Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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de Gt. Jugberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donunerétag, Samstag und Sonnutag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
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X 102. 
Dienstag, 26. Mai 1885. 
20. Jahrg. 
Europa und England. 
Eine ebenso interessante als hochwichtige Frage 
heschaftigt noch fortwährend die Politik der fest⸗ 
andischen Großmächte, es ist dies nicht etwa der 
mnglisch russische Konflikt in Zentralasien. sondern 
daß vom Fürsten Bismarck meisterhaft geleitete 
Zchachspiel Europos gegen England, um endlich 
daß übermächtige und seinen Eigennutz über alle 
Interessen stellende Inselreich zu nöthigen, sich dem 
fentlichen Wohle Europas zu unterordnen. Nicht 
veniger als vier Großmächte. Deutschland, Ruß⸗ 
and, Oesterreich und Frankreich sind es, welche 
ich vorgenommen haben, die englischen Anmaßungen 
urüchzudrängen und es darf mit Genugthuungç 
jerborgehoben werden, daß sich zu diesem Zweck 
in ziemlich solides Einverständniß zwischen Deutsch⸗ 
and und Frankreich herausgebildet hat. Hat doch 
eit Beginn der Verwickelungen in Egypten keine 
Mocht schwerer als Frankreich erfahren, was eng⸗ 
iische Anmaßung heißt, die Franzosen wurden aus 
kghpten, das ihnen seine Kultur und den Suez⸗ 
anal verdankt, von den Engländern foͤrmlich 
sinausgeworfen, aber Dank der Eintracht der 
ibrigen Mäcte wird nunmehr England aus 
kgypten hinauskomplementirt und die Frage 
ẽghptens und des Suezkanals allmählich im euro⸗ 
zäischen und nicht im englischen Sinne geregelt. 
Es ist übrigens nicht nur Englands Haltung 
in Eghpten, die ein europäisches Aergerniß hervor⸗ 
jebracht hat, sondern Englands Siellungsnahme 
uuf den gesammten überseeischen Plätzen. Die 
nglische Regierung hat dort in alter, schlauer 
und dreister Praxis überall Vorrechte Englands“ 
latuirt, die weiter nichts als Anmaßungen gegen⸗ 
iber den anderen Mächten sind, ja England ist 
ogar soweit gegangen und hat internationale Ge⸗ 
uundheitskontrollen in seinem Handelsinteresse ein ⸗ 
ach ignorirt oder zu umgehen gewußt. Und wie 
kngland über volkerrechtliche Verträge überhaupt 
denlt. das ist bei der neulich diskutirten Dar⸗ 
anellenfrage zu Tage gekommen, wo England den 
Reisten Satz aufstellie, daß nicht die Mächte unter 
ich, sondern nur die Türkei mit den einzelnen 
Nachten die Schließung der Dardanellen gefaiten 
e Es war daher dringend nöthig, daß fest 
ndische Großmachte über verschiedene internanionale 
dechte neue Vereinbarungen mit verschärften Be— 
nmmungen festsetzten und Deuischland, Frankreich, 
en und Oesterreich sind in diesem Bestreben 
gein seit Jatr und Tag vorgegangen und es ist 
. —— daß der englsch· russische Kon⸗ 
y Zentralasien lediglich eine Episode dieses 
* diplomatischen gegen England geführten 
7— ist, nun auch die anmaßende Stellung 
n ands in Asien in ihre Schranlken zu weisen. 
in de Zeit ab, wo Deutjchland, Frankreich 
— nd und Oesterreich sich über ihre Ziele Eng⸗ 
* gegenüber einig wurden, datireu alle die 
v egeln, die genommen wurden um England zu 
n etwas mehr mit Europa zu rechnen. Es 
8 hintereinander die Konferenz zu Berlin mit 
saͤn ufttage über die herrenlosen Länder zu 
* In b Konferenz zu Paris mit der Misfion 
in Je p England aus der Hand zu winden 
iilon onferenz zu Rom. um der englischen 
in in Egypten die Sanitätskontrolle zu nehmen, 
im Inieresse seines Handels mißbraucht. 
—6 sagt wohl nicht zuviel, wenn man de— 
daß das geeinigle Europa seinen auf die 
einsamen Wohlfahris nteressen gerichteten Willen 
England gegenüber, das nur eine sehr laue Unter-⸗nach dem Poöͤre Lachaise, wo er soeben eintrifft. 
zühung von dem wankelmüthigen und nach leichter Auf dem ganzen Wege ertönten revolutionäre Rufe 
Beute gierigen Italien hat, auch durchsetzen wird. und nur vereinzelte der Kommune feindliche Mani⸗ 
festationen fanden statt. 
Paris, 25. Mai. Bei dem gestrigen Ein⸗ 
schreilen der Polizei gegen die Kommunarden auf 
dem Poͤre Lachaise wurden ein Polizei⸗Offizier und 
aicht Polizisten verwundet. Auf Seiten der Kom⸗ 
nunarden sind, wie die Parteiorgane derselben 
melden, zwei oder drei getödtet und etwa 40 ver⸗ 
wundet worden. 
London, 23. Mai. Der „Standard“ will 
wissen, Lord Roseberry sei offiziell beauftragt, Fürst 
Bismarck's Ansichten über die egyptische Frage zu 
erforschen. Die britische Regierung sei überzeugt, 
daß sie bei der Loͤsung der egyptischen Frage auf 
ein Wohlwollen seitens Frankreichs nicht rechnen 
könne und wünsche sich deßhalb des Einvernehmens 
mit Fürst Bismarc au versichern. 
Volitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 24. Mai. Der Kaiser hat die 
Nacht gut geschlafen und befindet sich wohl. 
Berlin, 24. Mai. Ueber das Befinden 
des Kaisers erfährt die „Post“, daß die Besse— 
rung in der erfreulichsten Weise fortschreitet und 
der Kaiser voraussichtlich in allkürzester Zeit voll⸗ 
tändig wieder hergestellt sein wird. Die laufenden 
Vorträge und Regierungsgeschäfte haben während 
der vergangenen Tage keine Unterbrechung erfahren. 
Gestern Abend empfing der Kaiser den Besuch des 
eronprinzen. welcher über die Parade in Potsdam 
Bericht erstattete. Sofern das Wetter günstig ist, 
vird der Kaiser auch seine regelmäßigen Ausfahrten 
demnächst wieder auffnehmen. — Der Reichskanzler 
Fürst Bismarck und der Staatssekretär Gras 
datzfeld statteten heute Mittag dem englischen 
Botschafter einen Besuch ab. 
Im Anschluß an unsere Mittheilung im Sonn⸗ 
tagsblatt über die Aufhissung derfranzösischen 
Flagge in Groß Popo theilen wir die nach— 
dehende ausführlichere Meldung des „Hamb. 
Lorr.“ mit: 
Little Popo, 14. April. Am Sonntag 
Morgen, den 12. dieses, ist in Grand Popo das 
französische Protektorat erklärt worden. Die fran⸗ 
zösische Flagge ist unter den üblichen Ceremonien, 
nicht auf einem freien Platze, sondern in dem durch 
Umzäunungen begrenzten Hofe des französischen 
Agenten E. Piatiet (Cyp. Favre u. Co.) aufge⸗ 
zogen worden. Am folgenden Tage ging das 
riegsschiff, dessen Kommandant diese Ceremonie 
jorgenommen, nach Ahgwey weiter, um diese Stadi 
benfalls unter französischen Schutz zu stellen. Die 
Hdaäupilinge sollen sich jedoch ernstlich dagegen ver⸗ 
vahrt haben und ist das Weitere abzuwarten. In 
Litile Popo wird ein Protest gegen das Einschreiten 
des französischen Gouvernements vorbereitet. Der 
französische Konsularagent, Herr J. Cautaloup, ha 
bereitss vor ca. 14 Tagen den hiesigen Häuptlingen 
eine offizielle Note gesandt, daß er jeden derselben 
als einen Kriminalverdrecher bestrafen würde, wenn 
er irgend welche Intriguen gegen eine Besitzergreif⸗ 
ung Frankreichs machen sollte. Diese Note hat 
seloͤst bei anderen Franzosen das größte Mißfallen 
erregt. Die Häupilinge haben sich schriftlich ver⸗ 
pflichtet, bis Juli 1885 auf eine Antwort Deutsch- 
jandz zu warten und bis dahin Keinem erlauben 
zu wollen, ein anderes Protektorat als das deutsche 
zu erklären. 
Leele und prtälzische Nachrichten. 
x* St. Ingbert, 26. Mai. Heute Morgen 
mußte ein junger Mann von hier, der gestern bei 
einer Schlägerei in Rentrisch schwer verletzt wurde, 
ins städtische Hospital verbracht werden. 
* St. Ingbert, 26. Mai. Wie wir hören, 
schweben zur Zeit Verhandlungen wegen Errichtung 
einer Kunstwollpinnerei dahier. Wie 
weit dieses neue Projelt gediehen ist, entzieht sich 
bis jetzt noch der Oeffentlichkeit. 
* St. Ingbert, 26. Mai. Die verhält⸗ 
nißmaͤßig angenehme Witterung während der Pfingst⸗ 
feiertage führte unserer Stadt aus der Nachbarschaft 
einen ziemlich zahlreichen Besuch zu. Auf allen 
Wegen und Pfäden sah man Spaziergänger, ein⸗ 
zeln und in Gesellschaften, sich im Freien ergehen. 
Eines besonders zahlreichen Zuspruches von hier 
aus hatten sich Sengscheidt und Reichenbrunn zu 
erfreuen. 
— Kirchheimbolanden, 21. Mai. Von 
Herrn Johannes Schwab auf dem Rothenkircherhof 
wurden zwei Ochsen verkauft, welche zusammen das 
respeltable Gewicht von 42 Zentnern lebend hatten. 
Dieselben sind gestern nach Worms gebracht worden. 
— Der bayerische Frauenverein hält 
am 28. d. M., Nachmittags 212 Uhr, im Saal⸗ 
bau zu Neustadt seine Generalversammlung. 
Den Vorsitz führt Excellenz Frau Gräfin Ysenburg⸗ 
Philippseich, Vorfitzende des Central⸗Komitee's zu 
Munchen. Die Vorstandschaft des Kreisausschusses 
crifft Vormittags 10 Uhr in Reustadt ein. Das 
Programm ist noch nicht ganz festgesetzt, jedoch läßt 
sich bereits mit Bestimmiheit Folgendes angeben: 
1) Begrüßung, Vortrag des Jahresberichtes der 
pfälzischen Frauenvereine, Ergebniß der Samm⸗ 
ungen für „Camphausen“. Schriftführer des 
Kreiausschusses. 2) Ueber den Charakterzug des 
veiblichen Herzens zur Auzübung der Werle der 
Barmherzigkeit. Redner unbestimmt. 3) Ueber die 
okale Friedensthätigkeit. Kgl. Kämmerer und Be— 
irkgamtmann von Landau Herr v. Hartlieb⸗Wal⸗ 
porn. 4) Ueber das Pflegerinnen⸗Institut und die 
Nothwendigkeit des Einlieferns des Drittels. Ein 
Herr des Central ⸗Komitee's. 5) Schluß. Redner 
aunbestimmt. Hiefür dürften nicht ganz zwei Stun— 
den ausreichen, so daß jene Herrschaften, welche 
vielleicht um 522 dder 6 Uhr abzureisen wünschen, 
roch vollkommen Zeit zur Erholung finden. Die 
Direktion der pfälzischen Eisenbahnen hat den die 
Beneralversammluung besuchenden und legitimirenden 
Pitgliedern Fahrtar⸗Ermäßigung in der Weise be— 
Ausland. 
Paris, 23. Mai. Der Senat nahm den 
Geseyentwurf über das Listenserutinium mit der 
Abanderung, daß bei der den Wahlen zugrunde zu 
legenden Bevölkerungsziffer die Ausländer nicht 
mitgezählt werden, und daß die Mitglieder der 
irüheren Herrscherhäuser nicht wählbar sind, an. 
Paris, 45. Mai. Bei der Beerdigung Cour⸗ 
net's hat eine enorme Betheiligung seitens der 
Zommunarden stattgefunden. Der Leichenzug wurde 
von starker Polizeimacht eskortirt, welche aber das 
Entfalten von rothen und schwarzen Fahnen zuließ, 
was als eine den Kommunarden gemachte Kon⸗ 
ession gedeutet wurde. Der Zug ging über der 
goulevard Magenta und den Boulevard Voltaire