Full text: St. Ingberter Anzeiger

und die Zeit zur Berathung dürfte genügen, da 
die Angelegen heit vollkommen spruchreif und weitere 
Aufklarung ausgetschlossen is. 
Berlin, 27. Mai. Im Anschluß an die 
bereits telegraphisch mitgetbeilte Meldung des 
„Reichsanzeig ers“ über das Befinden des Kaisers 
berichtet die „Getmania: „Privatim erfahren 
wir, daß der Kaiser den gestrigen Tag im Bett 
zubringen mußte und so viel geschlafen habe, daß 
die Aerzte glaubten, es übermanne den hohen Herrn 
steigende Schwäche. Sie sollen die Frau Groß 
herzogin von Baden gebeten haben, die für gestern 
kestimmte Abreise zu verschieben. Der Kronprinz 
und die Kronprinzessin, sowie Prinz Wilhelm 
welche schon am Nachmittag von Potsdam nach 
Berlin gekommen waren, begaben sich am Abend 
in das kaiserliche Palais. Die Aerzte sollen be⸗ 
fürchten, daß die Abnahme der Kräfte sich noch 
steigern könne. Wir wollen hoffen, daß die Be— 
fürchtung der behandelnden Aerzte sich nicht be⸗ 
wahrheite, sondern die gute Natur des Kaisers, 
welche schon so viele Unpäßlichkeiten leicht und 
glücklich Uberwunden, auch diesmal fiegen und die 
volle Genesung des hohen Herrn recht bald herbei⸗ 
führen werde. 
— N — — e ⸗ 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 29. Mai. Eingesandt.) 
Gestern waren es dreißig Jahre, daß der Feldschütze 
Nikolaus Koch in städtischen Dienst trat; gewiß 
eine schoͤne Zeit, zumal Koch bei seinem hohen Alter 
seine Pflicht wie die langen Jahre hindurch, so 
auch heute noch mit der Frische und Rüstigkeit eines 
Jungen erfüllt. Möge ihm darum der gestrige 
Tag seines 30jährigen Dienstjubiläums nicht so 
vergessen vorüber gegangen sein, wie der seines 25 
jährigen! 
*St. Ingbert, 29. Mai. Am nächsten 
Sonntag macht der hiefige Kriegerverein, 
wie schon durch Inserat bekannt gegeben, seinen 
Maiausflug. Nach der Rückkehr von demselben 
findet im Saale des Café Oberhauser eine Gene⸗ 
ralversammlung und darnach im Garten ein 
Conzert statt. J 
*St. Ingbert, 29. Mai. Am nächsten 
Sonntag Abend halten die Tanzschüler des von 
Hherrn Väcker aus Zweibrücken geleiteten Tanzkurses 
im Saale der Frau Ww. Grewenig ihren Schluß 
und Probeball. Nur Eingeladene haben Zutritt 
*Sf. Ingbert, 29. Mai. Werschiedener 
Unrichtigkeiten wegen. die sich durch den Leichtfinn 
eines Setzers in den in voriger Nummer veröffent⸗ 
lichte Auszug aus dem Sommerfahr— 
plan der Pfälzischen Eisenbahnen eingeschlichen 
hatten, lassen wir den Auszug in seiner Richtig— 
stellung heute nochmals folgen, worauf wir unsere 
berehrl. Leser hiermit hinzuweisen erlauben. Von 
besonderem Interesse für die zahlreichen Arbeiter 
von hier und Umgegend, die auf dem Halberger 
Werke beschäftigt sind, ist die mit dem Sommer 
fahrplan in Kraft tretende Neuerung, nach welche 
der erste, Morgens hier eintreffende Zug (sogen 
Bergmannszug) bis Saarbrücken weiter führt. Es 
beweist diese anerkennenswerthe Neuerung abermals 
wie die Direktion unserer Pfälzischen Eisenbahnen 
allezeit billigen Wünschen gerecht zu werden fucht 
* St. Ingbert, 28. Mai. Am Monta— 
nächster Woche beginnt der Sommerdienß— 
der pfälzischen wie aller deutschen, österreichischen 
und schweizerischen Bahnen, womit Aenderungen 
in ver Fahrzeit der seitherigen Bahnzüge und die 
Ausgabe geänderter oder neuer Billete für den 
direkken Personenverkehr verbunden find. Das 
pfälzische Kurs buch mit einer seitherigen Jahres. 
auflage von etwa 18000 Exemplaren ist deßhalb 
eben neu veroͤffentlicht worden, enthält die Faht 
plane der Bahnen in Baden, Bayern, Elsaß⸗Loth 
ringen, Hessen, Nassau, Rheinpreußen, Württemberg 
und der Schweiz vollständig und hat den anschlie⸗ 
henden Verkehrslinien nach Norddeutschland, Holland 
Belgien, Frankreich, Italien und Oesterreich eben · 
falls die entsprechende Berüchsichtigung zu Theil 
werden lassen. Eine wesentliche Erweiterung dieses 
Kursbuches bildete die Seite 119 — 144 enthaltene 
ausführliche Ausnahme der Bestimmungen über den 
— die Benutzung der Billete in den 
einzelnen Verkehren, die Giltigkeitsdauer der Billete 
und die verlängerte Giltigkeitsdauer derselben, über 
die Zulassigkeit der Fahrtunterbrechungen ꝛc., die 
wohl um so erwünschter sein wird, als gar manche 
dieser Bestimmungen ungeachtet ihrer Publikation 
doch nicht zu allseitiger Kenntniß gelangt find 
Auch die Aufnahme der hauptsächlichsten Bestimm— 
ungen über die rasch beliebt gewordenen kdombinir 
baren Rundreisebillete, sodann die unter 1220 
Streckencoupons getroffene Auswahl der Coupons 
mit Vreisangabe für die süddeutschen Bahnen, end— 
lich die Bezeichnung der Strecken für die schweizeri⸗ 
chen Bahnen und den schweizer Postdienst zur 
hildung von schweizer Rundreisebilleten nach 
eigener Wahl — das zusammen dürfte dem plälzi⸗ 
hen Kursbuch auch diesmal seine Verbreitung 
sichern. Nicht unerwähnt möge dabei bleiben, daß 
allenfallsfige während des Sommerdienstes eintretende 
Aenderungen der Fahrzeiten sowie die allenfallsige 
Einführung neuer Billete mittelst spezieller, kostenfrei 
abzugebender Nachträge zum Kursbuche zur Kenntniß 
gebracht werden, soferne das allgemeine Interesse 
dies erforderlich machen sollte. Ungeachtet jener 
Erweiterung des Inhaltes beträgt der Preis des 
dursbuches wiederum nur 40 Pfg. und kann das⸗ 
selbe bei den Bahneinnehmereien wie auf dem Wege 
des Buchhandels sofort bezogen werden. 
— Von der Generalagentur A. & B. Schuler 
in München kommt die Mittheilung, daß der Be⸗ 
sitzer des den Haupttreffer der Tittlingen 
Lotterie gewonnenen Looses Nr. 154,503 fich 
his jetzt noch nicht gemeldet habe Der zweite 
Haupttreffer wurde bereits durch die baherische 
Rstotenbank in München erhoben. Den dritten 
Treffer erhielt ein sehr bedürftiger Bewohner Münchens 
Der vierte Treffer ist ebenfalls erhoben. 
— Am 29. d. M. wird Herr Kirchenrath 
Dekan Welsch in Odernheim sein 50jähriges 
Amisjubiläum als Pfarrer feiern. Wie die „Pf 
Pr.“ hört, ist demselben, der bereits den Michaels 
orden besitzt, von Se. Majestät das Ehrenkreuz des 
Ludwigsordens verliehen worden. 
— Speyer, 27. Mai. Ueber die diesjäh 
rigen größeren Pionier Uebungen des Ingenieurkorp 
und insbesondere die zum ersten Mal stattfindender 
Pontonier⸗Uebungen auf dem Rhein wird dem „Pf 
K.“ berichtet: Am 30. Juli ds. Irs. trifft von 
Ingolstadt das 1. Pionier⸗Bataillon dahier ein, am 
1. August beginnen unter dem Kommando des 
Chefs der Ingenieur-VDirektion II., Herrn Oberfß— 
Popp, die Pontonier⸗Uebungen der Feld Kompag- 
nien der beiden Pionier⸗Bataillone. Das Brücken⸗ 
chlagen wird oberhalb Mechtersheim beginnen 
und sich bis unterhalb Altrip erstrecken. Der 
Transport der Nachen und Materialien wird durch 
Dampfboote vermitielt. Die Uebungen werden 14 
Tage dauern und ein interessautes Bild der Kriegs 
unst bieten. Außer dem das Ganze inspizirenden 
herrn General Lieutenant v. Fries, Inspekteur des 
Ingenieur⸗Korps und der Festungen sollen mehrert 
oͤhere Offiziere den Uebungen anwohnen. Dite 
Festungs⸗Kompagnien der beiden Bataillone werden 
zu einem Bataillon vereinigt, beginnen mit ihren 
debungen bei Landau und setzen dieselben mit den 
ürzlich begonnenen Sprengübungen bei Frankweiler 
fort. Am 16. August tritt das 1. Pionier⸗Batail— 
lon den Rückmarsch nach Ingolstadt per Bahn 
wieder an. An den Herbstübungen der 4. Divifion 
bei Zweibrücken nimmt die 2. und 3. Feldkompag 
nie des hiesigen Pionier-Bataillons theil, während 
die 1. Feldkomp. und die 4. Festungs ⸗Kompagnit 
in Germersheim zu den Uebungen der 3. Division 
in Oberfranken dirigiert werden. 
Vermischtes. 
7FSaatbrücken, 26. Mai. Wir lesen in 
der „St. Joh. Ztg.““ Ein Erzeß, wie er 
felten vorkommt, wurde in der Nacht vom 
Sonntag auf Montag hier verübt. Ein Küfer⸗ 
bursche aus St. Johann, welcher in Begleitung 
eines Mädchens und eines Bekannten einen abend⸗ 
lichen Spaziergang machte, gerieth gegen 11 Uhr 
hier auf der Straße mit etwa einem Dutzend 
junger Leute in Streit und griff, da er fich gegen 
die Uebermacht nicht anders zu vertheidigen wußte 
zum Messer, mit dem er einen seiner Gegner ver⸗ 
wundet haben soll. Da diese nun ebenfalls zum 
Messer griffen, nahm jener Reißhaus und flüchtete 
in das offenstehende Hofthor eines Hauses der 
Wilhelmsstraße. Die ganze Gesellschaft stürzte ihm 
nach und begann in dem Hause nach dem Ver—⸗ 
steckten zu suchen. Umsonst suchte eine dort woh⸗ 
nende Frau den Wüthenden zu wehren und fie 
zur Vernunft zu mahnen; mit gezückten Messern 
riefen sie: der Kerl muß todt gestochen werden 
man solle das Haus abschließen, damit er nich 
utkomme. Mit offenem Lichte durchsuchten sie 
Heuspeicher und sonstige Raume und geberdeie 
fich nach Aussage der Frau wie wilde Thier 
Etwa um 1 Uhr schickte diese ihr Mädchen nag 
der Polizei um Hilfe; ein Nachtwächter erschien 
erllärte aber nichts machen zu können: er gab da 
Frau den Rath, sich einzuschließen, und entfernt— 
fich wieder. Der mit dem Tode Bedrogtte han 
sich auf das Dach geflüchtet und bat, als er enn 
deckt wurde, flehentlich um sein Leben. Umsons 
Die Meute schickte sich an, das Dach abzudeden 
und die Gefahr für den Armen wuchs zusehends 
Schließlich gelang es ihm jedoch glücklicherweise 
über die Dächer zu entkommen. Die aufregend⸗ 
Szene dauerte bis Morgens 4 Uhr. Die von de 
Frau erbetene Hilfe aus der nahen Dragoner 
kaserne mußte, da eine bezügliche Requisition de— 
Polizei nicht vorlag, verweigert werden. So un⸗ 
gefähr lauten die Angaben der Frau und von 
Augenzeugen des Vorfalles. Der Käüferbursche 
wurde verhaftet. Ob das Gleiche mit den übrigen 
Theilnehmern an dem Erzeß geschah, wissen wir 
nicht. J (M.⸗B. 3) 
fF Saargemünd, 23. Mai. Zu der an 
14. Juni d. J. im Kanton Saargemünd statt 
findenden Bezirkstagswahl kandidirt das auß 
retende Mitglied Kaufmann E. Je antyh von hier 
herr Jeanty ist beider Sprachen mächtig und war 
in der letzter Session stets ein geschätztes Mitglied 
der Finananzkommission. — In unserer Stad 
beginnt das Interesse, den Töchtern durch Einrich 
tung von Handarbeitsschulen Gelegenhei 
zur Ausbildung der Handfertigkeit zu geben, sich 
lebhaft zu regen. Neben der in Aussicht genommenen 
selbstständigen Industrieschule ist auch in dem aut 
fieben Schulklassen bestehenden Pensionate St 
Chretienne hier das Bedürfniß hervorgetreten, ein 
Industrieklasse zu errichten, und es find der Zig. 
zufolge die einleitenden Schritte hierzu bereits gescheben 
r Metz, 26. Mai. Beim Kahnfahren in der 
Mosel ereignete sich ein sehr beklagenswerther Un 
qlücksfall. Ein mit fünf jungen Leuten besezzten 
Zahn füllte sich mit Wasser und die Insasser 
prangen in den Fluß. Einem gelang es, an⸗ 
dand zu schwimmen, zwei wurden mit knaphen 
Noth gerettet und zwei ertranken. 
7 Darmstadt, 26. Mai. Auf der erste 
hauptversammlung des deutschen Lehrertag 
hielt Herr Debbe aus Bremen einen Vortrag über 
„Die Aufgabe und Macht der Erziehung“ und 
wünschte in seinen Ausführungen, daß die Schul 
die Gesundheit der Schüler und die normale Aus 
bildung des Körpers pflege, daß sie die Schüler mi 
werthvollen Kenntnissen ausstatte und ihre Denb— 
kraft fordere, daß fie den sittlichen Willen de— 
Schulers kräftige, daß fie das Gemüth der Kinder 
zum Schönen und Edeln ausbilde, und daß sie be 
dem Schüler eine vorurtheilsfreie, lebendige Religio 
finät erwecke. Der zweite Redner, Lehrer und 
Redakteur Ries aus Frankfurt a. M., sprach übe 
„die Simultanschule eine kulturhistorische, politische 
nationale und pädagogische Nothwendigkeit sei.— 
Der nächste Lehrertag wird auf Pfingsten 1888 ir 
Augsburg abgehalten. 
Kempten. 26. Mai. Ueber einen Raud 
mord im benachbarten Ermengerst ist die „Frankf. 8. 
in der Lage, nachfolgende Einzelheiten zu herichlen 
Vorgestern, Pfingstsonntag, Nachmittags, wurde der 
Detonom Anton-Wegmann von ruchloser Morder 
hand auf eine grauenhafte Weise ums Leben ge 
bracht. Der Mord muß zwischen 8 und 4 Uhr 
begangen worden sein, während welcher Zeit.die 
meisten Leuie sich im Nachmittags Gottesdienst 
hbefanden. Der Mann war ganz allein zu 
dause. Der oder die Mörder haben ihn wahr⸗ 
sheinlich schlafend auf dem Sopha gefunden 
—XVDD Hiel 
mit einer Art, welche voll Blut vorgefunden wurde 
nuf den Kopf schwer derwundet. Der Ermordett 
muß sich verzweifelt gewehrt haben, wie aus ben 
schiedenen Anzeichen zu ersehen war. Geldbörse 
nebst Brieftasche fehlen. In der linken Hosentasche 
joll Wegmann bei 500 Mt. in Gold gehabt haben 
was nach Auffindung der Leiche bekannt wurde. 
Wegmann war von den Mördern aus der Wohr 
sube hinausgeschleppt und im Viehstalle in die 
Odel⸗ oder Güllengrube oder, wie man hier p 
Lande sagt, in das sog. „Geschäl“ geworfe 
vworden. Von dem oder den Mördern hat n 
bis jetzt noch nicht die geringste Spur entdede 
lönnen. ur 
4F Ueber einen großen Kirchenra J 
uus Lüun sich gemeldet; Am vorletzten Sonniat