Full text: St. Ingberter Anzeiger

cien, womit dann die Gesellschaft gebildet ist und 
wegirtsamkeit mit dem Einfuͤhrungstermin des 
adehe beginnen kann. 
Dei Vorstand des bayerischen Volksschullehrer· 
hereins Koppenstütter hat beim Kultusministerium 
iest eingereicht gegen die Eingabe der Buch⸗ 
der Innungen, zu München, Fürth und 
yweinfurt und deren Gewerbsgenossen im König⸗ 
Bayern, worin die Bitte gestellt ist. daß den 
sern der Volksschulen, wie den Schulangestellten, 
dausmeistern, Pedellen ec. an Volks- wie Mittel⸗ 
d Hochschulen des Königsreichs der Vertrieb von 
qulbüchern, Schreib⸗ und Zeichnenmaterial gänzlich 
t werde. 
— — 30. Juni. Der Kaufmann 
saak Rosenberg aus Hamm, der am 19. Mai 
n der hiesigen Straflammer wegen Wuchers und 
euges zu 8ise Jahren Gefängniß und 15.000 
surk Geldstrafe verurtheilt war, hatte gegen dieses 
enntniß das Rechtsmittel der Revision eingelegt 
d befand sich infolge dessen noch im hiesigen 
esangnisse. In der Nacht vom 19. zum 20. Juni 
r er aus dem hiesigen Gefängnisse entwichen und 
var hatte der von Rosenbergs Verwandten bestochene 
zangenwarter Kohn ihn herausgelassen. Kohn war 
eufallsentflohen, ist aber in Zütphen in Holland ge⸗ 
zt worden und wird nach hier ausgeliefert werden. 
ie lgl. Staatsanwaltschaft hatte das Vermögen 
Rosenbergs beschlagnahmen und an alle Bankb- 
user mit dem R. früher in Verbindung gestanden, 
Weisung ergehen lassen, an R. kein Geld 
verabfolgen. Rosenberg war bereits auf 
andischem Gebiete angekommen, befand sich also 
Sicherheit. Da es ihm aber trotz seines großen 
ichthums an den nöthigen Geldmitteln gemangelt 
i, ist er nach Hamm zurückgekehrt, und hat, als 
mdie Polizei auf den Fersen war, seinem Lehen 
ich Erschießen ein Ende gemacht. Der Sohn 
Rosenberg sitzt im hiefigen Gefängnisse wegen 
Verdachts, den Gefangenwärter Kohn bestochen 
haben. 
zEin inte ressanter Besuch weilt gegen⸗ 
uiig in Göttingen; ein Herr Beihge, ein 
rorener Göttinger, der nach den wunderlichsten 
qidsalen fich zum Geheimsekretär des Prinzen 
sanurangse von Siam emporgeschwungen hat. 
zjunger Mann wanderte Herr Beihge aus, um 
nüchst in Amerika sein Glück zu machen. Von 
it kam er vor nunmehr 17 Jahren nach Siam, 
mer ein Tabaksgeschäft gründete, wurde in den 
uftreisen bekannt und erwarb sich durch seine 
anntnifse bald die Zuneigung des Bruders des 
inigß in dem Maße, daß er dessen vertrauter Se⸗ 
uur und Interpret wurde. In dieser Stellung 
ne er Gelegenhent, sich um das Post⸗ und Tele⸗ 
ihhenwesen in Siam, das noch in den Windeln 
. Verdienste zu erwerben, und als dann 1881 
Vostwesen zu einem selbstftändigen Ministerium, 
et Leitung des Prinzen Bhanurangse, erhoben 
ude trat er als Geheimsetretär in dasselbe ein. 
solcher hat er hervorragenden Antheu an der 
ndherung Siams an den Weltpofiwerein genommen 
d auch mit dem Staatssekreiär d. Siephan in 
yt Korrespondenz gestanden. Jetzt ist der An⸗ 
J erfolgt und Siam trat am 1. Juli dem 
— bei. Herr Bethge ist nun herüber - 
— an dem im August in Berlin statt⸗ 
n tegraphentongteß Theil zu nehmen. 
gen liche Vertreter Siams wird dort der Ge⸗ 
ein Paris sein, dem Herr Beihge zur Seite 
n wird. 
Zeipzig, 29. Juni. Wir wollen nicht 
sen, auf den Verband deutscher 
indlungs ehil o 
Zuß gehilfen aufmerksam zu machen, 
— jungen Kaufleuten Krankenversicher⸗ 
— ———— 
e in Leipzig, zuhlt gegenarn 
lihe zig, zählt gegenwärt;g gegen 6000 
* —5 besitzt uͤber 70 Verwalungsstellen 
eutschland. Seine Krankenlasse weist 
a itgliederbesstand don 1400 Personen mit 
—88 Reservefond auf. Nachdem diese 
an n sich bis jeßt bewährt haben, geht der 
nnhgendlicuich mit dem Plane der Gründung 
den ne Waisenlasse um. 15,000 M. 
— 5 zu diesem Zwede schon über⸗ 
—7 — 5 ahrliche Beitrag zur Wittwen· und 
Wva nragt 30 Mt. Um den Witmwen 
shne — zu sichern, ist eine 
—— gliedschaft der Kasse nöthig. Der 
—* dasse ik weder an ein bestimmes Alier, 
ne ärztliche Untersuchung gebunden. Die 
Bittwenpension richtet sich nach der in jedem Jahre 
erfügbaren Summe und beträgt nie mehr als 
50 Mt. jährlich. Eine besondere Wohlthat wird 
arin gefunden werden, daß, nachdem das Mitglied 
er Kasse fünf Jahre angehört hat, sein Recht auf 
Bittwenpension bei Nichtfortsetzung der Beiträge 
nicht erlischt, sondern der Pensionsanspruch fuͤr 
eine Beiträge (S150 Mt.) ihm bez. seiner Wittwe 
rhalten bleibt. In augeablicklich unguünstigen Ver⸗ 
Jältnissen ist dieser Punkt für manchen Kaufmann 
ehr wichtig. Eine Rückzahlung der Jahresbeiträge 
indet nicht statt. 
fFBremen, 80. Juni. Grenzaufseher Oehl⸗ 
ichs, der einen Zollbeamten wegen Majestätsbe⸗ 
eidigung denuncirt hatte, ist als Denunciant zu 
echs Monaten Gefängniß und 1 Jahr Ehrverlust 
ʒerurtheilt und sofort verhaftet worden. 
fF Der boshafte Professor betitelt sich 
olgendes amüsante Geschichtchen aus der Selektra 
iner höheren Töchterschule Berlins. Herr Professor 
ẽ. ist ein neuer Vehrer und trotzdem der Herr noch 
ung ist, hat er dennoch nicht das Glück gehabt, 
»en jungen Damen der Oberklasse zu gefallen, und 
s war daher beschlossen, ihm das zu zeigen. Als 
ser Professor Tags darauf in das Schulzimmer 
ritt, muß er zu seinem Erstaunen wahrnehmen, 
ꝛatz nur die eine Hälfte seiner Schülerinnen sich 
rhebt, während die andere ruhig sitzen bleibt. An⸗ 
angs wußte der junge Mann nicht recht, was er 
ijun zu thun habe, dann aber war er bald gefaßt 
ind sagte lächelnd: „Mir kann es gleichgiltig sein, 
neine Damen, ob Sie mich durch Äufflehen ehren 
der lieber sitzen bleiben, nur sollte ich meinen, daß 
ich zum Letzteren noch später für Sie Gelegenhei 
inden dürfte.“ 
F Ein Opfer des Aberglaubens in seiner 
rassesten Gestalt ift am Sonntag die hochbetagte 
„tadtarme Cz. in Marien werder geworden. 
luter der Vorjpiegelung, daß eine ihrer naheren 
zekannten erkrankt sei, wurde die 73jährige Frau 
n die Wohnung einer Frau C. geloctt und dort 
n der unmenschlichsten Weise behandelt. Kaum 
jatte die nichtsahnende Person die Thür hinter sich 
jeschlossen, so drang Frau C. auf sie mit den Wor⸗ 
en ein: „Du hast mir mein Kind behext und 
nußt es mir gesund machen, oder ich zerschneide 
dich in Stücke.“ Mehrere Schläge wurden gegen 
hren Kopf geführt und ein Blutstrom ergoß sich 
iber das Gesicht der armen Frau. Das war der 
Ingreiferin eben recht, sie fing etwas von dem 
zlute auf und bestrich damit ihr im Bett liegendes 
kind, um dasselbe aus dem Banne des Bösen zu 
rlösen. Erst auf vieles Bitten und das laute 
ülfegeschrei der Cz. wurde diese endlich freigegeben. 
datürlich wird die Geschichte ein gerichtliches Nach⸗ 
viel haben. 
f Wien, im Juni. Romanhaft genug, aber 
urchaus wahrheitsgetreu ist die nachfolgende Er⸗ 
ählung, die man „Das Glück der Wienerin' be— 
iteln könnte. Vor ungefähr drei Jahren lernte die 
hattin des Deutschen Konsuls in Shanghai ge— 
egentlich eines Besuches, den sie dem Modewaaren⸗ 
seschäfte L. Krickl unter den Tuchlauben in Wien 
bstattete, die Tochter des Konfektionärs kennen. 
Ddas Mädchen gefiel ihr so wohl, daß sie ihm den 
Antrag stellte, sie als Gesellschafterin nach China 
zu begleiten. Kurz entschlossen, folgte die Wienerin 
der Dame in die Fremde. In dem Hause des 
donsuls, wo die vornehmsten Mitglieder der Euro⸗ 
aischen Kolonie Shanghais verkehrten, spielte un⸗ 
sere Landsmäunin dank ihrer Schönheit und an—⸗ 
nuthigen Geistesgaben, bald eine glänzende Rolle. 
Fin französischer Millionär, Herr E. G. Bouillemont, 
zerliebte sich in das Mädchen, und jüngsthin fand 
zie Trauung des glücklicher Paares fiatt, welche 
ich, wie man aus Shanghai schreidt, zu einem 
zuldigungsakte für die Wienerin gestaltete. Die 
ortigen Blätter bringen spaltenlange Berichte über 
»ie Ceremonie, welche in der St. Josephe⸗Kirche 
tattfand. Eine Reihe von öͤffentlichen Instituten 
ind Banken hatte aus diesem freudigen Anlaß 
Feieriagsruhe geboten. Die Häuser auf dem Wege 
om Deutschen General⸗Konsulate nach der Kirche 
varen mit Flaggen und Immergrün geschmückt, 
er mit Blumen und Blätterwerk dekorirte Dom 
nit Besuchern überfüllt, und viele Gäste mußten 
jeimkehren, da sie keinen Platz mehr fanden. Ueber 
weihundert Equipagen folgten dem Brautwagen; 
er Brautführer war der Generalkonsul Dr. Lührsen; 
erner bemerlte man unter den Anwesenden den 
Desterreichischen Konsul, Herrn Joseph Haas, den 
ven Französischen und Braäsilianischen Konsul. sowie 
der Vereinigten Staaten. Die Braut trug, wie 
vir schließlich noch erwähnen wollen. ein weißzes 
Satinkleid, ganz übersäet mit Spitzen und Orange⸗ 
»luthen. Sie sah reizend aus, „belle et char- 
nante““. Das junge Paar wird in nächster Zeit 
ine Reise nach Europa antreten. 
J. Der jüngste Professor duürfte gewiß der in 
2aab gebürtige Ernst Muranhi seim, welcher am 
11. September d. J. seinen sechzehnten Geburtstag 
eiern wird. Muranyi hat sich sofort, nachdem er 
ie Maturitäts. Prüfung abgelegt hatte zur Steno⸗ 
raphen⸗Professor⸗Prüfung gemeldet, welche er am 
20. d. mit Erfolg bestand, so daß der 15jährige 
Jüngling bereits diplomirter Professor ist. 
fEine interessante Augenopera— 
ion ist dieser Tage von Professor Dr. Pflüger 
in Bern vorgenommen worden. Bisher war man 
der Meinung, daß es ein Ding der Unmoglichkeit sei, 
ꝛinem Blindgeborenen durch Operation das Augen⸗ 
icht wiederzugeben. Nun wurde zu Dr. Pflüger 
in 15jähriger, blindgeborener Knaͤbe zur Unter⸗ 
uchung gebracht und letztere ergab, daß der Seh⸗ 
ierb selbst nicht gelähm sei, sondern das Sehen 
urch ein anderes Hinderniß unmöglich gemacht 
vorden sei. Es war alle Hoffnung vorhanden, 
daß, wenn das Hinderniß entfernt werden könnte, 
uch die Sehkraft sich einstellen würde. Die Ope⸗ 
ation wurde darum dvorgenommen, und als man 
die Binde wieder abnehmen durfte, da fieht der 
Blindgeborene. Aber er hat schlechterdings keinen 
Begriff von dem Wesen, den Verhältnissen und 
ẽntfernungen der Dinge, die sich ihm zeigen. So 
B. wies ihm Dr. Pflüger seine Hand. welche 
er Blinde oft betastet und gedrückt hatte, allein 
ieser wußte nicht, was es sei. Man stellte ihm 
vie pflegende Schwester und einen Herrn gegenüber 
ind fragte ihn, welches die Frau und welches der 
Mann sei. Er traf das Richtige. Als man aber 
er Diakonissin das weiße Häubchen, das er früher 
efühlt haben mochte, wegnahm und um den Kopf 
es Herrn ein weißes Tuch legte, da mußte der 
derr auf einmal die Frau fein Kurz, trotz der 
orgsamsten Pflege machten ihn alle diese neuen 
kindrücke ganz konfus und mube. Er ist jetzt in 
er Stille bei seinen Eltern, die in einem Dorfe 
es Kantons Freiburg wohnen, foll aber bald wie⸗ 
»er dem Herrn Professor, der an der voölligen Her⸗ 
tellung seines Gesichtes nicht zweifelt, sich vorsteuen. 
Ohne Zweifel werden fich da noch eine Fülle der 
nerkwürdigsten und interessanten pfychologischen 
Beobachtungen anstellen lassen. Man kann sich 
die Freude und Wonne des armen Menschen aus⸗ 
nalen, der fich auf einmal im Besitze der edlen 
dimmelsgabe? befand. 
f2000 Werst gleich ca. 150 Meilen zu Fuß 
jat kürzlich ein 15j1ähriger Knabe in Rlu ß⸗ 
and zurückgelegt. Wie der „Pet. List.“ und die 
Minuta“ erzählen, ist es der junge Sch—w aus 
Jerm, den mißliche Familienverhälmisse aus seiner 
)eimath trieben und zu dem Entschluß brachten, 
eine in St. Petersburg lebende. wohlhabende 
Tante aufzusuchen. Mit A RMubel in der Tasche 
nachte sich der Jüngling endlich am 25 April von 
Perm aus auf den Weg, nachdem er bereits fünf 
Mal von der ersten Station wieder nach Hause 
urückgekehrt war. Ueber Kasan, Nishni⸗Nowgorod, 
ostroma, Jarosslaw, Rybinst und Bologoje hat 
exr seine Tour genommen und ist am 5. Juni in 
betersburg angekommen. Von Brod, Birkensaft 
ind Tannearinde hatte er sich zum großen Theil 
rnährt und unterwegs seinen Paletot für 3 Rubel 
erkaufen müssen. Ueber den Wolchow hat er sich 
auf einem kleinen Flachboot hinübergeseßt, wobei 
r ein Brett als Ruder benutzte, weil er für die 
Fähre nicht 5 Kopeken ausgeben konnte. Als er 
in Pertersburg ankam, besak er gerade noch 2 Ko⸗ 
beken. Trotz qualenden Hungers durfte er sie nicht 
ausgeben, weil er die Adresse seiner Tante im 
Adreßbuch erfahren und dafür 2 Kopeken zahlen 
nußte. Letztere hat er nun ausfindig gemacht 
uind ist von ihr auf das freundlichste aufgenommen 
vorden. 
fLondon, 26. Juni. Fine Millionen⸗ 
erbschaft. Hier derstarb unlängst eine Frau Lowy 
jeb. Weile, welche ein Vermögen von einigen ,60 
Mislionen Dollars“ hinteclassen hat und zwar sollen 
dieselben unter 21 Mitglieder der Familie Weile 
vertheilt werden. Die betreffenden Erbschaftskau 
idaten, welche sich zum großen Theil in Deutsch⸗ 
and befinden, haben von diesem ,harten Schickssals- 
chlage“ erst durch die deutsche Regierung Kenntniß 
xhalten. Dieselbe ist mit der enqlischen Regierung.