Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
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—5 176. Dienstag, 8. September 18885. 20. Jahrg. 
⁊Neue Gebiete für Handel und 
Industrie * 
Will das deuische Volk sene Sletung behaup⸗ 
en, so muß auch der deutsche Unternehmungsgeist mit 
demjenigen der unternehmendsten Nationen wetteifern. 
zür Ausführung dieses Strebens befinden wir uns 
eßt in einer der denkbar günstigsten Perioden, denn 
er Weltfriede ist gesichet und an der Spitze 
deutschlands steht eine ebenso energische, als weit⸗ 
lickende Regierung, die auf wirthschaftlichem Ge⸗ 
ziete für die deutschen Unternehmer in zehn Jahren 
nehr thun kann, als frühere Regierungen in zwei 
zahrhunderten. Wer hätte noch vor fünf Jahren 
zaran gedacht, daß das deutsche Reich in so kurzer 
zrist Kolonien erwerben und mit solcher Ausdauer 
ind Zähigkeit sich an der Eroberung Afrikas für 
ie Kultur betheiligen würde? Ein Blick auf den 
Fongo⸗Staat. Kamerun, Angra⸗Pequena u. s. w. 
eigen in den wenigen Jahren ganz erstaunliche 
jortschritte für das kolonialpolitische Vorgehen 
deutschlands. 
Es sind nun mancherlei Zweifel über die wirth⸗ 
haftliche Rentabilität dieser Kolonialunternehmungen 
nufgetaucht, es verdient deßhalb hervorgehoben zu 
verden, wie die Engländer, ein Bolk, das seinen 
stoßen Wohlstand vorzugsweise den Kolonien ver⸗ 
pankt, über das Vorgehen Deutschlands in Afrika 
irtheilen. Nachdem die politische Nebenbuhlerschaft 
eInglands in den Kolonialfragen durch die Festigkeit 
er dcutschen Regierung beseitigt worden ist, kommt 
eßt nur noch der wirthschaftliche Wettkampf in 
Ufrika zwischen England und Deutschland in Frage. 
ẽs ist nun dabei im höchsten Grade bezeichnend, wie 
mnglische Fachblätter für Industrie und Handel 
iußerst ängstlich das Vorgehen der Deutschen in 
Ufrika beobachten und verrathen, England möge, 
venn irgend möglich, in vielen Gegenden Zentral⸗ 
ifrilas den Deutschen zuvorlommen. So schreibt 
r „Iromnonger“: „Sicher befinden sich zwischen 
em „Congo⸗Staate“ und den deutschen Besitzungen 
a Afrika noch bedeutende Gebiete, reich an Gold 
ind Elfenbein und bewohnt von einer zahlreichen 
Iebolkerung, welche englische Manufakturen kauft.“ 
-Ferner erzählt ein englischer Reisender, Mr. 
dowell, daß die Negervölker Zentral⸗Afrikas schon 
uuf einer gewissen Kulturstufe siehen, daß sie gern 
hte schlechten Waffen, Aexte und landwirthschaft⸗ 
ichen Geräthe mit europäischen vertauschen, gern 
Zleiderstoffe kaufen, daß sie Dörfer und stadtähnliche 
iederlassungen befitzen, daß oft Wasserstraßen nach 
hren Gebiesen führen und ein Verkehr verhältniß⸗ 
naßig leicht mit ihnen einzurichten sei. Aus 
damerun lommt auch die Nachticht, daß fich zwei 
eit einiger Zeit dort eingewanderie Schweden durch 
Louschhandel mit den Eingeborenen einen Wohlstand 
Worben haben und daß daraufhin noch fünf junge 
Schweden über Hamburg nach Kamerun gereist sind, 
im dort ihr Glück zu machen. Sollten diese 
Fingerzeuge micht auch in Deutschland Beachtung 
inden, denn Kamerun ist doch eine deutsche Kolonie ẽ 
gleiß, Ausdauer, unerschrocene Selbsthüfe und ein 
beines Kapital müssen frellich die Kolonisten be⸗ 
den, denn dort find gar mannichfache Hindernisse zu 
XEX 
VPolitische Uebersicht. 
„„ Frankreich haben die Ereignisse in 
ladrid das Interesse an der Wahlbewegung mo—⸗ 
mentan zurückgedrängt und die Wogen der politi⸗ 
schen Erregung gehen wieder hoch in der franzö⸗ 
sischen Hauptstadt. Die Empfindlichkeit für die 
Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien 
hat sich seit 1870 nicht vermindert, allein in seinem 
wahren Wesen hat der französische Chauvinismus 
trotz aller deutschfeindlichen Demonstrationen, trotz 
Deroulöde und Patriotenliga — daos beweist die 
Sprache der tonangebenden republikanischen Jour⸗ 
nale anläßlich der gegenwärtigen Krisis — doch 
eine beträchtliche Abtühlung erfahren. Die Einsicht, 
daß Frankreich in dem deutsch⸗spanischen Konflikt 
bei aller Sympathie für Spanien neutral bleiben 
müsse, tritt sehr stark hervor. So findet denn auch 
die entschlossene Haltung der Regierung, welche 
deutschfeindliche Kundgebungen der besonders im 
AVV 
Zpanier nicht duldet, bei allen ruhig denkenden 
Franzosen Billigung. Die leidenschaftlichen Aus— 
orüche der radikalen Blätter, welche eine energische 
Unterstützung der repulikanischen Bewegung in 
Spanien verlangen, verdienen eine nur untergeord⸗ 
nete Beachtung. Jeder vernünftig urtheilende Po⸗ 
litiker weiß, daß daran, soweit das offizielle Frank⸗ 
reich in Betracht kommt, nicht zu denken ist und 
daß die nichtoffiziellen politischen Kreise gegenwärtig 
durch die Wahlbewegung in Anspruch genommen 
sind. In einer von der offiziösen „Agence Havas“ 
bersendeten Note heißt es sogar, daß die überwäl⸗ 
tigende Mehrheit dec öffentlichen Meinung in 
Frankreich das Ende des Konfliktes. der nur 
Schwierigkeiten an beiden Grenzen herbeiführen 
tönne, lebhaft wünscht. Im Grunde geht der 
Jjanze koloniale Konflikt, der an und für sich die 
Juteressen Frankreichs gar nicht berührt, dasselbe 
auch nichts an, und nur die Lage Frankreichs 
zwischen den beiden in Streit gerathenen Mächten 
macht vom internationalen Standpunkte aus eine 
etwas wachsamere Haltung der Regierung noth⸗ 
wendig. 
Aus Madrid wird gemeldet, daß der Kolo⸗ 
aialminister die Aufnahme einer Anleihe von 
100 Millionen Pesetas für Cuba beabsich⸗ 
tigte. Da neuerdings nichts von Unruhen auf 
dieser Insel verlautet hat, so ließe sich die erwähnte 
Nachricht nur dadurch erklären, daß die spanische 
Regierung durch die Aufnahme einer immerhin so 
zedeutenden Anleihe bezweckt, bessere wirthschaftliche 
Verhältnifse in dieser wichtigsten ihrer Kolonien zu 
chaffen. Oder sollte Cuba nur der vorgeschobene 
Name für die Karolinen sein? 
Ueber den Konflikt zwischen England und 
XX 
GBrenzfrage schreibt die „Times“: „Unsere 
Differenzen mit Rußland sind thatsächlich beigelegt. 
und unser Bündniß mit dem Emir — dessen Loya⸗ 
tität und Treue der Staatssekretair für Indien 
einen hohen Tribut zollte — verbleibt ungestört. 
Aber Lord Randolph Churchill erinnerte uns in 
Worten, gegen die kein englischer Staatsmann Ein⸗ 
vendungen erheben kann, daß die Besorgnisse der 
leßten paat Monate uns eine Lehre ertheilt haben, 
die wir niemals vergessen dürfen. Die Feststellung 
der Grenzen zwischen dem afghanischen und dem 
russischen Gediet kann jetzt ohne weitere Hindernisse 
oder Verzug vervollständigt werden und die Ehr⸗ 
lichlkeit des Emirs mag völlig unanfechtbar sein; 
aber diese Umstände, befriedigend wie sie an sich 
elbst sind, bilden keine hinreichende Bürgschaft für 
die Sicherheit unserer indischen Vesitzungen. Dies 
ist, wir wiederholen es, eine Sache, die gänzlich in 
unseren eigenen Händen verbleiben muß. Beide 
Parteien stimmen über die zu ergreifenden noth— 
wendigen Maßregeln praktisch überein, und beide 
sind überzeugt von der Fähigkeit des Vicekönigs 
Lord Dufferin, dieselben, wie Lord R. Churchill 
sagte, „klug und vorsichtig, ohne Belästigung, aber 
gleichzeitig wirkuugsvoll auszuführen. 
Deutiches Reich. 
Muͤnchen, 5. Sept. Se. Maj. der König 
hat die von dem Komite zur Feier des 70. Ge⸗ 
buristages des Reichskanzler Fürssten v. Bis⸗ 
marck in Bamberg aus freiwilligen Beiträgen 
mit einem Kapital von 6177,87 Mk. begründete 
Wohlthätigkeitsstiftung zu Gunsten dürftiger Hand⸗ 
werker⸗ und Arbeiterfamilien unter dem Namen 
„Fürst Otto v. Bismarck-Stiftung? bestätigt. 
Muünchen, 5. Sept. Das heute Abend aus⸗ 
gegebene Gesetz und Verordnungsblatt publizirt die 
AÄllerh. Verordnung, inhaltlich welcher der Landtag 
auf Dienstag den 29. d. M. einberufen wird. 
Berlin, 7. Sept. Am Mitwoch treten im 
Reichsschatzamte die Kommissionen wegen Feststellung 
des definitiven amtlichen Waaren⸗Verzeichnisses zu⸗ 
ammen. 
Berlin, 7. Sept. Von den funf Theilen, 
aus welchen das neue bürgerliche Gesetzbuch be⸗ 
slehen wird, sind bereits drei, und zwar der all⸗ 
gemeine Theil, das Recht der Schuldverhältnisse 
und das Sachenrecht, vollendet; die Berathung des 
Familienrechts ist erheblich vorgeschritten und wird 
in nächster Zeit beendet werden, so daß nur noch 
der Entwurf des Erbrechts aufzustellen sein wird. 
KMölu, 6. Sept. Der Kölnischen Zeitung wird 
Jochoffiziös aus Berlin geschrieben: Der Angriff 
bes Madrider Pobelhaufens auf die deutsche Ge— 
sandtschaft mußie um so mehr überraschen, als an⸗ 
sccheinend eine ruhigere Stimmung eingetreten und 
der Ausbruch der Volksleidenschaft in keiner Weise 
begründet gewesen jei. Die Hissung der deutschen 
Flagge auf der Insel Yap wäre eine vorlaufige 
Maßregel, welche der endgiltigen Regelung durchaus 
nicht vorgreife. Solche Fragen würden nicht durch 
Schiffskapitane, aber auch nicht durch Pöbelrevolten 
nusgeglichen, sondern durch die Regierungen. Deutsch⸗ 
sand werde durch den Madrider Volksauflauf um 
so weniger berührt, je weniger die spanische Re⸗ 
gierung in der Lage sei, des Tumultes Herr zu 
werden. 
Paris, 6. Sept. Sechstausend Personen 
xwarteten gestern den König Alflonso an der 
Puerta del Sol, um die Wiedernahme der 
Insel Yap mit Gewalt zu fordern. Die spanischen 
Schiffe vor Yap waren ungenügend armirt und 
vermochten den Kampf mit dem deutschen Kano⸗ 
nenboot nicht aufzunehmen. Der Marquis Campos 
stellt seine iransallantische Dampfergesellschaft, deren 
Flotte aus 40 Dampfern besteht, behufs Atmirung 
dem Staat zur Verfügung. In der spanischen 
Nolonie zu Paris glaubt man. ein neues Ministe⸗ 
rium der Landesvertheidigung unter Dominqguez 
und Vivenne werde alle monarchischen Parteien zu 
einer einzigen Patiei vereinen. Die Partei Sa⸗ 
gasta, welche wahrscheinlich ans Ruder kommt, 
habe beschlossen, den Krieg an Deutschland zu er⸗ 
klären. Die republikanischen Führer Spaniens 
ammeln sich in Paris. Zorilla wird erwartet.