Full text: St. Ingberter Anzeiger

zierung nichts weiter als den Zolltarif im Reichs⸗ 
ag eriedigt sehen wollte, so wuͤrden dazu die fünf 
Wochen vor Pfingsten ausreichen: · ¶ Mittlerweile 
jört man jedoch, daß sie beabsichtige, noch ziemlich 
imfangreiche Vorlagen einzubringen. Damit würde 
s unmöglich, schon nach einigen Wochen die Sesston 
u schließen. 
Serlin, 18. April. Für die neuen deutschen 
Zolonien sind, wie der „Hamb. Korr.“ erfährt, 
folgende Ernennungen erfolgi: Frhr. v. Soden. 
früher in der Havang, zuletzt Konsul in Peters- 
hurg, als Goudernenr für Kamerun; demselben 
vird Referendar v. Putttamer. der Sohn des Mi⸗ 
aisters, als Adlatus beigegeben. Nach Angra 
Pequena ist Landrichter Goͤhring aus Mezz designirt, 
ind Assessor Falkenthal verläßt demnächst Berlin, 
im sich nach Togo zu begeben. 
Kosͤln, 19. April. Wie offiziös der „Koln. 
Ztg.“ berichtet wird, hat die Art und Weise, wie 
in Warschauer offiziöses Blatt der „Dziennik“, 
das Geruͤcht vom Auftauchen einer englischen Agi⸗ 
ation gegen Rußland und Polen bespricht, zur 
Benüge gezeigt, daß das Regierungsorgan selbst 
diese Gerüchte für begründet hält. Nachrichten 
zus London und Paris bestätigen ebenfalls das 
Vorhandensein geheimer Umtriebe in Warschau. 
Rur ist zu bemerken, daß die Urheberschaft jener 
Bewegung nicht in England, sondern bei der vater⸗ 
andslosen polnisch⸗sozialistischen Propaganda zu 
uchen ist, die augenblickich in Warschau ihr Un⸗ 
wesen treibt. Eine polnische Broschüre, die ein 
gewisses Aufsehen erregt hat, führt Klage über 
die feindliche Haltung der offentlichen Meinung in 
Furopa den Polen gegenüber. Eine solche Halt⸗ 
ung der öffentlichen Meinung wäre keineswegs un⸗ 
begründet, denn uberall in Europa. wo es gilt, 
Ruühe und Ordnung zu stören, darf man mit 
Sicherheit darauf rechnen. das polnische Element 
hälig zu finden, und die Verbindnuug zwischen 
Polen und Sozialisten ist für alle europäischen 
Bolizeiverwaltungen ein offenes Geheimniß. 
Ausland. 
Petersburg, 19. April. Wie die „Nordi⸗ 
sche Telegraphenagentur“ meldet, schreitet die Aus⸗ 
üstung der Kriegsschiffe in Kronstadt fort und ist 
jeute der Befehl gegeben worden, daß alle dortigen 
Zriegsschiffe sich bereit halten sollen, in See 
in gehen. 
PAoökale und pfälzische Nachrichten. 
“St. Ingbert, 21. April. Wie wir hören, 
vwurden die seinerzeit von der Firma Schuler 
ind Schmid in Zürich abgebrochenen Verhand⸗ 
ungen behufs Errichtung einer Spinnerei 
dahier neuerdinas von der genannten Firma wieder 
angeknüpft. 
Aus der Pfalz. Nach der „Pf. Post“ 
ind dermalen 27 protestantische Pfarreien in der 
Bfalz erledigt, so daß nicht bios für die in diesem 
Fahre, sondern auch für die ganze Reihe der im 
aächsten Jahre zur Anstellungsprüfung kommenden 
Fandidaten Stellen offen sind. 
— Schon früher wurde in den Distriktsräthen 
die Gründung einer Pensions-Anstalt für 
zie Distrikts⸗Bauschaffner und die Di—⸗ 
trikts⸗Straßenwärter der Pfalz, sowie 
deren Hinterbliebene ongeregt. Eine Einigung kam 
amals leider nicht zu Stande. Die Distriktsräthe 
‚on Kusel, Lauterecken und Wolfstein haben nun 
e Errichtung einer Pensionskasse für die Distrikts⸗ 
Straßenwärter des Bezirksamts Kusel, sowie für 
deren Hinterbliebene beschlossen und die kgl. Re⸗ 
zierung hat diesem Beschlusse ihre Genehmigung 
theili. Die Distriltsraͤthe sind bei diesem Beschlusse 
‚on der Erwägung ausgegangen. daß, wenn einer⸗ 
Ails den Straßenwärtern gegenüber auf gewissen⸗ 
zafte Pflichterfüllung mit aller Strenge gedrungen 
derde, andererseits für die Distrikte die moralische 
Verpflichtung bestehe, diesen Bediensteten, die bei 
hren mäßigen Lohnen kaum Ersparnisse machen 
önnen, für den Fall der Dienstunfähigleit eine 
war bescheidene. doch aber von den schwersten 
Sorgen bewahrende Pension zu gewähren. Da 
der größere Theil der Distriktsräthe der Pfalz dem 
Fbenerwähnten Projette seinerzeit zugestimmt hatte, 
d ist nicht zu bezweifeln, daß das Beispiel des 
Bezirls Kusel Nachahmung finden und bei Zu⸗ 
ammenschließen der einzelnen Anstalten für die 
Distriks · Straßenwärter der Pfalz mit der Zeit nur 
T ensions Anstalt hestehen wird 
— Weidenthal, 18. April. Herr Bitar 
Müller verläßt in nächster Zeit unsere Gemeinde 
und tritt in den Dienst der prot. Kirche in Baden. 
— Landau. 20. April. Die Sprengübungen 
her Pioniere von Speyer in den Frankweilerer 
Steinbrüchen beginnen heute, Montag. 
— Winden, 17. April. Als Merkwürdig⸗ 
keit verdient folgendes erwähnt zu werden. Herr 
Restaurateur Silbernagel hier hat eine Katze und 
inen Hund, welche gleichzeitig Junge geworfen 
haben. Der Hund scheint aber mehr Liebe zu den 
ungen Kätzchen als zu seinen eigenen Jungen ge⸗ 
aßt zu haben, da derselbe fast den ganzen Tag im 
dorbe bei den jungen Katzen zubringt und seine 
eigenen Jungen vernachlässigt. 
— Wallhalben, 19. April. Vergangenen 
—XD 
Zara Mai. Dieselbe war bis zu ihrem Ende von 
zrößter Geistesfrische. 
— Speyer, 18. April. In der letzten 
Ausgabe des Kreisamtsblattes der Pfalz wird eine 
lebersicht der wichtigeren Leistungen im Gebiete 
»es Distrikts- und Gemeindehaushalts im Jahre 
1884 betr. veröffentlicht: sie bezieht sich auf Schul⸗ 
vesen, Kirchenwesen, Wohlthätigkeit, Sicherheit, 
Zerlehr, Landwirthschaft, Gesundheit, sonstige 
zeistungen. Der Regierungs⸗Präsident der Pfalz. 
derr b. Braun, hat sich bei dieser Gelegenheit 
eranlaßt gesetzen, für die günstigen Resultate der 
oistriktiden und gemeindlichen Wirksamkeit sämmt⸗ 
ichen betheiligten Behörden, Disitrikts- und Ge⸗— 
neindevertretungen seine volle Anerkennung auszu⸗ 
prechen. 
— Speyer, 18. April. Auf einem im 
Januar d. J. in Heidelberg stattgehabten Gau⸗ 
uͤrntage des „Rhein-Nechar Turngaues“ wurde als 
Feststadt zu einem in diesem Jahre abzuhaltenden 
zau⸗ Turnfeste Speyer einstimmig gewählt und mit 
em Arrangement desselben die hiesige „Turn⸗-Ge⸗ 
Uschaft“, welche diesem Gaue angehört, betraut. 
da das Fest erst nach dem deutschen Turnfeste in 
dresden stattfinden soll, wird dasselbe sehr wahr⸗ 
cheinlich Anfangs oder Mitte Auaust abgehalten 
verden. 
Vermischtes. 
Die Reorganisation der bayerischen 
Bost und Telegraphie soll nach württem⸗ 
dergischem Muster geschehen. Es kämen die Be⸗ 
jeichnungen Posterpedition, Hauptexpedition und 
ihnliche in Wegfall, und es würden je nach der 
gedeutung des Verkehrs nur die Bezeichnungen: 
Zostamt i, Postamt II und Postamt III; ferner 
Zostagenturen in Zukunft bestehen. Letztere ent⸗ 
praächen den bisherigen Postexpeditionen auf Dienst⸗ 
zertrag. Die Oberpostämter würden den Titel 
Postdirektion? bekommen. Vor allem soll das 
og. „Zweiseelensystem beseitigt und zu diesem 
Zwecke streng zwischen niederem und höherem Dienst 
interschieden werden. Für die Aufnahme in den 
Berkehrsdienst wird mindestens der Nachweis der 
vissenschaftlichen Befühigung zum Einjaährig-⸗Frei⸗ 
villigendienst gefordert. Der Eintritt erfolgt als 
Braktikant 2. Klasse, worauf zunächst ein Probejahr 
u bestehen ist. Während des Fachbildungsdienstes 
vird Tagesgeld gewährt. Das Bestehen der nie⸗ 
eren Postdienstprüfung befähigt die Praktikanten 
3. Klasse zu den Stellen als Assistent, event. das 
zestehen einer weiteren Prufung zu den Stellen 
us Sekretär, Verwalter, Vorsteher von Aemtern 
2. Klasse, Kassierer and Postmeiste.. Die An— 
tellung ist kündbar (3 oder 6 Monate). Die 
zereits erworbenen Rechte merden in keiner Weise 
ilteriett. Wer sich der höhrren Laufbahn zuwenden 
vill, hat seine Befähigung durch Ablegung der 
jöheren Dienstprüfung nachzuweisen. Hiezu eignen 
ich fast ausschließlich die Ahsolpenten böberer Lehr— 
mstalten. 
F Merzig, 18. April. Vorgestern passirten 
ingefähr 50 Auswanderer aus dem Saargebiet, 
zie sich in Amerika ein neues Heim zu gründen 
jedenken, auf der Durchreise unsere Stadt. Es 
st wunderbar, daß trotz des bedeutenden Ueber⸗ 
lusses an Arbeitskräften jeder Art in Amerika 
och die Leute die Lust am Auswandern nicht ver— 
ieren. — Fortunag ist unserer Stadt hold gewesen. 
Das große Loos der Liebfrauenkirch⸗Lotterie ist nach 
Merzig gefallen. Dasselbe besteht in einem golde— 
ien Briefbeschweret, im Werthe von 15,000 Mt. 
Wer der glückliche Gewinner ist, konnte bis jetzt 
roch nicht konstatirt werden, da bei dem großen 
oose-Ahsak ein MAufschreihen der eingelnen Numm⸗ 
mmöglich war. — Ein hiesiger, 26 Jahre alter 
sehr braver, unverheiratheter Handarbeiter, der seine 
alten, ganz erwerbsunfähigen, sehr armen Eisn 
recht redlich ernährte, ist bor etwa acht Tagen in 
dem Eisenwerke zu Hayingen leider durch eigene 
Anvorsichtigkleit verunglückt, daß er nach einigen 
Stunden infolge der erlittenen Verletzungen gestor. 
zen ist. Das Gesetz spricht in diesem Falle den 
Zinterbliebenen eine Entichädigung nicht zu. 
Tr. Zig) 
fF Stuttgart, 17. April. Zwei Stunden 
von hier ist gestern Mittag 1222 Uhr das auf der 
Jellinger Gemarkung gelegene Pulvermagazin und 
Feuerwerks· Laboratorium des Herrn Wagner von 
Ehringen mit einem bis Stuttgart hörbaren Knall 
xplodirt. Der 16jährige Gehilfe Wagners wurd⸗ 
zerschmettert zwischen den Trümmern der Unglücks 
ttätte gefunden. 
F Landshut, 18. April. Jüngst verübten 
wei Offiziere des II. schweren Reiter⸗Regimentz 
während einer Theater⸗Vorstellung ruhestörenden 
Zärm, sa daß ein Polizeirottmeister und ein Kom— 
nandant der Feuerwehr mahnend einschritten, hiefür 
iber insultirt wurden. Das Regiments⸗Kommando 
hatte hierauf nicht nur das vom Stadtmagistrate 
gestellte Verlangen auf Einleitung einer Untersuchung 
jegen einen der beiden Offiziere abgelehnt, sondern 
sogar dem Magistrat zugemuthet, gegen den betr 
Rottmeister „wegen ungeeigneten Benehmens gegen 
die Offiziere“ (v. Sonnenburg und Reschreiter) vorzu⸗ 
jehen, worauf jetzt der Magistrat beschloß,die 
Strafauträge wegen Berufsbeleidigung seiner Beamten, 
wegen Beschimpfung des Magistrats selbst und 
wegen Vergehens des Widerstandes gegen die Stacets 
Jewalt direkt an die Staatsanwaltschaft beim 
Militärbezirksgerichte abzugeben. 
FFrankfurt a. M., 17. April. (Der 
durchgefütterte Grenadier.) Ein Dienftmädchen 
nachte heute gerichtlich eine Lohnforderung von 6006 
Mark gegen ihre Herrschaft geltend. welche beftritt, 
)em Mädchen, etwas schuldig zu sein. Heiterkeit 
rxregte es, als die Herrschaft mit einer Gegenfor⸗ 
erung für einen Grenadier herausrückte. Zwei 
Jahre lang, hieß es, habe derselbe heimlich aus 
zer herrschaftlichen Küche und dem Keller seine 
Atzung erhalten. der Mann habe keinen schlechten 
Appetit entwickelt, das Mädchen habe riesengroße 
Töpfe voll gekocht und sei nie etwas für den an—⸗ 
)eren Tag übrig geblieben. Der Grenadier habe 
Alles aufgezehrt und wenn die Sache nicht enldett 
vorden wäre, so würde er die Familie arm ge⸗ 
ressen haben. Die Klägerin müßte darum ein⸗ 
ehen, daß sie moralisch zum Ersatz des durch ihr⸗ 
ziebelei angerichteten Schadens verpflichtet sei. 
f Die Versammlung aller deutschen Kegel— 
lubs wird bekanntlich zu Dresden vomb6. 
dis 8. Juni stattfinden. Das eben erschienene 
Programm ist sehr reichhaltig und beträgt der 
Breis einer Festkarte (einschließlich Festtafel. Con⸗ 
ert und Dampischifffahrt) 8 Mk. 
Minden. 18. April. Noch nicht dage⸗ 
vesen dürfte sein, was sich dieser Tage hier zuge⸗ 
ragen hat. Eine krank darniederliegende Arbeiter 
rau forderte von ihrem Manne fünf Pfennige zut 
Beschaffung von Zinksalbe, deren fie bedurfte. Der 
Mann brauste auf: „Schon wieder Gelde! Schon 
wieder fünf Pfennige! Da will ich mich doch 
lieber aufhängen!“ Sprach's, ging in einen Neben⸗ 
aum und erhängte sich. Er wurde dort aufge⸗ 
unden, ehe noch alles Leben aus ihm entwichen 
var, und abgeschnitten. Als sich der Frevbler en 
solt hatte, wurde er zu seiner persönlichen Sicher 
heit in Polizeihaft genommen. Das arme Weih 
ist in's städtische Krankenhaus übergeführt worden. 
pSimmern, 18. April. Anfangs Sep 
ember sollen große Manöver auf dem Hunsrüt 
jattfinden und 13 Bataillone Infanterie, 10 
Schwadronen Kavallerie und 1 Regiment Artislerit 
daran theilnehmen. 
F Einecharakteristische Bis march 
Anekdote. Als Oito v. Bismard noch au⸗ 
Junker vom Kniephof“ die Verwaltung der Familien 
uͤter in Pommern leitete und als passionirtter Jäget 
de Gelegenheit wahrnahm, das edle Waidwerl zu 
iben, folgte er auch einmal — so weit sich fest 
tellen laäßt, muß dies im Anfang der 40er Jahr 
jeschehen sein — einer Einladung zur Jagd uf 
idschwedischem Gebiet. Ein ihm befreundert 
amaliger königlich schwedischer Lieutenant, jeiget 
Oberhofstallmeister, Rudolf Viktor Tornerhiem 
jatte diese Einladung im Namen seines damals noa 
»benden Naters des Hofiägermeisters und Ritt⸗