Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
er ‚St. Iugberter Auzeiger“ erscheint wbchentlich füufmalz: am Tontaga, Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal woͤchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
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MA 255. 
Deutiches Reich. 
Berlin, 29. Dez. Heute heißt es mit großer 
zestimmtheit, Fürst Bismarck habe dem Kaiser am 
Freitag übet das Branntweinmonopol 
zortrag gehalten. Gestern bereits habe sich das 
reußische Staatsministerium damit beschaͤftigt; be⸗ 
annllich soll, entsprechend dem Vorgang bei dem 
Tabakmonopol, auch das Spiritusmonopol als An⸗ 
rag Preußens an den Bundesrath gelangen. 
Berlin, 30. Dez. Die Versuche, die west⸗ 
eutschen Spiritusfabrikanten dadurch gegen das 
Monopol einzunehmen, daß verbreitet wird, für 
Zualilats⸗Spiritus solle ein gleicher Preis wie für 
darioffel ⸗Spiritus bezahlt werden, Saben keine 
hatsachliche Unterlage; im Gegentheil, in dem 
hesetzentwurf wird ausdrücklich betont, daß für 
zessere Qualitäten entsprechend höhere Preise gezahlt 
derden. Auch diejenigen Spritfabriken, die auf 
Zollausschlüssen vorhanden sind, sollen ferner be⸗ 
tehen bleiben. 
Berlin, 30. Dez. Der preußische Landtag 
vird zum 14. Januar einberufen werden; es steht 
etzt fest, daß demselben keine die Reform direkter 
Steuern bezweckende Vorlage gemacht werden. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 37. Dez. „Prosit 
teujahr!“ Tausendfach ertönt dieses Wort bei 
er Jahreswende von Mund zu Mund. Und „Pro—⸗ 
it Neujahr!“ so rufen wir auch hiermit allen un⸗ 
eren verehrlichen Lesern und Leserinnen zu. Mag 
uch manchem bangen vor dem Eintritt in das neue 
dahr, kann auch der Klang der Sylvestergloden 
Sorgen und Kummer, die das Gemüth bedrücken, 
nicht bannen, so darf der Mensch doch nicht ver⸗ 
weifelnd in die Ferne blicken. Gotitvertrauen, Ge⸗ 
zuld und Hoffnung sind sichere Begleiter durch daͤs 
Dunkel der Zukunfst. Wohl wird das neue Jahr 
ucht allen Wuünschen und Hoffnungen Erfüllung 
ringen. Mag aber auch kommen, was da wolle, 
nicht von Außen allein dürfen wir eine Besserung 
inserer Verhaältnisse erwarten; durch eigene An- 
trengung und Opfer muß ein Jeder sein eige⸗ 
les Geschick wie das der Gesammtheit zu verbessern 
rachten. Möge es darum bei Allen von Neujahr 
in heißen: „Sehet, das Neue findet uns neu!“ 
Wenn so ein Jeder als neuer Mensch entschlossen 
väre, den Kampf gegen Trägheit und Selbstsucht, 
jegen Neid und Mißgunst, gegeu unlautere Be⸗ 
zierden und Heuchelei, gegen Kriecherei und Arro⸗ 
janz aufzunehmen und, Jeder an seiner Stelle, 
unuͤchst im Kleinen, bei sich selbst, in seiner eigenen 
ʒamilie, in Werkstatt und Gemeinde gewissenhaft 
ind treu zu sein trachtete, dann würde es sicher 
nuch im Großen besser werden und manche Klage 
nüßte verstummen. Daß es dazu komme, sei bei 
er Jahreswende unser herzlicher Wunsch. 
.St. Ingbert, 831. Dez. Die gestern im 
Saale des Hotel Haut zu Blieskastel stattgehabte 
Jahresversammlung des Bezirkslehrervereins 
Blieskast elSt. Ingbert war sehr stark be— 
ucht. Durch einen Chor und eine kurze Ansprache 
»es Vorstandes, Herrn Lehrer Drescher in Wol · 
ersheim, in welcher derselbe die Anwesenden mit 
jerzlichen Worten begrüßte, wurde die Versammlung 
röffnet. Das hierauf folgende Referat über „den 
rziehenden Unterricht nach Herbart“ (vorgetragen 
»en Herrn Verweser Leopold in St. Ingbert) 
Jatte sich einer allgemeinen, sehr beifälligen Auf-⸗ 
ahme zu erfreuen. In ansprechender Form ver— 
reitete sich Referent über das Verdienst Herbarts 
Donnerstag, 31. Dezember 1888. 20. Jahrg. 
ür die wissenschaftliche Gestaltung der Pädagogik, 
iber das Wesen des erziehenden Unterrichts, wie es 
n den Schriften des Autors niedergelegt ist, über 
ie Einseitigkeiten, zu denen die Nachfolger Her⸗ 
zarts, in erster Linie Ziller, gelangt sind, sowie 
iber die dadurch entstandenen Neinungsvberschieden ˖ 
Reiten in der paäͤdagogischen Welt. Der gelungene 
hortrag rief eine sehr lebhafte Diskussion hervoer, 
n welcher nochmals das Verdienst Herbarts um 
ie Pädagogik als Wissenschaft betsnt wurde. — 
zum zweiten Punkte der Tagesordnung lag nichts 
esonderes vor und konnte darum schnell über den⸗ 
elben weggegangen werden. Mit einem Hoch auf 
Seine Masesiät den König und dem Gesange: „Die 
goͤglein regen ihre Schwingen“ wurde die Ver⸗ 
ammlung beschlossen. 
— Zweibrücken, 28. Dez. Am Sonntag 
Nachmittag waren im Stadtrathsälchen Stadträthe 
»on Hornbach und Mitglieder des Eisenbahn⸗ 
domites, worunter Herr Bezirksamtmann Dr. 
Schlagintweit und die drei Herren Abgeordneten, 
erfammelt, um wegen der Erbauung einer Eisen⸗ 
ahn von Zweibrücken nach Hornbach zu berathen. 
— Aus München, 28. d. M., wird dem „Pf. 
dur.“ geschrieben: Der Landtagsabgeordnete Julius 
Nüller(Landgerichtspräsident in Kaiserslaute rn) 
satle bedauerlicher Weise das Unglück, heute Nach— 
nittag auf einer Stiege des Landtagsgebäudes aus- 
ugleiten und sich nicht unerheblich zu verletzen. 
— Olsbrucken, 29. Dez. Auf der Station 
Antersulzbach wurde gestern Abend von dem letzlen 
iach Lauterecken verkehrenden Zuge Wittwe Hohmann 
zurch eigenes Verschulden überfahren und getödtet. 
— Edenkoben, 28. Dez. Der auch in 
veiteren Kreisen bekannte, eben hier weilende Schau⸗ 
pieler B. hat heute eine kleine Probe seines vor⸗ 
refflichen Appetits abgelegt. Er ging nämlich 
jestern die Wette ein, 12 Cervelatwürste von zu— 
ammen 144 Etm. Länge zum Frühstück zu ver⸗ 
ehren, wenn ihm solche bezahlt würden. Heute 
zerspeiste unser Held in der That diesen riesigen 
Wurststrang in größter Gemüthsruhe und machte 
zann die Bemerkung: „So, jetzt habe ich Appetit 
zum Mittagessen!“ 
— Vonm Gräfenstein, 29. Dez. (EC. T.) 
In unserer Gegend macht eine Erbschaft in Peters⸗ 
zurg in jüngster Zeit viel von sich reden. Es ist 
ämlich in Petersburg ein Baron von Stieglitz 
estorben. Dieser hatte einen Diener Ramens Helf⸗ 
ich. Der Letztere ist aus Leimen gebürtig und 
dar bei dem Äbleben seines Herrn mit einer großen 
Zumme bedacht worden. Nach eingezogenen Er⸗ 
undigungen wurde der obige Thatbestand von dem 
eutschen Konsulate in Petersburg als glaubwürdig 
efunden mit dem Bemerken die dabei interessirten 
xeben mögen sich an den Anwalt Voß in Peters⸗ 
zurg wenden, welcher die Erbschaftsangelegenheiten 
eb obigen Barons zu besorgen hat. Wie man 
mnfangs hörte, solle die Erbschaft 13 Millionen 
tubel betragen. Wahrscheinlich müssen sich die 
Frben Helfrich, deren Stamm sehr verzweigt ist, 
X— 
— Neusadt, 27. Dez. Gestern tagte hier 
er Verwaltungsrath der pfälzischen Kreisfechtschule 
ur Errichtung eines Kreiswaisenhauses für die Pfalz 
ehufs endgiltiger Feststellung und Beschlußfassung 
der revidirten Statuten. 
Duürkheim, 28. Dez. Die am hohen 
eihnachtsfeste regierungsseitig zu Gunsten der Er⸗ 
auung einer katholischen Kirche zu Leistadt in der 
idzese Speyer angeordnete Kirchen⸗Collekte hat in 
der Pfarrkirche dahier die ansehnliche Summe von 
208 M. 2 Pf. ertragen. 
— Auf Anregung des kgl. Bezirkßsamtes Ger— 
mersheim wurde auch in den Gemeinden Berg, 
Bächelberg und Scheibenhardt der 
Bierausschank mittelst Anwendung von Pressionen 
durch Ortspolizeibeschlüsse verboten. 
— Speyer, 29. Dez. Die Arbeitslosigkeit 
in den vereinigten Staaten von Nordamerika ist 
Jegenwärtig eine so große und ausgebreitete, daß 
Auswanderungslustige nur dringend gewarnt werden 
önnen, ihr Heil jenseits des Ocans zu suchen, be⸗ 
jor bessere Zeiten angebrochen sind. Ueberall stockt 
zas Geschäft, liegt Handel und Verkehr darnieder, 
ind leidet der Verdiensft. Kenner der transatlan⸗ 
ischen Verhältnisse rathen daher mit allem Nach⸗ 
druck unseren Landsleuten davon ab, die Schaaren 
der arbeits- und erwerbslosen Existenzen drüben 
noch vermehren zu helfen. Wer nur einigermaßen 
sein Auskommen daheim finden kann, thut am 
Besten, wenn er bleibt, wo erst ist. Den wenigsten 
gelingt es, ein Unterkommen zu finden; die meisten 
namentlich Familien, verkümmern im Elend und 
sehen ihrem sicheren Untergange entgegen. 
Bermteuͤschtes. 
Schwemlingen, 26. Dez. Ein drolliger 
Spaß hat sich vorgestern nach der „Merz. Zig.“ 
dahier zagetragen. Ein junges Pärchen wollte sich 
in der Pfarrkirche trauen lassen. Der Herr Pfarrer 
aber verweigerte die Vornahme der hl. Handlung 
uus verschiedenen Gründen. Da nun aber die 
Hochzeit bereit, das Mastvieh geschlachtet und die 
Bäste geladen waren, wurde trotzdem Hochzeit ge⸗ 
nacht. Der Jubel war sehr laut. Andern Tags 
ieß der Herr Pastor das Brautpaar rufen und 
raute es, da er befürchtete, die jungen Leutchen 
zießen es bei der Civiltrauung bewenden. Die Hoch⸗ 
zeit fand natürlich gerechte Fortsetzung. 
.7Merzig, asS., 29. Dez. Von den An⸗ 
zeigen über Bewucherung, welche dem Vereine 
zegen Wucher im Saargebiet vorliegen. verdient 
die nachsteheude besondere Erwähnung. — Ein 
Ackergutsbesißer schuldet einem Handelsmanne etwa 
3000 Mark. Um diese und einige andere Ver⸗ 
pflichtungen zu lilgen, entschließt er sich. Grund⸗ 
ftücke im Werthe von etwa 9000 Mark zu veräußern. 
kr überträgt dem Handelsmanne die Versteigerung 
ind bewilligt ihm hierflür 6 pCt. Provision und das 
Lufgeld mit 632 pCt. zu; außerdem hält der 
»andelsmann für den Fall des Nichtzustande⸗ 
ommens der Versteigerung sich eine Konventional- 
trafe von 375 Mark aus. Ungäünstige Zeitver⸗ 
— 
elsmann übernimmt außer seinen 3000 Mk. noch 
zie dringendsten Schulden des Ackerers mit etwa 
2500 Mark und stellt diesem außerdem wegen 
Nichtabhaltens der Versteigerung die 6 pCt. Provi⸗ 
ion mit 540 Mk. 623 pCt. Aufgeld mit 600 
Mark und die Konventionalstrafe mit 375 Mark 
in Rechnung. Der Ackerer erkennt diese Rechnung 
als begründet an und ertheilt dem Handelmann ein 
notarielles Schuldenerkenntniß im Betrage von etwa 
7000 Mark, welche als „baar empfangene Dar— 
lehen? bezeichnet werden. Der Handelsmann drängt 
nun auf Regelung der Sache; es wird eine neue 
Berfteigerung in größerem Umfange als die zuerst 
eabsichtigte in Ausficht genommen und demselben 
dandelsmanue mit 8 pCt. Provision, 62 pCt. 
Aufgeld und 300 Mark Konventionalstrafe über- 
ragen. Diesesmal findet die Versteigerung wirklich