiter,
ohne ein Wort über die Angelegenheit zu verlieren.
Wüthend über die doppelte Ruͤcksichtslosigkeit ruft
der Kleiderfertiger: „Na, wenigstens koͤnnten Sie
sich doch entschuldigen. wenn Sie hier meine Zehen
als öffentliche Promenade benutzen!“ Der Schlach-
ter bhlickt ruhig auf den kleinen Schneider herab
und sagt? „Hab ich Ihnen getreten ? Ich dachie,
das hätten Sie jar nicht jemerkt!“ Da läuft dem
Radelhelden völlig die Galle üuber, und er repli⸗
ziert mit allem Mannesmuth: „Den Tritt nicht ge⸗
merkt? Sagen Sie mal, Sie glauben wohl, ich
din farbenblind auf die Hühneraugen?!“
F Die „Frankf. Ztg.“ meldet? Wie wir er—
ahren, gedenkt Herr Henry Villard (Hilgard)
demnächst nach Deutschland zu kommen.
Gie längste Brücke) Die von den
Amerikanern aufgestellte Behaupiung, die Brücke,
welche New⸗York mit Brooklyn verbindet, sei die
längste der Welt, wird auf das entschiedenste be⸗
kämpfk, und zwar von den — Chinesen. Eine in
Peking erscheinende Zeitung berichiet nämlich, daß
die New⸗Porker Brücke nichts sei im Vergieich zu
der in Lang-Lang in China befindlichen, welche auf
300 Pfeilern ruhend, eine Länge von 8 englischen
Meilen und eine Breite von 70 Fuß besitzt. Den
Kopf eines jeden Brückenpfeilers ziert ein 21 Fuß
langer Löwe, der aus einem einzigen Marmorblod
gemeißelt ist. „So kleine Brücken“, schließt das
Blatt wegwerfend, „wie die zwischen Newyork und
Brooklyn errichtete, bauten wir Chinesen schon
lange vorher, ehe einer von Euch rothhaarigen Bar⸗
haren eine Ahnung davon hatte, daß ein Amerika
zxistierte.“
Newyork, 7. Febr. Den jüngsten Mel⸗
ungen zufolge lassen die Regengüsse im Weslen