St. Jugherter Auzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
— — ç Cwt — — —
der ‚St. Jugberter Auzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmal: Am Brontag, Dienstag, Donnerstag, C amstag und Tonutag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungs⸗
zlau und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1 A 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1)4 75 4, einschließu
d ¶ Zuflellungtgebahr. Die Einrückungsgeblhr far die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4, bei außerpfälzischen und solchen
auf welche die Cxpedition Auskunft ertheilt, Iß H, Neclamen 80 . Bei amaliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
Je 78.
Dienstag, 21. April 18885.
20. Jahrg.
Das Ziel Rußlands in Asien.
Bei der Spannung, welcher der englisch⸗russische
donflikt noch immer für die gesammte Weltlage
erursacht, ist es wichtig. das Ziel Rußlands in
einer asiatischen Politik kennen zu lernen. Nach
einer an kühne Romantik streifenden Sage, genau
vie es das Testament Peters des Großen sein
ollte, Konstantinopel mit der ganzen europäischen
rürkei für Rußland zu gewinnen, soll das russische
keich Lust verspüren, auch noch Indien zu ver—⸗
peisen. Wer die ungeheure Groͤße Indiens zu
bürdigen weiß, wem ferner bekannt ist, daß riesige
dochgebirge und halbbarbarische Lander in weiter
lusdehnung zwischen den zentralasiatischen Besitz⸗
uingen Rußlands und den gesegneten Gefilden In⸗
nens liegen, der wird über einen russischen Er⸗
berungszug lächeln, zumal auch angenommen
verden muß, daß England Indien mit Aufbietung
iller Kräfte vertheidigen würde. Ein Rufsenzug
zach Indien ist einfach verfrüht, denn den kann
ielleicht das nächste Jahrhundert sehen. Aber nach
inem anderen, praktischen und allmählich erreich⸗
zaren Ziele strebt Rußland. Es will für seine
anz abgelegenen und abgeschlossenen zentralasiati⸗
chen Länder einen Hafen am Weltmeere, am in⸗
ischen Ozean, oder genauer gesagt, am arabischen
Meerbusen, und dieses Ziel ist zu erreichen, ohne
aß Rußland Indien zu erobern und mit England
n einen Kampf auf Leben und Tod zu gerathen
xxaucht. Freilich muß England so gerecht sein
ind Rußland auch einen Hafen am Weltmeere
zjönnen. Die russische Hafenstadt der Zukunft
zraucht, wie Petersburger Zeitungen ausgeführt
saben, nicht in Indien zu liegen, sondern in Be⸗
utschisftan in der Bai von Somnjani. Um diese
hai zu besitzen, hätte Rußland der persischen Grenze
ntlang nur einen schmalen Streifen von Afgha⸗
nistan und Belutschistan zu erwerben und könnte
ziese Erwerbung wenn England, wenn auch mit
inigen Vorbehalten, zustimmt, nahezu ohne Blut—
zergießen stattfinden, denn die Khanate von Afgha⸗
uistan und Belutschistan sind ohnmächtige, noch
albbarbarische Vasallenstaaten, bald zu England,
ald zu Rußland neigend.
Bei einem derartigen Plane, die Gegnerschaft
kußlands und Englands in Asien zu lösen, muß
llerdings bedacht werden, daß die gegenwärtige
Stellung Rußlands bei Pendschdeh noch ungefähr
300 deutsche Meilen vom arabischen Meerbusen
ind der Bai von Somnjani entfernt ist und Ruß⸗
and schwerlich diesen Plan auf einmal durchzusetzen
m Stande sein dürfte. Es wird sich wohl be⸗
mügen, wenn es jetzt an den westlichen Ausläufern
»es Paropamisusgebirges ein oder zwei Etappen in
üdöstlicher Richtung gewinnen und später mehr er⸗
eichen kann, denn in jenen halbbarbarischen Staaten
nüssen alle Vorwärtsbewegungen gut vorbereitet
ind gesichert werden. Ungefaͤhr fuͤnfzig Meilen
teht auch Rußland noch von Herat entsernt und
väre Herat schon ein sehr großer Fortschritt Ruß—
ands nach dem arabischen Meere, vielleicht begnügt
ich aber auch Rußland vorläufig mit Pendschdeh, einem
treitigen von Turkmenenstämmen bewohnten Khanate
nd woraus sie unter General Komarow von den
skusien wieder vertriehen worden sind.
man sich, da das ganze Pensum der überwiesenen
Unträge und Gesetzentwürfe in der gegenwärtigen
Session doch nicht mehr zu bewältigen ist, dahin
hlüssig gemacht. in die zweite Ber thung über
ie Beschränkung der Sonntagsarbeit einzutreten,
im wenigstens einen Theil der umfangreichen Ma⸗
erie noch ins Plenum zu bringen. Vorausgesetz
vird dabei, daß von keiner Seite im Hause Wider⸗
pruch gegen eine getrennte Behandlung dieser
MNaterie wird erhoben werden; denn der Wortlaut
er Geschäftsordnung scheint einer solchen stückweisen
gerichterstaltung ans Plenum allerdings zu wider⸗
prechen. — Interessant waren aus den ganzen
jestrigen Verhandlungen nur zwei Enthüllungen,
ie ganz gelegentlich Mitglieder des Centrums zu
nachen sich veranlaßt sahen. Der Herr Abgeord⸗
jete Graf v. Galen, auf dessen Antrag hin der
ben exrwähnte Beschluß gefaßt wurde, erklärte bei
zegründung seines Antrags, daß in der Frage der
Zonntagsheiligung ja das Prinzip des ganzen
hesetzentwurfs (Lieber u. Gen.) liege. Da kein
mnderes Mitglied des Centrums dieser Auffassung
vidersprochen hat, so ist damit zugegeben, daß es
dem Centrum viel weniger auf den eigentlichen
Arbeiterschutz, auf die Beschränkung der Frauen⸗
ind Kinderarbeit, sowie der übermäßigen Ausbeu⸗
ung der Arbeitskräfte durch lange Schichten und
ergleichen ankommt, als auf die „Heiligung des
Zonntags“. — Eine andere interessante Enthüllung
örte man von dem Abg. Dr. Lieber. Von kon⸗
erbativer Seite war bemerkt worden, daß keinen⸗
alls eine Verlängerung der Session über Pfingsten
„inaus zu erwarten sei; nach Beendigung der Zoll⸗
»ebatten und Erledigung einiger noch rückständiger
degierungsvorlagen werde die Session wohl ge⸗
ylossen werden. Darauf erklärt der Abg. Dr.
iebet wörtlich: er sei überzeugt, daß der Reichstag
nuch nach Pfingsten noch tagen müsse. Denn
serade wer die Zölle unter Dach und Fach bringen
volle, müsse mit dem Antrag Huene rechnen und
ürfe die dritte Lesung des Zolltarifs nicht vor Er⸗
edigung desselben im Abgeordnetenhause urgiren,
onfi könnten die Freunde des Zolltarifs eine für
ie recht unangenehme Ueberraschung erfahren.
und namentlich die Hauptpunkte des Böhmerwaldes,
üudweis und Krumau, sind auf's Aeußerste bedroht.
der deutsche Schulverein thut das Mögliche, um
zerade diese Punkte, mit denen das Deutschthum
m Böhmerwalde steht und fällt, zu halten; aber
'eine Mittel stehen nicht im Verhältnisse zu der
hm gestellten Aufgabe. Zwar besitzt er 960 Orts⸗
jruppen mit einer Jahreseinnahme von 260,000 fl.
zegen noch nicht 200 Ortsgruppen und 210,000 fl.
des czechischen Schulvereins; aber während die
Tzechen im Bunde mit Adel und Geistlichkeit ihre
janze Kraft nach einer Richtung hin verwenden,
nüssen die Deutschen nach allen Seiten Front
nachen, um ihren Befitz zu vertheidigen. Doch es
heginnt erfreulicher Weise auch im Böhmerwalde
zas Deutschthum sich zu energischem Widerstande
uufzuraffen, und selbst deutsche Geistliche finden den
Muth, für ihre Stammesbrüder einzutreten.
Deutsches Neich.
Berlin, 18. April. Dem Reich skag ist
der folgende Entwurf eines Gesetzes, betreffend die
Abänderung des Zollvereinigungsvertrages vom 8.
Juli 1867, zugegangen:
„Wir Wilhem u. s. w. verordnen im Namen
jes Reichs nach erfolgter Zustimmung des Bundes⸗
raths und des Reichstags was folgt: 8 1. Die
zestimmung unter Ziffer 1 des Artitels 5 des
Zollvereinigungsvertrages vom 8. Juli 1867, wo⸗
aach von allen bei der Einfuhr mit mehr als 15
ßroschen vom Centner (3 M. von 100 Kg.) be⸗
egten ausländischen Erzeugnissen keine weitere Ab⸗
abe irgend einer Art, sei es für Rechnung von
dommunen und Korporationen, erhohen werden
arf, findet auf Mehl und andere Mühlenfabrikate,
zesgleichen auf Backwaaren, Fleisch, Fleischwaaren
ind Fett, sowie ferner, insoweit es sich um die
gesteuerung für Rechnung von Kommunen und
dorporationen handelt, auf Bier und Branntwein
eine Anwendung. 8 2. Dieses Gesez tritt sofort
n Kraft. Gleichzeitig tritt 84 des Gesetzes vom
20. Februar d. J., betreffend die vorläufige Ein—
ührung von Aenderungen des Zolltarifs. außer
draft.“
Die Begrundung entspricht genau derjenigen,
velche dem Bundesrath zugegangen war. Am
x-chlusse heißt es: „Das Interesse der zahlreichen
dommunen, welche von Mühlenfabrikaten und
Zackwaaren eine Abgabe erheben, macht es erforder
ich, diesen Gesetzentwurf spätestens gieichzeitig mit
der dem Reichstag vorliegenden Zolltarifnovelle in
zesetzliche Geltung treten zu lassen. Es erscheint
ndessen zulässig und zum Zwede der Beseitigung
»er gegenwärtig bestehenden wirthschaftlichen Unzu-
räglichkeiten erwünscht, denselben auch schon früher
n Wirksamkeit zu setzen.“
Berlin, 18. April. Wie nachträglich bekannt
vird, haben in der Sitzung des Justizausschusses
es Bundesraths am letzten Mittwoch sehr lebhafte
Debatten stattgefunden. Preußen ist erneut lebhaft
ür die Bernufung in Strafsachen einge⸗
reten und hat ausdrücklich beantragt, die Ausschuß⸗
mträge, welche die Berufung verwerfen, abzulehnen.
der heftigste Widerstand gegen die Berufung ist
»on Württemberg ausgegangen. Mit sehr großer
Spannung erwartet man die Abstimmung im
Plenum. Wahrscheinlich würde der Reichstag, auch
venn nur ein kleiner Theil der Justizreformen an—
jenommen werden sollte, mit dieser Novelle noch
n dieser Seisinn heraßt merden Menun die RPa—
In Böhmen nimmt die Hetze gegen das
deutschthum forigesetzt größeren Umfang an.
der Einfluß der adeligen Großgrundbesitzer und
„er Geistlichkeit im Böhmerwald ist übermächtig
ind wird größtentheils rücksichtslos im Dienste der
zechischen Sache ausgenutzt. In Prachatitz hat
nan die Amtssprache sowohl als den Verkehr mit
er Geistlichkeit zweisprachig eingerichtet, aber derart,
aß schon jetzt dem Czechischen der Vorrang ein⸗
X
dinge die Absicht erkennt, das Deutsche und die
deuischen zu verdrängen. In dem ehemals ganz
eutschen Gesangvereine ist dafsselbe System der
doppelsprachigkeit eingeführt, aber auch mit dem
erfolge, daß man die Deutschen, die Czechisch nicht
erstehen, dazu benutzt, daß czechische Kampflied
vider die Deutschen mitzusingen. Wie hier, so ist
s überall in den größeren Orten jenes gemischi—
prachigen Gebietes, das sich, nur im Norden mit
zem deutschen Hinterlande zusammenhängend, pa—⸗
allel mit der böhmisch-bayerischen Grenze bis nach
Iberösterreich südwärts zieht. Uederall weiß der
zechische Schulverein die zur Gründung einer
z„chule erforderlichen 49 Kinder auszuforschen,
berall werden czechische Geselligkeitsvereine,
chische Kindergärfen und Schulanstalten errichtet
Politische Nebersicht.
In der am Samstag stattgehabten Sitzung der
Reichstaaskommisstson Arßeiterichnkre hat