Full text: St. Ingberter Anzeiger

s Jugherter Amzeiger. 
Aumtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wdchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonmtag; 2mal wochentlich mit Unterhaltumgn⸗ 
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M 65. 
Dienstag, 31. März 18883. 20. Jahrg. 
Zum 1. April 18835. DVVVV 
viebenzigster Geburtstag des Reichskanzlers. J 
kin solcher Tag ist's, der im Festge- Was er uns war, was er bis heut Nimm hin den Kranz, den Deutschland 
wande geblieben, Dir gewunden, 
Das deutsche Voll heut findet; heller Was er geschafft, gefördert und gewirkt — daß er auf Deinem Haupt, Dich ehrend, 
J strahlt Im Buche der Geschichte fiet's ge ruh, — 
Die Sonne heut im deutschen Vaterlande, schrieben, Nie hat der Lorbeer Sterbliche ge⸗ 
Das dankbar eine alte Schuld bezahlt. Das Wenige so reinen Namens birgt! ——— funden, 
Des Reiches Kanzler fliegen heut ent- Sich selbst geireu, treu seinem Herrn die ihn verdienten ehrlicher als Du! 
gegen, und Lenker D stehe fest im Zeit⸗ und Welt⸗ 
Millionen Herzen, Glüc- und Liebe And treu dem Land, dem all' sein getriebe; 
voll, Streben gilt, stoch lange Jahre unser Fels und 
Und tausend Hände fich geschäftig Fin deutscher Held, ein Kämpfer und —287 Hort, 
regen, ein Denker, Dir dankt Germania mit ihrer Liebe 
Zu spenden ihm des Dankes reichen So ist, so bleibt er Deutschlands Schirm And feiert Dich im deutschen Lied 
Zoll. und Schild! und Wort! 
Die Stunden ziehn auf nimmer müden 
Schwingen 
Fin Tag — ein Jahr zerrinnt wie 
Meeresschaum, 
—A 
—P bringen, 
Die Nachwelt findet ihre Spuren kaum. — 
Da naht ein Tag, den sich ein Gott 
erkoren, 
Mit weiser Hand erwählt ihn das Ge⸗ 
— schick — 
Es wird der Welt ein Genius ge— 
boren! 
Und unvergessen bleibt der Augenblick! 
Volitische Uebersicht. I 
Der Aufschub der Beschlußfassung des Bundes⸗ 
raths über die Dampfervorlage ist, keines⸗ 
wegs aus irgendwelchen politischen oder kommer— 
ziellen Beweggründen, auch nicht wegen Mangels 
mn Instruktionen für einzeine Bevollmächtigte er⸗ 
olgt, sondern aus einem mehr äußerlichen Grunde. 
MNan wollte fuür die heute Dienstag stattgehabte 
etzte Sitzung, in welcher sich der Bundesrath 
vot der Gratulation beim Kanzler vollzählig 
uusammen fand und auch die Minister der größeren 
Dittelslaaten, wie die Herren von Lutz und Turban, 
mnwesend waren, eine dieser „Galasitzung“ ent⸗ 
prechende Tagesordnung wählen und hierzu schien 
die Dampfervorlage, die zugleich der einzige Gegen⸗ 
tand ist, am geeignetsten. 
Rückzug des in und bei Langson concentrirten 
französischen Corps von 10,000 Mark vor der 
hinesischen Uebermacht und die Verwundung des 
GBenerals Negrier. Wie ein Lauffeuer verbreitete 
ich die Nachricht in der Stadt, und es entstand 
jene fieberhafte Aufregung, in welche Paris in be⸗ 
vegten Zeiten so leicht versetzt wird, jene wie mit 
einem Schlage hergestellte nationale Solidarität, 
ener zu äußerster Energie gespannte nationale 
Wille, welcher sofort und mit unwiderstehlicher 
Macht die Consequenzen der Sachlage zieht. Eine 
zanze Fluth von Gerüchten und Nachrichten ergoß 
sich über Paris, und auch heute noch ist es schwer, 
sich ein Bild der Lage zu machen. Was auch 
zeschehen sein mag, so viel steht fest, daß es mil 
der bisherigen Art der Kriegführung in China zu 
Ende ist. Nach einem solchen Schlage ist an die 
jangsame Fortführung von Operationen in dem 
bisherigen Style nicht mehr zu denken. Die 
ffentliche Meinung hat sich den ostchinesischen 
Wirren gegenüber dis jetzt ziemlich passiv verhalleu 
und deshalb hatten Regierung und Kammer in 
dieser Frage freies Spiei. Die Regierung hatte 
Zeit auf eine günstige Wendung zu warten und 
die Kammer fand sich ebenfalls nicht veranlaßt. 
dem Ministerium Ferry Schwierigkeiten zu bereiten. 
Das hat sich mit einem Schlage geändert. Das 
ranzösische Volk scheint die oftchinesische Frage selbst 
n die Hand nehmen zu wollen und deßhalb wird 
ꝛer eigentliche Krieg mit China erst jetzt beginnen. 
Telegramme melden uns, daß die Regierung sofort 
Verstärkungen nach Tongking abgesandt hat und 
200 Millionen Francs von der Kammer verlangen 
will. Darauf ist aber weniger Gewicht zu legen, 
da es sich zunächst darum handelt, ob es das Mi— 
nisterium Ferry sein wird, das den nationalen 
Willen in dieser Frage ausführt. Der Bestand 
desselben ist offenbar aufs Höchste gefährdet und 
schon die heutige Kammersitzung duͤrste über sein 
erneres Verbleiben entscheiden. Man nennt bereits 
Freycinet als seinen Nachfolger. 
83) Daß im Kanal oder in dessen Zugängen, 
owie anderwäris in den territorialen Gewässern 
ẽgyptens keine Feindseligkeiten stattsinden sollten, 
elbst im Falle die Türkei einer der Kriegführen⸗ 
en ist. 
M Daß keine der beiden letzten vorftehenden 
Bedingungen auf Maßregeln Anwendung finden 
soll, die für die Vertheidigung Egyptens nothwen- 
dig werden dürften. 
5) Daß jede Macht, deren Kriegsschiffe zufällig 
dem Kanal irgend welche Beschädigung zugefügt 
haben, verbunden sein soll, die Unkosten einer un— 
verzüglichen Reparatur zu tragen. 
6) Daß Egypten alle Maßregeln ergreifen soll, 
die in seiner Macht stehen, um die der Durchfahrt 
yon Schiffen Kriegführender durch den Kanal in 
driegszeiten auferlegten Bedingungen in Kraft zu 
etzen. 
7) Daß beine Befestigungen am Kanal oder in 
dessen Nachbarschaft errichtet werden sollten. 
8) Daß nichto in dem Abkommen die territo⸗ 
ialen Rechte der Regierung Egyptens weiter ver⸗ 
rürzen oder affiziren foll, als darin besonders vor⸗ 
gesehen ist. 
Diese Depesche ist von den Mächten als Basis 
für die in Kurzem in Paris abzuhaitende Konven- 
ion angenommen worden. 
Deutsches Reich. 
Die jüngst in Kours gesetzte Angabe, Graf 
derbert BSismarck werde am J. April „Prinz“ 
und „Fürstliche Gnaden“ getauft werden, hat sich, 
vie zu erwarten war, als ein Aprilscherz erwiesen 
Von der Saar schreibt man der „Nat.Lib. 
horr. Die Folgen des Unglücks auf der Grube 
Lamphausen“ find besonders verschärft durch 
en Umstand, daß die ältere Arbeiterschicht sich in 
er Grube befand. Es waren großentheils Familien⸗ 
iter und fast laufer Männer im besten Alter. 
heispielsweise haben die 24 Verunglückten, welche 
em Kreise Merzig angehörten, 19 Witiwen und 
7 Kinder hinterlassen. Von den letzteren sind nur 
wei achtzehn Jahre alt, 75 noch unerwachsen. 
der auch die Underheiratheten hatien meisi Ange⸗ 
sörige zu ernähren. E hatte ein Verunglückier 
uus dem Dorfe Reimsbach des Kreises Merzig fich 
nicht verheirathet, um seinen jetzt 87jährigen Vater 
and seine Schwester nebst deren ghuß ernähren zu 
hnmen. Für solche Fuͤlle wird die Privatwohl⸗ 
hatigkeit auch dang noch eintreten müssen, wenn 
uch der dankenswerthen Erllärung bes Herrn 
Ninisters fur di offenilichen Arbeiten die Leistungen 
vs Anfallverficherungsgesehes gewährt werden. 
da benanne Ve ee weiches etwa 00 
dinmohnct zahneisembag Opfern betheiligt, 
——AX Theil seiner arbeils 
ühigen Männer eingebützt, so daß auch die com⸗ 
Dong ʒverhalimisse tief in Milleidenschaft ge⸗ 
jogen sind. 
Berlin, 29. Marz. Die Vorbereitungen für 
den Ehrentag des Reichskanzlers sind in 
zrößtem Umfang getroffen und stellen ein Fest in 
Aussicht, wie es großattiger kaum je begangen 
vorden. Schon jetzt laufen die Glückwünsche, 
Heschenke, Zusendungen aller Art wahrhaft massen⸗ 
jaft ein, und ihre Empfangnahme und Beant⸗ 
vortung nimmt die Umgebung des Kanzlers aufs 
Aeußerste in Anspruch. Der Schwerpunkt der 
Feier wird in dem großartigen, mit einem „Früh⸗ 
choppen“ verbundenen Empfang liegen, der auf 
Mittwoch, 1. April, von 12 dis 4 Uhr angesetzt 
ist. Zu demselben werden, soweit es die Raum— 
»erhältnisse gestatten, sämmtliche Deputationen und 
leberbringer von Ehrengaben und Glückwünschen 
ntboten, und es dürften sich dabei Hunderte von 
Basten zusammenfinden. Der am Vorabend statt⸗ 
indende Fackelzug dürfte der großartigste werden, 
)en man in Deutschland jemals gesehen. Man 
zlaubt auf etwa 10,000 Fackeeln rechnen zu müssen, 
ind die Polizei sieht sich in der Ueberwachung und 
deitung einer so umfassenden Veranstaltung einem 
ieuen Problem gegenüher. das ibr SEraft in 
Als Gruudsätze, über welche die Sue z⸗Kon⸗ 
erenz in Paris verhandeln foll, ergeben sich nach 
iner Depesche Lord Granvilles an die Veitretet 
Englands bei den Mächten folgende: 
1) Daß der Kanal für die Durchfahrt aller 
Schiffe unter allen Umständen offen sein sollte. 
2) Daß in Kriegszeiten eine Beschränkung der 
Zeit fixirt sein sollte, während welcher Kriegsschiffe 
eines Kriegführenden in dem Kanal verbleiben 
önnen; und daß weder Truppen noch Kriegs 
nunition im Kanal ausgeschifft werden können. 
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In Paris ist gestern Abend eine Hiobspost 
naetroffen, welche eine erschütternde Wirkung auf 
öffentliche Meinung nicht verfehu hat d