Full text: St. Ingberter Anzeiger

mittlich jede Familie zu 4 Personen, so 
e zusammen 144 Personen, welche ohne 
ohnung sind, d. h. kein Obdach besitzen. Für 
iller und Vagabunden werden Asyle gegründet, 
werden ganze Familien wie Parias behandelt. 
je Mädchen fallen dem Laster in die Arme, die 
zuben geben Vagabunden und wenn sie dies sind, 
nn erst versucht die moderne Gesellschaft diese 
—* durch Asyl⸗ und andere Häuser wieder auf 
u Weg der Besserung zu bringen. 
Süddeutsche Blatter erzählen— nachstehende 
zeschichte aus der diesjährigen Reisezeit: eine 
—V Herrentracht — sie hatte kurz 
hgeschnittenes Haar, trug einen Herrenhut, Kra— 
ie, Binde, Weste, Rock, genau wie ein Herr, 
iun die Bekleidung des Unterkörpers, den ein 
heiberrock bedeckte, unterschied sie von einem solchen 
war in Aschaffenburg in ein Damenkoupe ge⸗ 
jegen. Der Stationsbeamte ging an dem Koupe 
hrüber und vermuthete in der Engländerin einen 
errn. Er gab sofort dem Schaffner Befehl, den 
etrn aus dem Damenkoupe zu weisen, was dieser 
nn auch sofort that. Die Engländerin blieb 
rhig sitzen und lüchelte; der Schaffner, hierüber 
chosi, sprang nochmals hin, doch als er im Zorne 
e Thür aufriß, prallte er verblüfft zurück, denn 
tebemerkte nun zu seinem Schrecken, daß er eine 
yame vor sich hatte, die halb in Herrenkleidung, 
alb in Damenkleidung steckte. Mit einem der⸗ 
AMüfften ,Entschuldigen Sie, Herr Fräulein!“ eilte 
rvon dannen. —AV — 
Wiesbaden, 23. August. Heute Nacht 
13 Uhr wurde der Schreinergeselle Reichardt auf 
em Michelsberge erstochen. Der Thöter ist ent⸗ 
W 
Frankfu rit, 21. August. Die jezzt im 
aztau fertiggestellte Fagade des von Rotschil d'⸗ 
yen Geburtshauses in der Börnestraße trägt nun 
isselbe alterthümliche Gepräge wieder wie früher, 
xleiht aber dem Bau ein vortheilhafteres Aus⸗ 
en, welches hauptsächlich durch die ins Auge 
llenden zahlreichen geschnitzten Fachhölzer erzeugt 
urd. Das alte Material war fast durchgehends 
och so gut erhalten, daß es wieder verwendet 
erden konnte. Nur der unterste Längsträger und 
e steinernen Thürbogen machten wegen ihrer 
dlechten Beschaffenheit eine Erneuerung nothwendig. 
-Der Wildpark des Herrn v. Rotschild in 
et Unterlinbau wurde heute Nacht wie der Gen.- 
inz. mittheilt, von unberufener Hand geöffnet, 
daß die Hirsche, Rehe!ec. in die wildleere Frank⸗ 
urter Gemarkung entlaufen konnten. Die Thiere 
ud zwar zahm, haben aber bis jetzt keine Neigung 
ezeigt, in den Siall zurückzukehren. — Ein Hri— 
ninalkommissaris srat gestern Mittag in 
xegleitung einer Anzahl Detektivss in das „Kafé 
isino“ ein, zog eine Photographie aus der Tasche 
nd verglich damit eine Gesellschaft von sechs an⸗ 
tblichen Engländern und einer Engländerin (Ame⸗ 
laner sollen es in der That sein) Auf die Be⸗ 
etlung fie sinds“ wurde zu deren Verhaftung 
nd Abführung in den Clesernhof geschritten. Die 
ischeinenden Gentlemen wollten zuerst ihre Rech⸗ 
Ing begleichen, was ihnen mit der Bemerkunges 
Alles in Ordnung? nicht gestattet wurde. Einer 
etselben rief nach dem englischen Generallkonful. 
nier den die Verhaftung ausführenden Beamten 
len fich, wie der Beob.“ erfährt, auch auswär⸗ 
xe Detektivs befunden haben. (Nach der neuesien 
mmer der „Frkf. Ztg.“ gehören die von dem 
bertretenden Generalfonsul Herrn Goldbed irr 
umlich arretiert gewesene Enqländer sämmtlich den 
dhatssen Famlien am) 
Koöoln, 20. August. Seit der Katastrophe 
m Holzmarkt kracht es in unserer Stadt an allen 
— und Enden, theils aber auch in Wirklichkeit. 
ne Anzahl Häuser sind auf ihre Baufälligkeit 
ursucht, manche davon in schleumige Reparatur 
eben, einige auch zum Abbruch bestimmt worden. 
ute haben wir wiederum einen Hauseinbruch, 
ticherweise ohne Verletzung von Menschen, zu 
richnen. Auf dem kleinen Griechenmarki stüͤrzte 
Morgen, wie bereits gemeldet, das Kellerge 
* des Hauses Nr. 49 ein, die Vrandmauer 
e und die Brandmauer zwischen den Häusern 
und 47 riß. Der diesen Häusern ge⸗ 
— Schornstein mußte von der 
herbeigeeilten Feuerwehr, welche auch die 
* abspertte, niedergelegt werden. Die Be⸗ 
ne des gefährdeten Hauses wurden auf der 
* ahn einer gegenuͤberliegenden Wirthschaft 
debracht; einige Wagebälsi⸗ rotteton sogar die 
MRobilien. Die unmittielbare Ursache des Vorganges 
st wohl darin zu suchen, daß man neben dem bau⸗ 
älligen Hause mit den Ausschachtungs-Arbeiten zu 
inem Neubaue beschäftigt war. 
F Köln, 21. August. Wie die „Köln. Ztg.“ 
zerichtet, langten gestern mit einem Schleppkahn 
her Kölner Dampfschleppschifffahrts⸗Gesellschaft auf 
»em Wege über Rotterdam zehn Fässer russi— 
ches Bier von Petersburg hier an. Das neu 
ingeführte Gebräu ist aus dem milden Newawafset 
sergestellt und soll von vorzüglichem Geschmack sein. 
Im Ganzen waren es zehn Hektoliter, die an fünf 
jiesige Restaurateure vertheilt wurden. 
F Köln, 22. August. Einen neuen Beitrag 
u den ebenso zahlreichen als erbaulichen Geschichten 
jon der Tournüre entnehmen wir der „Koͤlnischen 
zeitung“. Da heißt es: Gestern Nachmitag fuhr 
in Pferdebahnwagen durch die Komödienstraße. 
Der Kontroleur steigt auf den Hinterperron auf, 
vor ihm steht der Kondukteur, derselbe schaut forschend 
auf den Boden, bald links, bald rechts, dann guckt 
zr in seine Geldtasche und schüttelt bedenklich den 
Kopf. Plötzlich springt er mit einem Satz vom 
Wagen herunter und eilt einer Dame nach, welche 
oeben vom Wagen abgestiegen ist. Diese hat — 
auf ihrer gewaltigen Tournüre den Blechkasten 
nit den Fahrbillets hängen; sie hat denselben beim 
Absteigen, ohne es zu merken, mit ihrem Aufsatz 
zon der Ledertasche des Kondukteurs aufgehoben 
uind schreitet nun, den Apparat auf der Rückseite 
tragend, stolz davon. Nach kurzem Dauerlauf hat 
der Wagenbegleiter sie erreicht und ihr seine theuren 
ßillets abgehoben. Die Dame war nicht wenig 
rstaunt, als fie bemerkte, welchen Diebstahl aus 
Fahrläsfigkeit ihr Anhängsel begangen hatte. 
fHamburg, 21.5 August. Heute ist an 
ie hiesige Polizeibehörde aus Paris die Mittheilung 
jelangt, das daselbst drei männliche und eine weib— 
iche Perfon, welche in dringendem Verdacht stehen, 
in dem Reichsbankdiebstahl in Hamburg betheiligt 
u sein, verhaftet worden sind. Das Frauenzimmer 
vurde indessen bald nach seiner Festnahme wiedei 
ntlassen, da es seine Unschuld beweisen konnte. 
dagegen werden die übrigen in Paris Abgefaßten 
sierher gebracht werden. Man fand bei ihnen 
30,000 Fr. und glaubt, daß fie auch ‚an dem 
etzten Bankdiebstahl in Zürich betheiligt gewesen 
ind. Dort wurden 26,000 Fr., bei der hiesigen 
keichsbankstelle bekanntlich 200,000 M. gestohlen. 
r Unter der Ueberschrift .Der Liebesroman 
ines Japaners in Berlin“ erzählt die ,National⸗ 
zeitung“ Ffolgende hübsche Geschichte: Aus dem 
stasiatischen Lande kam vor einer Reihe von Jahren 
—— 
influßreichin Mannes nach Europa. Der junge 
Japaner war als Soldat und Ingenieur bereits zu 
iner höheren Stellung gelangt und sollte nun der 
iplomatischen Laufbahn sich zuwenden. In Paris 
ind London eignete er sich schnell die Sprache jener 
raͤnder an; so schreibt und spricht er ein Fran 
öfisch, dessen kein europäischer Diplomat sich zu 
chämen brauchte. Seit 3 Jahren weilt der braune 
Sohn Japans in unserer Mitte, und hier hat ihn 
vott Amor mit seinem Pfeil getroffen. Es senkten 
die dunklen Augen des interessanten Fremdlings sich 
ief in die himmelblauen Sterne eines deulschen 
Mädchens, und bald fanden sich die Herzen der 
heiden jungen Leute in aufrichtiger Liebe. Der 
Japaner meinte es treu, und so schrieb er denn an 
einen Vater, er habe eine junge Deutsche von vor⸗ 
refflichen Eigenschaften liebgewonnen, wolle sich mit 
hr vereinen und bitte um den väterlichen Segen. 
Ils der Vater dieses Schreibrn erhielt, entbrannte 
er in hellem Zorn. Wenngleich das Mädchen eben⸗ 
alls von Adel ist und einer angesehenen Familie 
entstammt, so erschien dem alten starrköpfigen Manne, 
»er niemals über die Grenzen seines Heimathlandes 
sinausgekommen, dennoch eine derartige Verbindung 
ingeheuerlich, Der Vater intriguirte nun gegen 
einen eigenen Sohn, und es verging nicht lange 
zeit, da erhielt der junge Offizier und Diplomat 
on der japanischen Regierung den Befehl, nach 
einer Heimath zurückzukehren; im Falle des Unge⸗ 
jorsams würde des Kaisers ganzer Zorn ihn treffen. 
Aber die Liebe, die eine so harte Probe erlitt, gab 
hm Kraft und Muth; von seiner Braut wollte er 
nicht lassen, mochte da kommen, was es auch sei; 
nit kurzem Entschlusse entsagte er seiner Stellung 
ils Major und Attache und wandte sich in Berlin 
em kaufmännischen Fache zu. Durch seine Aus— 
auer gelang es ihm bald, alle Schwierigkeiten zu 
herpinden und seit Qurrom in or Buchhbalter in 
einem hiesigen großen und bekannten Etablissement, 
n welchem auch sein künftiger Schwager als Korre— 
pondent thätig ist. Die Hindernisse find nun voll⸗ 
tändig beseitigt, und so wird der treue Japaner 
emnächst mit seiner holden Braut vor einem deut⸗ 
chen Standesbeamten erscheinen. 
F Pest, 22. August. Gestern fand ein 
Säbelduell zwischen dem einarmigen Grafen Geza 
Zichh und dem Deputirten Kark Pulßky statt. 
Nach neun Gängen bei den schwersten Propositionen 
vurden beide verwundet. Der Anlaß zu der pein⸗ 
ichen Affaire war bei einem Ausflug der fran⸗ 
ᷣsischen Journalisten nach Bad Schmiecks vorge⸗ 
kommen. — Der Kassirer des Nationalkafinos, 
Johann Lengeyl, erschoß sich nach einer Defrau— 
dation von 18,000 Gulden. 
F Die schöne Marketenderin von Kufstein. 
Das „Innsbrucker Tageblatt“ berichtet: In den 
Reihen der Kufsteiner Schützen befand sich im Fest⸗ 
uge zum zweiten österreichischen Bundesschießen in 
Innsbruck auch „ein kreuzsaubas Diandl“, Frau⸗ 
ein Therese Zöttl, als Marketenderin. Das Mäd⸗ 
hen erregte auf dem Festplatze das Wohlgefallen 
Sr. Majestät des Kaisers, und nach dem Feste 
uhr auf erfolgten Allerhöchsten Befehl der Bezirks⸗ 
jauptmann am Donnerstag mit Fräulein Zöttl 
igens von Kufstein nach Innsbruck; hier wurde 
die schoöͤne Marketenderin“ von den Herren Sial- 
halter Baron Widmann, Hofrath Baron Puthon, 
Iberst und Regiments Kommandant Baron Eynatten 
ind von dem Bezirkshauptmann Grafen St. Julien 
um Photographen Scherner geführt,“ woselbst die 
Borträtaufnahme der sauberen Unter⸗Innthaler 
Marketenderin erfolgte. Dann wurde die Letztere 
on den genannten hohen Staatswürdenträgern zum 
Bahnhof geleitet, und schließlich erfolgte die Rück⸗ 
rahrt der hübschen Marketenderin im Wagen erster 
Klasse mit dem Herrn Bezirkshauptmann Grafen 
St. Julien. Das Bildniß wird natürlich nach 
Wien gesendet und bei Hof aufbewahrt. Fraulein 
Therese Zottl ist also infolge des Schüßzenfestes 
zur Berühmtheit gewöorden. 
„FParis, 22. August. Ein sensationeller 
Mord erregt seit einigen Tagen die Gemuther. Das 
twa 40jahrige Fräulein Menetret zu Villemomble 
bei Le Rainch' wurde von ihrer Wirthschafterin, 
kuphrasie Mercier, in der scheußlichsten Weise er⸗ 
mordet, der Leichnam verbrannt und die Ueberreste 
päter in eine Kalkgrube geworfen. Das Scheusal 
st bereits verhaftet und mit ihren Geschwistern, die 
der Theilnahme an der That derdächtig find, nac 
Baris verbracht. 
Lyon, 21. August. Die Arbeiterkrisis be⸗ 
zinnt von neuem; 4000 Weber verlangen drohend 
die Ausführung der neuen Tarife. Es herrscht 
zroße Aufregung. 4 
F Die französischen Generale sorgen 
n ihrer kreien Zeit für Arbeitsentlastung unseres 
Beneralstabes. Sie befassen sich schon jetzt mit der 
Derausgabe der „Geschichte des nächsten Krieges“; 
— wir haben dann nur die ‚umgeänderte und vere 
hesserte“ Auflage zu besorgen. GKladderadatsch,) 
f Bei Gelegenheit des Besuches des russischen 
Kaiserpaares in Finn land wurde der Kaiserin 
ein eigenartiges Geschenk in Williamstrand von den 
innischen Damen zu Theil: Ein prachtoolles. in 
larelijschem Birkenholz ausgeführtes Boot mit gol⸗ 
ꝛenen Nageln, goldener Steuerkette, goldenen Ruder⸗ 
rampen und vrachtvollen Stickereien. Es ist zu 
Bootfahrten für die Kaiserlichen Kinder bestimmt, 
Es wurde der Kaiserin von neun Damen vorge⸗ 
ührt, von denen acht an den Rudern saßen und 
ine das Steuer führte. Die acht jungen under 
jeiralheten Damen waren in finnischer National« 
racht und speziell eine jede in der Tracht einet 
)er acht finnischen Provinzen, die von ihnen repra⸗ 
entirt wurden. Sie gehörten sammtlich den ersten 
Beschlechtenn des Landes an und zeichneten fich 
zurch Jugend und ge aus. Als die Kaiserin 
ich näherte, präsentirten sie nach Matrosenart das 
suder und brachten dieselbe, welche von der Yacht 
Marewo“ das Boot bestieg, mit geschultem, kräf⸗ 
igem Ruderschlag ans Ufer. — In dem wasser· 
eichen Finnland betheiligen sich nämlich auch die 
Damen lebhaft am Wassersport und entwickein in 
»emselben nicht geringe Geschicklichkeit. 
rAus Asien. Erst jetzt werden in bollem 
Umfange die Schrecknisse der Erdbeben bekannt, 
velche im Frühsommer Kaschmir heimgesucht haben. 
Die erste der Erderschütterungen trat am 30. Ma⸗ 
in Die Ponhälkorunn mierde am More.