Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Ingherter Anzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
et. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
glau und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Seilage. Das Blat kostet vierteljährlich 1.M 60 A einschließlich Traägerlohn; durch die Post bezogen 1.)4 75 -, einschließlich 
d A Zustellungsgebuühhr. Die Einrückungsgebühr fur die Agespaltene Garmondizelle oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expeditivn Auskunft ertheilt. 15 4. Neclameun 80 A. Bei 4maliger Einrückunag wird nur dreimalige berechnet. 
—X 
Vol'tische Uebersicht. 
* Fürst Bismarckhat die Feiertage 
eineswegs auf einer seiner ländlichen Be— 
zungen verbracht. wie man doch vermuthen konnte, 
ondern ist in Berlin gebliebeni. Dies legt die An⸗ 
rahme nahe, daß es wichtige politische Geschafte 
zewesen sind, welche den leitenden Staatsmann in 
er Reichshauptstadt auch während der Festpause 
urückhielten, wenngleich man über die Natur der⸗ 
elhen nur Vermuthungen hegen kann. Der Besuch 
»es englischen Kabinetsmitgliedes Lord Ro se— 
zerry in Berlin gibt hierbei zu denken. Am 
zreitag Abend 2211 Uhr traf der englische Mi- 
uͤster in Berlin ein, wo er auf dem Bahnhofe vom 
grafen Herbert Bismarck empfangen und trotz der 
paten Abendstunde nach dem Reichskanzlerpalais 
eleitet wurde; hier verweilte der Lord bis nach 
Mitternacht und begab sich dann erst nach seinem 
lbsteigequartier, dem Hotel Kaiserhof. Der Besuch 
jord Roseberry's in Berlin war, wie erinnerlich, 
chon vor einiger Zeit angekündigt worden, wurde 
iber aus unbestimmten Gründen wieder verschoben, 
nis er uun doch zur Ausführung gelangt ist. Daß 
o eine wichtige Mission ist; welche den englischen 
Minifter nach der deutschen Reichshauptstadt führt, 
iegt auf der Hand, schon der Umstand, daß der 
dord es trotz der späten Ankunftsstunde für noöthig 
ielt, dem Reichskanzler noch seine Aufwartung zu 
nachen, deutet dies an. Der Londoner „Stand⸗ 
ird“ schreibt denn auch, daß Lord Roseberry zwar 
eine offizielle Mission auszuführen habe, allein 
nan glaube, das Kabinet von St. James habe ihn 
tjucht, sich Kunde von der allgemeinen Natur der 
bolitik des Fuürsten Bismarck in der egyptischen 
zrage zu verschaffen. Daneben wird wohl Lord 
Koseberry auch die afghanische Grenzfrage mit zur 
Sprache gebracht haben, da dem Vernehmen nach 
ne englische Regierung wünscht, Kaiser Wilhelm 
noͤge den Schiedsspruch in der afghanischen Ange⸗ 
cgenheit ubernehmen; darüber, ob Kaiser Wilhelm 
seneigt ist, diesem Wunsche zu willfahren, vexlautet 
loch nichts NMaberes. 
*In Lahr hat am Pfingstmontag 
die jeierliche Eröffnung des ersten deut— 
her Reichswaisenhauses flattgefunden. 
der großherzogliche Landeskommifsar, der Stadi⸗ 
vrekior, die Lahrer evangelische Geistlichkeit, die 
pißen der Zivilbehörden, sowie zahlreiche Mit⸗ 
dieder von Korporationen und Vereinen wohnten 
der Feier bei. Die rasilosen Bestrebungen der 
lahrer Reichsfechtfchule haben deinach einen ersien 
hönen Erfolg aufzuweisen und man darf nur 
vünschen, daß diesen einem so wohlthaätigen Zweckt 
ewidmeten Bestrebungen auch in Zukunst der Er⸗ 
ola nicht ausbleihen möge. 
In Russisch-Polen sollen in nächster 
zeit groͤßere Manbver zweier Armeekorpe 
alter dem Befehle des Generalkommandanten 
heneral Gurko gegen einander stattfinden. Das 
ne dieser Armeciotps wird aus 89 Bataillonen, 
0 Schwadronen und 72 Geschützen, das andere 
ꝓ3 48 Bataillonen. 40 Schwadronen und 90 
heschutzen bestehen. Außerdem sollen auch groöͤßere 
Nandver im Wilna'schen Militarbezirke und in 
n Oftseeprobinzen fantfinden wo die in den 
agern von Rigaund Dunaburg befindlichen 
—XR der Nähe letzterer Festung gegen ein⸗ 
mder mansnirenen 3 Penesche 4708 Malkun 
Donnerstag, 28. Mai 18885. 
20. Jahrg. 
besagt, daß der seitherige englische Grenzkommissar 
in Afghanistan, Lumsden, in Baku eingetroffen 
und alsbalv nach Tiflis weitergereist ist. 
Deutsches Reich. i 
Berlin, 26. Mai. Ueber das Befinden des 
staisers derlautet, daß die Besserung bisher stetig 
aund regelmäßig fortgeschritten ist und daher der 
Monarch in den allernächsten Tagen vollständig 
viederhergestellt sein wird. Bei günstiger warmer 
Witterung wird dann Se: Majestät auch seine 
cegelmäßigen täglichen Spazierfahrten wieder auf⸗ 
nehmen. — Man meldet der „Schles. Ztg.“ von 
hier: Aus der Kommission zur Bearbeitung eines 
deutschen bürgerlichen Gesetzbuches verlautet, daß die 
Arbeiten jetzt — wie es heißt, auf Betreiben des 
Fürsten Bismarck — mit besonderem Eifer gefördert 
werden. — Nichts desto weniger hält man ir 
anterrichteten Kreisen die Annahme für begründet 
daß das Gesetzbuch vor dem Ende dieses Jahr— 
hzunderts wohl nicht fertig werden wird. 
Berlin, 26. Mai. Der „Nordd. Allg. Ztg.“ 
jufolge begibt sich Graf Herbert Bismarck heute 
Abend nach dem Haag, um sein Abberufungs⸗ 
ichreiben zu überreichen. 
Berlin, 26. Mai. Lord Roseberry reifl 
heute Abend mit einem eintägigen Aufenthalte im 
Haag nach London. 
Berlin, 26. Mai. Den Abendblättern zu⸗ 
folge wird aus den Schiffen „Prinz Adalbert“, 
„Stosch“ und „Elisabeth‘“ ein Geschwader bei 
Zanzibar gebildet werden. 
Berlin, 27. Mai. Der „Reichsanzeiger“ 
chreibt: Die Besserung des Kaisers ist durch das 
hinzutreten von Uuterleibsbeschwerden verzögeri 
worden, und mußte daher die in Aussicht genom⸗ 
mene Ausfahrt bisher unterbleibenn. 
hütte und der Drahtseilbahn der Herren Raspiller 
u. Komp. stattfindet. Abends ist Versammlung im 
„Rheinischen Hof“ zu St. Johann mit folgender 
Tagesordnung: 1) Mittheilung über Bleichert's 
System der Drahtseilbohnen, 2) Ausschußbericht 
über die Frankfurter Anträge zur Förderung des 
deutschen Technikerstandes, 3) desgl. über den 
Magdeburger Antrag, technische Rechtsfragen ⁊c. 
betr., 4) Besprechung, bezw. Beschlußfassung über 
Anträge des Hamburger Bezirksvereins. 
— Kaiserslautern, 26. Mai. Von P. 
Reichard ist soeben ein Brief aus der belgischen 
Station Karema in Westafrika eingeroffen. Der 
Brief datirt vom 24 Februar 1885 und ging in 
Zanzibar ab am 28. April 1885. Nach diesem 
Briefe verstarb Dr. R. Boehm am 27. März 1884 
in Urna in Folge eines Fiebers. Reichard selbst 
waͤre fast ermordet worden, er gedenkt im Juni in 
Europa einzutreffen. 
— Kaiserslautern, 26. Mai. (Strike.) 
Hheute Morgen legten sämmtliche Zimmerleute 
in Folge Beschlusses der am Pfingstsonntag statt⸗ 
gehabten Versammlung des Lokolverbandes der 
Zimmerleute hier die Arbeit nieder, indem ihnen, 
der „Pf. V.“ zufolge, der gestellte Minimallohn 
von 3 Mark nicht bewilligt wurde 
— Kaiserslaufern. Der hiesige Volls⸗ 
verein wird Samstag den 30. Mai eine Versamm⸗ 
lung veranstalten, in welcher u. A. das Verhältniß 
der deutschen Volkspartei zu der neuen norddeut⸗ 
schen demokratischen Partei besprochen und Stellung 
zu derselben genommen werden soll. An einem 
der darauffolgenden Sonntage wird eine allgemeine 
Wählerversammlung nach hier einberufen werden, 
in welcher Herr Reichstagsabgeordneter Grohe Be— 
richt über die Thätigkeit des Reichstaqs erstatten 
wird. 
— Lambrecht, 26. Mai. Gestern fand, 
wie alljahrlich, die Ueberführung des historischen Geis⸗ 
doces von hier nach Deidesheim statt. Die 
alte Sitte, daß die Ueberführung von dem jungsten 
Bürger — diesmal wäre ein Herr Hch. Kumpf 
an der Reihe gewesen — stattzufinden hat, scheini 
mehr und mehr zu schwinden, da auch dieses Jahr 
der hiesige Hrt mit dem Bock den Weg nach 
Deidesheim allein machte. Nachdem der Bock das 
dezirksthierärztliche Zeugniß. daß er tauglich ist, 
der Gemeinde Germersheim vorgewiesen, wurde er 
von derselben bereitwilligst angenommen. 
— Landau, 26. Mai. Am Samstag 
Abend wurde die Ehefrau des Schneiders Loffler 
im Aborte des Kolbenschlag'schen Hauses todt auf⸗ 
gefunden. Ein Schlaganfall haite ihrem Leben 
ein jähes Ende bereite. 
— Freinsheim, 26. Mai. Wie wir ver⸗ 
nehmen, ging die hiesige Apotheke des Herrn C. 
Lipps, nebst Garten und Weinberg durch Kauf an 
Herrn B. aus Mainz über. Der Kaufpreis soll 
150,000 Mt. betragen. 
-Neustadii, 26. Mai. Wie viele Per⸗ 
'onen über die Pfingstiage unseren Bahnhof pas⸗ 
irten, mögen die Leser daraus entnehmen, daß am 
Sonntag 97 Wagen zweiter, 201 Wagen dritter 
Zlasse mit mindestens 11,900 Personen und gestern 
138 Wagen zweiter, 279 Wagen dritter Klasse 
don hier abgingen und ankamen, in welch legteren 
eiwa 16,700 Personen Platz gefunden haben duͤrften. 
— Ludwigsbvafen, 22. Mai. Ein 6— 
jahriget Knabe vom Hemshof war ausgeschickt 
worden, einen viertel Schoppen Branntwein in 
inem Laden in kaufen Der Qlein⸗e kunni- 
Auslaud. 
Paris, 26. Mai. Dem Leichenbegängniß 
des Communenmitgliedes Amouroux wohnten un⸗ 
gefähr 4000 Menschen bei, darunter die Majorität 
des Pariser Municipalraths. Es wurden 12 Reden 
zgehalten. Im Innern des Kirchhofes waren die 
Fahnen der revolutionären Komités aufgepflanzt 
Die Rufe: Es lebe die Commune! wurden gehört. 
Andere Zwischenfälle fanden nicht statt. — Die 
Regiernng wünscht das Leichenbegängniß Victor 
Dugo's auf den Sonnabend zu verschieben. Be⸗ 
dimmte Anordnungen find noch nicht ergangen. 
Boblet wird bei der Trauerfeier im Namen der 
Regierung sprechen. — Der Ministerrath billigte 
mlaßlich der gestrigen Vorgange den heute von 
dem Polizeipräfekten ergangenen Erlaß, welcher im 
zanzen Departement der Seine die Aufhissung aller 
eEmbleme außer der nationalen Flagge und der 
Flaggen fremder Nationen verbietet. 
Paris, 27. Mai. Die gesammte Presse 
pricht Beunruhigung wegen des Aufenthaltes des 
Ministers Lord Roseberry in Berlin aus, der dort 
anstreitig gegen Frankreich gerichtete Unterhand⸗ 
ungen führe, welche dadurch erleichtert werden, daß 
Freycinet der deutschen Politik nicht die gleichen 
Garantien wie Ferty biete. Man sollte wirklich 
neinen dakßk man hier bäles Gewissen bat. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Der Pfalz ⸗Saarbrüder Bezirksverein 
deutscher Ingenieure veranstaltet am Sams« 
ag, den 30. Mai, Nachmittags einen Ausflug nach 
Louisenthal. woselbif Besichtiaung der Fenner Glasg⸗ 
—