Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sparkassen nach dem 
Markensysteme. 
Nach anderwärtigem bewährten Beispiel sind 
nun auch im Amtsbezirke Zweibrücken Distrikts 
Sparkassen nach dem Markensystem eingerichtet 
worden. Indem wir denselben von Herzen ein 
segensreiches Gedeihen wünschen, bringen wir nach⸗ 
stehend ein Cirkulär zum Abdruck, welches das 
königl. Bezirksamt Zweibrücken über die Errichtung 
von Verkaufsstellen für Sparmarken der Distrikts 
Sparkassen soeben erlassen hat; dasselbe lautet: 
„Mit Zustimmung der Distriktsräthe des Be⸗ 
irkes und Genehmigung der königl. Regierung det 
Pfalz sind im ganzen Amtsbezirke Zweibrücken, 
unter Haftung der Distrikte für Einlagen und Zinsen, 
Distrikts-Sparkassen nach dem Markensystem einge— 
richtet worden, und ist hiedurch Gelegenheit gegeben, 
bereits 20 Pf. an Ersparniß zurückzulegen. Hiezu 
kauft sich der Sparer an einer Verkaufsstelle eine 
20Pfennigmarke, lautend auf die Distriktskasse, und 
erhäͤlt dabei gratis eine Sparkarte, in 25 Felder 
eingetheilt, auf welche er diese Marke und bei 
fernerem Sparen so viel Marken aufklebt, als Felder 
sind. Hiemit erhält die Karte den Werth von 
5 Mark, und wird dann direkt beim Distriktsrechner, 
auf dem Lande durch Rermittelung der Einnehmer 
an Hebetagen eingereicht, wogegen unentgeltlich 
ein Sparbuch über den gleichen Betrag von 5Mt., 
verzinslich zu 3/. 010, verabfolgt und zugestellt 
wird; die ferner ersparten Beträge werden in diesem 
Buche nachgetragen. Auf dieses Sparbuch können 
auch Baarbeträge von 5 Mark und mehr bei den 
Distriktsrechnern oder Einnehmern einbezahlt werden. 
Sämmtliche Einnehmer vermitteln auch die Rück⸗ 
erhebung der Einlagen. Nicht voll beklebte Spar—⸗ 
karten werden an der Kasse baar eingelöst. — Die 
neue Einrichtung hat anderwärts den wohlthätigsten 
Einfluß auf die Bevölkerung geäußert; sie wird 
diesen Erfolg auch im Amtisbezirke erreichen, bedarf 
zu rascher Einführung jedoch zahlreicher Verkaufs— 
stellen wie der allseiligen Förderung ihrer Zwecke. 
— Ich richte deßhalb die Bitte an alle Herren 
Empfänger dieses Anschreibens, nach ihreu Kräften 
sich dem Unternehmen zu widmen. Die Herren 
Beamten in Staat, Kirche und Gemeinde ersuche 
ich, mit ihrem Einflusse das Gedeihen der Kassen 
anzustreben; die Herren Lehrer können den Sinn 
für Sparsamkeit bei den Kindern wecken und sie 
durch den Verschleiß der Sparmarken praktisch in 
der Kunst, zu sparen, üben; die Herren Gemeinde—⸗ 
Vorstände und Distriktsräthe mögen dahin wirken, 
daß allmählig jede Handlung mit Gegenständen des 
täglichen Bedarfes sich auch mit dem Verkaufe von 
Spar⸗Marken und »Karten abgibt, wie sich dies bei 
Postmarken einbürgerte; die Herren Arbeitgeber er— 
suche ich, ihre Arbeiter über die Wohlthat der 
neuen Einrichtung zu beleheen und ihnen sofort an 
den Zahlstellen Gelegenheit zur Bethätigung des 
Sparsinnes zu geben. — Schließlich richte ich be— 
sonders an die Arbeiter in Fabriken und im Ge— 
werbe, an die Landwirthe und Eltern überhaupt 
die dringende Aufforderung, die dargebotene Gelegen⸗ 
heit, jeden Pfennig zurückzulegen und zinstragend 
zu machen, fleißig zu benützen; die Marken dienen 
nicht blos zum Sparen, sondern auch zur Ansamm⸗ 
lung größerer Summen aus kleinen Beträgen. 
Wöchentliche Einlagen von 20 Pf. erbringen (ohne 
Zuschlag der Zinsen) in 5 Jahren: 56 M., in 10 
Jahren: 123 M., in 15 Jahren: 203 M., in 20 
Jahren: 298 M. Das Bewußtsein, für den Fall 
der Noth am Sparpfennig einen Rückhalt sich ge⸗ 
schaffen zu haben, erfüllt auch bei harter Arbeit 
mit Freude; der Sparer steigt in der Achtnug 
seiner Mitmenschen und hebt sein Sekbstvertrauen, 
gelangt zu Wohlstand; es überlommt ihn ein freu⸗ 
diges Gefühl, wenn er eine weitere Sparmarke 
holt, um sie auf der Sparkarte festzukleben, statt 
das Geld, wie dies bisher leider zu häufig geschah, 
unnütz zu vertändeln. “ 
Lokale und vfaälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 283. Januar. Gesitzwechsel.) 
Durch Kauf ging dieser Tage das P. Müller'sche 
Haus in der Hauptstraße um die Summe von 
9500 Mark in den Besitz des Herrn Buser, Kauf⸗ 
mann zu Schnappach, über. 
MIn Rohrbach brannte am Abend des 
21. Januar das von dem Bergmann J. Sommer 
und der Wittwe Roschlock bewohnte Haus des 
Metzgers Bund vollständig nieder. Den angestrengten 
Bemühungen hiesiger Bürger gelang es das sehr 
Jefährdete Haus des Kesselschmiedes Peter Gehring 
venigstens theilweise zu retten. 
* In der letzten Strafkammersitzung des kgl. 
dandgerichts Zweibrücken wurden die Bergleute 
Zarl Kausch, 22 J. a., und Peter Groß, 21J. a., 
heide aus dem benachbarten preußischen Orte 
Scheidt, wegen vorsätzlicher, mittelst eines Messers 
berübter Körperverletzung zu einer Gefängnißstrafe 
don je 2 Jahren verurtheilt. 
— Niederlustadt, 21. Januar. Im 
Monate November v. J. wanderten 2 Männer von 
zier mit Hinterlassung ihrer Familien nach Amerika, 
in dem Glauben, Fortunag würde ihnen dort 
günstiger sein. Sie sahen sich jedoch in ihrer Hoff⸗ 
nung getäuscht, denn der eine kehrte bereits vor 8 
Wochen und der andere am vergangenen Freitag 
in die alte Heimath zurück. (L. T.) 
— Aus Duttweiler berichtet man der 
„Ggt.“ von dem Erxperiment einer Frau, die zu 
ener Sorte zu gehören scheint, welche nichts um— 
ommen läßt. Dieselbe hatte noch ein Quantum 
zum Mäusevergiften bestimmtes Getreide übrig; 
um dieses nicht unbenützt zu lassen, versuchte sie es 
zuerst mit einem Huhn, dem das Gift auffallender⸗ 
veise nichts schadete. Kühner gemacht durch diesen 
Erfolg warf sie den Rest ihren Gänsen vor, die 
im folgenden Morgen alle sieben verendet im Stalle 
agen. Es geht eben nichts über die richtige Spar— 
amkeit. 
— Die ordentliche Delegirten- Versammlung der 
landwirthschaftlichen Consumvereine 
der Pfal z findet Sonntag, den 1. Februar, 
Vormittags 10 Uhr, auf dem Schießhause zu 
Reustadt statt. 
— In Dürkheim grassirt die Diphtheritis 
anter den Kindern. 
— Billigheim, 20. Januar. Der ehe— 
malige Soldat Valentin Zimpelmann von hier 
wurde mit folgendem Schreiben aus der Reichskanzlei 
erfreut: „Se. Maj. der Kaiser haben Allergnädigf 
zeruht, Ihnen vom 1. Nov. v. J. ab bis auf 
Weiteres eine fortlanfende Unterstützung von monat— 
stich 18 Mk. aus dem Allerhöchsten Dispositions- 
'onds bei der Reichshauptkasse zu bewilligen. Die 
Auszahlung wird allmonatlich im Voraus durch die 
tgl. bayer. Centralstaatskasse in München erfolgen.“ 
— Speier, 21. Januar. Heute fand hier 
in Anwesenheit des Herrn Hilgard die Einweißgung 
des neuen Diakonissenhauses nach dem 
unlängst von uns veröffentlichen Programm statt. 
— Als General Custine mit der Rheinarmee 
1792 in die Pfalz einbrach und vor den Thoren 
zon Speyer sich mit der Besatzung herumschlug, 
begegnete er einst mitten im hitzigen Gefechte einem 
seiner Kampfgenossen, dem General Houchard, der 
im dichten Kugeltegen gegen den Feind vordrang. 
CTustine rief ihm zu, daß das feindliche Corps schon 
so gut wie gefangen sei. Houchard aber verstand 
dies im Geiümmel nicht und glaubte, Custine, der 
stark schnupfte, habe die Dose verloren und verlange 
nun von ihm eine Prise. Er warf ihm also seine 
eigene Dose zu und jagte injs Feuer, dem Kampf 
entgegen. Custine war erstaunt, daß gerade jecetz! 
douchard auf den Gedanken komme, ihm eine Prise 
zu präsentiren; da er aber die Dose einmal hatte 
besann er sich auch nicht lange, den Inhalt zu pro 
zriren. In diesem Augenblick bemerkte er, daß ein 
Mainzer Husar auf ihn lossprengte und den Säbel 
chwang, um ihm den Kopf zu spalten. Jetzt galt 
's, die Geistesgegenwart nicht zu verlieren. „Kann 
man denn nicht einmal in Ruhe eine Prise Tabak 
nehmen?“ rief der General aus, warf dem Husaren 
die offene Dose mit dem Tabak ins Gesicht und 
nahm, während dieser von dem beißenden Schnupf— 
abak geblendet war, denselben gefungen. Houchards 
Dose hatte Custine das Leben gerettet. 
Vermischtes. 
F Die mitteleuropäisch Sommerfahrplan— 
Zdonferenz, welche in Straßburg tagt, hat 
»eschlossen, daß der Sommerfahrplan allgemein am 
l. Juni in Kraft treten soll. 
F Neunkirchen, 19. Januar. Der Be— 
sitzer eines umfangreichen Embonpoints ist Dank 
einer Leibesbeschaffenheit um eine Erfahrung reicher 
zeworden, die einen drastischen Beitag zum Kapital 
des Geheimmittelschwindels liefert und die beweist, 
wie selbst vom Auslande schon auf deutsche —— 
PBertrauensseligkeit spekulirt wird. Jener Herr 
jatte sich nämlich auf Grund einer Annonce der 
„Zeitschrift des landwirthschaftlichen Vereins fün 
Kheinbpreußen (Nr. 26) an den „Anstalts-Direktor“ 
J. Hensler⸗Maubach in Basel-Binningen gewandt, 
im sich „ohne Berufsstörung notorisch schnell und 
ibsolut unschädlich“ von der Fettleibigkeit heilen zu 
assen, — denn das stellte der Herr „Direktor“ 
einen Patienten in Aussicht. Er erhielt darauf 
zwei pomphafte Prospekte und einen höchst umständ— 
lichen Fragebogen, welcher letztere auszufüllen war 
und — nebst einer Beilage von 30 M. wieder 
urückgesandt werden sollte; darauf würden dann 
veitere spezielle Instruktionen, 3 Mittel aus der 
Upotheke des Doktors Geiger und Kobler in Basel 
und binnen Monatsfrist eine Gewichtsabnahme von 
10 — 45 Pfd. erfolgen. Wer viel verspricht, hält 
zewöhnlich gar nichts, — diese alte Wahrheit 
zrachte den fettleibsmüden Herra auf den Gedanken, 
jei der Polizeidirektion in Basel erst einmal nähere 
Erkundigungen über jenen Herrn „Direktor“ ein— 
uziehen. Daraufhin erhielt er denn auch vom 
Sanitätsdepartement Basel-Stadt die erfreuliche 
Nachricht, daß seine Vorsicht hoffentlich dazu bei— 
tragen werde, endlich einer Schwindelei das Hand⸗ 
werk zu legen, die bisher unbehelligt, untersftützt 
durch die falsche Scham der Reingefallenen, ihr Wesen 
zetrieben. Die beiden Apotheker nämlich haben sich 
zis jetzt stets um die Verantwortlichkeit zu drücken 
zewußt, und der Hauptschwindler, Hensler-Mau— 
bach, ist dem Arm des Gesetzes unerreichbar, da 
Binningen zu Basel-Land gehört und dieser Kanton 
Freigebung der ärztlichen Praxis besitzt. 
(Berschüttet.) Wie aus Klagenfurt 
berichtigt wird, ging in der Nacht vom 14 zum 
15. Januar vom „Loibl“ eine riesige Schneelawine 
nieder, welche 20 Bauern, die den Klagenfurtet 
Markt besuchen wollten, sammt ihren Pferden und 
Wagen verschüttete. Die Rettungsarbeiten wurden 
war sosort in Angriff genommen und rastlos fort⸗ 
gesetzt, doch blieben dieselben vergeblich, indem bisher 
nuch nicht eine Spur der Verschütteten entdeckt 
werden konnte. Durch den fortwährenden Schnee⸗ 
'all wurden die Nachgrabungen aleichfalls in hohem 
Frade beeinträgt. 
F Frankfurt, 20. Januar. Es wird nach 
der „Frkf. Ztg.“ behauptet, daß wegen des am 
Polizeirath Dr. Rumpff verübten Mordes im ganzen 
hereits über 100 Personen verhaftet sein sollen. 
F(Reichsgerichts⸗Entscheidung.) 
Der Hypothek-Schuldner kann nach 8 38, 2 des 
Eigenthum-Erwerbgesetzes vom 5. Mai 1872 dem 
Tessionar, welcher eine Hypothek gegen Entgelt er— 
worben hat, Einreden aus dem persönlichen Schuld⸗ 
oerhältniß nur entgegensetzen, wenn dieselben sich 
aus dem Grundbuch ergeben oder dem Erwerber 
dorher bekannt waren. In Bezug auf diese Be— 
timmung hat das Reichsgericht, V. Civilsenat, 
durch Urtheil vom 26. November 1884 ausge⸗ 
prochen, daß auch im Falle des Erwerbs einer 
Hypothek durch einen Bevollmächtigten (Proku— 
cisten ꝛc.), welchem bei der Cession die Einredt 
des Schuldners (beispielsweise, daß die der Hypothek 
zu Grunde liegende Schuld durch Zahlung getilgt 
ei) bekannt war, dem persönlich gutgläubigen 
Fessionar die gedachte Einrede vom Schuldner ent⸗ 
gegeugesetzt werden kann. 
Zwei Schulknaben aus einer Nach⸗ 
zargemeinde von Bensberg fanden in einem Chaussee⸗ 
zraben eine Dynamitpatrone, welche wahr⸗ 
scheinlich in der Neujahrsnacht ihren Zweck verfehlt 
jatte. Die beiden Brüder beseitigten das die Pa— 
trone umgebende Pergamentpapier und scheinen 
darauf an der Masse geleckt und durch den süß— 
lichen Geschmack des Glycerins auf den Gedanker 
zebracht worden zu sein, sie hätten ein Stück Christ' 
„aumkonfekt oder etwas ähnliches gefunden. Be 
der Theilung ging es denn auch nicht ohne etwas 
Zank ab, da jeder möglichst viel von der seltener 
Delikatesse haben wollte. Nachdem eine Einigung 
czielt, verzehrten beide wohlgemuth die Patrone. 
dieser erster Versuch, Dynamit als Nahrungsmittel 
su verwenden, ist jedoch als gründlich gescheitert 
zu betrachten, denn als unsere beiden Helden nach 
dause kamen, befanden sich dieselben sehr unwohl. 
ẽkhe ärztliche Hülfe eintraf, war die Erplosion nach 
oben auf natuͤrliche Weise bereits erfolgt und die 
verschluckten Dynamitstücke lagen wieder auf dem 
Fußboden. Eine ernstliche Gefahr war nicht vor⸗ 
sanden, die medizinische Wissenschaft hat aber die 
onst schwer zu erlangende Gelegenheit gehabt, die 
Wirkungen des Dynamits im menschlichen Magen 
kennen zu lernen. 
— Sehr große Kälte herrscht im Riesenge— 
»irge. In Hirschberg stand am Dienstag das 
Thermometer 20 Grad unter Null.