zt. Jugherter Anzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Sonntag, 31. Mai 1888. 220. Jahrg.
* Die Mission Lord Rosebery's
in Berlin.
Schon im vorigen Monate wurde angekündigt,
daß der englische Diplomat und Vertrauensmann
des Kabinets Gladstone Lord Rosebery sich in einer
zesonderen Mission nach Berlin begeben werde. Die
Reise Lord Rosebery's nach Berlin hat nun in voriger
Woche stattgefunden und bei der noch immer pre⸗
ären Situation der auswärtigen Politik in Bezug
nuf die egyptische und afghanische Frage, in welche
kngland sehr zu seinen Ungunsten verwickelt ist,
darf man wohl annehmen, daß die Mission Lord
Kosebery's in Berlin den Zweck hatte, die deutsche
Kegietrung unter gewissen Umständen zu bewegen,
ẽngland aus den Verlegenheiten ziehen zu helfen
Nan kann annehmen, daß unier einigen streng
lipulirten Bedingungen Fürst Bismarck im Nameñ
deutschlands eine reservirte Zustimmung ertheilt
hat, die natürlich keine einseitige Parteinahme für
ringland, sondern eine Berücksichtigung der Inier⸗
ssen aller betheiligten Mächte im Auge haben kann.
Ohne eine solche Voraussetzung würde fich Deutsch⸗
and hüten, für England die Kastanien aus dein
Feuer zu holen und sich Englande zu Liebe mit
kußland oder Frankreich zu überwerfen. Berech⸗
igte Wuinsche Europa's in Bezug auf Egypten und
berechtigte Forderungen Rußlands in Zentralasien
muß England erfüllen, sonst kann es auf den di⸗
lomatischen Beistand des deutschen Reichskanzlers
ur Beilegung seiner auswärtigen Schwieriqkeiten
üicht rechnen.
Das englische Weliblatt, Times“ hat nun einen
uus Paris datirten Artikel gebracht, welcher mit
ziner gewissen Wahrscheinlichteit behauptet, Fürst
hismarck habe dem Lord Rosebery's folgendes po—
itische Programm unterbreitet. Ob das Programm
Anspruch auf vollstandige Glaubwürdigkeit hat,
nuß allerdings dahin gesiellt bleiben, aber einige
Junkte desselben klingen, wie schon erwähnt, ziem⸗
ich wahrscheinlich. Darnach müsse der Sudan ganz
on Egypten abgetrennt und der Türkei oder Italien
ibetlassen werden. Egypten“ unter der Regierung
ines starken, populären Khedive, neutralisirt wer—
)en. Die Ueberwachung der Freiheit des Suez⸗
unals müsse der eghptischen Regierung gemeinfam
mit den Regierungen aller anderen Staaten ander
ttaut werden. England behält die Praponderanz
AA Erhaltung
ner Freiheit des Kanals. Kurz, England müsse
Zuropa beweisen, daß es keine selbstsüchtigen Pläne
bezüglich Eghptens hege. Mit Bezug auf Afgha⸗
niftan wolle Vismarck Rußland bewegen in den jetzigen
Positionen zu verbleiben, bis England die indischen
drenzen innerhalb der jetzigen Grenzen Indiens
pllstandig befestigt haben werde. Dagegen dürfe
fußland in Zensrdiasien nicht beengt werden. Dies
vire die besse Kur gegen das byzantinische Fieber
duklands. Rußland habe ein nalürliches Recht
uf Zentralasien und konne vori sich ausbreiten.
hne England zu schadigen. Enduch durfe Eng⸗
w nicht versuchen, den deutschen Handel und
deuschlands stolonialpolilil zu schädigen. Wenn
england diese Bedingungen acceptire, werde Bis⸗
du das fruͤhere gute Einvernehmen zwischen
and und England wieder herstellen, worauf
— sellos die Erneuerung des ebenfalls gestoͤrten
enguisch franzosischen Einvernehimnens soigen werne
— Volitische Uebersicht.
* Ueber die in der letzten Reichstaga—
session angeregte Frage der Sonntags⸗
arbeit wird seitens der Reichsregierung eine all⸗
demeine Untersuchung vorbereitet. Damit wird
diese wichtige soziale Angelegenheit in jene Bahn
zelenkt, die von der national- liberalen Partei im
Reichstage von Anfang an empfohlen wurde und
die auch der Reichskanzler als die allein richtige
ind beschreitbare bezeichnete. Erst auf Grund einer
olchen Enquete werden Maßregeln getroffen werden
onnen, welche ohne die Interessen der Arbeiter
elbst zu schädigen, den Segen der Sonntagsruhe
)en weitesten Kreisen gewähren und die Bestrebungen
der religiösen Genossenschaften zur Förderung der
—A
veit eine zwangsweise eingeflüͤhrte Sonntagsruhe
)ie materiellen Interessen der Arbeiter selbst beein⸗
rächtigt, ist weder in sozialer noch in religioöser
Beziehung ein segensreicher Einfluß von der Sonn⸗
agsruhe zu erwarten; in den hart davon betroffenen
dreisen würde eine solche Institution nur zu er⸗
johter Erbitterung gegen Staat und Kirche führen.
Natürlich wird die Enquete eine moglichst vielseitige
und umfassende sein müssen.
Wie verlautet, wird der deutsche Verireter in
Zaͤnzibar, Herr Gerhard Rohlf's, auf diesem
Posten nicht verbleiben. Seine Abberufung ist be⸗
reits gemeldet und dann widerrufen worden, die
erste Nachricht war nur verfrüht. Wie es scheint,
jat Rohlfs gegenüber den Intriguen, welche die
eindselige Haltung des Sultans gegen Deutschland
zur Folge gehabt haͤben, nicht die wünschenswerthe
tnergie gezeigt.
In Arizonma,“ in den Vereinigten Staaten
von Amerila, ist ein ernster Indianerauf—
tand ausgebrochen. Die Indianer plündern und
norden die Kolonisten. Die Unionsregierung ent—
andte Truppen. Es haben bereits zwei Treffen
tattgefunden, von denen das eine mit dem Rückhzug
zer Soldaten endete. Der Ausgang kann nicht
weifelhaft fein. Die Rothhaͤute werden bald vom
Boden der Vereinigten Staaten ganz verschwunden
ein. Auch in Südamerita schwinden sie, wenn⸗
gleich langsamer, fie erliegen einem seltsamen Klee⸗
hlatt: der Kultur, dem Branntwein und den Vocken.
— —ö⸗æ ⸗
Deutsches Reich.
München, 28. Mai. Dem RNeichsrath
Stifispropst Dr. v. Döl linger ist die Funktion
ines Vorstandes der Akademie der Wissenschaften,
owie eines Generalkonservators der wissenschaftlichen
Zammlungen des Siaates vom 1. Inni an auf
die Dauer von weiteren drei Jahren überiragen
vorden. — In München findet am 26. Juni die
VBersammlung der bayerischen Baugewerksgenossen ⸗
chaft, am Tage darauf jene der Holzindustriellen
zur entgiltigen Berathung nund Fefsistellung der
Benossenschaftsstatuten statt. Die suͤddeutsche Ter
lilberufsgenossenschaft hat am 27. Juni in Augs⸗
durg ihre konstituirende Versammlung. *
Berlin, 28. Mai. Der Papst hat beschlossen,
die Koölner Bisthumsfrage getrennt von der Posener
zu erledigen. Schon am 16. d. M. soll er seine
endgiltige Zusage abgegeben haben, daß Dr. Kre⸗
mentz den erzbischöflichen Stuhl in Koln einnehmen
wird Uehor die Kandidatur ves VProbsteg Aßmmnn
für Posen verlautet, daß Herr Aßmann, der in dem
maͤhrischen, zur Erzdidzese Olmütz gehdrigen Theile
des Kreises Leobschüß geboren, der polnischen
Sprache durchaus mäachtig ist, indeß wird er schwer⸗
ich in Rom akzeptirt werden, da dort an der For⸗
derung, ein Pole müsse den erzbischöflichen Stuhl
in Polen⸗ Gnesen erhalten, bessimmt festgehalten
wird. Immerhin scheint das Entgegenkommen des
Pabstes in Bezug auf den Kolner Posten anzu⸗
deuten, daß die Verhandlungen zwischen Berlin und
Rom in der letzten Zeit auch bezuͤglich anderer
deinen Fragen einen quten Forigang gehabt
daben. —M A
Berlin, 29. Mai. Im Besinden des Kaisers
t eine Besserung eingetreten und insoweit forige⸗
ichritten, als die Beschwerden sich seliener und in
zeringerem Grade fühlbar gemacht haben. Der
gaiser arbeitete gestern mehrere Stunden. Nach
zut vollbrachter Nacht wohnie Se. Majeftaät heute
nit der Großherzogin von Baden am Fenster des
Palais dem glanzenden Huldigungszuge der
Drechsler · Innung bei. wobei derselde die begeister⸗
en Begrüßungen der Festtheilnehmer vielfach durch
Verneigen erwiedertee. 1.
Zerele und pferieche Rachrichten.
— *St Ingbert, 80. Mai. Mit dent 1.
Juni nachsthin (dem Inkrafttreten des Sommer⸗
ahrplanes) gelangen auf der hiesigen Wisenbahn⸗
tation Arbeiterbillete nach nachgenannten
Stationen und den dabei angegedenen Fahrpreisen
ur Einführung: für die einfache Fahrt von St.
Ingbert nach Station Bischmisheim über
Scheidt 20 Pf. nach Saarbrücken 25 Pf. nach
douisenthal 33 Pfe
— Der Berbandstag der pfälz. Ge⸗
nofsensschaften findet belanntlich im laufenden
Jahre in Edenkoben siatt. Die von verschie⸗
denen Blattern vor einiger Zeit gebrachte Mittheil⸗
uing, daß der Verbandstag am 28. und 80. Juni
abgehalten werde, ist dahin richtig zu stellen, daß
aach gefaßtem Beschluß die Tage des i8. und 19.
Juni (Donnerstag und Freitags für die Verband⸗
lungen festgesetzt wurden.
— Rochenhausen, 128.3 Mat.; Gestern
wurde eine Frau von Schonborn verhaftet und
ins hiesige Amtsgerichtsgefangniß eingeliefert. Die⸗
selbe soll ihr eigenes Kind durch Zusammendrüucken
des Halses getodtet haben. Die gerichtliche Unter⸗
suchung wird heute stattfindenNotdpf. B.)
— Ludwigshafen, 27. Mai. Schon
seit einer Reihe don Jahren, schwebt zwischen der
Stadt Ludwigshafen und der VDirektion der Pfalz⸗
ischen Eisenbahnen ein Prozeß wegen Erbauung
ziner Straßenüberführung von der neuen Schul⸗
straße über die Geleise-Anlagen am Bahnhof nach
dem Stadttheil Hemshof. Es handelt fich um ein
jehr bedeutendes Objekt, dessen Ausfuhrung Hunderi⸗
sausende von Mark erfordern wird. Bereits am
24. Marz 1883 hat die kgl. Regierung der Pfalz
als Berufungsinstanz die Baupflicht anerkannt, wo⸗
jegen die Direltion Rekurs an die Ministerien des
gl. Hausetß und des Innern ergriffen hat. Die
kntscheidung dieser beiden Stellen ist jetzt nach zwei
Jahren eingetroffen; fie lautet ablehnend. Die
Ukten find dem Verwaltungsgerichtshoß Abergeben
vorden, welcher nun das letzte Wort in dvieser
Angelegenheit zu sprechen haben wird. Man sieht
dem Urthell dieses Gerichtshofes bier mit Spann⸗-
ung entgeqsgen