St. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Volitische Uebersicht.
*»Den hervorragendsten Gegenstand
»er Verhandlungen des Reichstagiesbildete
n dieser Woche die zweite Lesung des Börssen steue r⸗
geseßentwurfes, welche ihn am Montag und
dienstag und zum Theil auch am Mittwoch be⸗
chäftigte. Die Debatten hierüber waren besonders
zadurch von Jnteresse, daß sich der Reichskanzler
m ihnen während der beiden erftgenannten Tage
lebhaft betheiligte und seinen Standpunkt zu der
borlage, deren wesentlichstes Merkmal bekanntlich
die prozentuale Besteuerung der Börsengeschäfte
ildet, darlegte. Der Kanzler wünscht allerdings
as Zustandekommen des Entwurfes, aber er ist der
Neinung, daß noch verschiedene bedenkliche Bestim⸗
nungen desselben, namentlich bezüglich des Arbitrage—
zeschäftes beseitigt oder wenigstens modifizirt werden
nüssen, wenn der Entwurf wirklich lebenskräftig
verden soll und hofft, daß man sich im Reichstage
ierüher verständigen werde. Im Uebrigen erledigte
as Haus die Vorlage fast durchgängig nach den
dommissionsvorschlägen und unter Ablehnung des
zationalliberalen Antrages auf Einführung des ab⸗
gestuften Fixstempels. Am Mittwoch beschäftigte
ich der Reichstag außerdem noch mit den zum
Hörsensteuergesetzentwurfe gestellten Anträgen der
lbgeordneten Richter und Kayser; ersterer beantragt
ie Aufhebung des Petroleumzolles im Falle des
Inkraftiretens der Börsensteuer und letzterer die
lufhebung der Salzstener, eventuell die Bildung
ines Arbeiter⸗ Invaliden⸗Fonds aus den Erträgnissen
et Vörsensteuer. Beide Anträge wurden indessen
nach animirter Debatte, in deren Verlaufe Abg.
dahser erklärte. die sozialdemokratische Fraktion
vürde im Falle der Ablehnung seines Antrages
egen die Börsensteuer stimmen, abgelehnt. Das
gesetz selbst tritt am 1. Oktober d. Is. in Kraft.
henehmigt wurden ferner am —A
Lesung der Entwurf, betr. die Steuerbergütung für
zuder sowie in druter Lesung die Gesehentwürfe,
ett. den Schutz des zur Herstellung der Reichs-
asenscheine verwendeten Papiers gegen Nachahmung
ind betr. die Ausdehnung der Unfallberficherung
u die Transportgemerhe.
Die abgelaufene Woche gewährte in parla⸗
nentarischer Beziehung eine ziemlich reiche
lusbeute, denn sammtliche gegenwärtig in Berlin
agende parlamentarische Körperschaften hielten —
venn man vom preußischen Staatsrathe absieht —
um Theil nicht unwichtige Sitzungen ab. Was
unüchst den Bundesranh andelaugt, so hat der⸗
XC Dienstag, anstatt, wie erwartet
rurde, erst am Donnerstag, seine Entscheidung über
die Vorloge, beir. die Abaänderung und Ergänzung
es Gerichtsverfassungsgesehes und der Strafprozeß⸗
ndnung getroffen Hiernach beharrt der Bundes
uth bei seinem früheren Veschlusse bezüglich der
n Preußen beantragten Wiedere iunfuhrung der Be—
aung, dieselbe ist demnach auch in zweiter Lesung
bhelehnt. Dagegen stimmte er dem modifizirten
neußischen Anttage zu, die Zahl der Geschworenen
n 12 auf 7 herabzusehen. Dieser Beschluß soli
de die .Nat. Zig.“cafaͤhrt, in 20 egen 28
Sinmen gefaßt worden sein, wobei sich Bremen
t Abgabe“seimer Sluimnme enihielt. Bei der noto⸗
ishen Abneigung der Regierungen aller größeren
dudegsicaen mit Ausnahme Preußens, gegen den
utag nimmi man an, daß zu diesem Beschlusse
der Wunsch dem Reichskanzker entgegenzukommen.
Sonntag, 10. Mai 1885. 20. Jahrg.
und die Ueberzeugung, daß der Reichstag den An—
rag doch ablehnen werde, viel beigetragen habe.
Db übrigens die Vorlage den Reichstag für diest
Session auch nur in erster Lesung beschäftigen wird,
ist im Hinblick auf die Geschaftslage in demseiben
sehr zu bezweifeln.
K. Allerhöchsten Verordnung am 18. April 1873
die Errichtung und Leitung von Erziehungs⸗
u. Unterrichtsanstaltten betr. die Geneh—
migung zur Errichtung einer höheren Töochterschuie
dahier resp. zur Verwandlung der schon bestehenden
Privatmadchenschule in eine allgemeine zugängliche
Unterrichtsanstalt erteilt. Der neue Lehrpian trut
mit dem 10. nächsthin in Kraft. An der Schule
werden 2 Lehrerinnen u. incl. der Geistlichkeit
dehrer wirken. Die Oberaufsicht wurde von K.
Regierung Herrn Subrektor Barnikel dahier
übertragen, welcher jährlich wenigstens eine außer⸗
ordentliche Visitation vorzunehmen hat.
— Die Kollekte, welche am ersten Ostertage
für den Neubau der katholischen Kirche in Brei—
benbach in den latholischen Kirchen der Pfalz
erhoben wurde, ergab 3333.75 M.
— Gebweiler, 6. Mai. Groß war gestern
die unangenehme Ueberraschung, als man heim
Ecwachen die umliegenden Berge bis tief ins Thal
hinunter mit einer dicken Schneeschicht bededt sah,
was eine empfindlich kühle Temperatur mit sich
brachte. Hoffentlich wird diese Witterung sich bald
wieder ändern, damit die hoffnungsvolle Aussicht
der Reb⸗ und Ackersleute nicht wieder scheiterl,
denn sowohl die Obstbaume als auch die Reben,
welch leztere reichlich mit Samen behangen find,
haben bereits einige Hoffnung auf eine gute Ernte
auflommen lassen.
— Der erste Verbandstag des Pfalzischen
käcer⸗Verbandes, welcher am 15. und
16. Juni in Neustadt abgehalten wird, hat fol⸗
gende vorläufige Tagesordnung: 1) Bericht über
den Stand des Verbandes; 9) Rechenschaftsbericht
Aber Einnahmen und Ausgaben; 8) Wahl der
Rechnungs · Revisoren; 4) Referat über das Lehr
lings und Gesellenwesen; 58) Referat über vie
Ausgabe von Germania- Lehrbriefen und Arbeits-
hüchern; 6) die Errichtung von Genossenschaften
oder Innungen in der Pfaiz; 7) Wahl des Ortes
für den nachsten Verbandstag; 8) Bericht der Rech⸗
nungas.Reyisoren und Decharode.
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Vermischtes.
Am Montag den 25. Mai wird das Reichs⸗
Waisenhaus in Lahr eröffnet.
FAus dem baherischen Walde, 6. Mai,
wird dem „Münchener Fremdenblait“ geschrieben:
In der Umgebung von Regen sind im Laufe dvon
ein paar Tagen eine ganze Reihe von Messer⸗
affairen vorgekommen. Am Sonntag erhielt bei
Schweinhütt am Walde der 29jahrige, schon oft
in Raufhändel verwickelt gewesene Andreas Wenig
wgefährliche Stiche und starke Kopfwunden, dir
ihm mittelst eines schweren Steines beigebracht
wurden. Als Thäter ist der Bauerssohn Johann
Weiderer von Schweinhütt und der Hauslerssohn
Andreas Rosenberger von Kohlau bekannt. — Am
zleichen Tage wurde zu Abischlag der Bauerssohn
Max Weber durch 4 Stiche lebensgefährlich der⸗
letzt. — Am Montag versetzte zu Langdorf der
berheiralhete Inwohner Georg Ernst seinem Bruder
Michael Ernst einen gefährlichen Messerstich, weil
dieser seiner Schwägerin, welche sich vor den
Prügeln ihres Mannes flüchtete, Unterkunft gab.
— Am Dienstag Nachmittag 1 Uhr versetzte der
I83jährige Haäuslerssohn Johann Simbedk dem 15.
ährigen Hütbuben Andreas Gilg auf der Straße
por der Pfeffer'schen Brauerei zu Poschetsried einen
Messerstich in den Bauch, daß letzterem die Ge—
värm⸗ 2 Mesß⸗r sang ans der Wunde beraußknrangen
Anläßlich des Todes des Generalkonsuls Dr.
Nachtigal schreibt ein „hervorragender Afrika⸗
reisender“ dem „Berl. Tgbl.“: „Zweien Beduürf⸗
nissen muß genügt werden. um die Schonung des
Lebens der weißen Bevölkerung an der Wefiküste
Afrikas mehr als bisher zu sichern. Eine wissen⸗
chaftliche Kommission muß nach Westafrika ent⸗
sandt werden, um die Ursachen des Fiebers und
Mittel zur Bekämpfung desselben zu erforschen, und
wenn möglich, sollten hierzu die erforderlichen Mittel
ioch vom tagenden Reichslag verlangt werden. Es
ollten ferner zwei internationale Lazareth Dampfer
an der Westküste stationirt werden, um diejenigen
stranken aufzunehmen, die nach ärztlicher Ansich
durch den Aufenfhalt auf dem Veere ihre Gesund—
jeit wiedererlangen köͤnnen. Der eine Dampfer
ollte nahe den Küsten kreuzen, der andere auf die
hohe See gehen. Nachtigal ruht in afrikanischer
Erde. Haben wir Pflichten gegen ihn? Ich denke
's ist eine Ehrenpflicht Deutschlands, von zwe
Dingen das eine zu thun: entweder die sterblichen
Reste desselben nach Deutschland überzuführen, oder
die deutsche Flagge am Cap Palmas aufzuhissen.
wo er ruht, denn er darf nur in deutscher Erde
ruhen. Cap Palmas gehört jenem Zerrbild von
Staatswesen an, das die Republik Liberia genanni
wird, und in welchem 50,000 sog. civilisirie Neger
die gesammte civilisirte Welt chicaniren, indem
z. B. kein Weißer Grundeigenihum daselbst er⸗
werben kann. Ehren wir den großen Todten, in⸗
dem wir uns an Stelle dieses bankerotten Staates
stellen, und deutsche Civilisation da einführen, wo
das Grab von Dr. Nachtiaal sich befindet.
Deutsches Reich.
München, 7. Mai. Auch der Vorstand der
Süddeutschen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen⸗
und Stahlindustrieller hat sich nahezu einstimmig
zegen die projeltirte deutsche Industrie-Ausstellung
in Berlin i. J. 1888 ausgesprochen.
Berlin, 8. Mai. (Reichstag.) Dritte
desung des Borsensteuer-Gesetzes. 8 J wird mil
)em Antrag Buol angenommen, wonach in aus⸗
andischer Währung zahlbare Wechsel und Auszah⸗
ungen an ausländischen Plätzen in fremden Va⸗
uten steuerfrei sind, ebenso Kauf⸗ und Anschaffungs⸗
zeschäfte übher im Inlande von einem Conirahenien
erzeugte Sachen ꝛc. Die übrigen Paragraphen
wurden mit den von den vereinigten Konserbativen
ind Klerikalen beantragten Modifikationen ange—
nommen. Darauf genehmigte der Reichstag das
zanze Gesetz mit 214 gegen 41 Stimmen.
Ausland.
Petersburg, 8. Mai. Der „Regierungs
anzeiger“ enthält über das Uebereinkommen önglande
und Rußlands, Schiedsrichter bezüglich der Inter⸗
pretation der Uebereinkunft vom 17. März einzu⸗
etzen, analoge Mittheilungen, wie sie Gladstone
am 4. d. im Unterhause machte
Lokale und pfälzische Nachrichten.
æꝛ St. Ingbert, 8. Mai. Unterm 28. April
wurde auf ein diesbezügliches Gesuch nach 82 der