Full text: St. Ingberter Anzeiger

szt. Ingh exter Amzriger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
de St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljahrlich 1.4M 60 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.4 75 4, einschließlich 
dA Zuftellungzgebuhr. Die Einrückungsgebühr jur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfülalschen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 1I8 A. Meclamen 830 —. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
— 
Volitische Uebersicht. 
Der bayr. Landtagsabgeordnete Frhr. v. 
Zoden ist damit beschäftigt, einen Initiativ-Ge⸗ 
etentwurf auszuarbeiten betr. Errichtung einer 
dandes ⸗Mobiliarversicherungsan— 
Jalt. 
Die „N. Pr. Zig.“ vernimmt, daß auch diesem 
Jahre wieder der Chef des bayerischen Ge— 
geralstabes, Generallieutenant Graf Verri 
de la Bosia, und einige andere bayerische Offi⸗ 
ziere an der Uebungsreise des Großen Generalstabes 
heilnehmen werden. 
Wie der „Elbf. Zig.“ mitgetheilt wird, soll in 
det Zeit eiva vom 5. bis 10. August zu Brüssel 
ein Kongreß für die künftige Betheiligung 
der Nichtgroßmächte an den europäischen 
Entscheidungen abgehalten werden. Der offizielle 
Name lautet „congrès pour représgensation pro- 
portionelle“; die ursprüngliche Anregung ist von 
dem früheren spanischen Deputirten und Minisier 
Don Arturo de Marcoartu ausgegangen. Ohne 
jonderliche politische Bedeutung ist der Kongreß ent⸗ 
chieden ein interessantes Zeitsymptom. 
Wie der „Hamb. Corr.“ meldet, hat das 
direktorium der Deutsch⸗ostafrikanischen 
ßesellschaft unlängst bei der Firma Friedr. 
krupp in Essen 3wei eigens für Kolonialzwecke lon⸗ 
sruitte 5 bis 513 Centimeter⸗Geschütze bestellt, 
deren Rohre nur je 60 Kg. wiegen werden, um 
r den Transport durch Träger geeignet zu sein. 
dallen die Versuche mit ihnen günstig aus, so soll 
hre Zahl auf zwölf erhöht werden. Wie wir 
Jören, sind dies sog. Buschgeschüte. 
* Der in Trebsitsch in Mähren stattgefundene 
Urbeiterkrawall' hat noch nachteäglich zu 
ahlreichen Verhaftungen geführt, auch ist einer der 
bei den Tumulten verwundeten Arbeiter seinen Ver⸗ 
ezungen erlegen.Die gepflogene Untersuchung hat 
xn sozialistischen Charakter der Tumulte in vollem 
Umfange besiätigt, gerade wie dies bei den blutigen 
Vorgüngen in Brünn der Fall gewesen ist; ob in⸗ 
dessen die Vorgunge in Brünn und in Trebiisch 
n einem direktem Zusammenhange miteinander 
iehen, ist noch nicht erwiesen. Bezüglich der Brünner 
Unruhe hat noch in voriger Woche der Prozeß gegen 
die verhafteten Rädelsführer und Arbeiter begonnen, 
doch scheint derselbe ohne besondere Zwischenfälle 
derlaufen zu wollen, da sich die Brünner Arbeiter— 
ichaft dem Prozesse gegenüber vollständig aleich⸗ 
zültig verbälf 
Der Schluß der Parlamentssession 
in Frankreuch, welcher für den 25. Juirm 
Aussicht genommen war, wird sich nun doch nicht 
u diesem Termine ermoglichen lassen. Es heißt, der 
Senat würde die Beraihung des Budgets erst am 
27. Juli beginnen und würden somit die Kammern 
nicht vor Anfang August auseinander können; die 
Debutittenlammer hat das VBudget in ihrer Sizung 
am Freitaqg im Ganzen angenommen. 
„Die aus Hue einlaufenden Depeschen des 
henerals Coured bestatigen, daß die Franzosen 
Herren der Situation in der anamitischen Haupt⸗ 
hadt gebuchen sind. Die königliche Familie ist nach 
due zurückgekehrt und hat sich zur Einsekung eines 
4 
Montag, 20. Juli 1885. 
20. Jahrg. 
neuen Regenten, namens Dhosnan, des Oheims 
des bisherigen Regenten Tüduc, bereit finden lassen. 
Dhosnan steht natürlich, wie das ebenfalls einge⸗ 
etzte neue Ministerium in Hue, ganz unter fran⸗ 
öfischem Einflusse und hat unter dem Drucke des⸗ 
elben auch eine Proklamanon an die Annamiten 
jerichtet, in welcher er dieselben auffordert, den 
ranzösischen Truppen in der Verfolgung der Auf⸗ 
ührer und Plünderer beizustehen. Daß es den 
Franzosen indessen noch nicht gelungen ist, die 
annamitische Armee gänzlich zu zerstreuen, geht aus 
iner anderweitigen Meldung Courcy's hervor, wo⸗ 
nach der annamitische General Thuget noch mit 
1500 Mann in der Citadelle von Comba steht. 
General Courcy hat sich nach Haiphong zu einer 
Besprechung mit den Divisionsgenerälen begeben und 
gedenkt bei der Rückkehr nach Hue die Höhen von 
Annam zu besichtigen. 
* Die Gerüchte über eine Zusammenkunf,t 
wischen dem Kaiser von Rußland und dem Kaiser 
von Oesterreich wollen trotz aller Dementi's nicht 
verstummen. Jetzt geht der „National- Zeitung“ 
wieder eine Wiener Privatmeldung zu, in welcher 
diese Zusammenkunft als in den ersten September⸗ 
agen bevorstehend und als Ori der Entrevue das 
zistorische Schioß Reichsstadt in Böhmen bezeichnei 
vird. Die „Nat. Zig.“ bemerkt hiezu: „Der 
Begenbesuch des russischen Kaisers in Oesterreich 
* trotz aller entgegenstehenden Gerüchte als im 
höchsten Grade wahrscheinlich gelten; ist er doch 
nach dem Besuche Kaiser Franz Josefs in Skiernie⸗ 
wicze selbstverständlich. Indessen wird voraussicht⸗ 
iich bei jener Zusammenkunft bis zur vollzogenen 
Thatsache die Angelegenheit im Halbdunkel gelassen 
werden.“ 
ämmiliche Vereine zum Festzuge, der sich jetzt unter 
dem Donner der Boͤller und den Klängen der 
Musik zur kath. Kirche begab, wo die feierliche 
rinweihung der neuen Fahne stattfand. Nach diesem 
ieierlichen Akte ging es dann gegen 3 Uhr mit 
liegenden Fahnen hinaus nach dem oberhalb Schloß 
Elsterstein gelegenen Festplatze in den Wald. Der 
mposante Zug setzte sich zusammen aus dem Fest⸗ 
dereine, den Knappen der hiesigen Grube, den 
enappenvereinen von Altenwald, Sulzbach, Dud⸗ 
wveiler, Quierscheidt, Friedrichsthal, Bildstock Elvers⸗ 
hberg, Spiesen und Reißkirchen-Erbach; außerdem 
nahmen an demselben auch die Sänger des 
GBesangvereins „Gemüthlichkeit theil. Der 
Festzug zählte wohl gegen 1400 Theil⸗ 
nehmer, und boten diese zahlreichen arbeitfesten 
Bestalten in ihrer kleidsamen Uniform einen groß⸗ 
artigen Anblick. Unsere ganze Stadt war denn 
auch sozusagen auf den Beinen, um fich das Schau⸗ 
spiel anzusehen und alsdann dem Zuge nach dem 
Festplatze zu folgen. Da hielt es freilich schwer, 
mn den Tischen ein Plätzchen zu finden, und wer 
aicht schnell wählte, der konnte im Laube auf 
Mutter Erde oder auf leeren Bierfäßchen, die es 
aAsbald in großer Anzahl gab, Platz nehmen, um 
Durst und Hunger zu stillen. Für einen guten 
frischen Trunk hatten die Festwirthe aufs beste 
gesorgt. Ringsum ertönte fröhliches Leben, gehoben 
durch die oft gleichzeitig musizierenden Kapellen. 
An einer Tribüne waren die verschiedenen Vereinsfah⸗ 
nen aufgepflanzt; eine der schmuckesten war sicher die 
neue Fahne des Festvereins. Dieselbe ist ganz 
aus Seide gestickt, kostet gegen 600 Mark und 
wurde im Waisenhaus zu Landstuhl angefertigt. 
Auf der einen Seite zeigt sie die Schutzheilige des 
Bergbaues, St. Barbara mit einem sterbenden 
Knappen, auf der andern Seite unter den berg⸗ 
männischen Emblemen (Schlegel u. Eisen) und 
dem Bergmannsgruße „Glück auf!“ die Inschrift: 
„Bergmannsverein St. Ingbert.“ — Nachdem nach 
Unkunft des Zuges auf dem Festplatze einige Zeit 
zerstrichen war, hieß der Vorstand des Fesidereins, 
herr Johann Joseph Küßling, in einer passen- 
den Ansprache die Amnwesenden, insbesondere die 
nuswärtigen Knappen, herzlich willkommen, drüdte 
hnen für ihr zahlreiches Erscheinen seinen Dank aus 
and forderte alsdann zu einem Hoch auf S. Maj. 
Kaiser Wilhelm auf, in das die Menge begeistert 
einstimmte. Heitere Musikpiecen, Gesang und 
Toaste wechselten nun in bunter Reihenfolge mit⸗ 
einander ab, bis der Abend zur Heimlehr mahnte. 
Die meisten der auswärtigen Vereine iraten vom 
Festplaße aus den Marsch nach der Heimath an. 
Der Festverein selbst begab sich, als der Äbend 
hereingebrochen war; in die Lokalitaten des Cafs 
Baumann, woselbst eine Reunion die Mitglieder 
und Gäste in frohester Stimmung bis zu pater 
Stunde vereinigt hielt. 
*Die Leiche des am Donnerstag im Nieder⸗ 
würzbacher Weiher ertrunkenen Knaben Fromm 
wurde am nächsten Morgen auf dem Wasser treibend 
in der Nahe des Bahnhofsgebäudes gefunden. 
— Aus Maikammer wird der „Pf. Z. 
zeschtieben: Eine wahrhaft grausige That verubte 
der 21jahrigeẽ Julius Ernst von hier, indem der— 
jelbe nach votausgegangenem Wortwwechsel seinem 
Vater die Sense in den Leib hieb, daß die Einge- 
weide hervordrangen?“ Der Verletzie soll hoffnungs⸗ 
los darniederliegen. Der Thäter, der über sein 
chreckliches Verbrechen Reue zeiat. wurd⸗ soin⸗ 
erhaftet 
Deutsches Reich. 
Berlin, 18. Juli. Die „Kreuzzeitung“ läßt 
ich aus Wien melden, daß die Nachricht von einer 
Zusammenkunft des österreichischen und des russischen 
daisers auf bloßen Kombinationen beruhe, sowie 
daß über die Zusammenkunft des deutschen und des 
ʒsterreichischen Kaisers auch noch keine authentische 
Mittheilung vorliege, ebensowenig als über eine 
Zusammenkunft Kalnoky's mit Bismarck. Man 
konne letztere Begegnung nur als wahrscheinlich be⸗ 
zeichnen. — 
Berlin, 18. Juli./Nach der Kreuzzeitung 
ist das Kultusministerium gegenwärtig mit einer 
Vorlage beschäftigt, welche Penfionsbestimmungen 
für Lehrer an Mittelschulen betrifft. Die Berath⸗ 
ungen darüber befinden sich aber noch im ersten 
Stabii 
Eokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 20. Juli. Gestern feierte 
der BVergmannsverein St. Ingbert“ das 
Fest seiner Fahnenweihe. Der Festverein 
zahlt gegen 80 Mitglieder; er umfaßt nur solche 
hiesige Bergleute, welche in den benachbarten preu— 
zischen Gruben arbeiten und zwar ohne Unterschied 
der Konfession. Das Fest wurde schon am Vor⸗ 
abend durch Böllerschüsse eingeleitet. Gestern Vor⸗ 
mittag wohnten sammiliche Mitglieder des Vereines 
in der katholischen Pfarrkirche dem Gottesdienste an. 
Ansere Stadt prangte zur“ Ehre des Festes in 
reichem Fahnenschmuce. Zwischen 1 und 2 Uhr 
frafen die auswärtigen Knappenvereine, alle mit 
Fahnen und die meisten mit Musik, hier ein. Nach 
Inkunft derselhen ordneten ich in der Oherstad 
—— ⏑——44—