Full text: St. Ingberter Anzeiger

räge umfaffend, seine Erledigung fand. Den 
zrogrammmäßigen Nummern schlossen sich aber 
zoch viele weitere an und lange blieben noch die 
roͤhlichen Sangesbrüder bei „Liedersang und 
Becherilang beisammen.“66Pf. Pr.) 
Klirchheimbolanden, 19. Juli. Im 
Dielwoog ertrank gestern Abend der Sattlergeselle 
dildeßrand von Hochspeher, dessen Bruder— 
die neulich gemeldet, sich in Karlsruhe, wo er bei 
der Artillerie diente. in einem Anfalle von Irrsinn 
erschossen hatte. Es sind dies die Söhne des 
dehrers Herrn Hildebrand in Hochspeyer. x 
— dvie Kaiserin Aug ust a spendete zur Re⸗ 
staurierung der Kirche in Seebach (bei Dürk⸗ 
heim) aus ihrer Kabinetskasse 100 Markt. — 
In Leimersheim starb der Schuh⸗ 
nachermeister Johannes Marthaler II. an einem 
Hitzschlage, den er sich vor einigen Tagen beim 
Ardeiten mit entblößtem Haupte im Felde zuzog; 
auf einer Seite völlig gelähmt, mußte er noch über 
icht Tage leiden, bis ihn der Tod erlöste. 
Der Verbandstag des pfälzisschen Ge— 
derbebereins-Verbandes findet im Herbst 
in Ludwigshafenhüstatt. 
pSargemünd, 17. Juli. Seit gestern ist 
der Saarkohlenkanal in seiner ganzen Länge wieder 
roͤffnet. Der Verkehr der seit einem Monat brach 
jelegenen Schiffe ist ein äußerst lebhafter. 
F Ein neuer Komet ist am 7. Juli von 
Barnard in Nordamerika entdeckt worden. Der 
stomet ist zur Zeit noch sehr lichtschwach, so daß 
er nur durch größere Fernrohre gesehen werden 
tann; er ist von der elften Größe und ohne Schweif 
Derselbe ist bereits aufgefunden worden in Straß 
zurg, in Palermo, in Berlin und Kiel. 
F Mannheim, 18. Juli.. Die Einwohner⸗ 
ahl Mannheims beträgt jehzt nach neuesten Zu⸗ 
ammenstellungen 65,288 und hat feit Neujahr um 
aahezu 3000 zugenommen. 
4Darmstadt, 20. Juli. Unter den Truppen 
der Wiesbadener Garnison, welche gegenwärtig auf 
dem Griesheimer Schießplatze sich befinden, ist der 
Typhus ausgebrochen. Bis gestern wurden 27 
Mann in das hiefige Lazareth gebrach. 
F Mainz, 18. Juli. Irgend ein nieder⸗ 
rächtiger Bube hat an den Herrn Polizeirath Tra⸗ 
vers einen anonymen Drohbrief, der den Poststempel 
Mainz“ trägt, mit folgendem Inhalte übersendet: 
Rumpff ist bei Seite, jetzt kommen Sie daran! B. 
B. (oder L.) — Herr Travers hat auf dieses 
Schreiben hin folgende Erklarung der Oeffentlichkeit 
abergeben: „Indem ich auf diesem Wege dem un— 
detannten Briefschreiber den Empfang desselben 
zestätige und ihm gleichzeitg fur die mir erwiesent 
nufmerksamkeit, durch welche er mich in den Stand 
zesetzt hat, meine Vorsichtsmaßregeln zu treffen, zu 
anien oersuche, bemerke ich noch, daß ich mich 
durch diese Drohung in meinem bisher geübten 
oyalen Handeln nicht beirren lassen und der Zu⸗ 
unft geirost entgegensehen werde. weil ich des 
Schußes der gesammten Mainzet Burgerschaft 
icher bin· 
Die Rechnung des bayerischen Lehre r⸗ 
Waisenftifts vom Jahre 1884 schließt ab 
dit Einnahmen: 210,552 38 Mk., mit Ausgaben 
i82,880.46 Mi.; sohin Acnivrest 27,672. 14 Mt. 
Das rentirende Vermögen beläuft sich auf 
180,488.566 Mart. 
F Nissingen, 17. Juli. Großes Aufsehen 
dahier ertegt das Verschwinden des Kaufmannes 
deitel, über dessen Vermoögen der Konkurs erklärt 
Furde. Die Passiven des Verschwundenen betragen 
iber 170.000 Marlk, während die Altiven nur eine 
—E ausmachen dürften. 
Auch eine Anzahl gering bemittelter Leute sind durch 
Aenturs des Heitel in Mitleidenschaft gezogen. 
Ein urweltlicher Riese.) Im Bett 
der Khone ist eine fossile Eiche von kolossalen Di⸗ 
mensionen gefunden worden. Der Stamm mißt, 
wie der Post“ geschrieben wird, 35 Meter in der 
HPoͤhe, hat 38 Kubikmeter Holzinhalt und wiegt 
38,000 Kilogramm. Er ist schwarz wie Ebenholz 
md hart wie Eisen. Als er in das Flußdett lam 
nuß noch der Schahung von Kennern 3000 
Jahre alt gewesen sein. Der Riesenbaum durfte 
fich seinen Genossen aus dem klassischen Alterthum 
wvuͤrdig an die Seite siellen. Unter dem Baum des 
Augufies ließ Caligula 40 Gedede legen und unter 
der Platane des RXerres speiste der Großklonig mit 
einen bundert Garden 
4 Ein reicher Münzenfund ist bei Liegnug 
zemacht worden. Man hat etwa 400 wohlerhal⸗ 
ene Münzen der Fürstenthümer Liegnitz, Brieg— 
Wohlau, sowie des deutschen Kaisers Leopold J. zu 
Tage befördert. 
F (GEine poetische Charakteristik 
der deutschen Stämme. Von den Sinn⸗ 
prüchen, welche die Riesenhalle auf dem Festturn— 
zlatz in Dresden schmücken, heben wir folgende hervor 
Dem Hessen eignet strenger Fleiß 
Und zäher Treue hoher Preis! 
Aus würz'gen Weines lichter Glut 
Zuillt froher Franken freier Muth. 
Thüringen, deutscher Dichtung Hort, 
An Liedern reich und weisem Wortt!— 
Wie Felsen steil, von Glanz umglüht, 
Ist starker Bayern froh Gemüth. 
Wie knorr'ge Eichen, trotz'ge Riesen, 
Steht ungebeugt der Stamm der Friesen. 
Des Rheinlands Mannen sind fleißig und frei 
A 
Anf märkischem Sande fröhlich lebt 
Ein schneidig Volk, das vorwärts strebt. 
Ein fröhlich Land, das Schlesierland, 
Durch Biedersinn und Geist bekannt. 
Ernst, fest und schlicht stehn Alemannen — 
Wie ihres Schwarzwalds kräft'ge Tannen. 
Den deutschen Osistrand, von Stürmen umbraust 
—Au 
'Reuß, 16. Juli. Was einem Menschen 
illes passiren kann, erzählt die „Neuß. Zig.“: 
Als ein Taglöhner von hier dieser Tage den 
krerzierplatz passirte, sah ein Bienenschwarm dessen 
hgeine als einen geeigneten Platz zur Etablirung 
iner neuen Niederlassung für Wachs- und Honig- 
abritation an und machie Anstalten, sich auf den⸗ 
elben festzusetzen. Der Tagelöhner wollte dazu 
elbstverftaändlich seine Unterthanen nicht hergeben. 
Mit Hülfe einiger anderer Personen gelang es dem 
uicht wenig geängstigten Manne, die Stachelträger 
mit vieler Mühe und Noth zum Abzug zu bringen. 
Hagen, 19. Juli. Hödur vor Gericht. 
Bor der Hagener Strafkammer standen am gestrigen 
Tage als Angeklagte die Kaufleute Höfinghoff, 
Bilstein, Seligmann, der Fabrikant Halverscheid, 
er Anstreicher Lemke (sämmtlich im Vorstande des 
ortschrittlicher Vereins in Vörde.) Ferner Gustav 
gutz, Redakieur der Hagener Zeitung. Die An⸗ 
lage geht dahin: In Bezug auf die Rede des 
Reichskanzlers am 14. März habe der Verein in 
Hörde die Resolution gefaßt, in welcher der Aus— 
ruck „täppischer Hödur“ in Anwendung auf die 
—XEV Kritik und 
As bedauerliche Anmaßung bezeichnet wird. Diese 
Resolution ist in der „Hagener Zeitung“ veröffent⸗ 
icht und an den Reichskanzler gesandt. Als Ver⸗ 
heidiger fungieren Justizrath Windthorst aus Hamm 
früher Abgeordneter) und der Rechtsanwalt Schmitz 
zus Elberfeld. Die Angeklagten erklären, nur in 
verechtigter Abwehr einer Beleidigung gehandelt zu 
haben. Der erste Staatsanwalt Dr. Scheibler 
canttagt gegen die fünf ersten Angeklagten je sechs 
Nonate, gegen Butz drei Monate Gefängniß. Um 
Uhr trat Vertagung auf zwei Stunden ein 
Das Interesse des Publikums war außerordentlich 
der Zuhörerkreis massenhaft. Der Vertheidiger 
Windthorst versuchte nachzuweisen, daß der Reichs⸗ 
janzler unzweifelhaft den Verein Vörde schwer 
beleidigt habe und daß nur eine sehr berechtigte 
and pflichtgemaäße Abwehr vorliege. Beide Ver⸗ 
heidiger beantragten Freisprechung · Das Urtheil 
autet für Butz auf 200 Mark, für die übrigen 
Angeklagten auf je 500 Mark Geldstrafe, weil sit 
ich der offentlichen Beleidiagung ichuldig gemacht 
vätten 
F Die Prinzessin von Sansibar. 
kin Mitarbeiter der „Brschw. Tgbl.“ schildert einen 
Besuch bei der Prinzessin von Sansibar, der Schwester 
»es jetzigen Sulians, welche einen Hamburger Kauf⸗ 
nann geheirathet hat und nach Europa übergesiedelt 
st, in folgender Weise: Etwa 10 Jahre waren 
‚erflossen, als ich eines Tages in einen Berliner 
verichtssaal trat, woselbst gerade die Verhandlung 
einer uninteressanten Diebstahls⸗Affaire begann: 
kine Dienstmagd hatte, obwohl oder weil ihr zwei 
rühere Diebstähle vecziehen waren, ihre Herrin zum 
zxitken male bestohlen, und zwar gründlich, hatte 
hr Geld, Staatsobligationen, Schmuchsachen, Kleider 
Wäsche, alles genommen. Die Geschädigte wurde 
ils Zeugin vorgerufen. — „Ihr Name und Stand?“ 
rragte der Richter. — Ich bin die Prinzessin von 
Zonsthar“ So lautete die in korrektem Deufsk 
mit wohlklingender Altstimme und auffälliger Zungen⸗ 
gewandtheit gegebene Antwort. — Alle Köpfe wand. 
len sich nach der Zeugin einer mittelgroßen, schlanken 
einfach elegant gekleideten Dame mit scharf ausge— 
zrägten und doch echt weiblichen Gesichtszügen 
Die Haut war nur mäßig gebräunt und nur * 
nachtdunkeln mandelförmigen Augen und das straffe 
rabenschwarze Haar ließen die orientalische Abstam⸗ 
mung errathen. — Die Frau war wirklich eine 
Prinzessin von Sausibar, eine jüngere Schwester 
ʒes seit 1866 regierenden Sejjid (Sultans) Said 
Burgasch (auch Borgosch, Bargasch geschrieben) ben 
Seid. Blutjung noch, hatte sie sich im Jahre 1866 
in den jungen Vorsteher der Sansibarer Faktorei 
ꝛines Hamburger Hauses verliebt — blondes Haat 
ind blaue Augen üben im Süden wahren Zauber 
iber die Weiberherzen aus; gerathen doch. die Ita 
ienerinnen und Spanierinnen stets in Ekfiase, 
venn ein stattlichrr Blondin vorübergeht. Fast 
eder deutsche Kaufmann, welcher eine Stellung in 
er heißen Zone annimmt, ist ein wenig romanlisch 
»eranlagt; Robinson und Cooper's Romane spuken 
hm im Kopfe. Unser Hamburger war entzück, 
einen Roman nicht nur zu lesen, sondern auch 
zurchleben zu können. Er gab seine Stellung auj 
und überredete die Prinzessin, mit ihm zu fliehen. 
Das Paar kam glücklich nach Europa und wurde 
nach Uebertritt det Kleinen zum Christenthum ge— 
traut. Doch der alte Fluch, den eines der menst⸗ 
erschütternden deutschen Volkslieder („Es fiel ein 
Reif in der Frühlingsnacht“) jenen Liebespaaten 
nachruft: 
Die flohen heimlich vom Hause fort, 
Sie sagten's nicht Vater noch Muttet — 
der Fluch lastete auch auf dem jungen deutsch ara⸗ 
bischen Paare. „Sie haben gehabt weder Glüd— 
noch Stern.“ Alle Mühen des mit seiner Frau 
nach Berlin übergesiedelten Mannes, sich empotzu⸗ 
arbeiten, mißglückten, alle seine kaufmännischen 
Internehmungen scheiterten; Anstrengen und Sorgen 
warfe ihn in ein frühes Grab. So stand denn 
zie junge Araberin, der Sprößling aus dem Hause 
Dman (Südost⸗Arabien, am Eingaag zum Persi⸗ 
chen Golf), allein in der fremden Welt. Nicht 
lein! Sie hatte für zwei Kinder, einen Knaben 
ind ein Mädchen, zu sorgen. Die oft wiederholten 
Bersuche, eine Aussohnung mit ihrem Bruder her⸗ 
deizuführen, scheiterten am Starrsinn Said Bur⸗ 
Jasch's, obwohl selbst die einflußreichen englischen 
donsuln sich für die Geflüchtete verwendeten. 
Doch die Wittwe verzagte nicht. Von ihrer Ration 
jatte sie die wunderbare Lernfähigkeit geerbt. 
ginnen kurzem war sie imstande, Unterricht im 
Arabischen, grammatikalischen Unterricht, nicht nut 
donversationsstunden, zu ertheilen, und sie erwarb 
ür sich und die ihrigen ausreichende Existenzmittel. 
Späler hat sie wohl auch von den Verwandten 
hres verstorbenen Gatten Unterstützung erhalten. 
— Wenige Tage nach der erwähnten Gerichtsver⸗ 
Jjandlung kam mir eine Arbeit über die arabischen 
stationalisten mit der Bitte um Unterbringung in 
iner Zeiischrift zu. Da ich von der mohamedani⸗ 
chen Philosophie und Theologie wenig mehr weiß— 
ils von den Mondbewohnecn, beschloß ich, die 
hrinessin von Sansibar um Rath gu fragen. Ic 
rforschie ihre Wohnung, die in nichts sich von 
enen Heims unterschied, über welchen treffliche 
ʒeutsche Hausfrauen walten. Da ich ihr von 
neinem Ritte von Bagdad nach dem Hidschas und 
»em glücklichen Arabien (Jemen) erzählen konnte, 
nuch einige arabische Wörter aufgeschnappt hatte. 
jewann ich schneil ihr Vertrauen. Sie war ein 
Dame von ungewohnlicher Intelligenz und einer 
aberraschenden Schnellkraft der Auffassung. Dat 
im afrikanischen Harem, unter der Gluisonne der 
heißen Zone aufgewachfene Wesen hatte sich — 
und in den Umgangsformen vollständig akllimatisierr 
Ihre beiden hudschen Kinder sahen ein wenig n 
zus, der Knabe schien viel versprechend und 
ba meiner Wiedeunft dem . Outel“, welcher it 
auf den Knieen geschaukelt hatte, freudig entgegen 
Ich vergaß die Zusammenkünfte bald 
r Unlangst frug zu Ems Kaiser Wil helm 
seinen Leibarzt Dr. v. Lauet⸗ Wie lange. Lauen 
tonnen Sie für mein Erdendasein bürgen 30 und 
die Antwort erfolgte: „Majestät, immer noch 
einige Jahre!“ Da bestimmte der Qaiser: Dann 
fahren wit heuer noch einmal über Rosenheim unn 
das nächste Jahrt durch den Arlbergtunnel!“ und 
so bleibi es auch, weßhalb die bezuͤglichen Diapo⸗ 
Fitionen darnach getroffen werden.