Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Jnugberter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
7et. Jugberter Aunzeiger! erscheint wbchentlich fuufmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungt⸗ 
in und ESonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1AMx 7B8 , einschließliq 
5 tußellungtgebuhr. Die Einruͤckungsgebühr fur die 4espaltene Garmondieile oder deren Raum betragt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfalzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 —., Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrücung wird nur dreimalige berechnet. 
126. 
Deutsches Reich. 
BSerlin, 28. Juni. Seitens der Neuguinea⸗ 
selschaft derläßt am Montag eine Erpedition 
n um für die Errichtung von Stationen auf 
aguinea vorbereitende Einrichtungen zu treffen. 
je Erpedition wird sich in Marseille zunächst nach 
adia einschiffen, um dort für ihre Zwecke eine 
mohl malaischer Arbeiter anzuwerben. 
Ddie Währungsf ragetritt in ein neues 
adium. Frankreich hat sich kürzlich süddeutschen 
dusern gegenüber geweigert, gegen in Frankreich 
jehlich gewahrtes Silber — 
herwelsüngen zu machen. Die nächste Folge ist, 
ch französisches Silber in Süddeuischland nicht 
sehr zum Nennwerthe genommen wird, wichtiger 
scheint der Bruch, den Frankreich selbst in seine 
zherige Doppelwährung legt. Die Konferenz der 
ziaaten des lateinischen Munzbundes wird immer 
der dertagt. Die Schweiz ist belanntlich 
wierig, und dem italienischen Parlament liegt 
Gesetz vor, welches den Banken verbietet, mehr 
z an Dritiei ihres Baarschatzes in Silber zu 
cben. In Frankreich warnen namhafte Fach⸗ 
nner vor der Erneuerung der Münzkonvention. 
Jan klagt, „das gesammie weiße Geld werde dort⸗ 
in geschickt; in der Bank liegt eine Milliarde 
zilber, darunter 350 Millionen auswärtigen Ge— 
caͤges. 
Die sechs Prälaten, welche im nächsten Konsi— 
rium Milte Juli zu Cardinälen ernannt 
ierden sollen, sind folgende: Melchers, der frühere 
erzbischof von Köln; Moran, Erzbischof von Syd⸗ 
eh, der zum Erzbischof in Dublin ernannt werden 
oi; Capecelatro, Erzbischof von Capua; Battag⸗ 
ni, Erzbischof von Bologna; Schiaffino, Sekretär 
en Kongregation der Bischofe und der Ordens⸗ 
aistlichen; Cristofori, Auditor der apostolischen 
ammer. 
Lokale und pfaälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 27. Juni. Schon wieder 
egt ein schreähiches Unglück auf einer be— 
achbarten preußischen Grube die Gemüther in Auf⸗ 
egung. Gegen 80 Bergleute, die ganze Belegschaft 
iiner Abtheilung, wurden gestern Nachmittag gegen 
uhr in Grube Dudweiler durch schlagende 
Hetter verschüttet. Etwa 20 derselben, genaue 
Ungaben konnten uns nicht gemacht werden, sollen 
lot, die übrigen mehr oder weniger schwer verletzt 
ein. Die Entzündung der Gase soll durch einen 
„chuß erfolgt seiinn. 
*Si. Jugbert, 27. Juni. Wie durch 
juserat in diesem Blatte bereins bekannt gegeben, 
reranstaltet der KtiiegereVer ein auf morgen, 
vonntag, Abend im Oberhauser'schen Saale für 
eine Mitglieder und deren Familien eine mu sika⸗ 
4heatralische Unterhaltung. 
Si. Ingbert, 27. Juni. Nach einem 
uzwartigen Blalte wurde durch das hiesige Schöffen ⸗ 
ericht kürzlich ein Arbeiter wegen Beschädigung 
mnger Obssbaume in eine Gefängnißstrafe von Wochen 
eturtheilt. Moge diese ernsie, aber in Anbetracht 
er in letzter Zeit sich mehrenden Baumfrevel gewiß 
erechte Strafe Anderen zur Warnung dienen! 
8 Si. Ingbert, 27. Juni. Sonntag den 
F Juni konzerliert in der Gartenwirthschafi von 
w Becker eine Abtheilung der Militärkapelle 
5. Chevaurlegersregimentes. Musikfreunden 
dn dies recht erwünscht sein, da musikalische 
enüsse in unserer Siom mas selten sind Auf 
Sonntag, 28. Juni 1888. 
20. Jahrg. 
»em Programm finden sich u. A. Piecen von Faust,“ 
Mehul, Gounod, Schubert, Flotow und Strauß. 
x* Sonntag, den 5. Juli wird in Ensheim 
zas Patronsfesi Peter und Paul gefeiert. 
— Vorige Woche wurde auf den Pfaͤlzer 
rsisenbahnen bei Erxtrazügen ein Versuch mit 
er sog Dampfbremse, durch welche ein Zug plötz⸗ 
ich zum Stehen gebracht werden kann, gemacht. 
dieser Versuch, welcher vollstandig befriedigend 
nusfiel, soll nun auch bei den gewöhnlichen Zugen 
n Anwendung gebracht werden. 
Wenn unsere Bauern noch nicht wissen 
ollten, was für eine Frau sie brauchen, so konnen 
ie sich es von dem Frhen. v. Schorlemer⸗Alst, dem 
ekannten Zentrums ⸗ Führer, sagen lassen. Bei 
iner Versammlung zu Heiligenstadt, gelegentlich 
der Gründung eines Bauernvereins, bemerkte er 
. A.: ,Was hilft einem Bauer eine Fcau mit 
inem Klavier, init 10,000 Thaler und einem 
zicken Kissen hinten. Echallendes Gelächter.) 
Mellen muß sie iönnen, fich auf Vieh und Hühner⸗ 
ucht verstehen“. So ganz unrecht hat der Frei⸗ 
hert mit seiner drastischen Bemerkung übrigens nicht. 
— Zweibruͤcken, 24. Juni. Von der k. 
hensdarmerie dahier wurde gestern der früher in 
rindd und z. Z. in Rieschweiler ansassige Kohlen⸗ 
sändler Z. unter dem Verdachte des betrügerischen 
gankerotts gefänglich eingezogen. 
— Flomersheim, 24. Juni. Der An⸗ 
ang der diesjährigen Kartoffelernte wurde vorgestern 
on Konrad Ehret gemacht und neue Neunwochen⸗ 
artoffeln gestern von deinselben nach Mannheim 
u Markt gebracht. GF. T.) 
— Ludwigshafen, 25. Juni. Eine 
Schwimmprobe, die ihm sobald wohl Niemand nach⸗ 
nachen wird, hat gestern Abend der Schiffer Jakob 
Heidrich aus Bacharach, auf dem gegenwaͤrtig hier 
Jor Anter liegenden Schiffe „Gustav“ beschäftigt, 
abgelegt. Derselbe ist innerhalb einer Stunde zwoͤl 
Mal uͤber den Rhein geschwommen und hat außer⸗ 
»em einen Nachen, besetzt mit vier Kindern, mit⸗ 
zJezogen. Gewiß eine nicht zu unterschatzende 
draftleistung. WW 
—Fraünkenthal, 25. Juni. Eine wider⸗ 
iche Szene spielte fich gestern Abend um 9 Uhr 
in der Brücke der Turnhallstraße ab. Ein liebens⸗ 
vürdiger Schwiegersohn prügelte seine Schwieger⸗ 
nutter derari durch, daß die llatschenden Hiebe das 
Bekreisch der Frau übertoönten. 
p Muünchen, 28. Juni. Eine peinliche 
Situation. Gestern Nachmittag zwischen 228 
hr lonnte man auf dem Mariendlaß in der Nahe 
der Hauptwache einige Damen von 18 bis 28 
und dielleicht mehr Jahren bemerken, die Jede für 
sich auf und niedergehend, Jemand zu erwarten 
chienen, während zugleich Jede die Andere mit 
ewissermaßen herausfordernden Blicken verfolgte. 
dede der Damen, deren Zahl bis zu sechs ange⸗ 
vachsen war, trug eine rothe Rose. Als die Uhr 
g schlug, ging die sonderbare Gesellschaft, anscheinend 
mißinuihg auseinander. Wie von der Freundin 
ainer dieser Damen vetrathen wurde, hatte ein 
herr, der durch Inserat eine Lebensgefährtin suchte, 
uͤch den grausamen Spaß gemacht, 6 Bewerberinnen 
zut gleichen Stunde auf den gleichen Platz zu be⸗ 
jellen, während er sich vielleicht von der anderen 
Seile des pllatzes die kieine Versammlung betrachtete, 
ur welche diese Parade eine peinliche Situation 
ein mußte. 
Vom Niederrhein, 24. Juni. Wie 
der „Frankfrt. Ztg.“ s. Z. mitgetheilt wurde, wur⸗ 
den Eude März da. Irs. in M.Gladbach zwei 
Mädchen im Alier von eiwa 8-10 Jahren von 
zem Holzschuhmacher Franz Goitfried Peters an 
ich gelocki, mit auf einen einsamen Weg genommen, 
dergewaltigt und dann in einer Flachsgrube ertrankt, 
wodie Leichen spater aufgefunden wurden. Das 
Scheusal, welches die unmenschliche That verübte, 
ntfloh nach Holland, wo es indeß schon nach eini⸗ 
Jen Tagen verhaftet wurde. Gegen Peters wurde 
deben unter Ausschluß der Oeffentlichleit vor dem 
Schwurgericht in Düsseldorf verhandelt, welches den 
Angeklagten zum Tode verurtheilt. 
Aachen. 24. Jum. Gestern siarb infolge 
eines Schlaganfalles die verwittwete Frau Spiegel⸗ 
macher, geb. Barth. Nach Ausweis des Standes⸗ 
Registers war diese Frau im Jahre 1777 geboren, 
hatie daher das hohe Alter von 108 Jahren er⸗ 
reicht. Die Verstorbene befand sich noch bis vor 
kurzer Zeit im Vollbesitze ihrer geistigen Krafte. 
p Das Testament Friedrichs des 
Broßen, welches das „B. T.“ nach einer ihm 
zur Verfügung gestellten Abschrift verdffentlicht, ist 
war gelehrten Geschichtslundigen nicht unbekannt, 
Ferdient indessen thatsachlich wegen der großen 
Denk⸗ und Gemüthsart, die sich darin ausdrückt, 
wveileren Kreisen in Erinnerung gebracht zu werden. 
Das Schriftsiück lautet: Ich überlasse Ihnen, mein 
ieber Neven, meine Staaten, meine eroberten 
Schlosser, meine Lander, jedoch mit dem Beding, 
daß Sie die kleinen Vermächtnisse, welche ich meinen 
Berwandien hinterlasse, berichtigen werden, als: J. 
Der Koͤnigin, meiner Gemahlin, 40,000 Thlt. und 
ine jährliche Zulage von 10,000 Thlr. Sie hat 
mir in meinem Leden nie den mindesten Verdruß 
gegeben, schätzen Sie sie, so, wie ihr unerschutter⸗ 
icher Charaller es verdient. 2. Dem Prinzen 
Heinrich hinterlasse ich 200,000 Thlr. und den 
rrisopasen⸗Ring, so ich getragen, nebst 50 Antheil 
Angarischen Weins. 3. Dem Prinzen Ferdinand 
50,000 Thlr. und eine Kutsche mit 6 Pferden. 
4. Der Prinzessin Ferdinand jährlich 10,000 Thlr. 
ind ein silbern Serbice. 5. Der Prinzessin Amalie 
10,000 Thlr. und eine Tabatiere mit Brillanten. 
5. Der Herzogin von Braunschweig 50000 Thlr. 
ind ein silbern Service. 7. Meinem Neveu, Her⸗ 
—— 8. 
Dem regierenden Herzog von Braunschweig zwei 
teitpferde. 9. Dem Herzog Friedrich Wilhelm 
an Braunschweia eine Tabatière mit Brillanten 
Vermischte. 
Karlsruhe, 24. Juni. Der „unschuldig 
herurtheilte“, der jüngst seine Reise durch die 
Ilätter antrat, Christian Haberstroh, der gestern 
ind heute im Wiederaufnahmeverfahren vor dem 
siesigen Schwurgerichte stand, hat die goldene Frei⸗ 
seit Nur sehr kurze Zeit genossen, denn er wurde 
Jeule wiederum des Hausfriedensbruches, des straf ⸗ 
jaren Eigennutzes und der Verleidung zum Meineid 
ür schuldig befunden und zu 3 Jahren und 1 
Ronat Zuchthaus, von denen er schon 17*4 Jahr 
bgesessen, verurtheilt. Haberstroh, ein vielfach 
‚orbestrafter, abgeseimter Winkeladvokat, der aller⸗ 
ings in dem Strafgesetzbuch sehr gut Bescheid 
veiß, hat seine Freiheit dazu geglaubt benutzen zu 
nüssen, einen Hauptzeugen in der gegenwaͤrtigen 
Berhandlung abermals zum Meineid zu verleiten, 
d daß wir in der nächsten Schwurgerichtsperiode 
en Haberstroh wegen dieses neuen Verbrechens 
piedersehen werden.