Full text: St. Ingberter Anzeiger

» Am nächsten Sonntag findet in Rudwigs⸗ 
hafen eine Gemeinde-Versammlung 
behufs Aufnahme eines städtischen Anlehens von 
650,000 Mark statt. 
— 
Rermischtes. 
Saarbrücken, 7. März. In der heu⸗ 
ligen Sitzung der Straftammer standen zwei noch 
junge Vagabunden der schlimmsten Sorte von 
Heiligenwald, welche am Abende des 29. Novbbr. 
auf dem Wege von da nach Graulheck, der Erstere 
mit starkem offenen Messer und mit einer an einen 
Strick gebundenen eisernen Kugel bewaffnet, sich 
umhertrieben wie Strauchmörder, die von der 
Schicht heimkehrenden Bergleute belästigten, aus 
reinenn Muthwillen und Rauflust gemeinschaftlich 
angriffen, mehrere mißhandelten und einen, den 
Bergmann Joh. Ad. Hübchen, durch zwei tiefe 
Messerstiche in den Rücken verlezzten, demselben 
auch, nachdem er zur Erde gefallen, eine Rippe 
entzweischlugen oder traten, sodaß der bedauerns⸗ 
werthe Mann 3 Morate das Bett hüten mußte 
und nie wieder ganz arbeitsfähig werden dürfte, 
zur Verantwortung; diese ganz außergewöhnliche 
Rohheit erforderte eine exemplarische Strafe der 
heiden Strolche, die auch erfolgte und zwar die 
des einen, noch nicht ganz 18 Jahre alt, mit 5 
Jahren und die des älteren mit 2 Jahren Ge⸗ 
fängniß. 
Metß, 8. März. In einem Wurstladen 
der Coislinstraße verirrte sich heute Morgen ein 
Hund, der sich alsbald den dargebotenen Genüssen 
Fingab. Der Räuber wurde von dem Metzger⸗ 
burschen bemerkt, welcher, mit einem tüchtigen 
Prügel bewaffnet, sofort Jagd auf den Hund machte. 
Diefer versuchte natürlich zu entrinnen. Da aber 
die Thür verschlossen war, blieb dem geängstigten 
Thier kein anderer Ausweg, als durch das Schau⸗ 
fenster zu springen, was auch geschah. Das Schau⸗ 
senster zerbrach natürlich vollständig und jedenfalls 
entstand auf diese Weise dem Mezgermeister ein 
größerer Schaden, als wenn sich das Thier an der 
Wurst gütlich gethan hätte. 
F Zur Bismarcfeier regt sich auch des 
Dichters Genius, Paul Heyse, der besten Einer 
im deutschen Dichterwalde, hat für die Feier des 
Ehrentages folgenden schwungvollen Hymnus dem 
Münchener FestKomité überreicht. 
Wem soll das Lied erklingen? 
Dem Mann, dem Keiner gleich, 
Der in gewalt'gem Ringen 
Uns neu erschuf das Reich. 
Zu Schanden ward der Feinde List, 
Versöhnt der alte Bruderzwist — 
Der das gethan, wir bringen 
Den Dank ihm freudenreich. 
Wem soll das Lied erklingen? 
Dem Mann auf hoher Wacht, 
Der Elsaß und Lothringen 
Ans Reich zurückgebracht, 
Der Trutz und Hohn der Welschen brach 
Und Rache nahm für lange Schmach 
Wir preisen ihn und singen 
Von seiner Größ' und Macht. 
Wem soll das Lied erklingen? 
Dem weisen Friedenshort, 
Der Diplomatenschlingen 
Zerhaut mit blankem Wort, 
Ddas Deutsche Reich, das Herz der Welt, 
hat er zur Hut des Rechts bestellt — 
Gott laß' es ihm gelingen 
In Treuen fort und fort! 
Wem soll das Lied erklingen? 
Dem Helfer in der Noth, 
Der sprach: Ich will erringen 
Der Arbeit Schutz und Brod! 
Ihn lüstet nicht nach eitlem Glanz, 
Das Volkswohl ist sein Ruhmeskranz 
So laßt ihn uns umringen 
Mit Liebe bis zum Tod! 
Wem soll das Lied erklingen? 
Dem besten Mann der Zeit, 
Den zu so hohen Dingen 
Sein Genius geweiht. 
Wo Deutsche je beisammenstehn, 
Soll frohgemuth sein Lob ergehn 
Und trag' auf Adlerschwingen 
Ihn zur Unsterblichkeit! 
Die Komposition zu diesen Strophen rührt von 
Brof. Jos. Giehrl her. In dieser Woche gelangt 
)er Hymnus an sämmtliche Münchener Gesang 
nereine. Auch Anderwärts diürfte der für Chor— 
gesang zu der Feier besonders geeignete Sang recht 
iele Freunde finden, gibt er doch in Wort und 
Ton der Verehrung für den Gefeierten einen sinn⸗ 
gen und edlen Ausdruck! 
Der „bayer. Turnlehrerverein“ hält seine 
echste Hanptoersammlung zu Pfingsten in Würz⸗ 
rur g ab. 
7Bamberg, 7. März. Gestern sollte am 
zchöffengerichte die Injurrenkhage des Se— 
ondelieutenants Görz vom 5. Inf.Reg. gegen 
zen verantwortlichen Redakteur des „Bamberger 
Bolksblatts“ Kaplan Schmitz stattfinden. Die 
Zzasis der Klage war eine Mittheilung des Blattes 
iber den bekannten Vorfall, wobei der Lieutenant 
einen Bedienten mit Säbelhieben traktirte. Das 
Nilitärbezirksgericht Würzburg hatte zwar Unter⸗ 
uchung gegen Görz eingeleitet, im Novbr. v. Irs. 
iber die Einstellung des Strafverfahreus beschlossen, 
veil nach dem Ergebnisse des Vorverfahrens fest⸗ 
gestellt worden sei, daß Lieutenant Görz „aus 
stothwehr“ von seinem Säbel Gebrauch gemacht 
sabe. Da dieser Beschluß schon deßwegen befrem⸗ 
zete, weil auf der anderen Steite auch der Be⸗ 
iente, gegen den sein Herr „aus Nothwehr“ den 
Zzäbel hätte ziehen müssen und der von seinem 
hderrn „aus Nothwehr“ 3 gefährliche Hiebe erhalten, 
uch straflos ausging, war man auf das Ergebniß 
der Jurienklage mit Grund gespannt, um so mehr, 
us bekannt geworden, daß auf Antrag des Ver⸗ 
reters des Beklagten die Akten des Militärgerichts 
idhibirt worden waren. Die Verhandlung hat 
ndeß nicht stattgefunden. Der Kläger zog auf 
söheren Wunsch die Klage zurück. Die Akten 
ines Militärgerichtes enthalten bekanntlich sehr 
delikates Material. Damit bleibt der Vorfall für 
mmer dem Lichte der Oeffentlichkeit entzogen und 
das Vaterland ist gerettet. 
Praktische und schnelle Zimmer⸗ 
luftreinigungs-Methode. In der Didaskalia 
om 2. Febr. d. J. befindet sich ein Aufsatz über 
lektrische Luftreinigung. Diese Methode anzu⸗ 
venden, wird für Private schwer ausführbar sein 
ind es soll daher auf eine viel einfachere und bil— 
igere Methode aufmerksam gemacht werden. Es ist 
ies die Methode mit Uebermangansaurem Kali. 
Man taucht nämlich in eine Lösung dieses Salzes 
circa 50 Gramm auf's Liter Wasser) leinene 
dappen, in Größe von Handtüchern, drückt dieselben 
leicht aus und hängt sie auf Seilern in die be— 
reffenden Zimmer. Es entwickelt sich Ozon, wel⸗ 
hes die übele Luft zerstört und durch das Frei⸗ 
verden von Sauerstoff, der hierbei entsteht, das 
Fehlende wieder ersetzt. Die Luft in den so ge⸗— 
einigten Zimmern ist sehr angenehm, wie frische 
Waldluft und hat einen besonders angenehmen Ein⸗ 
luß auf Kranke, die an der Lunge oder an Asthma 
leiden. 
fMainz, 10. März. Gestern Mittag 
jegen 12 Uhr sind hier auf dem Rhein zwei 
Schiffe gesunken. Eines derselben, das mit 
Steinen beladene Schiff des Schiffers Seller von 
Miltenberg, hatte Anker geworfen, doch riß infolge 
des Hochwassers die Ankerkeite und das Schiff trieb 
Jjegen die Nähe des Trajektschiffes, wodurch es 
inen Leck erhielt und mit seiner Ladung untersank. 
NRur mit Mühe konnten die Schiffsleute gerettet 
verden. Das mit Holz beladene Schiff des Herrn 
L. Wagner in Castel sank unterhalb des Forts 
Montebello weil es überladen war. 
Rhaunen, 7. März. Bei der diesjäh— 
igen Aushebung hatte sich von hier ein bereits 28 
Fähre alter junger Mann, über dessen Militärver⸗ 
jältniß noch nicht entschieden war, und der schon 
Z volle Jahre in der englischen Armee (bei der 
Farde ⸗ Kavallerie) gedient hatte und sich naturali— 
iren ließ, zu gestellen und wurde zum Ersatz des 
Trains ausgehoben. 
f(Was ist Bier?) Durch Urtheil vom 
15. Dezember 1884 hat das Reichsgericht den Be⸗ 
zriff des Bieres dahin festgestellt: Bier ist ein 
zurch wenige Gährung ohne Destillation erzeugtes 
und noch in einem gewissen Stadium der Nach— 
zährung befindliches Getränk, bei dessen Bereitung 
das Wasser als die zur Aufnahme der Extrakte 
aus den festen Stoffen unerläßliche Flüssigkeit als 
elbstverständlich vorausgesetzt wird. Zum Bier 
dürfen nur verwendet werden: Hopfen, Malz, 
Wasser und Hefe. Jeder Zusatz eines anderen 
Ztoffes gilt als Verfälschung, auch wenn er, wie 
. B. Zusatz von Salicylsäure zur Hefe, zum 
Zwecke geschieht, um diese letztere vor Pilzbildung 
ind Fäulniß zu schützen. Der Zwick der Bei— 
mischung ist gleichgültig. 
F Koburqg. Ein sechsjähriges Mädchen außs 
Neundorf suchte auf einer Wiese Kräuter und 
vurde dabei von dem zwölfjährigen Sohn des 
Besitzers der Wiese betroffen. Dieser hetzte den 
Zofhund, den er bei sich führte, auf das Kind. 
der Hund. der im höchsten Grade bissig war, 
zurchbiß dem Kinde die Halsschlagader und zer— 
teischte Wangen und Oberschenkel. Wie wüthend 
der Hund sich geberdet hat, geht daraus hervor, 
daß es einer Frauensperson erst dann mit großer 
Anstrengung gelang, den Hund von dem schon in 
den letzten Zugen liegenden Kinde wegzubringen, 
als sie sich ein Messer verschafft und mit diesem 
dem Hunde einen Stich zwischen Nase und Augen 
versetzte. Das Mädchen war bald darauf eine 
Leiche. Der Knabe wurde in diesen Tagen von 
der hiesigen Strafkammer zu einem Monat () 
Gefängniß verurlheilt. 
Dresden, 9. März. Wenn die „Dres⸗ 
dener Zeitung“ recht unterrichtet ist, so hätte auch 
die Hauptstadt des „gemüthlichen“ Sachsenlandes 
hereits die Thätigkeit der Anarchisten zu spüren 
bhekommen. Von zuverlässigster und achtungs. 
werthester Seite, wie das genannte Blatt behauptet, 
geht demselben folgende Mittheilung zu. An 
zinem der letzten Tage wurde von einem beim hie— 
sigen Landwehrbezirkskommando dienstleistenden 
dZauptmann auf einem Aborte des Bezirkskomman 
„os GKaiser⸗Wilhelmsplatz in der Neustadt) ein 
Zästchen Pulver und dabei eine in Brand gestedte 
Zuudschnur aufgefunden. Der Offizier trat die 
Junte aus und erstattete selbstverständlich Anzeige. 
Finige Zeit vorher hatte der Oberst v. R., dier 
Chef des hiesigen Landwehrbezirkskommandos, Droh⸗ 
briefe erhalten, welche die Unterschrift „Die Anar— 
histen“ trugen, denselben aber keine ernstere Be⸗ 
deutung beigemessen, da er sie für rohe Witze hielt. 
Nunmehr ist aber selbstverständlich bei der Staats⸗ 
anwaltschaft Anzeige erstattet und don dieser Unter⸗ 
suchung eingeleitet worden. 
F(Ddie beiden Haupigewinne der 
Sächfsischen Lotterie) von 50,000 und 
10,000 M. sind bei der gegenwärtigen Ziehung 
uuf die Nr. 75,898 und 4068 nach Berlin ge— 
'allen. An dem ersten Gewinn partizipiren eine 
irme Wittwe, die sich mit Nähen für ein Kon 
cektionsgeschäft kümmerlich ernährt, und ein armer 
Tischler mit je einem Zehntel. Jeder erhält auf 
einen Antheil etwa 4000 M. 
(Ein Zweikamph) mit Stoßdegen zwi · 
chen dem Lieutenant Chapuis und einem Herrn de 
deirel wird aus Dünkirchen gemeldet. Letzterer 
joll den Kampf in der Weise beendet haben, daß 
er mit der Linken den Degen seines Gegners faßte 
ind diesem gleichzeitig die Klinge in die Brust stieß. 
Fallend habe Chapuis gerufen: „Das ist Meuchel⸗ 
nord, nicht Zweikampf!“ 
EinAkt jugendlichenLeichtsinns) 
dersetzte am Freitag eine brave Bergmannsfamilie 
zu Hamme in tiefe Trauer. Der 14jährige hoff⸗ 
nungsvolle Sohn derselben wollte (nach Kinderart) 
zuch einmal das „Erhängen“ üben. Zu diesem 
gehufe kletterte ier im Hinterbau des betreffenden 
Zauses eine Leiter hinan, steckte den Kopf in die 
—„chlinge eines an ersterer befestigten Leibriemen⸗ 
und — baumelte. Der Knabe vermochte die Sprosser 
der schräg anstehenden Leiter nicht wieder zu erreichen 
und ehe Hülfe nahte, war er eine Leiche. 
pPHagen. Ein junger Mann erhielt jüngh 
in Schreiden, in welchem ihm mitgetheilt wurde 
aß Fortung ihn bei der Ziehung der Ulmer Dom 
au⸗VLotterie mit einem Gewinn von 10,000 M. 
»edacht habe. Der Brief war mit der Namens⸗ 
Unterschrift eines bekannten Lotterie-Kollekleurs ber 
hen. Daß nun die Freude des jungen Mannei 
iberaus groß war, wird man begreiflich sinden; 
ber leider sollte ihr gar bald eine schmerzliche Enh 
äuschung folgen. Beim Kollekteur erfuhr namlid 
derGluͤckliche', daß man sich einen Scherz erlaub! 
ind es mit dem Gewinne eitel Humbug sei. Die 
Freude über den vermeintlichen Gewinn hat abei 
Jen Geist des jungen Mannes derart umnachtet. 
daß er nicht mehr vom Gegentheil zu überzeugen 
dar undnoch jeht sich im Besitze der großen 
Summe wähnt. 
Berlin, 10. März. Die folgende Moltke 
LAneldote — so schreibt die Nationalzeitun—