Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fürfmal: Am Moutag, Dienstag, Dounnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal mabchentlich mit Unter haltungt⸗ 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich A 60 fddeinschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1.4 78 4, einsqhließliqh 
d ⸗ Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum betragt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfalzischen und solchen 
auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 18 4, Neclamen 80 4. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
— 
Volitische Uebersicht. 
*»Den hervorragendsten Gegenstand 
»er Verhandlungen des Reichstagiesbildete 
n dieser Woche die zweite Lesung des Börssen steue r⸗ 
geseßentwurfes, welche ihn am Montag und 
dienstag und zum Theil auch am Mittwoch be⸗ 
chäftigte. Die Debatten hierüber waren besonders 
zadurch von Jnteresse, daß sich der Reichskanzler 
m ihnen während der beiden erftgenannten Tage 
lebhaft betheiligte und seinen Standpunkt zu der 
borlage, deren wesentlichstes Merkmal bekanntlich 
die prozentuale Besteuerung der Börsengeschäfte 
ildet, darlegte. Der Kanzler wünscht allerdings 
as Zustandekommen des Entwurfes, aber er ist der 
Neinung, daß noch verschiedene bedenkliche Bestim⸗ 
nungen desselben, namentlich bezüglich des Arbitrage— 
zeschäftes beseitigt oder wenigstens modifizirt werden 
nüssen, wenn der Entwurf wirklich lebenskräftig 
verden soll und hofft, daß man sich im Reichstage 
ierüher verständigen werde. Im Uebrigen erledigte 
as Haus die Vorlage fast durchgängig nach den 
dommissionsvorschlägen und unter Ablehnung des 
zationalliberalen Antrages auf Einführung des ab⸗ 
gestuften Fixstempels. Am Mittwoch beschäftigte 
ich der Reichstag außerdem noch mit den zum 
Hörsensteuergesetzentwurfe gestellten Anträgen der 
lbgeordneten Richter und Kayser; ersterer beantragt 
ie Aufhebung des Petroleumzolles im Falle des 
Inkraftiretens der Börsensteuer und letzterer die 
lufhebung der Salzstener, eventuell die Bildung 
ines Arbeiter⸗ Invaliden⸗Fonds aus den Erträgnissen 
et Vörsensteuer. Beide Anträge wurden indessen 
nach animirter Debatte, in deren Verlaufe Abg. 
dahser erklärte. die sozialdemokratische Fraktion 
vürde im Falle der Ablehnung seines Antrages 
egen die Börsensteuer stimmen, abgelehnt. Das 
gesetz selbst tritt am 1. Oktober d. Is. in Kraft. 
henehmigt wurden ferner am —A 
Lesung der Entwurf, betr. die Steuerbergütung für 
zuder sowie in druter Lesung die Gesehentwürfe, 
ett. den Schutz des zur Herstellung der Reichs- 
asenscheine verwendeten Papiers gegen Nachahmung 
ind betr. die Ausdehnung der Unfallberficherung 
u die Transportgemerhe. 
Die abgelaufene Woche gewährte in parla⸗ 
nentarischer Beziehung eine ziemlich reiche 
lusbeute, denn sammtliche gegenwärtig in Berlin 
agende parlamentarische Körperschaften hielten — 
venn man vom preußischen Staatsrathe absieht — 
um Theil nicht unwichtige Sitzungen ab. Was 
unüchst den Bundesranh andelaugt, so hat der⸗ 
XC Dienstag, anstatt, wie erwartet 
rurde, erst am Donnerstag, seine Entscheidung über 
die Vorloge, beir. die Abaänderung und Ergänzung 
es Gerichtsverfassungsgesehes und der Strafprozeß⸗ 
ndnung getroffen Hiernach beharrt der Bundes 
uth bei seinem früheren Veschlusse bezüglich der 
n Preußen beantragten Wiedere iunfuhrung der Be— 
aung, dieselbe ist demnach auch in zweiter Lesung 
bhelehnt. Dagegen stimmte er dem modifizirten 
neußischen Anttage zu, die Zahl der Geschworenen 
n 12 auf 7 herabzusehen. Dieser Beschluß soli 
de die .Nat. Zig.“cafaͤhrt, in 20 egen 28 
Sinmen gefaßt worden sein, wobei sich Bremen 
t Abgabe“seimer Sluimnme enihielt. Bei der noto⸗ 
ishen Abneigung der Regierungen aller größeren 
dudegsicaen mit Ausnahme Preußens, gegen den 
utag nimmi man an, daß zu diesem Beschlusse 
der Wunsch dem Reichskanzker entgegenzukommen. 
Sonntag, 10. Mai 1885. 20. Jahrg. 
und die Ueberzeugung, daß der Reichstag den An— 
rag doch ablehnen werde, viel beigetragen habe. 
Db übrigens die Vorlage den Reichstag für diest 
Session auch nur in erster Lesung beschäftigen wird, 
ist im Hinblick auf die Geschaftslage in demseiben 
sehr zu bezweifeln. 
K. Allerhöchsten Verordnung am 18. April 1873 
die Errichtung und Leitung von Erziehungs⸗ 
u. Unterrichtsanstaltten betr. die Geneh— 
migung zur Errichtung einer höheren Töochterschuie 
dahier resp. zur Verwandlung der schon bestehenden 
Privatmadchenschule in eine allgemeine zugängliche 
Unterrichtsanstalt erteilt. Der neue Lehrpian trut 
mit dem 10. nächsthin in Kraft. An der Schule 
werden 2 Lehrerinnen u. incl. der Geistlichkeit 
dehrer wirken. Die Oberaufsicht wurde von K. 
Regierung Herrn Subrektor Barnikel dahier 
übertragen, welcher jährlich wenigstens eine außer⸗ 
ordentliche Visitation vorzunehmen hat. 
— Die Kollekte, welche am ersten Ostertage 
für den Neubau der katholischen Kirche in Brei— 
benbach in den latholischen Kirchen der Pfalz 
erhoben wurde, ergab 3333.75 M. 
— Gebweiler, 6. Mai. Groß war gestern 
die unangenehme Ueberraschung, als man heim 
Ecwachen die umliegenden Berge bis tief ins Thal 
hinunter mit einer dicken Schneeschicht bededt sah, 
was eine empfindlich kühle Temperatur mit sich 
brachte. Hoffentlich wird diese Witterung sich bald 
wieder ändern, damit die hoffnungsvolle Aussicht 
der Reb⸗ und Ackersleute nicht wieder scheiterl, 
denn sowohl die Obstbaume als auch die Reben, 
welch leztere reichlich mit Samen behangen find, 
haben bereits einige Hoffnung auf eine gute Ernte 
auflommen lassen. 
— Der erste Verbandstag des Pfalzischen 
käcer⸗Verbandes, welcher am 15. und 
16. Juni in Neustadt abgehalten wird, hat fol⸗ 
gende vorläufige Tagesordnung: 1) Bericht über 
den Stand des Verbandes; 9) Rechenschaftsbericht 
Aber Einnahmen und Ausgaben; 8) Wahl der 
Rechnungs · Revisoren; 4) Referat über das Lehr 
lings und Gesellenwesen; 58) Referat über vie 
Ausgabe von Germania- Lehrbriefen und Arbeits- 
hüchern; 6) die Errichtung von Genossenschaften 
oder Innungen in der Pfaiz; 7) Wahl des Ortes 
für den nachsten Verbandstag; 8) Bericht der Rech⸗ 
nungas.Reyisoren und Decharode. 
—ASOEOEOEA 
Vermischtes. 
Am Montag den 25. Mai wird das Reichs⸗ 
Waisenhaus in Lahr eröffnet. 
FAus dem baherischen Walde, 6. Mai, 
wird dem „Münchener Fremdenblait“ geschrieben: 
In der Umgebung von Regen sind im Laufe dvon 
ein paar Tagen eine ganze Reihe von Messer⸗ 
affairen vorgekommen. Am Sonntag erhielt bei 
Schweinhütt am Walde der 29jahrige, schon oft 
in Raufhändel verwickelt gewesene Andreas Wenig 
wgefährliche Stiche und starke Kopfwunden, dir 
ihm mittelst eines schweren Steines beigebracht 
wurden. Als Thäter ist der Bauerssohn Johann 
Weiderer von Schweinhütt und der Hauslerssohn 
Andreas Rosenberger von Kohlau bekannt. — Am 
zleichen Tage wurde zu Abischlag der Bauerssohn 
Max Weber durch 4 Stiche lebensgefährlich der⸗ 
letzt. — Am Montag versetzte zu Langdorf der 
berheiralhete Inwohner Georg Ernst seinem Bruder 
Michael Ernst einen gefährlichen Messerstich, weil 
dieser seiner Schwägerin, welche sich vor den 
Prügeln ihres Mannes flüchtete, Unterkunft gab. 
— Am Dienstag Nachmittag 1 Uhr versetzte der 
I83jährige Haäuslerssohn Johann Simbedk dem 15. 
ährigen Hütbuben Andreas Gilg auf der Straße 
por der Pfeffer'schen Brauerei zu Poschetsried einen 
Messerstich in den Bauch, daß letzterem die Ge— 
värm⸗ 2 Mesß⸗r sang ans der Wunde beraußknrangen 
Anläßlich des Todes des Generalkonsuls Dr. 
Nachtigal schreibt ein „hervorragender Afrika⸗ 
reisender“ dem „Berl. Tgbl.“: „Zweien Beduürf⸗ 
nissen muß genügt werden. um die Schonung des 
Lebens der weißen Bevölkerung an der Wefiküste 
Afrikas mehr als bisher zu sichern. Eine wissen⸗ 
chaftliche Kommission muß nach Westafrika ent⸗ 
sandt werden, um die Ursachen des Fiebers und 
Mittel zur Bekämpfung desselben zu erforschen, und 
wenn möglich, sollten hierzu die erforderlichen Mittel 
ioch vom tagenden Reichslag verlangt werden. Es 
ollten ferner zwei internationale Lazareth Dampfer 
an der Westküste stationirt werden, um diejenigen 
stranken aufzunehmen, die nach ärztlicher Ansich 
durch den Aufenfhalt auf dem Veere ihre Gesund— 
jeit wiedererlangen köͤnnen. Der eine Dampfer 
ollte nahe den Küsten kreuzen, der andere auf die 
hohe See gehen. Nachtigal ruht in afrikanischer 
Erde. Haben wir Pflichten gegen ihn? Ich denke 
's ist eine Ehrenpflicht Deutschlands, von zwe 
Dingen das eine zu thun: entweder die sterblichen 
Reste desselben nach Deutschland überzuführen, oder 
die deutsche Flagge am Cap Palmas aufzuhissen. 
wo er ruht, denn er darf nur in deutscher Erde 
ruhen. Cap Palmas gehört jenem Zerrbild von 
Staatswesen an, das die Republik Liberia genanni 
wird, und in welchem 50,000 sog. civilisirie Neger 
die gesammte civilisirte Welt chicaniren, indem 
z. B. kein Weißer Grundeigenihum daselbst er⸗ 
werben kann. Ehren wir den großen Todten, in⸗ 
dem wir uns an Stelle dieses bankerotten Staates 
stellen, und deutsche Civilisation da einführen, wo 
das Grab von Dr. Nachtiaal sich befindet. 
Deutsches Reich. 
München, 7. Mai. Auch der Vorstand der 
Süddeutschen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen⸗ 
und Stahlindustrieller hat sich nahezu einstimmig 
zegen die projeltirte deutsche Industrie-Ausstellung 
in Berlin i. J. 1888 ausgesprochen. 
Berlin, 8. Mai. (Reichstag.) Dritte 
desung des Borsensteuer-Gesetzes. 8 J wird mil 
)em Antrag Buol angenommen, wonach in aus⸗ 
andischer Währung zahlbare Wechsel und Auszah⸗ 
ungen an ausländischen Plätzen in fremden Va⸗ 
uten steuerfrei sind, ebenso Kauf⸗ und Anschaffungs⸗ 
zeschäfte übher im Inlande von einem Conirahenien 
erzeugte Sachen ꝛc. Die übrigen Paragraphen 
wurden mit den von den vereinigten Konserbativen 
ind Klerikalen beantragten Modifikationen ange— 
nommen. Darauf genehmigte der Reichstag das 
zanze Gesetz mit 214 gegen 41 Stimmen. 
Ausland. 
Petersburg, 8. Mai. Der „Regierungs 
anzeiger“ enthält über das Uebereinkommen önglande 
und Rußlands, Schiedsrichter bezüglich der Inter⸗ 
pretation der Uebereinkunft vom 17. März einzu⸗ 
etzen, analoge Mittheilungen, wie sie Gladstone 
am 4. d. im Unterhause machte 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
æꝛ St. Ingbert, 8. Mai. Unterm 28. April 
wurde auf ein diesbezügliches Gesuch nach 82 der