St. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingber.
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VPolitische Uebersicht.
* Der Reichstag ist am Montag in die
weile Lesung der VörsensteuerVorlage eingetreten.
das charakteristische Merkmal derselben bildet die
orgeschlagene procentuale Besteuerung den Kauf⸗
ad sonstigen Anschaffungsgeschäfte in Steuersätzen
on uo, resp. 210 vom Tausend, während von
aionalliberaler Seite die Einführung eines abge⸗
uften Fixstempels beantragt wird. Abg. Oechel⸗
user befürwortete in längerer Rede letzteren Au⸗
rag, indem er namentlich betonte, man dürfe die
zorsengeschäfte nicht anders auffassen und behan⸗
es als andere Geschäfte, Unsolidität, waghalsige,
mreelle Speculation kommen nicht allein an der
goͤrse vor, man dürfe nicht durch eine so schroffe
Interscheidung der Börsengeschäfte von den andern
heschaͤsten die Börse discreditiren und daher em⸗
ffehle sich ein degressiv sich abstufender Steuermo⸗
us. Hierauf ergriff der Reichskanzler das Wort,
im einige ihm noch selbst zweifelhafte Punkte an⸗
uregen. Zunächst wies er auf die Moͤglichkeit hin,
as Arbitragegeschäft noch mehr zu begünstigen,
is es in dem Wedell'schen Enwurfe geschehen
dann regte der Kanzler die Frage an, welche
Folgen der Entwurf für die Landwirthschaft haben
verde und lonnte hierbei seine schweren Bedenken
nicht unterdrücken. Abg. v. Wedell⸗Malchow suchte
ieselben zwar zu zerstreuen, indessen die Erwider⸗
ing des Kanzlers klang nicht darnach, als ob Herr
. Wedell diesen Zwech erreicht habe; auf alle Fälle
tzu konstatiren, daß die Kommissionsvorschläge,
oweit sie die vorgeschlagene Steuer als eine Geschäfts⸗
euer lonstruiren, sich gerade nicht der Zustimmung
er Reichsregierung zu erfreuen haben. — Nachdem
lbg. Buhl (nat.⸗lib.) verschiedene Punkte des von
hm Namens der nationalliberalen Partei einge⸗
rachten Antrages vertheidigt, erklärte der Centrums⸗
bgeordnete Frhr. v. Buol, daß seine Partei dem
Bedell'schen Entwurfe in der Kommissionsfassung
ustimmen werde, vorbehältlich einiger Abänderungen,
vahrend Abg. Richter ausführte, die deutschfrei⸗
innige Partei könne der Börsensteuer⸗Vorlage nicht
uftimmen, da diese von keiner anderen Steuer ent⸗
iste und sehr hinderlich auf Handel und Gewerbe
inwirken werde. Schließlich beantragte Abg.
dichter eine Zusatzbestimmung zu dem Gesetzent
putfe, wonach mit dessen Inkraftireten der Zollsatz
ur Petroleum und andere Mineraldle aufgehoben
etden soll. Dagegen stellte der sozialdemokratische
lbgeordnete Kayser den Antrag. mit dem Inkrafi⸗
reten der Börsensteuer die Salzsteuer aufzuhehen,
ut den Fall der Ablehnung dieses Antrages be⸗
ntragte aber der genannte Abgeordnete, aus den
exträgnissen der Boͤrsensteuer einen Arbeiter⸗Inva⸗
denfonds zu bilden. Die Debatte schloß mit einer
zrllarung des Abg. Gamp, wonach derselbe für
die prozentuale Besiseuerung flimmen will.
Noch in dieser Woche wird die Abstimmung
n Bundesrathe über die Novelle zur Strafß
rozeßerdnung und zum Gerichtsverfassungsgeseß
wartet. Man nimmt an, daß bezüglich des
vichtigsten Punlktes der von Preußen beantragten
)Nrabsezung der Ziffer der Geschworenen von 12
uf 7. sich Stimmengleichden ergeben werde und
aß dann die Annahme der verringerten Zahl der
—RX gesichert sei, da in solchen Faͤllen das
zrasidium der Bundesrathes den Ausschlag gebe.
Donnerstag, 7. Mai 1885.
20. Jahrg.
* Dem preußischen Minister für Land⸗
nirthschaft, Dt. Lucius, welcher der Eröffnung
er ungarischen Landesausstellung in Pest beige⸗
vohnt hatte,“ ist vom Kaiser von Oesterreich der
Irden der Eisernen Krone 1. Classe verliehen
vorden.
Ssbkale und pfalzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 7. Mai. Gestern Mor⸗
jen verstarb dahier im hohen Alter von 86
Jahren der frühere langjährige Bürgermeister
mserer Stadt, Herr Wilhelm Chandon. Fast
in Menschenalter lang, bis zum Jahre 1874,
tand der Verstorbene an der Spitze der städtischen
Berwaltung. Unter seiner Amtsführung wurde
St. Ingbert in das Netz der Pfälzischen Eisen⸗
dahnen gezogen, erhielt es das Amtsgericht und die
dateinschule; die Zunahme der Bevölkerung machte
die Vermehrung der Volksschulen und damit in
rascher Aufeinanderfolge die Erbauung zweier
zroßen Schulhäuser nothwendig. So ist in man⸗
aigfacher Weise der Name des Verstorbenen mit
der Geschichte unserer Stadt verwachsen und ihm
in derselben ein bleibendes Andenken gesichert.
*St. Ingbert,. 7. Mai. Die Verhand⸗
ungen der Firma Schuler und Schmid be—⸗
jufs Erbauung einer SpinnereiFabrik dahier
zaben dieser Tage ihren Abschluß gefunden. Das
ktablissement wird voraussichtlich noch im Laufe
zieses Sommers auf dem hinter dem Gefängnißge⸗
züude an der Eisenbahn gelegenen Terrain erbaut
verden. Wünschen wir, daß die an dasselbe ge⸗
nüpften Hoffnungen sich erfüllen mögen!
— Ueber den Aufwand der acht Kreise
Bayerns für Erziehung und Bildung wurde eine
Berechnung angestellt, wonach auf den Kopf der
Bevölkerung durchschnittlich 1 Mk. 36 Pf. treffen.
Dieser Durchschnitt trifft auf Schwaben genau zu,
zie Pfal z verwendet 1 Mtk. 35 Pf. Bei den
Ausgaben für deutsche Schulen treffen auf den
dopf der Bevölkerung durchschnittlich 93 Pf., in
der Pfalz 73 Pf.
— Zweibrücken, 6. Mai. Dem Bezirks
zremium hier wird soeben Mittheilung durch die
Reichsbankhauptstelle Mannheim gemacht, daß das
Reichsbankdireltorium Berlin den Fortbestand der
Reichsbanknebenstelle genehmigt und Hrn. Oskar
denigst die Bankagentur übertragen habe.
— Kaiserslbautern, 5. Mai. Die von
der „Pf. V.Ztg.“ gebrachte Nachricht, daß Christian
Mannweiler aus Waldgrehweiler auf dem Gers⸗
weilerhof einen Selbstmord begangen, hat sich als
falsch herausgestellt. Wie dieselbe entstanden, ifst
dis jetzt noch nicht aufgeklärt.
— Wolfstein, 3. Mai. Der nachstehende,
ovor einigen Tagen am Schoͤffengericht zur Verhand⸗
ung gekommene Fall macht viel von fich reden.
herr Dekan Dr. Hammer war angeklagt, in der
Zeichte einer Ehefrau gesagt zu haben. ihr Mann
yätte seine Mühle angesteckt. Auf die Zeugenaus⸗
sage hin wurde der Herr Dekan zu einer Geldbuße
von 5 Mk. verurtheilt. Wie man hoͤrt, dürfte die
Sache damit nicht abgethan sein.
— Der Verbandstag pfälzischer
sKereditvereine findet am 29. und 30. Juni
in Edenkoben statt.
— Landau, 4. Mai. Ein Sohn des Herrn
Bezirlsrabbiners Dr. Grüne baum dahier, Herr
gerthold Grünebaum in Californien, wurde vom
ZBrasidenten der Vereinigten Staaten von Nord⸗
merika zum Konsul in Apia, Haupistadt der zu
den Samoa⸗Inseln gehörigen Insel Upolu, ernannt.
— Die Gemeinderathswahl Knittels heim
vurde durch Urtheil des Verwaltungsgerichtshofes
ür ungiltig erklärt, da mehrere Wahlzettel abge⸗
zeben wurden, welche nicht vom Wablkommissör
rusgefertiat waren
* Dem Koͤnig Lepolhd II. von Belgien
st anläßlich seiner Proklamirung als Souverain
zes Congo⸗Staates vom Bürgermeister der Stadt
Brüssel eine Glückwunschadresse überreicht worden.
In seiner Erwiederung bezeichnete der König als
Ziel des neuen Staates, der Sache der Civilisation
n Afrika zu dienen, die Sklaverei abzuschaffen und
ür die Entwwickelung des Handelsberkehres Sorge
u tragen. Schließlich sprach der König die Hoff⸗
zus, daß es gelingen werde, genügende Kapital⸗
rafte für die Anlage von Straßen und industriellen
Anternehmungen zu gewinnen.
Der Prinz von Wales eröffnete am Montag
n London in Begleitung der Prinzessin die
nternationale Ausstellung der Erfindungen, deren
Zräsident er ist. Der Prinz wurde von dem
ußerordentlich zahlreich versammelten Publikum
nit lebhaftem Enthusiasmus begrüßt. — In Lon⸗
hon ist eine Karte mit den deutschen Erwerbungen
ind neuen Schutzzgebieten im Stillen Ocean er⸗
chienen, woraus hervorzugehen scheint, daß man
zort die Angelegenbeit als wesentlich geregelt ansieht.
Deutiches Reich.
München, 5. Mai. Der Kronprinz des
Deutschen Reiches und von Preußen hat Herrn
Zriegsminister b. Mail linger sein Porträt durch
den Militärattache Oberstlieutenant v. Vanwitz
überreichen lassen.
Berlin, 6. Mai. Im Palais des Prinzen
Friedrich Karl fand soeben die kirchliche Trauung
der Prinzessin Heinrich der Niederlande mit dem
ßrinzen Albert von Altenburg durch den Oberhof⸗
rediger Koegel statt. Der Kaiser, der Kronprinz—
die hier anwesenden Mitglieder des Königshauses
ind die fremden fürstlichen Gäste wohnten der
Trauung bei. Zum Diner waren gegen 80 Eim⸗
adungen ergangen. Nach dem Diner beabsichtigten
ie Neuvermählten sofort abzureisen.
Ausßland.
London, 5. Mai. „Pall Mall Gazette“
neldet, daß England Port Hamillton nicht besetzt
jabe und auch nicht beschzen werde. da der Friede
etzt gesichert sei.
Ottawa, 6. Mai. Reuter's Bureau meldet:
ringegangenen Nachrichten zufolge fand am Sonn⸗
ag ein Zusammenstoß zwischen 300 Mann cana⸗
ischen Truppen und 600 Indianern, Anhänger
»es Haͤuptlings Poundmaker, statt. Es fielen 7
Zoldaten und 12 wurden verwundet, während die
Indianer 50 Todte und Verwundete verloren.
Chicago, 83. Mai. Gluͤclich entdedte man
jier noch rechtzeitig den Versuch, das hiesige Uni⸗
hersitatsgebäude mittelst Dynamit in die Luft zu
prengen. Der anacrchistische, eines Diebstahls in
er Universitätsbibliothek beschuldigte Otio Funk
st der That verdächtig; er hat fich seiner Ver⸗
saftung durch die Slucht entzogen.