Full text: St. Ingberter Anzeiger

gt. Jugherter Amziger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 80. 
Politische Uebersicht. 
Wie der „Pol. Corr.“ aus Odessa geschrie— 
den wird, werden in Batum namhafte militärische 
horbereitungen getroffen. Zwei Kriegsschiffe 
ind von der Beförderung von allerlei Kriegsma⸗ 
crial, Festungs- und schweren Batterie⸗Geschützen, 
owie Munition nach dem genannten Hafen vollauf 
n Anspruch genommen. Es soll, wie es heißt, 
in beirächtliches Korps zu dem Zwede concentrirt 
derden, um die strategisch wichtige Bahn Tiflis⸗ 
poti unter allen Umständen sicherstellen zu können. 
z3 werden alle Vorkehrungen getroffen, um auf 
den ersten Befehl die Armirung des Hafens be— 
verkstelligen zu können. — Eine gleich rege Thä— 
igkeit herrsch im Asow'schen Hafen von 
dertsch: Jenikale. Die erst nach dem Kriege da⸗ 
elbst, und zwar unterhalb des Mithridatberges 
uufgeführten Befestigungen werden mit Geschützen 
von größtem Kaliber armirt. Eine Reihe von 
Strandbatterien, die zum Schutze des Golfes von 
dertjch bestimmt sind. werden mit Beschleuniqung 
hergestellt. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 22. April. Ju der heutigen 
teichstagssitzung war das Haus so leer 
vie noch nie, offenbar weil alles als Mitglied oder 
zuhörer in das Abgeordnetenhaus geströmt war, 
um dort der kirchenpolitischen Debatte beizuwohnen. 
die Wichtigkeit der verhandelten Gegenstände hätte 
onst wohl ein zahlreiches Erscheinen veranlassen 
ollen, da bei der Berathung der Zolle auf Baum⸗ 
vollgarne der alte Kampf zwischen Webern und 
z„pinnern entbrannte. Durch den Zolltarif von 
879 sind nämlich nach der Feinheit der Garn— 
iummer abgestufte Staffelzölle auf Baumwollen⸗ 
zarne eingeführt, namentlich auf Andrängen der 
urch die hohen französischen Schutzzölle geschädig⸗ 
en Elsaß⸗Lothringer und in der Absicht, in 
Deutschland eine bedeutende Feinspinnerei zu er— 
iehen. Dadurch war aber die Fabrikation von 
Seiden · und Wollstoffen, welche der Baumwollen⸗ 
zjarne als Halbfabrikat bedarf, geschädigt und es 
nachte sich daher namentlich seit Einführung der 
dmission temporaire für die Seidenindustrie in 
Frankreich eine lebhafte Agitation der benachthei⸗ 
igten Industrien geliend. In der That wurde 
nachgewiesen, daß die Garne von größerer Feinheit 
als Nr. 60 in Elsaß⸗Lothringen nicht zu haben 
varen, sondern die Seiden · und Baumwollen⸗In⸗ 
dustrie nach wie vor auf den Bezug englischer 
Garne angewiesen war. Es war daher berechtigt, 
w verschiedene Anträge den Klagen der benach⸗ 
heiligten Industrien abzuhelfen suchten und zwar 
xeschah diefes in doppeiler Weise. Einmal wurde 
urch Antrag von freisinniger Seite das Instiut 
der admission temporaire nach Deutschland zu 
rpflanzen gesucht, doch muß dieser Versuch allec 
dings an den bedeutsamen und schwerwiegenden 
olgen seiner Annahme scheitern, da dam ohne 
Iweifel auch alle anderen Industrien das Verlangen 
d Zollzurückvergütung gestellt haben würden; 
nationalliberale Abg. Penzig dagegen ging 
n y anderen Basis aus, indem er auf Grund 
* hatsache, daß die feineren Nummern als 
—* in Deutschland producirt würden, mit der 
Iiens der Zollstaffeln bei dieser Nummer 
m ten und die höheren Nummern mit dem⸗ 
en Zohf mi⸗ vdi⸗ sier⸗ hesegen mithin alsa 
Samstag, 25. April 1885. 20. Jahrg. 
jegen den bisherigen Zustand seit 1879, eine 
Zollherabsetzung der feineren Nummerga eintreten 
assen wollie. Beide Vorschläge fanden sehr beredte 
ind gründliche Vertretung, der erste durch die 
derren Brömel, Trimborn und Bam- 
derger, der zweite durch die Herren Penzig 
und Buhl, bvon denen namentlich der letziere 
großen Eindruck machte, da er Schutzzöllner ist 
ind für den Schutz der normalen Arbeit eintritt, 
in diesem Falle aber zu dem Schlusse kam, daß 
das Interesse der gesammten Weberindustrie stärker 
inregen muͤsse, als das isolirte der elsässischen 
ZSpinnereien, denn die übrigen Spinnereien Deutsch 
ands produciren allerdings nicht die feineren 
Barnnummern. Die Bekaͤmpfung der Anträge 
vurde durch den Elsässer Grad und die Regier⸗ 
ing geführi, denen der Abg. v. Fischer zur 
Seite trat, weil er das Rütteln an dem Tarif 
bon 1879 mißbilligte. Am geschicktesten, wie fasi 
ets, war der Minister v. Bötticher in der 
Vertheidigung der bestehenden Sätze, und wenn 
ihm eine Aeußerung entschlüpfte, welche die Ab⸗ 
sicht eines erhöhten Zollschutzes für die feineren 
Garnnummern anzudeuten schien, so beeilte er sich, 
diese Ausiegung in einer zweiten Rede abzuschnei⸗ 
den. Natürlich ging es auch diesmal nicht ohne 
Reibereien ab, doch hatte der Abg. Bamberger den 
zuten Geschmack, einen Ausfall gegen die Regier⸗ 
ingsvertreter wegen ihrer Gleichgiltigkeit gegen die 
Industrie in persönlicher Bemerkung in gewüͤnschter 
Weise zu modificiren. Den Sieg errang zum 
Schluß die Ansicht der Regierung. 
Berlin, 22. April. Die Arbeiterschutzgesetz⸗ 
dommission des Reichstages hat in ihrer Mehrheit, 
destehend aus den Konservativen, dem Zentrum und 
den Sozialdemokraten den Beschluß gefaßt, daß auch 
in den Gastwirihschaften die Gehilfen und Lehrlinge 
Sonntags nur fünf Stunden beschäftigt sein dürfen. 
Da sich nun in dem betreffenden Enwwurfe zugleich 
die Bestimmung findet, daß die Geschäftszeit für 
alle Gehilfen und Lehrlinge in demselben Betriebe 
die gleiche sein muß, sind also die sämmtlichen 
Wirihschaften, soweit nicht die Wirthe selber zur 
Bedienung der Gäste genügen, an allen Sonntagen 
auf einen fünfstündigen Geschäftsbetrieb beschränkt 
Berlin, 22. April. Abgeordnetenhaus 
Präsident von Köllner eröffnet die Sitzung um 11 
Uhr 15 Minuten. Der Antrag des Abg. Windt⸗ 
jorst betreffend die Aufhebung des Sperrgesetzes 
vird nach längerer Verhandlung mit 182 gegen 
128 Stimmen abgelehnt. Später wurde auch der 
weite Antrag des Abg. Windthorst auf Freigebung 
des Messelesens und des Sakramentspendens mit 
159 gegen 127 Stimmen verworfen, Für beide 
Anträge stimmten das Centrum, die Polen und 
ein Theil der Deutschfreisinnigen. 
Berlin, 23. April. Die Zolltarif⸗Kommission 
hat beschlossen, den Zoll für Reis zur Stärkefabri⸗ 
sation auf 3 Mark zu erhöhen. Der Antrag 
Franckenstein auf Rückvergütung des Cacao und 
Zuckerzolls bei der Ausfuhr von Chocalade wurde 
abgelehnt, dagegen eine Resolution ähulichen Inhalts 
angenommen. — 
Berlin, 23. April. Der Bundesrath hat 
die Einführung der Berufung mit geringer Mehrbeit 
abgelehnt. 
Berlin, 28. 
vies einen Antrag 
ines Gesetzes über 
Beschlagnahme von 
di⸗e Muaäschöi—⸗ 
Kiel, 22. April. Von den für den politi— 
schen Dienst bestimmten Schiffen unserer Marine 
befinden sich zur Zeit sechszehn Kreuzer in außer⸗ 
europäischen Gewässern, die zusammen 143 Geschütze 
führen und eine Besatzung von 3468 Mann haben, 
Von diesen Schiffen kehren demnächst drei in die 
deimath zurück, und zwar: die Kreuzerkor vette 
Olga“ (10 Geschütze und 27 Mann) von der 
vest; afrikanischen Station, die Brigg „Rover“ (6 
Beschütze und 78 Mann) von einer größeren 
lebungsfahrt, und die Kreuzeckorvette „Nymphe“ 
9 Geschütze und 111 Mann) von der westameri⸗ 
sanischen Station. „Olga“ und „Rover! verbleiben 
nach ihrer Heimkehr als Freiwilligen-Schulschiffe in 
Dienst und werden dem im August zu bildenden 
Beschwaderverbande beitreten Als Ersatz für 
„Olga“ ist heute der Kreuzer „Cyclop“ (4 Geschütze 
und 67 Mann) von Wilhelmshaven nach der 
vestafrikanischen Station in See gegangen. — 
Die Kreuzerkorvette „Ariadne“ (8 Geschütze und 288 
Mann), welche hier gestern Abend aus Wilhelms⸗ 
haven eintraf, geht morgen nach Friedrichsort, um 
die Schiffszungen an Bord zu nehmen. 
Darmstadt, 23. April. Die Konigin von 
England und Prinzessin Beatrice sind heute Morgen 
um 8 Uhr hier eingetroffen. 
Ausland. 
Newyork, 20. April. Die Legislatur des 
Staates Connecticut hat am leßgten Montag fast 
einstimmig eine Bill angenommen, welche eine 
Strafe von 5000 Dollars oder zwanzig Jahren 
Gefangniß auf die Herstellung und den Gebrauch 
bon Dynamit zu verbrecherischen Zwecken setzt. 
Fine gleiche Strafe trifft Personen, welche Geld 
zur Verübung eines Verbrechens mittelst Dynamit 
heisteuern oder die Verübung eines solchen befür⸗ 
vorten. Die Bill schreibt ferner eine strenge 
Ueberwachung der Händler in Dynamit vor. 
Lokale und vfalzische Rachrichten. 
*St. Ingbert, 24. April. Unser Reichs⸗ 
sagsabgeordneter, Herr Oscar Krämer, hat kürz⸗ 
ich auf die ihm vor einiger Zeit aus landwirth⸗ 
chaftlichen Kreisen des Wahlbezirkzß zugegangene 
dankadresse für seine Abstimmung über die Ge⸗ 
reidezölle in einem Schreiben an den 1. Vorstand 
des landwirthschaftlichen Bezirlskomites in Zwei⸗ 
zrücken, Herrn Freudenberg, dankend erwiedert, daß 
es auch hinfort, gleich wie bisher, sein eifriges 
Bestreben sein werde, die Interessen des Wahlkreises 
nach Kräften zu fördern und zu wahren. 
*Si. Ingbert, 24. April. Eine recht un⸗ 
angenehme Erfahrung sollle kürzlich dahier ein aus⸗ 
wärtiger Geschäftsmann mit einer Pfändung und 
harnach folgende Zwangsversteigerung machen. 
dm nämlich die durch das Pfändungs⸗ ⁊c. Ver⸗ 
jahren entstandenen Kosten zu decken. mußte er dem 
bei der Versteigerung erlösten geringen Betrage 
noch ein erkleckliches Sümmchen beilegen. „Wo 
nichts ist, ist halt nichts zu holen.“ 
*In Ergänzung einer kürzlich gebrachten Mit⸗ 
heilung üder einen im Steinbruch bei Gers heim 
jorgekommenen Unglücksfall geht uns die Nachricht 
uu, daß dem schwerverleßten Arbeiter eine Gabe 
Sr. K. Hoheit des Prinzen Luitpold im Betrage 
von 50 Mark zut heil geworden ist. 
— Aus dem Westrich, 22. April. Dem 
„Pf. Museum“ wird berichtet: Im Westrich, 
wischen Sit. Ingbert und Neuhausel liegt an der 
2niserstraße unfern der alfen Fehf⸗ GOirtel ve