Full text: St. Ingberter Anzeiger

gt. Jugherter Amziger. 
Amtliches Odgan des königl Amtsgerichts St. Ingbert. 
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„M 1822. Dienstag, 4. August 1888. 
20. Jahrg. 
gum Kaisertag in Gastein 
Dennoch sind es keine diplomatischen Erwäg⸗ 
ungen und rein poliliicher Gesichtspunkte, welche 
die beiden Kaiser auch heuer wieder in der hertr⸗ 
lichen Alpwelt Oesterreichs zusammenführen und 
vie sie wohl bei anderen Monarchen· Entrevuen 
hestimmend sind, uein, es ist eine spontane Herzens⸗ 
zegung, welche sie in Gastein vereinigt. Aber mii 
em herzlichen Bedürfniß engster persoͤnlicher Ver⸗ 
indung, welches den deutschen und osterreichischen 
daiser in Gastein wiederrum zusammenfüͤhrt, ist das 
Interesse der beiden maͤchtigsten Staaten im Herzen 
Furopas innig verknüpft und eine weise Politil 
Jat es verstanden, das wechselseitige Vertrauen, 
velches durch diese wiederholten fürstlichen Begeg⸗ 
aungen befestigt worden ift zu verwerthen, so daß 
aus der Freundschaft der Monarchen ein inniges 
holitisches Verhäliniß erwachsen ist, dessen Friedens⸗ 
raft sich seit Jahren auch unter höochst kritischen 
Amstanden segensreich bewährt hat. So darf man 
denn auch an die bevorstehende Kaiserbegegnung in 
Hastein die bestimmie Hoffnung knüpfen, daß sie 
ich zu einer neuen mächtigen Friedensbürgschafi 
Jestalten wird und daß die Voͤlker und Staaten 
—XXVD Zukunft; mit Zuversicht 
und Vertrauen entgegenblicken dürfen. 
dieser Gemeinschaft anzuschließen, indem man sich 
hrem Friedenoprogramme und ihrer Uebereinstimm⸗ 
ung anpaßt. 
Dem „Temps“ zufolge sind die französischen 
Truppen in Tongking von der Dysenterie und 
ösartigen Fie bern stark heimgesucht. Im Monat 
Mai starben 161 gegen 46 im Mai des Vorjahres; 
wvährend der ersten Junihälfte kamen täglich 12 
Todesfälle vot. Der „Temps“ hölt es für un⸗ 
amgänglich nothwendig. Truppen, die seit gchtzehn 
Monaten in Tongking ständen, zurückzurufen. 
Wiederum findet in diesen Tagen auf öster⸗ 
teichischem Boden, am Fuße der salzburger Alpen, 
je Ktaditionell gewordene Begegnung zwischen Kaiser 
wilhelm und seinem erlauchten Freund und Ver⸗ 
ndelen, dem Kaiser Franz Josef, statt. Im 
Hegensatz zu früheren Jahren, wo die Zusammen⸗ 
umt beider Monarchen meist in Ischl, der Sommer⸗ 
eesidenz des österreichischen Kaiserpaares, stattfand, 
hollzieht sie sich diesmal in Gasiein selbst, dem herr⸗ 
ichen Wildbad des Salzkammergutes, wo nun Kaiser 
Wihelm zum dreiundzwanzigsten Male zum Kur—⸗ 
jehrauch weilt und von wo er hoffentlich auch dies⸗ 
Jal neu gestärkt und gekräftigt nach seinem Reiche 
— Koaiser Wilhelm hatte allerdings 
sen dringenden Wunsch geäußert, seinem kaiserlichen 
Freunde diesen herldmmlichen Besuch in Ischl ab⸗ 
jctten zu lönnen, aber dieser Wunsch ist von dem 
sterreichischen Monarchen selbst in einer Weise ge⸗ 
kreuzt worden, die von der zartesten Aufmerksamkeit 
hessüben für seinen greisen Freund spricht, abet 
auch von der Innigkeit des Verhältnisses zwischen 
den beiden Monarchen wiederum beredtes Zeuqniß 
blegt. 
Hicht nur die deutsche Nation und die Völker 
der habsburgischen Monarchie, sondern auch die 
Ratinen des übrigen Europas schauen mit freudiger 
Henugthuung auf den Kaisertag zu Gastein, der 
wie alle fruͤheren Begegnungen zwischen Kaiser 
Wilhelm und Kaiser Franz Josef, für alle Friedens⸗ 
sreunde ein neues werthvolles Unterpfand für die 
Festigkeit des deutjch⸗osterreichischen Bundnisset 
hildei. Zwar ist diese Begegnung in ihrer alljahr⸗ 
ichen Wiederholung zunächst-ein markantes Zeichen 
in das Land langjahriger personlicher Freundjchaft. 
welches die beiden Souveräne mit einander ver— 
nüpft und in der zugleich die zwischen den Kaiser— 
amilien Deutschlands und Oesterreichs bestehenden 
jegenseiligen herzlichen Beziehungen ihren entschie · 
jensten Ausdruck finden. Aber neben diesem per⸗ 
oͤnlichen Charakter, welche diese Zusammenkunfhe 
ragen, wohnt ihnen auch die schon oben angedeu⸗ 
ele hohe politische Bedeutung inne. daß durch sie 
uuch die polinische Freundschaft zwischen Deutschland 
und Oesterreich· Ungarn immer aufs Reue besiegell 
and hiermit auch die fernere Erhaltung des euro⸗ 
vischen Friedens immer wieder bestätigt wird. 
deiin unstreitig findet letzterer seine sicherste Grund⸗ 
age auf dem Einvernehmen der beiden mitteleuro⸗ 
hͤschen Kaiserreiche und dies lann auch gar nicht 
inders sein; man denke fich nur einmal, welcher 
dustand in Europa herrschte, wenn Deutschland 
und Oesterreich Ungarn, anstatt eng zusammenzu⸗ 
dehen, fich mit eifersüchtigen Augen beirachteten, 
wenn jedes von beiden Reichen bestrebt ware, die 
Bahnen des anderen bestaändig zu durchkreuzen, 
venn bei jeder Vetschiebung der politischen Ver⸗ 
hälinisse unseres Welitheiles die Frage von Ktrieg 
nd Frieden zwischen beiden Mächten liegen müßte. 
ẽs würde hierdurch ein ganz unhaltbarer Zustand 
reschaffen werden, der nalurgemäß von selbst au 
ine kriegerische Losung hindrangen ¶ müßte. So 
iher fiehi Europa den deutschen Kaiser“ und den 
Souverain Oesterreich Ungarns immer wieder Hand 
n Hand und zwar bdies jetzt ganz wöͤrtlich ge— 
nommen und hiermit kommt es der ganzen politi— 
* Welt immer aufs Neue zum Bewußtsein, daß 
Band, welches die beiden Herrscher und ihre 
eiche umschlingt. noch nicht das Geringste von 
seiner Qraf n Reständiak⸗it einaebüßt hot 
Die französische Regierung wird bei der 
Abgeordnetenkammer beantragen, noch vor dem 
Schluß der Sesfion über einen Kredit von 947. 000 
Fr. für die Kolonien am Golf von Guinea, wovon 
00,000 Fr. für die Entschadigungen der Afrikanj-⸗ 
chen Geselischaft bestimmt find. zu berathen. 
Nach einem Telegramm der „Daily Rews“ aus 
Zairo besagt eine dorthin von einem Araber aus 
Merawi gesandte Botschaft, daz Osman Digma 
in einer Schlacht nahe bei Kassala am 30. Juni 
Jetödiet worden sei. Die Streitkräfte des Mahdi 
seien überall durch innere Streitigkeiten demoralisirt 
uind weigerten den Emirs. den Gehorsam. 
Aus Retgina (Nordamerika) wird telegraphiert: 
das gerichtliche Verfahren gegen den Führer der 
anadischen Aufständischen Louis Riel, wegen 
Dochvertaths wurde vorgestern wiederum aufgenom⸗ 
nen. Zehn Zeugen, darunter General Middleton, 
purden vernommen. Eine große Menge hon Be— 
veisen gegen den Angeklagten war vorhanden, dar⸗ 
inter Schriftstüke in seiner eigenen Handschrift. 
Die Beweise für die Vertheidigung waren nur 
ürftig, sie stützten sich auf die Behauptung, daß 
Riel sersinnig sei, — ein Umstand, der zu einem 
Streit zwischen diesem und seinem Vertheidiger An⸗ 
aß gab. Riel straubte sich dagegen, als Wahn · 
inniger geschildert zu werden, und es kam jm 
Herichtshose zu einem Wortgefecht zwischen ihm, und 
jeinem Anwait, wobei der letztere drohte, von der 
Hertheidigung zurüczutreten. Der Gerichtshof ent ⸗ 
chied, daß der Anwalt in seiner Vertheidigungsrede 
ortfahren solle, und Riel hörje mit seinen Unter⸗ 
ʒrechungen auf. Die Jury sprach schließlich gegen 
Riel das Schuldig aus, empfahl denselben aber 
eichzeitig der richterlichen Milde. Der Gerichtshof 
derutiheilie Riel zum Tode durch den Strang. 
Niel bat die Appellation angemeldet. 
WPolitische Uebersicht. 
Der franzosische Botschafter in Berlin, Baron 
de Courcel, hat am Samstag Mittag Berlin 
mit dem Kolner Eilzuge verlassen, um lich zunächst 
zu einet Besprechung mit dem Minister der aus⸗ 
vartigen Angelegenheiten, Herrn de Freycinet, nach 
Paris zu begeben. Er wird erst im Herbst auf 
inen Beruner Posten zurüdlkehren. Waͤhrend 
einer Abwesenheit von Berlin wirlt der Botschafts· 
cath Raindre als Geschäftstrager. 
Dounherr Borowski in Frauenburg. Mit⸗ 
lied des Reichstags, joll auf Empfehlung des 
vrzbischofs Dr. Krementz als Nachfolger desselben 
zum Bischof in Ermland auserlehen sein. 
Nach einer Mittheilung der „Norddeutschen 
ullg. Zig.“ wurde der Afrikareisende Dr. 
Sqhnsßler, welcher von einem Europäer, wahr⸗ 
ceinlich Dr. Junce r, begleitet wurde. von dem 
Jatedi Stamme angegriffen, als sie den Versuch 
nachten, von Land aus die nordwestlich von Vik⸗ 
oria⸗Nyanza⸗ See gelegene Landjchaft Ungada zu 
rreichen. · Die Angreifer wurden zurückgeschlagen 
ind Schnitzler bezog ein festes Lager, von wo er 
zurch den König Ungada entsetzt zu werden hofft. 
dt. Rohlfs, der gewesene Generallonsul in 
Zanzibar, ist in Brindisi angelangt und kommt am 
Dienstag nach Berlin. 
— — — e 
Das offizisie, Journal de St. Petersbourg 
zemerll übher die Rede Lord Salibbury's im 
Mansionhouse: Salisbury habe nicht immer eine 
iche Sprache geführt. —Es geschehe dies erst, 
eitdem er sich über die Stimmunq Europas, über 
Kie rusfische Politik, über die Interessen des eigenen 
dandes und uͤber die geeigneisten Mittel, dieselben 
u schutzen, unterrichten konnte. Der Wunsch. Eng 
and in den Kreis der mit Rußland geschlossenen 
Allianzen aufgenommen zu sehen, scheine zu be⸗ 
eugen, daß, wenn man —XRbä— in Lon⸗ 
on gehabt habe, diese kontinentale Gemeinschaft zu 
Ruten Englands zu brechen, man jegt darauf ver⸗ 
n anvd ⸗a für vraktischer gebalten boh⸗ ũch 
— — — bꝛ 
Die Indianerunruhen in Nord- 
améerika bereilen den Regierungen der Vereinigten 
Staaten und von Kanada noch immer: manche 
Sotgen. Präsident Cleveland hat jetzt. mit Rud⸗ 
sicht auf die Thatfache, daß diest Unruhen in der 
Regel' nur dadurch entstehen, daß die Rothhaute 
zurch weiße Ansiedler betrogen werden. die Ver⸗ 
rügung erlassen, daß die Beschmerden und Klagen 
der Judianer genau angehört und untersucht werden 
Hllen und daß die lehteren in den Falüen, wo 
hnen Unrecht gethan worden ist, die entsprechenden 
intschadigungen zu erhalten haben. Es iln in der 
That zu wünschen. daß die Indianer,⸗melche ja 
hnehin auf den Aussietbeetat gesetzt sind, endlich 
inmal mii gleichem Maße gemessen werden, wie 
zie weißen Manner, die ihnen an Macht und 
risten lanast übetlegen find. ιν ο