Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Jugherter Amzriger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Et. Insberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmalr Am Tontag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltur ga⸗ 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blau kostet vierteljährlich 1 60 ⸗einschließlich Tragerlohn; durch die Pol bezogen 1.4 75 4, einschließlin 
o ⸗ Zuftellungsgebuhr. Die Einruckuugsgebühr far die Agespalltene Garmondzeile oder deren Raum betragt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —., bei außerpfalzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 1b H. Neclamen 30 A. Bei 4maliger Einrüdung wird nur dreimaliage herechnet. 
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M 64. 
VPolitische Uebersicht. 
Mit einem bestimmten Vorschlage, die Kolo⸗ 
en dem Deutschen Reiche nutzbar zu machen, 
rint soeben in einer Flugschrift der Würzburger 
zchriftsteller Memminger auf, indem er aus⸗ 
uhrt, das Deutsche Reich solle sich durch Anlage 
igenet Tabakspflanzungen in seinen Kolo⸗ 
jen von dem ausländischen Tabak und dem frem⸗ 
en Handel in Tabak unabhängig machen. „Welche 
züchsichten“, heißt es da, „gegen Amerika, England 
ind Holland verbieten uns, die Millionen, welche 
hir jührlich den unseren Handel und unsere In⸗ 
ustrie nach Thunlichkeit schädigenden Konkurrenten 
ür den exotischen Tabak entrichten, im eigenen 
dutzen zu verwenden und uns zugleich von fremden 
Narkten unabhängig zu machen? Glückt der Ver⸗ 
uch, die bisher vom Auslande bezogenen Tabak⸗ 
zxien in den Kolonien zu erzeugen, dann kann 
mschließend daran ein Monopol für den ins Reich 
ingeführten Tabak, also ein Handelsmonopol, ge⸗ 
haffen werden. Dieses Handelsmonopol ließe sich 
anz wohl mit der bisherigen Freiheit des Tabak⸗ 
andels und der Fabrikatiou vereinbaren, auch die 
isherige Att des Tabakbaues und der Tabakbe⸗ 
ꝛeuerung müßte deswegen keine Aenderung erleiden. 
Unsere Fabrikanten und Händler haben eben dann 
den ausländischen Tabak aus den Magazinen des 
ßeichs zu beziehen, statt von den Importeuren in 
den Hansestaädten oder von den holländischen, eng⸗ 
ischen und amerikanischen Märkten. Dem Reiche 
iele, falls es den Anbau in eigene Regie nimmt, 
exr Nußen aus der Produktion, sowie der vielfach 
voch größere aus dem Einfuhrhandel anheim.“ 
Großes Aufsehen erregt in Wien die Verhaf⸗ 
ungeines Generalstabsoffiziers, des 
zaron Potier, wegen des Verdachtes, militärische 
heheimnisse verrathen zu haben. Derselbe soll 
inem internationalen Kundschaftsbureau in Kopen⸗ 
agen Pläne von Befestigungen preisgegeben haben. 
ĩs circulirt das Gerücht, daß die Verhaftung Potiers 
nit der mitgetheilten Verhaftung eines preu⸗ 
e Offiziers in Flensburg im Zusammenbanq 
eht 
Die „Times“ erfährt, die russischeRegier⸗ 
ng habe die Concentritung von 50,000 Mann 
ei Balu angeordnet und den Gouverneur des 
daukasußs zu einem Kriegsrathe nach Petersburg 
erufen. In diesem Schritt erblickt die ,Times“ 
in Anzeichen dafür, daß Rußland enischlossen sei, 
ie englischen Propositionen nicht anzunehmen. 
dasselbe Biatt erfährt ferner, die russische Regierung 
sabe versucht, mehrere der großten und schnellsten 
dampfer der englischen Handelsmarine anzukaufen, 
die englische Regierung sei ihr jedoch zuvorgekommen. 
Daß die englische Regierung rüstet, und zwar 
nergisch rüstet, ist nicht zu bezweifein. Alle Direk⸗ 
dren der Artillerie Etablissements in Chatham haben 
Lefehl erhalten, sich sofort nach Indien einzujschiffen 
ind alle in den Magazinen besindlichen Martini⸗ 
vnry · Gewehre mitzunehmen. Die Panjerschiffe 
Mercury“, „Devastation“, „Colossus“, „Bac⸗ 
ante“ und „Orontes“ rüsten fich in größter Eile 
ut Abfahrt. Zwei Firmen in Chicago haben 
luftrag erhalten, neun Millionen Pfund einge— 
vleltes Rindfleisch fuͤr die britische Armee zu liefern 
mnd die Armes Company in Chicopel, Massachu⸗ 
eitz, hat die Herftellung von 200, 000 Sabeln 
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egeln der englischen Regierung als eine unschuldige 
Demonstration hinzustellen. Der Oberintendant der 
Werften, Admiral Herbert, hat eine Inspekltion der 
n den Englischen Gewässern befindlichen Kriegsschiffe 
orgenommen und der Regierung angezeigt, daß 
30 Kanonenboote innerhalb Wochenfrist zum Aus⸗ 
aufen bereit sein könnten. Ein Haus in Sheffield, 
velches große Verträge zur Lieferung von Eisen⸗ 
haynmaterial für die Eisenbahnen in Indien mit 
der Regierung abgeschlossen hat, ist von der in⸗ 
dischen Regierung aufgefordert worden, die Herstellung 
des erforderlichen Materials nach Möglichkeit zu 
veschleunigen, da dasselbe für die indischen Grenz⸗ 
inien bestimmt öei. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 27. März. Nicht nur die preußischen 
Vorschlage zur Abänderung der Schwurgerichtsord⸗ 
aung, sondern auch der Antrag auf Wiedereinfüh⸗ 
tung der Berufung durch Berufungskammern dei 
den Landgerichten soßen bei den Bundesstaaten, 
amentlich den süddeuischen, auf Widerspruch. Die 
Reform der Schwurgerichte ist nach den lebhaften 
PBerhandlungen, die darüber im Justizausschuß des 
Bundesraths statigefunden haben, vertagt, um einen 
inderen Entwurf auszuarbeiten. Aus Süddeutsch- 
and wird nun gemeldet, daß Bayern sowohl als 
Wurttemberg auch die Wiedereinfuhrung der Be⸗ 
ufung, die erst nach Ostern zur Berathuug im 
Zundesrath kommen wird, bekämpfen; der bayrische 
Minister von Feustle wolle sich zu diesem Zweck 
nach Ostern selbst nach Berlin begeben. Man wird 
es unter diesen Umständen für sehr unwahrschein⸗ 
ich halten müssen, daß eine Vorlage zur Justiz⸗ 
reform noch in dieser Session an den Reichstag 
gelangen wird. 
Berlin, 28. März. Heute Mittag fand im 
aiserlichen Palais die Generalversammlung der 
Frauen des Lazarethvereins slatt, welcher die Kai⸗ 
erin und die Großherzogin von Baden beiwohnten. 
Nach dem Vortrag des Berichtes richtete die Kai— 
jerin huldvolle Dankesworte an die Versammelten, 
welche dieselben sehend entgegennahmen. 
Auslaud. 
London, 28. März. Nach Portsmouth sind 
Befehle ergangen, sofort drei Panzerschiffe: vier 
Torvetten, einen Aviso und 17 Kanonen⸗Torpedo⸗ 
joote vollständig auszurüsten. Desgleichen wurde 
jeute nach Deventer der Befehl ertheilt drei Panzer⸗ 
chiffe, zwei Corvetten und alle verfügbaren Torpedo⸗ 
danonenboote unverzüglich für den Dienst hereit 
u halten. 
Newyork, 28 März. Die Republiken San⸗ 
salvator, Costarica und Nicaragua, die sich mitein⸗ 
inder durch einen Offensiv-⸗ und Defensivvertrag 
verbanden, stellen eine Armee von 20,000 Mann 
uuf. Die Republik Costarica stellt dazu nur 1000 
MNann, weil sie das Gros ihrer Streitkräfte im 
igenen Gebiete behalten will, sie zahlt aber eine 
deldbeisteuer von 100,000 Dollars. 
Newyork, 28. März. Zwischen den Staaten 
„an Salvador, Nicaragua und Costarika ist ein 
Iffensiv⸗ und Defensivvertrag abgeschlossen worden. 
der Praͤsident von San Salvador leitet die Opera⸗ 
innen gegen Barrios. 
aerrw nfälzische Nachrichten. 
Q St. Ingbert, 29. Maärz. Der gestrige 
Abend vereinigte eine ansehnliche Zahl Herren im 
Faf⸗ Soibfer zu ener kleine 3i8mardfeier. 
Dieselbe Feier verlief in würdiger, gehobener Stim⸗ 
nung. Durch Herrn Dr. Barthohbomae wurde 
uuf unsere Monarchen Ludwig und Wilhelm, die 
dauptmitwirkenden bei Erstehung des neuen Reiches, 
in mit lebhaftem Beifall begleitetes Hoch ausge⸗ 
zracht. In einer längeren Rede hob dann in 
jedrungener klassischer Sprache Herr Subr. Bar⸗ 
rikel die Verdienste unseres Reichskanzlers, 
owohl um die Begründung als um den Ausbau 
zes neuerstandenen Vaterlandes hervor und fanden 
ieine Worte und Wünsche bei der Versammlung 
den begeiftertsten Widerhall. Patriotische Lieder 
und musikalische Vorträge des Herrn S. bewirkten, 
daß die schöne Stimmung bis zu Ende der Sitzung 
ind wohl bei allen darüber hinaus andauerte. 
Zinen diese Stimmung noch erhöhenden Zwischenfall 
zildete die Mittheilung des Herrn Dr. B., daß an 
diesem Tag auch eine andere Geburtstagsfeier zu 
vegehen sei, nämlich die unseres anwesenden 
erehrten Reichstagsabgeordneten, Herrn O. Kraämer. 
kin dreimalig Hoch und allseitige Gratulation war 
ie Antwort auf die frohe Ueberraschung. Zum 
Schlusse drückte Herr De. B. den Wunsch aus, 
daß am Jubeltage des Kanzlers recht viele Fahnen 
in St. Ingbert flattern mögen, und wir schließen 
ins diesem Wunsche an, indem wir unsern Mit⸗ 
»ürgern zurufen: Am nächsten Mittwoch, am 
xkhrentag unseres Reichskanzlers, zeigen wir durch 
beflaggen unserer Häuser, daß wir dem großen 
Mann mit einem kleinen Zeichen unsere Achtung 
und Zuneigung darbringen wollen! 
*St. In gbert, 30. März. In der letzien 
Zeit wurden dahier nächtlicher weile zahlreiche 
diebstähle verübt. Der Polizei ist es nun 
elungen, die Diebe in der Person des 17jährigen 
J. K. und des 15 Jahre alten J. G., beide von 
sier, zu ermitteln. Was niet und nagellos war, 
sießen sie auf ihren nächtlichen Streifereien mitgehen. 
Nichts war ihnen zum Mitnehmen zu gering. 
Iußer Kleidungsstücken, Aufwaschtüchern, Putz⸗ 
umpen, Wäscheartikeln, Eisengeschirr hatten sie es 
hjesonders auf Blei⸗ und Zinkwaaren abgesehen 
zie fie dann in klingende Münze umsetzten. So 
ntwendeten sie aus einer Wirthschaft mittelst Ein⸗ 
zruch die zinnernen Deckel von den Biergläsern 
ind die Zinkeinfassung an der Einschenke. Im 
Bissoir auf dem Bahnhofe brachen sie einen mehrere 
gfund schweren Messingkrahnen ab, desgleichen 8 
is 10 Pfund Bleirohr; ersteren verkauften sie zu 
20 Pf., während sie das Bleirohr zu 80 Pf., an 
»en Mann brachten. Von einem Hause in der 
Blieskaftelerstraße stahlen sie einen neuen Kandel 
1. s. w. K. wurde schon am 27. d. M. nach 
Zweibrüchen 'ns Gefängniß abgeführt, auch sein 
dompagnon G. war im Verhore gestaͤndig. Hoffent⸗ 
ich führt die gerichtliche Bestrafung die beiden 
vieder auf redliche Wege. 
— Kaiserslautern, 27. März. Die 
Arbeiter der Andre'schen Möbelfabrik bier haben 
hre Arbeit eingestellt. 
— Kaiserslautern, 28. März. Ein 
chandlicher Streich wurde gestern dadurch verübt, 
»daß einem sechsjährigen Mädchen in der sog. 
„Gifthütte“ in der Eisenbahnstraße von einem Er⸗ 
wachsenen so viel Branntwein zu trinken gegeben 
wurde, daß das arme Kind im Laufe der Nacht starb. 
— Bruchweiler, 26. März. Sonntag 
Abend den 22. März fiel der 70jährige Müller 
Heorg Jakob dahier aus dem zweiten Stock seiner 
Mühle so unglücklich herunter. daß er nach Nerlan“ 
hon drei Tangen versch