Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚Et. Jugberter Anzeiger? erscheint wbchentlich füunfmalr Um Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
—X— mit Ofeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1.4M 60 4 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 14 75 4, einschließli 
p⸗ gustelungẽagebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Sarmondzeile oder deren Raum betrügt bel Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 4, Neclamen 830 . Bei 4maliger Einrüdung wird nur dreimalige berechnet. 
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Samstag, 27. Juni 1888. 
20. Jahrg. 
Einladung zum Abonnement. 
gelegt werden muß, in dem westlichen Grenzlande 
holle Einheit zwischen den politischen und militä⸗ 
rischen Maßregeln herzustellen, wenn solche im 
Falle von Verwidlungen zum Schutze des Reichs⸗ 
zjebiets und Wahrung der Reichsinteressen nöthig 
ein sollten. — 
Die Triester Statthalterei verbot dem italienischen 
Turnverein „Union Gimnastica“ die Betheiligung 
im deutschen Turnfeste in Dresden. 
Deutsche Reich und sein leitender Staatsmann 
unter den Völkern der Erde erfreuen. Wie hätte 
man noch vor zwei Jahrzehnten über den Gedanken 
gelacht, daß Preußen oder der Deutsche Bund sich 
mit dem weltbeherrschenden England über die 
Theilung großer überseeischer Kolonialgebiete ver⸗ 
tändigen könnte. Die englische Regierung und das 
inglische Volk sind ja auch jetzt unseren kolonialen 
Bestrebungen gewiß nicht fördernd entgegengekommen, 
ie haben uns Neid und Mißgunst genug entgegen⸗ 
Jebracht und uns Schwierigkeiten aller Art in den 
Weg gelegt, aber die überlegene Staatskunst des 
deutschen Reichskanzlers und die gewaltige Autorität 
des Deutschen Reichs haben England doch schließ⸗ 
lich vermocht, uns als gleichberechtigte Macht auch 
auf dem Gebiete der Kolonialpolitik und der wirth⸗ 
chaftlichen Eroberung der noch unausgebeuteten Theile 
der Erde anzuerkennen. Daß diese gütlichen Ab⸗ 
machungen mit England zu Stande kommen konnten, 
st ein außerordentlicher Triumph für Deutschland. 
Die Vermählung des Grafen Wilhelm v. Bis⸗ 
marck mit dem Fräulein Sybilla v. Arnim wird 
anfangs Juli stattfinden. 
Bochum, 22. Juni. Auf einem neulich ge⸗ 
eierten Stiftungsfest des hiesigen christlich⸗ 
ozialen Arbeitervereins wurde, wie wir der „Rh.⸗ 
Westf. Itg.“ entnehmen, ein Telegramm an den 
Fursten von Bismarck abgesandt, in welchem der 
steichskanzler „ergebenst gebeten wurde, seinen maß⸗ 
jebenden Einfluß für die baldige Einführung der 
allgemeine Sonntagsruhe in die Wag⸗ 
chale werfen zu wollen“. Als Absender waren 
zanz unverfroren in dem Telegramm „die Arbeiter 
des Wahlkreises Bochum“ genannt, obgleich selbst⸗ 
»erständlich die Versammlung nicht den vierten 
Theil unserer Arbeiter repräsentirte. Prompt wie 
mmer hat unser Reichslanzler seine Antwort ge⸗ 
geben. Dieselbe lautet: 
„Kissingen, 16. Juni. Ew. Wohlgeboren 
danke ich verbindlich für Ihr Telegramm von vor⸗ 
zestern; die Herren Absender können nicht lebhafter 
wie ich selbst wünschen, daß die Sonntagsruhe 
jedem Arbeiter zu theil werde, der sie dem Lohner⸗ 
werb vorzieht. Bevor ich aber bei den gesetzgeben⸗ 
den Körpern den Antrag stelle, das Arbeilen am 
Sonntage bei Strafe zu verbieten und den Arbeiter 
nuch gegen seinen Willen zum Verzicht auf Sonn⸗ 
agslohn zu zwingen, glaube ich die Auffassungen 
der Betheiligten und die muthmaßlichen Folgen 
eines derartigen Eingriffes genauer, als bisher ge⸗ 
scchehen ist, ermitteln zu sollen. Zu diesem Behufe 
hjabe ich bei den verbündeten Regierungen die er⸗ 
orderlichen Anträge gestellt, und zunächst um Er⸗ 
nittelung derjenigen Betriebe gebeten, in welchen 
zegenwärtig Sonntagsarbeit stattfindet, und um 
Entgegennahme der Ansichten der betheiligten Ar⸗ 
heiter und Unternehmer. 
Mit dem bevorstehenden Quartalswechsel beginnt 
ur unser Blatt ein neues Abonnement, und 
aden wir hiermit ergebenst zu demselben ein. 
Im Preis und Erscheinen des „St. Ingberier 
Inz.“ tritt keine Aenderung ein. Die Haltung 
unseres Blattes bleibt stets eine rein sachliche. 
Besondere Aufmerksamkeit werden wir lokalen und 
probinziellen Angelegenheiten zuwenden und daneben 
jur eine gute Unterhaltungsleltüre in spannenden 
homanen und Rovellen Sorge tragen. Als an⸗ 
zenehme Beigabe behält der „St. Ingb. Anz.“ 
zuch im neuen Quariale das achtseitige illustrirte 
zountagẽblatt. 
Bestellungen auf den „St. Ingberier Anzeiger“ 
jehmen alle Postanstalten und Postboten, hier die 
anterzeichnete Expedition und die Austräger des 
Blaties entgegen. Reubestellungen, wie die Er⸗ 
zenerung des Abonnements bitten wir gefaälligsi 
zald zu machen. Unseren Abonnenten, denen das 
blatt durch die Austräger zugestellt wird, wird 
dazselbe auch im neuen Quartale forigeliefert, 
wenn vor dem 1. Juli nicht ausdrücklich abbestellt 
vird. 
Auch als wirksames Insertionsorgan sei der 
St. Ingb. Anz.“ hiermit einem verehrlichen Pu⸗ 
lilum in empfehlende Erinnerung gebracht. 
Hochachtungsvollst! 
Aon und Expedition 
des „Et. Jugberter Anzeiger.“ 
An der persisch⸗ afghanischen Grenze ist wieder 
ein kleiner Konflikt zwischen Russenn und Eng⸗ 
Andern vorgekommen. Mr. Finn, der britische 
tonsul, verlor nämlich auf der Rückkehr von einem 
Besuch des Lagers der englischen Grenz⸗Kommission 
nach Rescht, unweit Serakhs, einen Maulesel. Er 
andte seinen Sekretär mit einem höflichen Schreiben 
u dem russischen Befehlshaber von Serakhs, worin 
r dessen Beistand zur Wiederaufsuchung des Thiers 
n Anspruch nahm. Es erfolgte keine Antwort 
iber der Sekretär wurde verhaftet und als Ge⸗ 
angener nach Askabad geschickt. Derselbe soll 
zarbarisch behandelt worden sein. Es muß hervor⸗ 
jehoben werden, daß der britische Konsul sich auf 
zersischem Boden befand, wenn auch im Angesichte 
xes russischen Lagers. Wir verhehlen übrigens 
nicht, daß die Aufforderung an den russischen Be⸗ 
ehlshaber, zur Aufsuchung eines Esels — wenn 
nuch Maulesels — behülflich zu sein, übel genommen 
werden konnte. 
—— —— 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 25. Juni. Die vorläufigen Aus⸗ 
Ahrungsbestimmungen zum Zolltarif, welche 
zurch die am 1. Juli d. J. in Kraft tretenden 
Abanderungen bedingt find, werden, dem Vernehmen 
nach, in den nächsten Tagen zur Vervifentlichung 
gelangen. 
Berlin, 25. Juni. Die leßten Tage haben 
uns Kunde von zwei Abmachungen zwischen 
England und Deutschland über die Ab— 
grenzung der beiderseitigen Kolonialgebiete in 
Westafrika und Neu⸗-Guinea gebracht. 
Während dort unserem Küstenbesiz um Kamerun 
ein unermäßliches Hinterland eröffnet wird, ist uns 
auf der großen unbekannten Südseeinsel ein ganz 
unuübersehbares Gebiet zugesprochen, größer als der 
dortige hollandische und englische Besitz, an Flächen⸗ 
nhali eiwa halb so groß wie die ganze preußische 
Monarchie. Die Enwickelung dieser gewaltigen 
ind fast noch ganz unerforschten Lünder vermag 
hjeute kein Mensch vorauszusehen; sicher aber er⸗ 
ziffnen sie eine Zukunft von allergrößter Bedeutung. 
ẽ8 ist noch kaum ein Jahr her, daß die ersten 
chüchternen Versuche zu deutschen überseeischen 
Besitzergreifungen in die Oeffentlichkeit drangen und 
heute befitzen wir ein ausgedehntes, höchst entwigel ⸗ 
ungsfähiges Kolonialreich, welches sich getrost mit 
dem Besiß alter europaischer Kolonialstaaten ver⸗ 
gleichen kann. Man kann wirklich sagen, eine neue 
dolonialmacht ist über Nacht aus dem Boden ge⸗ 
vachsen, und die oft gehörte Behauptung ist Lügen 
Jestraft, daß das, was wir in frühcren traurigen 
Jahrhunderlen auf diesem Gebiete versäumt, jetzt 
nicht mehr einzuholen sei. Aber es war freilich 
auch die höchste Zeit, zuzugreifen. Das Ueber—⸗ 
raschendste an der Gründung unserer Kolonialmacht 
ist die volllommene Friedfertigkeit und Ruhe, mit 
er sie sich vollzog. Und das ist nur dem ge⸗ 
zewaltigen Anseben zu verdanken, dessen sich das 
Der Bundesrath durfte im Laufe der 
achsten Woche, nachdem derselbe über den Antrag 
hreußens, beireffend die Erbfolge in Braunschweig 
nischieden hat, sich vertagen und im September 
eine regelmaͤßigen Sitzungen wieder aufnehmen. 
hinfichtlich der Besezung des durch Man⸗ 
euffel's Tod erledigten Generalkom—⸗ 
nandoßs des 15. Armeekorpte wird der 
Koln. Ztg.“ aus Berlin geschrieben, daß die 
znischeidung davon abhangig ist, ob eine Civil⸗ 
der Milisärperson zum Stafthalter der 
keihslande ernannt wird. Im ersteren 
Jalle dann die erst kürzlich gelroffene Einrichtung— 
daß der rangältefte Dibisionsgeneral die militärischen 
Zeschafte umer Oberleitung des Siaithalters führt 
uicht weiter foribestehen. Die Ernennung eines 
nit allen Gerechtsamen ausgerüsteten wirklichen 
ommandirenden Generals würde dann unumgäng⸗ 
ich nothig sein. Trin jedoch der zweite Fal ein 
w lonnie die jeige Eintichtung beibehalten werden. 
ꝛkaleich man sich deren Ummntraglichteiten woh' 
wußt isn die darin desianden die miitäriso 
Wewalt gieichsam zu theilen, indem ein General 
e Oblegenheiten ¶ eines Höchstlommandirenden 
hatsachlich ausübte, während ein anderer General 
tehr odet weniger die Verantwortung hierfur irug 
luch feht es sehr dahin, ob einem andern Stan⸗ 
nalter diese Erleichterung zugestanden wird, auf 
me der militärisch . so hochverbiente Generai ⸗ Feld 
dau v. Manteuffei bei seinem hohen Alter 
nspruch erheben konnte. Jedenfalls werden aber 
ne Ruafichten auf die Handhabung der obersten 
ailtarischen Gewalt in Nden Reichelanden ein⸗ 
aAnnne Rolle bei der Wahl eines neuen Sian⸗ 
alters spielen, da mi Recht groker Werth darauf 
v. Bismardc.“ 
Straßßzburg, 23. Juni. Man schreibt der 
„Straßb. Post“ aus Karlsruhe: Bekanntlich hat 
das Reich die Regulirung der Stromverhält⸗ 
nisse des Rheins in die Hand genommen. 
Eine Reichskommission mit dem Unterstaatssekretär 
m preußischen Landwirthschaftsministerium, Herrn 
Marcard, an ihrer Spitze, hat fich am Sonntag 
in Konstanz vereinigt, um zunächst die einschlägigen 
Fragen in einer aus Verwaltungsbeamten und Tech⸗ 
nikern gebildeten Konferenz zu erörtern, und, un⸗ 
mittelbar daran sich reihend, eine „Begehung“ des 
Stromes bis Altbreisach vorzunehmen. Speziell 
— und deshalb ist auch wohl Konstanz als Or