Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 10. — 
VPolitische Uebersicht. 
* Fasi in aller Stille hat der Reichskanz⸗ 
ler am vergangenen Donnerstag sein fünfzig⸗ 
gaͤhriges Dienstjubil aum gefeiert und scheint 
an in weiteren Kreisen dieses Tages gar nicht 
hehr gedacht zu haben. Es ist dies indessen wohl 
entschulvbar, da die Feier des 70. Geburtstages 
des Fürsten Bismarc das nur zwei Monate ipäter 
iallende Dienstjzubilaäum bedeutend in den Hinter⸗ 
grund treten ließ, über dies ist ja des letzteren am 
April vielfach gleich mitgedacht worden. Wir 
dollen darum unseren Lesern nur nochmals ins 
Hedachmiß zurückrufen, daß Otto v. Bismarck am 
JgJuni 1835 als Auskultator beim Berliner 
Siadtgericht eintrat und daß somit dieser Tag den 
jiemlich bescheidenen Anfang einer Carriere bildet, 
die sie wohinur seiten einem Staatsmanne zu 
Theil geworden ist. 
Das „Berl. Tagbl.“ schreibt unterm 3. Juni: 
det gestrige Wahltag ist für die Deutschlibe⸗ 
nlen Oesterreichss, wie man nicht anders 
noariet hatie, ungünstig ausgefallen. Wie unser 
Diener Korrespondent depeschirt, hat das von den 
eutschen Klerilalen Nordtirols und den italienischen 
betalen Südtirols gegen den gemeinsamen Feind, 
ꝛen deutschen Liberalismus, abgeschlossene Wahl⸗ 
ümdnißß, das wir in seiner ganzen Schmach bereits 
zinteichend gewürdigt haben. die erwünschten Früchte 
zelragen. — Im adeligen tiroler Grundbesitz sind 
en Deufßschliberalen vier Mandate 
mtrissen worden. Auch in Schlesien ist ein 
Nandat verloren. Endlich ist in Prag der bis⸗ 
herige Vertretet der Kleinseite, Hoftath Aller, nicht 
diedergewaͤhlt worden. Der bisherige Gesammt⸗ 
verlust. ded Deutschliberalen beziffert sich somit auf 
neun Sitzz .. 777 
— 
Auch die freie Sch weiz hat langst eingesehen. 
daß die Bestrebungen der Anarchisten nicht 
jegen Monarchien allein gerichtet sind. Die Ent⸗ 
zeaung des teuflischen Planes. den Bundespalasi 
in die Luft zu sprengen, hat zu einet Razzia gegen 
die Umstürzler Veranlassung gegeben. Wie ein 
Pprivat ⸗ Telegramm aus Zürich meldet, verfügte der 
hundesrath auf die Berichte des General ˖ Anwalts 
and der beiden Untersuchungsrichter hin die Aus⸗ 
veisung von 21 fremden Anarchisten wegen Ge⸗ 
ahrdung der offentlichen Sicherheit. Diese Maß. 
regel scheint nicht nur durch allgemeines Bedürfniß 
geboten, sondern war auch ganz speziell im Interesse 
het Schweiz erforderlich. Schon mit Rüdsicht auf 
den Fremdenverlehr muüsssendie in der Schweiz 
defindlichen Brutstiätten des Anarchistenthums aus⸗ 
Jehoben werden. — Auch noch gegen ein anderes 
Sesindel. das die Gastfreundschaft der Eidgenossen⸗ 
haft mißbraucht, nat man energisch Front gemacht. 
Line Anzahl von Mitgliedern der Heilsarmee 
hatte Berufung eingelegt gegen die von den Kan 
lonen Bern und NReuenburg wider fie erlassenen 
berfügungen rücksichtlich ihrer mit lautem Skandal 
m Freien abgehaltenen Gottesdienste, durch welche 
änfig Anlaß zu Ruhestörungen gegeben war. Der 
bundeßrath hai die Verufung als unbegründet zu⸗ 
iawiesen und damit dem schwindel haften Treiben 
et Salutisten einen, wenn auch schwachen Riegel 
norgeschoden. Die Heilsarmee ist nichts weiter als 
J plumper Schwindel auf den Geidbeutel aber⸗ 
andischer Dummlopfe. Sie hat nurt einen Boden 
n ihrem englischen Vatetlande. wo durch das 
Sonntag, 7. Juni 1885. V . 20. Jahrg. 
landesübliche ostentative Zurschautragen der Religio⸗ 
ität und die in Folge dessen wie Pilze aus dem 
Boden schießenden Wohlihatigkeitsvereine, eine 
vahre Religiosität nur zu oft beeinträchtigt ersche int. 
so erklärie er noch zuletzt, mache in dieser Bezieh 
ung keinen Unterschied zwischen eingeborenen und 
naiuralisirten Buͤrgern, und jeder amerilanische 
Bürger sei berechtigt, so lange er wünsche, in 
Deuischland Aufenthalt zu nehmen, vorausgesetzt., 
daß er den Gesetzen des Landes gehorche. Wie 
zie Sache jetzt steht, halten beide Regierungen an 
hrer Auffassung fest. In Folge des dfteren Wechsels 
in der Veriretung der MAnion hat die Regelung der 
chwierigen Frage immer wieder verschoben werden 
nüfssen. Man wird daher nur wünschen konnen, 
haß der neue Gesandte, Mr. Pendleton, so lange 
nuf seinem Posten verbleiben möge. bis die Streit⸗ 
rage in einer für beide Theile befriedigenden 
Weise geildst ist. *. * 1 
vBerlin, 5. Juni. Der Direltor des Aus⸗ 
wvartigen Amtes, Graf Berghem, ist zum preußi⸗ 
chen Bundesbebollmächtigten ernannt worden. 
Ausßlaud. 
Paris, 4. Juni. Nach lebhafter Debatte. 
velche zahlreiche Ordnungsrufe veranlaßte, nahm 
die Kammer mit 822 gegen 183 Stimmen die Kom⸗ 
nissionsanträge an, lehnte. somit den Antrag⸗ das 
Zabinet Ferth in den Anklagestand zu versehen, ab. 
Deutsches Reich. 
Gerlin, 8. Juni. Der heutige offiziose Ar⸗ 
ikel der „Nordd. Allg. Zig.“ über das Verhaltniß 
zu Zanzibar erregt ziemliches Aufsehen, denn er er⸗ 
uffnet, salls der Suitan von Zanzibar nicht recht⸗ 
eitig. d. h. also wohl bis zum Eintreffen der 
ʒeuischen Kriegsschiffe, nachgibt, die Aussicht auj 
zrnsie Eventualitaten. Es hieß schon seit einigen 
Zeit, daß mit England eine Verstandigung erzielt 
sei, die Deutschland freie Hand bei seinem Vorgehen 
gegen Zanzibar fichert. Es soll das einer der 
punkte sein. die bei der Anwesenheit Lord Rose⸗ 
zery's in Berlin geordn et worden sind. Vorher 
oll' der Einfluß Englands auf den Sultan von 
Zanzibar in Deutschland ungünstiger gewesen sein. 
die Abberufung, des Generallsnsuls Rohlfs, der 
die in ihn gesetzten Erwartungen —XXL 
joll, gilt für sicher.— 
Berlin, 4. Juni. Ueber das Baurgerrecht 
det DeuschLimerilaner hat der bisherige Gesandte 
der Union am Berliner Hofe. Mr. Kasson, längere 
Zeit mit dem Auswärtigen Amte unterhandelt, eine 
vefriedigende Erledigung der Angelegenheit ist aber 
nicht erzielt worden. Zunächst hatte die deutsche 
Regierung das Verlangen aufgestellt, daß die von 
aafuralisirten Deutschen absiammmenden Bürger 
der ünion im Interesse der offentlichen Ordnung 
Deutschland verlassen müßten, weil sie, trotzdem sie 
mit ihten Eltern in Deutschland lebten, zur deut⸗ 
Militärpflicht nicht herangezogen werden könnten. 
diergegen erhob Mr. Kasson Protest. Die deuische 
degierung formulirte darauf ihren Standpunkt 
was gelinder, wie folgt: 
1) Deuische Vater, welche in Amerika natu⸗ 
ralisitt worden sind, nach Deutschland zurück 
ehren und dort mehr als zwei Jahre leben, 
verden unter dem Naturalisatisns⸗Vertrage von 
1868 so betrachtet, als ob fie ihr amerilanisches 
Bürgerrecht aufgegeben hätten. 
Auch hiergegen erhob der Gesandte Einwend⸗ 
aingen. Er zeigte, daß diese Auffassung nur dann 
Jalibar sei, wenn alle Nebenumstände zeigten, daß 
zie Eltern ihre Absicht. nach Amerila zurückzulehren, 
uufgegeben hätten, und bestritt der Regierung das 
Recht, mit Rüchssicht auf den einmal bestehenden 
Verirag, diese Fragen der künftigen Absichten in 
jo einseitiger Weise entscheiden zu wollen. Gleich⸗ 
reitig mit der oben erwähnten Erklärung hatte das 
Auswärtige Amt die folgende abgegeben: 
2) Minderjährige, welche in Amerika geboren 
worden, die Sohne der oben erwähnten Eltern, 
behalten ihr amerikanisches Bürgerrecht and 
soönnen nicht zum deutschen Militärdienst heran⸗ 
gezogen werden, selbst wenn der Vater das 
amerilanische Burgertecht aufgegeben haat. 
Damu ertkärie sich Mr.“ Kasson natürlich 
Namens seiner Regierung einverstanden. Als 
zriiten Punkt woũte die deutsche · Regierung 
ich aber noch vorbehalten,,, auch diesen 
—X falls 
is das sogenannte „Interesse der oͤffentlichen Ord⸗ 
nung“ erfordere. Auch hiergegen erhob Mr. Kasson 
ebhaften Widerspruch, konnte aber die Angelegen⸗ 
jeit nicht mehr zum Austrag bringen, da er in⸗ 
wischen abberufen wurde. Der Bancrofwertrag. 
—— —— 
Lerral und pfaälzische Rachrichten. 
⸗»St. Ingbert, 6. Juni. Wie durch 
die Schelle bekannt gegeben wurde, haben bei der 
ehzt herrschenden heißen Witterung die Hauseigen⸗ 
humer, jo weit ihr Anwesen reicht. die Straß e 
des Tages dreimal mit Wasser begießen zu lassen. 
DSt. Ingbert, 6. Juni. Kaum ist der 
Frühling ins Land gezogen und der Wald von 
Vogeln belebt, so tauchen auch schon wieder viel⸗ 
jach Klagen auf über das muthwillige Zerstoren 
er Vogelnester. Besonders sind es halbwüchsige 
Jungen, die hauptsachlich an Sonntagen in den 
Waldern umheistreifen und, sich ein Vergnügen 
daraus machen, Vogelnester zu suchen und Eier 
und junge Vogelchen auszunehmen. Diesem rohen 
Treiben ist nicht ernstlich genug entgegen zu treten, 
ind alle dazu berufenen Faltoren sollten es sich 
ingelegen sein lassen, demselben zu steuern. Das 
hesie veispiel geben der Jugendaucheeim diesem 
hunkte die Eliern. Kommen hierzu ernstliche Er⸗ 
nahnungen in der Schule und bei groben Aus- 
chreitungen die gebührenden gerichtlichen Bestraf ⸗ 
mgen, so wird sicher in Zukunft manche Klage 
Aber das muthwillige Jerstören der Vogelnester 
derstummen. 
Am 1. Juni fand am Sitze des Kgl. Ober⸗ 
postamtes in Speyer eine Anstellungsprüf⸗ 
ung für Postadspiranten statt, zu welcher 
jolgende Kandidaten einberufen wurden: 1. Dep⸗ 
bifch, 2. Fritz, St. Ingbert, 8. Graß, 
Zusel, 4. Hopp, 5. Keßler, Germersheim, 6. Müller, 
dauterecken, 7, Karst, Kirchheimbolanden, 8. Ott⸗ 
naun, Obermoschel, 9. Statk, Albersweile. 
— Homburg, 3. Juni. Unter großem An⸗ 
drange wurde heute hier das Misfionsfest gefeiert 
nd nahm einen sehr ansprechenden Verlauf. Nach 
der herziichen, auf die wachsende Bedeutung der 
vangelischen Mission hinweisenden Begruͤßung durch 
Zertn Dekan Henn predigte Pfarrer Hafner von 
Illenau im Anschluß an das Bleichniß vom barm⸗ 
serzigen Samariter übet die Mahnung 5 Lasset von 
Jer Mijssion nicht! 1) Wer gehen kann, der gehe! 
2) Wer geben kann, der gebe! 83) Wer beten lann, 
der bete! Die reich illustrirte frische und begeisterte 
Predigt fand offene Ohren imd Herzen in Menge. 
Nissionsbprediger Welsch erzählte von seinem früheren