Full text: St. Ingberter Anzeiger

mgesehen und ihnen, wie sie unsicher erscheinen, 
indere Wege weisen. Darin liegt der Kernpunkt 
Jer unerquicdlichen Ausweisungsfrage, die uns auf⸗ 
gedrungen ist·· 
Berlin, 30. August. Der spanische General 
Salamanca hat, die Zurücsendung des rothen 
lcrordens mit folgenden Worten begleitet; „Auf 
meiner Brust wird nun ein leerer Platz sein; aber 
ich rechne darauf, ihn bald wieder auszufüllen 
—XX wohlberdiente Dekoration, die ich 
mir bei der Vertheidigung meines Vaterlandes er⸗ 
ringen werde“. Diese Worie sind patriotisch und 
laͤcherlich zugleich. 
Potsdam, 28. August. Heute Nachmittag 
fand seitens des Offizierskorps des 1. Garde⸗ 
Regiments ein Schießen nach dem Adler statt. Der 
Zaiser, die Kaiserin, der Kronprinz. Prinz Wil⸗ 
helm und der Erbgroßherzog von Baden wohnten 
demselben bei. Der Kaiser gab drei Schüsse ab, 
wobei jedesmal der Adler getroffen wurde, und 
lehrle dann um 6* uhr nach Babelsberg zurück. 
Wiesbaden, 81. August. Von dem Afrika⸗ 
reisenden Paul Reichard ist heute hier folgendes 
Telegramm eingetroffen: 20. August. In Zanzi⸗ 
zar ist die ganze Karawane angekommen; ich bleibe 
14 Tage hier. 
Friedberg i. H., 31. August. Am 30. 
d. tagte in der Hainmuͤhle bei Kaichen (Muͤhle am 
Waldsaum an der Naumburg) eine geheime Ver⸗ 
ammlung von Sozialisten aus den Orien Frank⸗ 
furt, Friedberg, Großkarben, Burg: Gräfenrode, 
aichen, Heldenbergen und Oftheim. Zufällig an⸗ 
wesende Polizei und sonstige Güste störten jedoch 
das Vorhaben und gingen die Sozialisten zum 
Theil alsbald des Abends auseinander. 
Danzig, 28. Auguft. Sämmiliche hiesigen 
Russen, die Kurländer ausgenommen, sowie die 
zalizischen Polen find angewiesen, zum 1. Oktober 
Hreuͤßen zu verlafsen. 
Wien, 30. August. Die Wiener liberalen 
Blaͤtter konstatiren die wachsende Gahrung in den 
deutschen Theilen Boͤhmens und richten an die 
deutsche Bevoölkerung daselbst die dringende Auffor⸗ 
derung, sich durch das czechische Beispiel nicht zur 
Nachahmung verleiten zu lassen. Gerade angesichts 
der offiziösen Drohung mit der Suspension frei⸗ 
Jeitlicher Rechte müßten die Deutschen Geduld und 
Entsagung zu üben wissen. Uebereinstimmend er⸗ 
saren“ die Neue Freie Presse“ und das „Neue 
Wiener Tageblatt“, daß der legale Rechtsboden der 
einzige Besitz der deutschen Opposition ist, dessen 
sie sich um keinen Preis entäußern darf. 
Paris, 30. August. Der „France“ wird 
uus Petersburg telegraphirt: Am Vorabend 
zer Anlunft des Czaren, als man im bischöflichen 
Zchlosse zu Kremsier die letzten Vorbereitungen für 
die Herrichtung des Theatersaales vollendete, fiel 
ein Stein durch eines der Spiegelfenster, gerade 
auf den Ehrenplatz, welchen Kaiser Alexander bei 
der Galavorstellung einnehmen sollte. Der Stein 
jatte die Größe einer Birne und war in Papier 
gewickelt, auf welchem in großen Lettern stand: 
Tod dem Tyrannen!“ Alle Recherchen haben zu 
seinem Resultat geführt. Obwohl man annimmt, 
daß es sich um einen traurigen Scherz handelt, 
verden die Untersuchungen dennoch fortgesetzt. (Die 
Zeschichte klingt sehr unwahrscheinlich.) 
Ausland. 
Lokale und vcclaische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 1. Sept. Die hiesige 
tatholische Firhenbaulotterie wurde, wie 
ums migetheilt wird, dem Bank· Agentur ⸗Geschäfte 
Albert Rösl in München uͤbertragen; der Vertrieb 
wird in gleicher Weise wie bei der Kaiserslauterer 
dollerie bewerkstelligt, in den jenseitigen bayerischen 
reisen durch Herrn Rosl selbst, in der Pfalz durch 
ʒessen Haupiagenten Herrn Julius Goldschmit 
in Ludwigshafen. Die Loose gelangen noch heuer 
zur Ausgabe und dürften dieselben gewiß — schon 
us dem Grunde, weil jeweils nur 150,000 Stück 
z2 Mark — guten Absatz finden. 
»GS. Ingbert, 1, Sept. Morgen, Mitt⸗ 
woch, Abend findet, wie bereits gestern durch In⸗ 
erai bekannt gegeben, im Oberhauser'schen Saale, 
das Zapp'sche KünstlerConcert statt 
vorauf wir wiederholt aufmerksam machen. 
Vom Hornbache, 28. August wird der 
,‚Pf. Pr.“ geschrieben: Sicherem Vernehmen nach 
I vVerhandlungen über die Erbauung einer 
Fisenbahn von Zweibrücken über Horn⸗ 
zach nach Bitsch als gescheitert zu betrachten, 
indem der Chef des Reichsamtes für die Verwal⸗ 
tung der Reichs⸗Eisenbahnen, Herr Staatsminister 
Mahbach, den früher vertretenen Standpunkt fest⸗ 
jält und es ablehnt, der Herstellung genannter 
dinie aus Reichüfonds auch für den Fall der Be⸗ 
villigung von Zuschüssen aus Landesmitteln und 
onstigen Fonds näher zu treten. Auch erklärte 
zerselbe, weder etwaige Anträge auf Gewährung 
ines Zuschusses zum Baue der Bahn aus Reichs⸗ 
onds für den Fall der Herstellung derfelben aus 
dandes⸗Mitteln, noch auch die Uebernahme des 
Betriebes für Rechnung des Reiches befürworten 
zu koönnen. 
— Bruchmühlbach, 28. August. In 
Miesau verschwaund in der Nacht vom 27. auf den 
28. August die Frau des Ackerers J. Wagner. 
Bis jetzt sind noch leine weiteren Spuren von der⸗ 
elben wahrgenommen worden. Dieselbe litt schon 
seit längerer Zeit an Geisteskrankheit, infolge derer 
ie sich oft schreckliche Leiden verursacht hat. 
(Pf. Vz.) 
— Kaiserslautern, 29. Aug. Der dies— 
ährige Herbst-Saatgutmarkt ist mit Proben reich 
neschickt worden. Sowohl die Oualität als auch 
zie Quantität der angemeldeten Waaren steht hinter 
einem der früheren Herbst ⸗Saatgutmärkte zurück und 
st für jeden Kaufliebhaber Gelegenheit geboten, 
einen Bedarf nach Wunsch zu befriedigen. Roggen 
st heuer in großen Quantitäten ausgestellt, ebenso 
Heizen und Spelz aus verschiedenen Gegenden. Die⸗ 
enigen Oekonomen, welche den in neuerer Zeit mehr 
eliebten Wechsel ihrer Saatfrucht vorzunehmen 
jedenken, finden auf dem Saatgutmarkte die billigste 
ind bequemste Gelegenheit. Möge daher der nächste 
S:aatgutmarkt am 1. und 2. September in Kaisers⸗ 
autern sich guten Besuches erfreuen! 
— Oberlustadt, 28. August. Gegenwärtig 
ampirt hier eine Bande Zigeuner unter dem 
chühenden Laubdache der Nußbäume. Ein weib⸗ 
icher Sprosse dieser Freiherrn von Habenichts be⸗ 
zluͤckte nun ihren Eheherrn mit einem jungen, braun⸗ 
hywarzen Sproͤßlinge. Darob natürlich große 
eude in der Versammlung bräunfugiger Geftalten. 
der kleine Erdenbürger sollte jetzt getauft werden. 
Am Gevatterleute machte man fich keine Sorgen. 
In zärtlicher Liebe trug die Mutter ihr erst 
anderthalb Tage altes Kind selber zur 
irche und ließ es taufen. Nach vollzogenem Akte 
jegab sich die Mutter mit ihrem Kinde zu ihren 
*lammesgenossen in eine Wirthschaft, allwo die 
Nutter sich ein Glas Wein ersichtlich schmecken 
ieß. Man sieht, wie weit man es mit einer na⸗ 
urgemäßen Abhärtung bringen kann. — 
— Spey?r, 209. August. In einer gestern 
inter dem Vorsitze des Herrn Bezirksamtsassessors 
Wagner abgehaltene Versammlung hiefiger 
zewerbetreibender wurde über die Untersuchung be⸗ 
reffs der Sonntagsarbeit verhandelt. Von ber⸗ 
chiedenen Seiten wurde konstatirt, daß Sonntags⸗ 
irbeit ausnahmsweijse in allen Geschäften vorkomme, 
iine Ausbeutung der Arbeiter auf diesem Wege 
EV 
zegenwärtig bestehenden Gesetze zum Schutze der 
ürbeiter für ausreichend, eine Aenderung der be—⸗ 
üglichen Bestimmungen der Gewerbeordnung daber 
ür überflüssig. 
— Zum Leben zurückgekehrt ist der in Folge 
übermäßigen Branntweingenusses in Ludwigs- 
Jafen als todt nach der dortigen Leichenhalle 
erbrachte Tüuncher B. Der Auferstandene begab 
ich sofort nach seiner Wohnung. 
Vermischtes. 
t. Neunkirchen, 29. August. Das 
Neunlkircher Tageblatt“ hat mit dem heutigen zu 
erscheinen aufgehört. Der seitherige Redakteur der 
in Saarlouis erscheinenden Saarzeitung, Herr Klein, 
jat die betr. Druckerei geklauft und gibt eine Zeitung 
nit dem Titel Neunkircher Volkszeitung“ vom J. 
Zept. ab heraus. (S.⸗ u. Bl.⸗Ztg.) 
F* Metzz, 29. Aug. Am leztzten Vienstag 
varen der Gasthausbesitzer Kohn und der Kaufmann 
August Baudouin von hier mit zwei eingeladenen 
hästen, den Herren Nicolas aus Briey und Felix 
Deriveaux, Steuerbeamter in Elain, bei Vigh auf 
»er Jagd. Als sie über ein Kartoffelstück gingen, 
intlud sich das Gewehr, warscheinlich in Unvor⸗ 
ichtigkeit des Letzteren, und der mit grobem Schrot 
eladenene Schuß verletzte die Herren Kobhn und 
Nicolas. Ersterer war noch transportfähig und 
wurde nach Metz gebracht, während an dem Auf. 
ommen des Nicolas gezweifelt wird. 
4 Mannheim, 29. August. Gestern Vor. 
nittag wurden die beiden Inhaber der Firma Gedr 
dlein (Haute- und Fellhandlung), Dellhein 
unior und senior gefänglich eingezogen, da sie de 
Beseitigung von Geschäftsbüchern in Folge eines 
ʒꝛevorstehenden Bankerutts eingezogen sind. (R 
Bad. Landesztg.. 
fF Mainz, 28. August. Die Nachforschung 
iach den fehlenden Körpertheilen des ermordeten 
Mannes hat bis jetzt kein Resultat ergeben. In 
)er Abtrittsgrube des Hauses, woselbst die ANh. 
chlachtung geschah, fanden sich dieselben nicht dot 
Die aͤrztliche Besichtigung der Leiche ergab, daß 
her Ermordete ein Mann von 28 bis 30 Jahren 
var und eine blendendweiße, reine Haut haͤtte 
In der Lunge will man Kohlenstäubchen entded 
„aben. Das Zimmer, woselbst der Doppelmord 
zeschah, bot ein greuliches Bild der Zerstörung 
her Fußboden war über und über mit Blut beden, 
pas auch an den Wänden verspritzt war; es fanden 
ich verschiedene mit Blut befleckte Schusterwerkzeuge, 
owie ein mit Blut gefülltes Nachtgeschirr. In 
etzterem hatten die Mordgesellen jedenfalls das dei 
der Zerlegung des Mannes abfließende Blut auf 
zefangen. Die ermordete Frau Wothe lag todt 
im Bett, dieselbe ist offenbar im Bett ermordet 
worden und zwar nicht gleichzeitig mit dem Manne. 
Merkwürdiger Weise fehlen die Kleider des Mannes 
Wothe, was die Annahme, er sei der Ermordete, 
inigermaßen erschüttert. Es kann aber der Fall 
ein, daß in diese Kleider die fehlenden Gliedmaßen 
jerpackt und weggeschafft sind. Von Mitbewohnern 
»es Hauses, woselbst der Mord geschah, wird aus—⸗ 
jesagt, daß sie in der Nacht einmal „Hilfe und 
Feuer“ schreien? gehört, darauf aber keinen Werth 
jelegt hätten, da die Eheleute Wothe in Unfrieden 
ebten und Scenen, sowie Mißhandlungen nicht 
elten waren. Dagegen wird von Anderen ausge⸗ 
agt, daß der Schuhmacher Herbst Nachts um 29 
Uhr nach Hause gekommen sei. In der Wohnung 
des Herbst, in dem Nachbarhause von Wothe. 
anden sich, als ihm gehörig rekognoszirte Kleidungs⸗ 
tücke eine Lederhose, eine Weste und ein Hemd, 
Alles viel mit Blut befleckt. Herbst, der im Juni 
ius dem Landeszuchthaus Marienschloß entlassen 
vurde, woselbst er eine zehnjährige Strafe wegen 
chweren Einbruchs verbüßt hatte, leugnet die 
Thaten, deren man ihn beschuldigt, befindet sich 
aber in großer Aufregung. In Laubenheim, wo⸗ 
elbst er gestern Abend Nachtquartier suchte, hat er 
ich höchst verdächtig benommen und wurde deshalb 
jestgenommen. Der Zimmerkollege des Herbst will 
don diesem und seinem Thun gar nichts wissen, 
aicht einmal dessen Namen kennen. Er ist mit⸗ 
berhaftet. 
Nach einer der „Pf. Pr.“ zugegangenen Privat⸗ 
nittheilung ist der Ermordete ein Schiffsmann, 
velcher 600 Mt. Geld bei sich hatte. Er wurde 
von den zwei Louis Herbst und Wothe in einem 
hverüchtigten Hause ermordet; der eine der Moͤrder 
vurde in Oppenheim, der andere in Laubenheim 
erhaftet. Frau Wothe soll Mitwisserin bei dem 
MNorde gewesen und von Herbst und Wothe ermordet 
vorden sein, damit sie nichts verrathe. 
Mainz, 28. August. Wahrend die 
ztaatsanwalischaft und Polizei in fieberhafter Auf 
egung nach dem Thäter des heute Morgen ent⸗ 
eckten Verbrechens fahndet, durcheilt soeben die 
stachricht don einem zweiten hier entdeckten Mord 
die Stadt. In der Nähe des, Fürstenbergerhofes 
iahmen die Umwohner gegen Mittag mehrere Blut⸗ 
puren wahr, die Veranlassung gaben, die Staats⸗ 
mnwaltschaft aufmertsam zu machen. Im Verfolg 
er Blutspuren fand man in dem ersten Stock von 
glut üͤderstromt die Leiche der Frau eines Schuh⸗ 
nachers Namens Wothe, eine übelbeleumundete Per— 
on, die sich erst dor einigen Wochen mit ihrem 
ruheren Zuhaltet verheirathet hat. In einem an⸗ 
zrenzenden von einem zweiten Schuhmacher, cinn 
jewissen Herbst, einem erst vor kurzer Zeit un 
zerbüͤßung einer mehrjährigen Haftstrafe aus 
zJuchthause entlassenen Individuum bewohn 
zimmer fand man blutige Kleider und ein blutia⸗ 
hresser. Da Herbst vier bei Wothe verlehrte be 
nuthet man, daß er an dem Verbrechen nen 
st. Derbst und Wothe sind seit heute Fruh 9 
chwunden. Der Schlafgenosse von —7 — * 
Aasobner Nranches won Vier ist einstweilen berba