Deutsches Reich.
Berlin, 22. Februar. Der Generalversamm⸗
lung des Deutschen Kolonialvereins unter dem
VBorsitz Fürst Hohenlohe⸗Langenburgs, wohnten
u. a. Bennigsen, Miquel, Hammacher, Wörmann,
Meier⸗Bremen, Prof. Adols Wagner und Lüderitz⸗
Bremen bei. Fuͤrst Hohenlohe⸗Langenburg betone
das Anwachsen des Vereins von 8000 auf 10,327
Mitglieder, wozu vor Allem die Kolonialpolitik des
Reichskanzlers beigetragen. Der Verein hat jetzt
die Aufgabe, für diese Kolonialpolitik weiterzuͤ⸗
wirken. Es ist nicht Aufgabe des Vereins, die
deutsche Auswanderung zu verstärken, sondern nur
die Ausgewanderten zu fördern. Diesen Zweck
vill der Antrag auf Einrichtung von Auskunfts-
bureaus erreichen. Hauptsächlich sollen diese zu
rrichtende Bureaus gegen die Verlockungen von
Auswanderungs;Agenten auftreten. Dann folgte
die Berathung des Antrages, den Sitz des Vereins
nach Berlin zu verlegen; derselbe wird einstimmig
angenommen. Als Ort der nächsten Generalder
sammlung wird Karlsruhe gewählt. Es folgte die
Berathung des Antrags: Einrichtung von Aus-
kunftsbureaus mit Kanzlei als Zentralstelle. Der
Antrag wird angenommen. Schließlich wird
der Vorstand beauftragt, dem Reichskanzler die
Hlückwünsche des Kolonialvereins zu seinem 70.
Geburtstage darzubringen. Hierauf wurde die
Bersammlung geschlossen.
Berlin, 28. Februar. Das Herrenhaus ge⸗
nehmigte die Eisenbahnverstaatlichungsvorlage und
die übrigen Gegenstände der Tagesordnung unver⸗
indert. Nächste Sitzung Mittwoch. Tagesordnung:
Hessen Nassauische Kreisprovinzialordnung.
Ausland.
Paris, 23. Februar. Im Tivolisaale fand
zestern Abend ein internationales Anarchisten- und
Arbeiter⸗Meeting statt, welchem circa 4000 Per-⸗
onen beiwohnten. Maret wurde zum Präsidenten
gewählt. Eine Delegation englischer Arbeiter,
zeführt von dem Parlamentsmitgliede Burt, über⸗
reichte eine Adresse zu Gunsten einer gemeinsamen
Aktion der englischen und französischen Arbeiter.
Burt protestirte gegen die Agitationen derjenigen,
velche beide Nationen miteinander uneinig machen
wollten und erklärte den Augenhlick für gekommen,
alle internationalen Streitigkeiten auf richterlichem
Wege und nicht durch Gewaältthätigkeit zu lssen.
Schließlich wurde eine Resolution angenommen,
worin gegen jede Politik eines Eroberungskrieges
protestirt und die Sympathie mit den Arbeitern
aller Nationen ausgesprochen wird.
London, 22. Febr. Die Nachricht von dem
Vorrücken der Russen in das Territorium in
nächster Nähe von Pendjeh wird von bestinformirter
Seite bestätigt und der „Observer“ stellt als
Begenzug die Proklamirung des englischen Pro⸗
ektorats über Afghanistan in Aussicht. Die Ab—⸗
sendung einer diplomatischen Note an Rußland
zilt als bevorstehend.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
— Zweibrücken, 23. Februar. Die
Versammlung des Pfalz-Saarbrücker Bezirksvereins
deutscher Ingenieure, welche gestern dahier abge⸗
halten wurde, war von den Mitgliedern, theils aus
der Pfalz, besonders aber aus der Saargegend,
ziemlich gut besucht. Gegen 1 Uhr begann die
Sitzung. Außer einer Vereinsangelegenheit, deren
Erledigung einige Punkte der Tagesordnung bildeten,
ind besonders herdorzuheben ein Vortrag des Herrn
Fabrikanten Ehrhardit von Malsiatt über einige
sehr interessante Beobachtungen an der Steuerung
einer Walzenzugmaschine, sowie die Ausführungen
des Zivilingenieurs Herrn Westmeyer aus St.
Johann über einen von ihm erfundenen und paten⸗
irten Schienengeleishebebock. Darauf folgte gegen
3 Uhr die Besichtigung dieses Hebebocks in Thätig⸗
keit auf dem Bahnhofe. Die Einfachheit und
Zweckmäßigkeit dieses Apparates wurde allgemein
anerkannt und war so das Resultat des Versuches
sehr zufriedenstellend. Dieser Besichtigung reihte
sich ein gemeinschaftliches Essen im Zweibruͤcker Hof
in, an welchem ungefähr 30 Personen Theil
ahmen uns das sehr gemüthlich und heiter verlief.
Herr Oberingenieur Müller von Kaiserslautern
nahm Gelegenheit, Herrn Westmeyer für seinen
Vortrag und seine Bemühungen zu danken und
rachte dem rüstigen Herrn, einem der ältesten
Mitglieder des Vereins, ein Hoch. — Als nächster
Irt der Versammlung wurde Neunkirchen
gewählt. (Zw. Zig.)
— Vommittleren Gebirges 20 Febr.,
chreibt man der „Allg. Wein ⸗Revue“: Die letzten
Tage brachten einen etwas lebhafteren Handel,
zbgleich von einem flotten Geschäft noch immer nicht
die Rede sein kann. In Forst wurde ein Posten
1884er zu 1100 M. die 1000 Liter abgegeben,
Ungsteiner gleichen Jahrganges wurden bis zu 900
M. bezahlt und eine Parlie dito Kallstadier Ge⸗
vürztraminer erbrachte 1100 M. Für 1883 Forster
und Deidesheimer wurden bis zu 2000 M. gezahlt
ind für ditto Dürkheimer kleinere sog. Bauernweine
500 - 600, sowie für Besseres 700 — 1000 M. und
jöher bewilligt. Die direkte Aussicht auf weiter?
Abschlüsse für feinere Sachen ist, wie aus Com⸗
nissionärkreisen verlautet, vielfach gegeben und wird
joffentlich noch mancher Posten zur Abgabe gelangen,
ehe die für April und Mai angesetzten Wein⸗Ver⸗
teigerungen der Großproducenten in Deidesheim,
Forst, Ruppertsberg und Wachenheim beginnen.
— Eine Pfälzische Kreis⸗Fechtschule
zum Zwecke der Errichtlung eines Kreis-Waisenhauses
er Pfalz hat sich mit dem Sitze zu Neustadti a. H.
sebildet.
— Auf dem Güterbahnhof in Ludwigs
sa fen wurde am Samstag der Lokomotivführer
Dagobert Simon von einer Maschine erfaßt uͤud
ine Strecke weit geschleift, so daß er nicht uner⸗
hebliche Verlezungen davon trug. Unvorsichtigkeit
des Beschädigten war die Ursache des Unfallz.
Verm ischtes.
Mannheim, 21. Februar. Gestern wurde
ein in der Maschinenfabrik von Mohr und Feder⸗
jaff beschäftigter Schlosser Namens Ignaz Sammer
qus Wien, ein von der österr. Polizei schon längst
jesuchler Anarchist, verhaftet. Derselbe iit aus der
Schweiz mit mehreren anderen Arbeitern zugereist,
inter denen sich auch der vor einiger Zeit hier ver⸗
jaftete und nun in Frankfurt internirte böhmische
Inarchist befand.
— Von einem schrecklichen Ereigniß erfährt man
ius dem Dorfe Füllern bei Altkirch. Ein
Uckerer glaubte Geräusch in seiner Scheune zu ver—
iehmen, man drang in dieselbe ein, und der Sohn
»es Hauses stach in einen Heuhaufen, aus dem
»as Geräusch zu kommen schien, mit einer Heu⸗
zabel. Ein furchtbarer Schrei folgte. Ein Mann,
der in dem Heuhaufen verborgen lag, war von
dem gräßlichen Instrumente durchbohrt worden.
Man fürchtet für das Leben des Unglücklichen.
F München, 28. Februar. Die Muͤnchener
Studentenschaft beabsichtigt, zur Feier des siebzigsten
Beburtstages des Fürsten Reichskanzlers einen großen
Festkommers zu veranstalten.
F Gerbot.) Die Ein- und Durchfuhr
ebender Schafe aus Oesterreich Ungarn nach und
zurch Bayern ist verboten.
F Das Programm für das in Dresden
ieses Jahr abzuhaltende große „Deutsche Turuer—
est“ ist nunmehr festgestelt. Danach findet am
18. Juli Empfang und Begrüßung der ankommen⸗
»en Turner, die Enthüllung der Büsten und Ju—⸗
diläumsfeier und die Ueberreichung des von Dres⸗
dens Frauen zu erwartenden Fahnenbandes statt.
Am Sonntag den 19. Juli wird sich der Feftzug
nach dem Festplatze begeben, und an diesem Tage
»eginnen auch die turnerischen Uebungen, welche
vis einschließlich 22. Juli fortgesetzt werden. An
letztrem Tage Abends erfolgt die Verkündigung
der Sieger. Am 28. werden dann noch Tuͤrn—
ahrten, ein Abschiedsfest auf der Brühl'schen Ter⸗
asse und ein Feuerwerk auf der Elbe veranstaltet.
die nächsten Tage bis Sonntag den 26. Juli
verden durch Volksbelustigungen auf dem Festplatze
zusgefüllt.
Die „Leipz. Ger.Ztg.“ schreibt: Wir sind
n der Lage, den letzten Brief Reinsdorff's seinem
Wortlaute nach wiederzugeben, den derselbe am Tage
or der Hinrichtung an seinen in Leipzig lebenden
Bruder gerichtet hat. Der Brief ist auf einem,
eitens der Anstalt gelieferten Briefbogen mit sicherer
chöner Handschrift geschrieben und trägt den amt⸗
ichen Vermerk der Einlieferung desselben. Er lautet:
„Halle, den 6. Februar 1885. Mein lieber Brunno!
Es ist dies mein letzter Brief, doch sollst Du nicht
trauern, denn als ich heute Vormittag durch den
ersten Staatsanwalt von Halle die Erössnung bekam,
»aß morgen früh um 8 Uhr alle meine Leiden
weendigt würden, war es das Gefühl der Erleich—
rung, das mich ergriff. Ich war die letzte Zeir
ehr leidend, und wenn ich an eine eventuelle Be
zmadigung dachte, so wünschte ich mir den Tod
Denle Dir, wenn ich hätte im Zuchthaus leds
nüssen, ohne geistige Beschäftigung und Auregung
Tag für Tag wie eine gedankenlose Maschine, di
angweilige und geisttödtende Arbeit des Wolle
pulens verrichtend, wie sehnlichst würde ich mir di—
Ruhe des Grabes gewünscht haben — und Di.
wirst begreifen, daß die getroffene Entscheidung füͤr
mich die beste ist. Wenn Du also diesen Buir
empfängst, so denke Dir, daß mir dann wodl iß
und daß nur die für mich günstigsten Moment
zusammenzewirckt haben, zu meinem Glück den
augsamen natürlichen Gang zu beschleuuigen. Un
iun, mein lieber Bruder, denke stets daran, daß
Deine Pflicht ist, so lange die Eitern leben un
Du noch junge Geschwister hast, sich ihrer anzu⸗
iehmen und Vater und Mutter auf ihre alten Tag
räftig zu unterstützen. Unterdrücke einstweilen etwaiß
Lieblingsidein und denke, daß Du damit eine
Wunsch von mir und einen Theil meiner Pflichte
mit erfüllst, dann wird es Dir leicht werden
Betrachte das Leben stets von der ernsten Seite, so
ils ob es Dir nur geschenkt sei, um damit der
Menschheit zu nützen und heilige Verpflichtungen
einzulösen. Betheilige Dich so wenig als möguüch
an den blöden Vergnügungen, wie sie leider bei
den gedankenarmen Arbeilern noch Sitte sind, sondern
bilde deinen Geist nach allen Richtungen, damit Di
nichts fremd sei und Dir auch der Klügste nich
kein X für ein U machen kann. Daß ich natürliq
meinen Ueberzeugungen bis zum letzten Augenblich
reu bleibe, ist selbstverständlich. Ich umarme Dich
ind Franz brüderlich und grüße Euch von Herzen
ausendmal. Euer August.“
F Nach einem Urtheile des Reichsge—
richtes vom 4. November 1884 ist ein Hand
verker, welcher neben seinem Handwerke einen ge—
verbsmäßigen Handel mit angekauften Waaren in
'aufmännischen Umfange betreibt, im Sinne des
Oandelsgesetzbuches Vollkaufmann und bei einge—
retener Zahlungseinstellung wegen Bankerott straf⸗
har, sofern er Handelsbücher nicht oder nur un⸗
ordentlich geführt oder die Ziehung einer Bilan
unterlassen hatte.
— Die Direktionen der preußisschen Eisen—
bahnen sind angewiesen worden, alle Arbeiter,
welche unter 21 Jahren alt sind und eine Be
schäftigung in irgend welchem Dienstzweig haben
die mit dem Betriebsdienst zusammenhängt, resp
bei welcher Unglücksfälle herbeigeführt werden können
aus diesen Stellen zu entfernen und für die Folgt
nicht zu verwenden. Da eine große Zahl solcher
Arbeiter z. B. als Hülfsbremser, Hülfstelegraphisten,
Rangirer u. s. w. eingestellt ist, so wird diese
VBerfügung zu zahlreichen Entlassungen Veranlassung
zeben.
r Der Roman eines Kindes. In der
B.'schen höheren Töchterschule zu Berlin, that sich
m vergangenen Jahre eine Schülerin ganz beson⸗
ders hervor durch Aufmerksamkeit, welche sie ihren
dehrerinnen mit Regelmäßigkeit zu erweisen pflegte
Allwöchentlich zweimal kam die kleine 11Ijährige K.
Tochter des wohlsituirten Hutmachers K. in der
Invalidenstraße, mit einem prächtigen Blumeunstrauß
zur Schule und überreichte ihn einer der Lehrerinnen
der Vorbereitungsklasse, welche sie besuchte. Ganz
besonders schien sich das Kind zur Lehrerin Frl.
W. hingezogen zu fühlen; für sie hatte sie immer
die schönsten Blumen. Als Frl. W., über die
immer häufiger werdenden Spenden nachdenklich
getoorden, das Kind befragte, wie es denn zu den
Blumen käme, ob sie aus dem Garten der Eltern
tammten, gab die Kleine die Erklärung ab, ein
Härtner in der Nachbarschaft sei ihrem Vater vielen
Dank schuldig und bringe immer die Bouquets
hrer Mutter. Die Mutter überlasse ihr die Blumen
ind sie wisse nichts Besseres damit anzufangen, als
hrer lieben Lehrerin eine kleine Freude zu bereiten.
Diese Erklärung klang sehr glaubwürdig. Der
Sommer ging rorüber, der Herbst kam ins Land
ind die kleine K. brachte nach wie vor ihre
Blumen mit zur Schule; die schönsten erhielt Frh.
W. So war es Winter geworden, Weihnachten
rückte immer näher und, wie um ihre geliebte
Lehrerin schon vor dem Feste zu beschenken, kam
die kleine K. an einem Tage der dritten Dezember⸗
woche mit zwei prächtigen Bouquets, das eine aus
Rosen, das andere aus Kamelien gewunden, zut
Schule und wollte sie Frl. W. überteichen. Die
Lehrerin, den Werth dieser Bonquets erkennend, ver⸗
veigerte die Annahme und entschloß sich, nachdem iie