Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Iugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
er „St. Ingberter Auzeiger“ erscheint wbchentlich funfmalz Am Montag, Dienstag, —nerotag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
lan und Sonntags mit Sseitiger illuftrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich 1 AM 60 4 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1I.M 75 —, einschließliw 
4 Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr sur die Agespaltene SGarmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 138 4, Neclamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
ö—üü⏑ 
„F 166. Dienstag, 258. August 1888s5. 
20. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
In den politischen Kreisen Englands wird 
it einiger Bestimmtheit behauptet, daß es Lord 
zalisburny endlich gelungen sei, sich mit dem 
ursten Bismarck bezüglich der großen politischen 
ragen, die gegenwärtig in Schwebe sind, zu ver⸗ 
andigen. Selbstverständlich dürfe man nicht so 
deit gehen, an den Abschluß einer foörmlichen 
Alianz zu glauben; im Gegentheil seien schriftliche 
sbmachungen überhaupt noch nicht erfolgt; allein 
urch Gewährung von Konzessionen sei es Lord 
zalisbury im Gegensatze zu seinen Vorgängern 
eglückt, eine geeignete Basis für die Unterhand⸗ 
mgen der beiden Kabinete herzustellen. Es wird 
idessen von beiden Seiten anerkannt, daß es 
egenwärtig unmöglich sei, ein definitives Arrange⸗ 
jent zu treffen, da die Existenz des englischen 
abinetes von den im November stattfindenden 
dahlen abhängt; vorläufig kann daher nur von 
zourparlers und Vorbereitungen die Rede sein. 
sdan rechnet aber in englischen Regierungskreisen 
nit großer Bestimmtheit darauf, daß Deutschland 
je Misfion Sir Henry Drummond Wolff's in 
fkonstantinopel unterstützen werde und hofft — 
ielleich mit zu großem Optimismus — daß die 
zyptische Frage im Wesentlichen noch vor dem 
seginne der Wahlen gelöst sein werde. In Bezug 
us die afghanische Frage glaubt man nicht, daß 
)eutschland bei der Lösung derselben England be⸗ 
ilflich sem könnte. Uebrigens scheint eine solche 
iesmal wirklich nahe bevorzustehen. Sowohl eng⸗ 
sche wie russische Blätter, die ihre Mittheilungen 
us besten Quellen schöpfen, stimmen darin überein, 
aß Rußland nunmehr in eine Regelung der Zul⸗ 
arfrage im Sinne der englisch-afghanischen For⸗ 
erungen willige. Das anerkannte Organ des 
abinets Salisbury, die „Morning Post?, bringt 
ie Mittheilung, daß der englischen Regierung die 
ustimmung Rußlands zu der englischerseits vor ⸗ 
jchlagenen Lösung der Zulfikar⸗Frage zugegangen 
ei, und der Petersburger „Herold“, ein, wenn es 
h um russische Dinge von solcher Wichtigkeit 
mdelt, sehr vorsichtiges Blrtt, versichert, die rujsische 
egierung habe auf Grund der erhaltenen Detail⸗ 
aten die Ueberzeugung gewonnen, daß sie auf die 
ogenannte Zulfikarregion verzichten kͤnne; Ruß 
and werde nicht mehr auf der Einderleibung 
ieses Grenzgebietes bestehen. Damit wäre der 
zte Differenzpunkt beseitigt, welcher, in Betreff der 
zrenzregulirung noch in der Schwehe war. 
hlos um materielle Schädigungen handelt, die am und Frauen für die Ausübung und Verbesserung 
etzten Ende noch erträglich wären. Aber die Rechts- der Gesetze zur Unterdrückung von Verbrechen gegen 
icherheit selbst muß schließlich unter einem solchen die weibliche Ehre und der öffentlichen Unsittlichkeit. 
Berhältniß leiden und das Vertrauen, ohne welches Weitere Beschlüsse deuteten die Schritte an, welche 
der Verkehr nicht gedeihen kann. Man braucht, jzum Schutze junger Mädchen gegen Verführung 
um zu der Forderung der Ermäßigung der Gerichts? und Vergewaltigung ergriffen werden sollten. — 
losten zu kommen, nicht einmal so weit zu gehen, In Oldham verlaulet in Handelskreisen, daß die 
vie diejenigen, welche behaupten, daß es dem Staate Urbeiter, welchen von ihren Arbeitgebern Lohnre⸗ 
ustehe, die Rechtspflege umsonst zu üben, da die duktionen angekündigt wurden, in nicht wenigen 
Pflege des Rechtes im allgemeinsten öffentlichen Fällen nachgeben zu wollen scheinen. Eine große 
Interefse liege und der Staat die Versuchung nich! Firma, welche 500 -600 Personen beschäftigt 
ürfe entstehen lassen, daß Jemand Unrecht dulde, dürfte am Montag den Beirieb wiederum auf⸗ 
sdiehVihrune des Rechtes mit Kosten ver— n da sie die volle Zahl an Arbeitern erlangt 
nüpft ist. at, die sich mit der Lohnreduktion von 1 
Berlin, 283. August. Wie der K. 8. — erklären. da d vot 
yjon zuverlässiger Seite telegraphirt wird, hat die London, 24. August. Die „Morning Post“ 
eutsche Regierung vorgeschlagen, die Streitfrage meldet: Das britische Kabinet empfing neue 
Wenh dee n diedsgericht russische Vorschläge, wonach der Zulfikarpaß Afgha— 
iner befreundeten Macht zu unterbreiten. nistan, und die Weideplütze Rußl blei 
Berlin, 24. August. Außer der Annahme s didhe Lohlond vortlelben ohen 
eines einheitlichen Tarifsystenns wurde in der Sitz⸗ 
ang der Telegraphen ⸗Konferenz am 22. Augusi 
inier Anderem beschlossen, daß künftighin die Be⸗ 
eichnung des Bestimmungsortes für ein Wort zu 
rechnen sei, auch wenn hegleitende Zusätze zur 
näheren Bezeichnung erforderlich wären. 
—AXV 
veneralversammbung der deutschen Eisenindustriellen 
zeschloß eine Dankadresse an den Reichskanzler, 
Fürsten Bismärck für die Förderung der Kolonial⸗ 
estrebungen, durch welche der internationale Ver⸗ 
sehr und Erxport gehoben werde. 
Auslaud. 
Peterßburg, 28. August. Der „Regier⸗ 
ingsbote“ mneldet die in der lezzten Nacht erfolgte 
Abreise des Kaisers und der Kaiserin, welche 
ich, begleitet von dem Thronfolger, dem Großfürsten 
Heorg Alexandrowitsch, sowie dem Großfürsten und 
er Großfürstin Wladimir Alexandrowitsch, zum 
gesuche des Kaisers von Oesterreich nach Kremsier 
egeben haben. Außerdem befanden sich im Ge⸗ 
olge ver Minister des kaiserlichen Hauses, Graf 
Worvnzow⸗Daschkow und mehrere Hofchargen. An 
der Grenze werden fich dem kaiserlichen Zuge an⸗ 
chließen: Der Minister des Auswärtigen v. Giers, 
der österreichische Militärattache, Oberstlieutenant 
dlepsch, der Kammerherr Graf Lambsdorf, der 
)ammerjunker v. Giers, der Kommandeur des 
dexholm'schen Garderegiments, Paniutin, und der 
dommandeur der ersten Kompagnie dieses Regiments. 
London, 23. August. Gestern Nachmittag fand 
m Hydepark zur Unierstützung der don der „Pall⸗ 
Mali· Gazetie“ angeregien und sodann von mehreren 
gischofen, Pairs, Deputirten und zahlreichen poli⸗ 
ischen Persönlichkeiten begünstigten Bewegung zum 
Schutze junger Mädchen eine öffentlide Versamm⸗ 
ung statt. Etwa 30,000 Personen waren an⸗ 
vesend. Von 11 Tribünen aus wurden zahlreiche 
RKeden gehalten und sodann Resolutionen ange ⸗ 
iommen, in welchen die Bürger aufgefordert werden,. 
ie Behörden bei der Ausführung des von dem 
Parlamente zum Schutze junger Madchen ange⸗ 
rommenen Gesetzes zu unterstützen. Am Tage 
orhet wurde in der St. James Hall unter dem 
Vorsitze des Parlameutsmitgliedes und königl. 
Kathes George Russell eine ziemlich zahlreich be⸗ 
uchte Konferenz zur Besprechung der gegenwärtigen 
Sittenzustände in London abgehalten. Unter den 
gefaßten Resolutionen befürwortet eine die Bildung 
ines nationalen Wachsamkeitsvereins von Männern 
Die Wädchen⸗Erziehung. 
Mehr als je zuvor reifen, fast könnte man sagen 
zrängen die gesellschaftlichen Zustände unserer Ge— 
genwart auf eine sorgsame Anlegung und Aus— 
autzung der Arbeitslräfte der einzelnen Personen. 
Dieser Richtung folgend, erkennt man immer deut⸗ 
iicher die Nothwendigleit, die weibliche Jugend der 
ürmeren und der ärmsten Klassen sich nicht mehr 
zanz selbst zu überlafsen, sondern für ihre Erziehung 
und Unlerweisung, sowohl in wirthschaftlicher, als 
auch in industrieller Beziehung das moͤglichste zu 
chun und, wenn es früher versäumt, spater noch 
einigermaßen nachzuholen. Wie wenig die Eltern 
armer Kinder für eine praktische Ausdildung nach 
den angegebenen Seiten hin thun oder zu thun im⸗ 
stande sind, ist hinlänglich bekannt. Die Haupt⸗ 
frage jedoch wird immer die bleiben: „Wie erhalien 
wir gute Hausfrauen und gute Mütter?“ 
Nach dieser Richtung hin muß entschieden Ab⸗ 
jilfe gebracht werden, und je eher diese kommt, 
desto eher wird der Segen, den diese Hilfe gebracht, 
der Nation zu gute kommen. 
Von besonderem Werthe zunächst erscheint spätere 
Nachhilfe dort geboten, wo Frauen und Kinder an 
in dustriellen Arbeiten theilzunehmen gezwungen sind. 
—AI 
fahrung bestätigt dies zur Genüge —, daß ein 
Mädchen, welches von Kindheit auf ein Drittel des 
Tages oder noch mehr auf Fabrikarbeit verwandte, 
selten eine gute Hausfrau oder Mutter und noch 
weniger ein guter Dienstbote ohne jede spätere Nach- 
hilfe zu werden verspricht. Dieselbe kann nun frei— 
lich wohl nur theilweisen Ersatz bringen filr das, 
was die erfahrene Mutterhand hätte erzielen können, 
immerhin aber wird bei taktvollem und kräftigem 
zu Werke Gehen viel Segensreiches und Gutes für 
die Schülerinnen zustande gebracht werden. 
Die falsche Mädchenerziehung hat nicht nur das 
eine Uebel an sich, nämlich geistige Untauglichkeit, 
sondern mit derselben gehen auch Hand in Hand 
körperliche Leiden, insbesondere Blutarmuth und 
Nervofität. Diese beiden schrecklichen Leiden unserer 
Zeit haben das Fundament, auf dem die schweren 
Aufgaben und Pflichten der Frau unerschütterbar 
ruhen müssen, die Gesundheit der Frauenwelt, so 
sehr geschädigt, daß kaum noch die geringsten An— 
forderungen an sie gestellt werden können. 
Auf welche Weise lassen sich aber diese Uebel 
abstellen? 
Deutsches Reisch. 
Berlin, 22. August. Daß die Gerichtskosten 
hohe sind, wird allmählig auch von konservativer 
nd offizioser Seite zugegeben. Die Queile dieser 
rlenntniß hat man im — — zu suchen, denn 
e Einnahmen des Justizetats zeuͤgen nichi blos in 
zteußen andauernd einen erheb uͤchen Rüdgang. 
die Abnahme in der Zahl der Izrozesse anu sich 
me ganz erfreuliche Erscheinung, srefulurt nicht aus 
mer Verminderung der Streitfälle, sondern aus 
er wachsenden Abneigung, bei dier Wahrung des 
ier Umständen zweifelhaften Rechtes ganz un⸗ 
weifelhaft große Ausgaben für dagz Prozeßverfahren 
bst zu wagen. Der Fiskus — kommt dabei, 
e gesagt, nicht gut fort. Seiine Einnahmen 
uͤrden bei mäßigeren Anforderungen ungleich er⸗ 
edlichere sein. Dazu kommt, daß e sich hier nicht