Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Kaiserslautern, 3. März. In dem 
Konkurse des Verlegers des „Pf. Volksblattes“, 
herrn Buchdruckereibesitzer Worthoff, betragen die 
Passiva 17,000 Mk., die Altiva 3000 Mi. GBitg.) 
— Landau, 4. März. Die hiesigen Narr⸗ 
hallesen laufen denen von Köln und Mainz im 
Eifer zur Vorbereitung für die nächste Fastnach 
den Rang ab. Sie erlassen nämlich folgende An⸗ 
nonce: „Landauer Narrhalla. Die Mitglieder der 
Gesellschaft und solche, die es werdrn wollen, 
werden zu der Donnerstag, den 5. März, Abends 
8 Uhr, im Germania⸗Saale stattfindenden General— 
versammlung eingeladen. Tagesordnung: Berich! 
über die Vereinsthätigkeit in den letzten 10 Jahren. 
Neuwahl des Ausschusses. Berathung der Kriegs⸗ 
artikel mit musikalischer Begleitung.“ 
— Mundenheim, 2. März. Ein hiesiger 
Einwohner, der mit seiner Ehehälfte ab und zu 
auf dem Kriegsfuße lebt, führte gestern eine Fa⸗ 
milienscene auf, in die sich die Ortsobrigkeit ein 
mengen mußte. Die Neugiecde ließ auch andere 
Leute in die betreffende Wohnung eintreten, was 
den scandalirenden Haushaltungsvorstand so erboste 
daß er zum Messer griff, und damit einen Knaben 
derart in den Unterleib stach, daß dessen Eingeweide 
an der verwundeten Stelle offen lagen. 
— Bergzabern, 5. März. Der Bäckerbursche, 
welcher aus Rache wegen seiner Entlassung seinem 
früheren Meister eine Quantität Seife in das zur 
Teigbereitung bestimmte Wasser geworfen und eine 
Parihie Mehl durch Beimengung von Unrath ver— 
dorben hatte, wurde gestern vom Schöffengericht 
zu 14 Tagen Gefängniß verurtheilt. 
— Der „Pf. K.s schreibt: Der Vortrag, den 
Herr Pfarrer Schück am Sonntag im Kaisersaal 
des Saalbaues zu Neustadt über Angra Pequena 
gehalten, hat rasch eine schöne Frucht gereift. Es 
haben sich nämlich im Anschlusse an denselben einige 
Männer zusammengethan und gründeten einen Pfal⸗ 
zischen allgemeinen evangelischen Missionsverein, der 
auf liberaler Grundlage mit Hand anlegen soll an 
dem Werke der Bekehrung und Civilisirung der 
Heiden. Es wird demnächst ein Aufruf erlassen 
werden, welcher zum Beitritt auffordern wird. 
— Frankenthal, 2. März. In Mörsch 
bei Frankenthal, wo die Masern herrschen, hat die 
Familie Habersberger in 4 Wochen Z3 Kinder ver⸗ 
loren. Ein Ende der Krankheit, so meldet man 
dem „S. W.“, sei nicht so bald zu erwarten. 
— Frankenthal, 2. März. Hier wurde 
gestern in der Appellinstanz gegen ein hiesiges schöf⸗ 
fengerichtliches Urtheil, ein für Jedermann interes⸗ 
janses und hochwichtiges Urtheil gefällt. Bei Bauten 
un Straßen mit fesigesetztem Alignement gilt die 
Baulinie nicht allein für die Straße, sondern ist 
auch für die ganze Höhe der Bauten maßgebend, 
so daß jeder Vorsprung an Gebäuden, als Sockel, 
Fensterbaänke, Gurten, Pfeiler, Ueberdachungen von 
Thuüren und Fenstern, Balkone, Erker, Dachvor- 
sprünge und Dachkändel ⁊c. als verboten zu be 
srachten sind. Es ist daher jedem Baulustigen für 
die Zukunft zu rathen, für alle oben angeführten 
archilektonischen Glieder und Vetzietungen vorher 
die Erlaubniß einzuholen. 
Vermischtes. 
Der diesjahrige Sommer-Fahrplan 
der deutschen und österreichischen Bahnen wird, ob⸗ 
— 24. und 
25. Mai fallen, erst am 1. Juni in Kraft treten 
Im allgemeinen Verkehrs⸗Interesse hätte es gelegen, 
den Soimmer-Fahrplan mit dem 15. Mai einzu— 
führen; denn die Personen-Frequenz in den Pfingst⸗ 
Festtagen würde bei vermehrten Zügen und beson⸗ 
deren Fahrvergünstigungen wesentlich gewonnen 
haben. Der auf die mindeste Zahl der Züge ein⸗ 
geschränkte Winter⸗Fahrplan trägt dem Reisebedürf⸗ 
niß in den Pfingst⸗Feiertagen nur äußerst spärlich 
Rechnung. 
4 Metz, 2. März. In der Nacht vom Sams⸗ 
tag auf Sonntag verhaftete die hiesige Bahnhof⸗ 
polizei auf Veranlassung eines Telegraphenboten 
einen gewissen Fr. Kaiser aus Frankfurt a. M.., 
welcher seinem Associe mit M. 10,000 hierher ge— 
flüchtet war. Ein hier durchgehendes, an die 
Grenze bestimmtes Telegramm deranlaßte den Tele— 
graphenboten auf eigene Faust nach dem Durch · 
gänger zu vigilieren, was ihm auch bei Ankunft 
des Frankfurt-Pariser Schnellzuges gelang. Bei 
K. wurden noch Mk. 8995 gefunden. 
Zabern, L1. März. (Rotzkrankheit.) Es 
isf eiwiesen worden. das die ietzt in verschiedenen 
Drien des Elsaß auftauchende Rotzkrankheit der 
Bferde durch die Fluß⸗ und Kanalschiffspferde ein⸗ 
geschleppt worden ist. Der hiesige Kreisdirektor 
hat in dieser Hinsicht eine nachahmungswürdige 
Verordnung erlassen, durch welche die Bürgermeister 
aingewiesen werden, die zur Verhütung und Unter⸗ 
zrückung dieser Krankheit bestehenden Bestimmungen 
bei den Fluß und Kanalschiffspferden mit aller 
Strenge durchzuführen. 
FGie Wissenschaft in der Westen⸗ 
tasche.) Ein neues Taschen⸗Konversations«Leri⸗ 
ton.) Der erfindungsreiche Geist des Herrn Pro⸗ 
fessor Josehh Kürschner in Stuttgart hat fich 
die praktische Lösung der Aufgabe gestellt, wie man 
etwa den Inhalt eines KoubersationsLexikons vom 
Umfange des sogenannten kleinen Meyers (zwei 
jehr dicke Oktabbände) in ein einziges Duodezbänd⸗ 
hen zusammendrängen könnte, ohne das Material 
sju verringern und ohne auf polizeiwidrig kleine 
Lettern sich einzulassen. Die Lösung des Problems 
jat sich ihm schließlich dargeboten in der höchst 
driginellen Anwendung einer Art Begriffsschrift in 
Bilderzeichen. Ohne Spaß! Herr Kürschner ist 
zu den Hieroglyphen zurückgekehrt oder hat viel— 
nehr für siebenunddreißig häufig vorkommende 
Begriffe sich ebensobiele passende, schnell dem Ge⸗ 
ächtniß sich einprägende Zeichen aufgestellt. Zum 
Beispiel eine kleine Leier für Musik, eine Wage 
ür Rechtswissenschaft, das dicke Kreuz für Theologie, 
»as dünne für „geslorben“, eine Schiefertafel für 
JZädagogik, den Anker für Marine, eine Tanne für 
Forstwesen, zwei gekreuzte Degen für Militärsachen 
i. s. w. Natürlich hat er daneben auch der sonss 
iblichen Abbreviaturen sich bedient und so ist es 
hmeugelungen, einen allerliebsten kleinen dicken 
zonversations⸗Lexikonszwerg herzustellen, ein elegant 
hübsch roth) gebundenes 1668 Seiten starkes Ding, 
das so putzig aussieht, daß Kinder in lautes Lachen 
nusbrechen, wenn sie dieses komischen Monstrums 
insichtig werden. Selbst ein Motto trägt das neut 
Taschen⸗Konvbersations-Lexikon: 
Weil Kürze denn des Witzes Seele ist, 
„Faß' ich mich kurz.“ 
Hamlet, IH. Aufzug, 2. Szene. 
Wir haben bereits, um die Tüchtigkeit des 
Büchleins zu erproben, eine ganze Menge Artikel 
zarin aufgeschlagen und jedesmal gefunden, daf 
5 in aller Knappheit ein ganz zuverlässiger, sehr 
vohl orientierter Rathgeber ist. Somit empfehlen 
vir den „kleinen Kuͤrschner“ Jedermann. Se 
ange die Welt steht, ist es wahrscheinlich der 
Menschheit noch niemais so leicht gemacht worden 
zie ganze Masse universellen Wissens in einer Roch 
asche überallhin mitzutragen. Das Opausculum is 
im Verlag von W. Spemann erschienen, wiegt 
375 Gramm und tostet, gebunden, nur 8 Martk. 
4 Straubing. Welch' ungeahnte Abgründe 
hirgt doch das Menschenherz! Der unlängst dahier 
hingerichtete 22jährige Raubmörder Gg. Meilinger 
var nach dem Zeugnisse seines ehemaligen Pfarrers 
vor zehn Jahren das talentvollste, fleißigste, ge⸗ 
ättesie und bravste Kind seiner ganzen Schule, die 
Freude der Lehrer und Seelsorget. Der erwähnte 
pfarrer trug sich deßhalb mit dem Gedanken, den 
janz armen, aber so viel versprechenden Knaben 
für die Studienlaufbahn vorzubereiten. Und nun 
nach wenigen Jahren im blühenden Junglingsalter 
dieser Ausgang! Die Ursache dieses tiefen Falles 
aber war die gewöhnliche: schlechte Kameradschaft. 
welche die guten Sitten verdirbt. Der Unglücklich 
ielbsi äußerle in den letzten Tagen: die Gesellschaft 
in die er beim Fabrikbau in Teißnach gerathen 
habe ihn ruinirt, die habe ihn auf dem Gewissen 
München, 2. März. Die kgl. Verord— 
nung über die Reorganisation der Forstverwaltung 
selbst theilt die Zahl der Forstämter, der Forstmeister, 
Forstamtsassessoren und Förster nicht mit. Dieselbe 
säßt sich aber aus der Beilage zur Verordnung 
berechnen. Hienach sind im ganzen Königreich vom 
1. Juli d. Is. ab 377 Forstämter errichtet und 
mit 877 Forstmeistern, 142 Forstamtsassessoren und 
247 Förstern besetzt, welche sich auf die einzelnen 
Regierungsbezirke wie folgt vertheilen: 
Forstmeister Assessoren Förster 
61 * 48 
14 
10 
29 
29 
32 
37 
10 
Oberbayern 
Niederbayern 
Pfalz 
Oberpfalz 
Oberfranken 
Mittelfranken 42 
Interfranken 63 
SIchwaben 37 
Muünchen, 4. März. General Dietl hat 
sich heute Wacht erschossen. 
F Die Belastung des deutschen Infante— 
risten mit 28,25 Kilogr. beträgt ungefähr die Mitee 
der Belastung anderer Mächte. In Oesterreich wiegt 
die kriegsgemäße Ausrüstung eines Infanteristen 
27,72 Kilogr., in Frankreich 27,75 Kilogr., in 
Broßbritannien 28,31 Kilogr., in Italien 30,54 
rilogr. in Rußland 31,27 Kilogr., in der Schweij 
34,41 Kilogr. Bei Beurtheilung dieser Belastung 
ist aber in Betracht zu ziehen, daß auch die Be⸗ 
urtheilung der Dieusttauglichkeit bei allen Staaten 
nicht die gleiche ist, und daß die Nationalität und 
das Alter des Dienstpflichtigen dabei einen nicht 
zu uaterschätzenden Factor abgeben; hierzu konimt, 
daß die Körperkraft bei dem Ersatz der einzelnen 
Ddeere eine sehr verschiedene ist. Daß die Mehrbe— 
lastung eines Infanteristen an todtem Gewicht durch 
nur einige Kilogramm die Arbeitsleistung auf den 
Märschen und bei starker Bewegung ungemein er— 
höht und einen großen Kräftenconsum beansprucht. 
ist bekannt. 
Die dem „Frankfurter Journal“ aus Eisen⸗ 
bahnkreisen zugegangene Nachricht, daß der Arbeits- 
minister die Entlassung aller noch nicht 21 Jahre 
alten Arbeiter aus denjenigen Eisenbahndienstzweigen, 
die mit dem Betriebsdienste zusammenhängen, ver— 
fügt habe, wird in der „Nordd. Allg. Z.“ als „der 
thatsächlichen Begründung entbehrend“ bezeichnet. 
FHanau, 3. März. Die Verhandlung gegen 
den Hilfstelegraphisten Gutberlet, dem man das 
Hanauer Eisenbahnunglück zur Last legte, ist heute 
beendet worden. Nach beinahe anderthalbstündiger 
Berathung verkündigte der Gerichtshof das Urtheil, 
wonach Gutberlet wegen fahrlässiger Gefährdung 
eines Eisenbahntransportes drei Jahre Gefängniß 
erhält. Im Urtheil wird Lokomotivführer Krämer 
für völlig unschuldig an der Katastrophe erklärt und 
Butberlet als der allein Schuldige bezeichnet. 
Gorsicht im Gebrauch von Post— 
karte) Der Rechtsstreit, ob man Denjenigen 
heleidigt, den man durch eine Postkarte mahnt, lag 
vieder einmal in Leipzig dem Gerichte in folgen⸗ 
dem Fall vor. Der Arbeiter B. hatte au seinen 
dortigen Arbeitgeber, den Fabrikanten W. eine 
Postkarte geschickt, durch die er diesen um Auszah⸗ 
iung eines Lohnrestes ersuchte. W., der ührigens 
auch die Forderung des B. bestritt, fühlte sich durch 
dessen öffentliche Mahnung verletzt und erhob Klage 
zjegen B. Nun führte der Beklagte zu seiner Ent⸗ 
schuldigung an, daß er doch gar nicht habe wissen 
önnen, daß man nicht durch Postkarten mahnen 
dürfe, daß er auch bei seinen Vermögensverhält⸗ 
nissen genöthigt sei, die billigste Art seiner Corre— 
spondenz zu wählen. Der Gerichtshof sprach sich 
nach ersolgter Urtheilsberathung dahin aus, daß es 
eine Beleidigung sei, Jemanden durch eine Post⸗ 
karte zu mahnen, da derselbe dadurch bei den 
Personen seiner Umgebung, die zufällig Kenntniß 
bon dem Inhalt der Karte erhielten, in den Ruf 
eines schlechten Zahlers gelange. Im vorliegenden 
Falle sei man allerdings zu einer Freisprechung 
des Beklagten gelangt, weil man bei dem Bildungs⸗ 
grad desselben die Absicht einer Beleidigung nicht 
angenommen und weil man auch seiner Behauptung 
daß er aus Sparsamkeit eine Vostkarte benutzt, 
Glauben geschenkt habe. Da indeß das Gerich! 
nicht immer das Vorhandensein obiger Milderungs⸗ 
gründe annehmen wird, möchte es sich, namentlich 
für Diejenigen, denen ihre Vermögensverhältnisse 
gestatten, zehn Pfennige für einen Brief auszugeben, 
sehr empfehlen, in Zukunft nicht durch Postkarten 
zu mahnen. 
Eine neue merkwürdige Secte 
hat sich, dem „Grashdanin“ zufolge, in Kronstadt 
gebildet. Auf den Straßen begegnet man dort 
Jegenwärtig Schaaren von Frauen, welche ihre 
Männer verlassen haben, irgend eine religiöse Asso⸗ 
iation bilden und die Straßen unter dem Singen 
geistlicher Lieder durchziehen. Die Anstrengungen 
zZer Geistlichkeit, diese Schwärmgeister zur Vernunft 
zu bringen, sind bisher von wenig Erfolg begleitel 
gewesen, so daß die eigenthümliche Bewegung unter 
den verehelichten Frauen der niederen Stände im⸗ 
mer mehr um sich greift. 
Der letzte Ritter des eisernen 
Kreuzes von 1813 in der Armee, außer dem 
Kaiser, Major und Kompagnie⸗Chef im Invaliden⸗ 
hause von der Lochau, ist am Sonntag sanft ent⸗ 
Hlafen. Er war geboren am 14. Juli 1794 
in Biala in Ostpreußen, hat also sein Alter auf 
)0 Jahre 7 Monat und 17 Taqge gebracht. Er