Full text: St. Ingberter Anzeiger

Die spanische Botschaft ist ohne Nachricht über die 
Madrider Vorgänge. Die Königin Isabella be⸗ 
findet sich noch in Paris. Nachdem alle französi⸗ 
schen Blaͤtter zuerst gehetzt, mahnen sie jetzt zu 
trikter Neutralitat. Die Republique francaise“ 
schreibt in hochoffiziöser Form, Frankreich dürfe 
uich weder durch Sentimentalitäten, noch durch die 
Zeidenschaft fortreißen lassen. Von Seiten der 
französischen Regierung sei man der Besonnenheit 
sicher; auch die verschiedenen politischen Parteien 
Frankreichs seien zuverlässig. Sie begriffen alle 
die Nothwendigkeit des Friedens und daher einer 
trikten ehrlichen Neutralität. Nur die Presse und 
gewisse Gesellschaftsschichten seien zu fürchten. Der 
Patriotismus fordere von ihnen einen Verzicht auf 
ille Sympathiebeweise für Spanien. So schließt: 
„Soyons Prangais, rien quo Frangais! Wenn 
Fraukreich die Vermittlerrolle von Deutschland an⸗ 
geboten würde, so würde es diese nur mit Zustimm⸗ 
ing der übrigen Mächte übernehmen und nie allein 
handeln. — Älle Welt ist hier der Ansicht, daß 
irgend welche Konzession seitens des Königs Alfonso 
zleichbedeutend sei mit dem Sturz der Dynastie. 
Madrid, 7. Sept. Auch geßftern war die 
Aufregung noch groß. Tausende durchzogen die 
Straßen mit dem Rufe: „Tod den Deutschen!“ 
Dann ging es vor das Palais des MinisterPräsi- 
denten, von dem die Menge verlangte, daß er Deutsch⸗ 
land sofort den Krieg erkläre. 
London, 7. Sept. Die Morgenblätter 
prechen sich in dem Zwischenfalle mit Spanien 
durchweg zu Gunsten Deutschlands aus, empfehlen 
eine schiedsrichterliche Entscheidung der Streitfrage 
und betonen, Spanien schulde Deutschland vollste 
Benugthuung. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 8. Sept. Gestern Nach⸗ 
mittag wurde das Zjährige Kind des Arbeiters P. 
W. von einem mit Sand beladenen Wagen über⸗ 
fahren. Die Räder gingen dem armen Kinde über 
Beine und Hand und brachten ihm eine nicht un⸗ 
bedeutende Verletzung bei, so daß sofort aͤrztliche 
Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Dieser 
hedauernswerthe Unglücksfall mahnt wieder Eltern 
zaran, kleine Kinder nicht ohne Aufficht zu lassen. 
*St. Ingbert, 8. Sept. Als Selten⸗ 
heit sei erwähnt, daß Herr Oekonom Carl Besck 
in einem Rübenacker auf dem Hobels eine Wein ß⸗ 
rübe im Gewichte von 12 — sage mit 
Worten zwölf — Pfund erntete. Das Riesenge⸗ 
vächs hat einen Umfang von 75 ctm. und ist 
33 etm. lang. — Ferner theilt uns ein Leser ds. 
Blattes mit, daß in seinem Garten ein im ver⸗ 
Jossenen Frühjahre bersetztes Apfelbäumchen mehrere 
Büschel schön entwickelter Blüthen getrieben hat. 
Bewiß auch eine ungewöhnliche Erscheinung zur 
etzigen Jahreszeit. 
— Landstuhl, 5. Sept. Am 183. d. M. 
findet hier ein Delegirtentag der pfälzischen 
Zonfum⸗Vereine statt und wird anläßlich desselben 
Hert Reichstagsabgeordneter Dr. A. Buhl ein Re⸗ 
serat über die Unfällversicherung der landwirthschaft⸗ 
icher Arbeiter halten. 
— Pirmasens, 7. Sept. Am Samftag 
Abend nach 11 Uhr trieben einige Schusserburschen 
in der Pfarrgasse groben Unfug, indem fie 
mit Schusterineipen herumfuchtelten und einige 
Passanten erschreckten. Einen die Straße daher 
ommenden taubstummen Drechslergesellen, namens 
Max Pelsch, rempelten sie gleichfalls an und stach 
ihn der eine der Unholde durch den Unterarm. Der 
eifrigen Thästigkeit der Polizei gelang es, troß der 
jehr unvollkommenen Angaben des Taubstummen 
nach mehrstündigem Bemühen, noch in detr näm ⸗ 
lichen Nacht die Messerhelden zu etmitteln. Es 
iind dies der 20jährige Schustet Adam Weber don 
Walshausen, welcher den Stich füͤhrte, und der 
i9jährige Schuster Christ. Daniel von hier. 
GG. a) 
— Der wissentschaftliche Predigerverein 
der Pfalz wird seine Jahresversammlung Montag, 
21. September nachsthin, zu Neust a di im Saal⸗ 
zau abhalten. Den Vortrag fülr dieselbe hat Hert 
Stadtpfarrer Kankele in Kaiserslautern über⸗ 
ommen und zwar über das Thema: „Die Päda⸗ 
jogik des alten Testamnensss.— 
— dDas pfalzische Apotheker⸗Gre- 
mium ist auf den 11. d. M. zu einer Genetal⸗ 
dersammlung nach Spbeyer einberufen. 
Dĩe Heimath, pfaͤlzisches Sonntaqs⸗ 
4JJ 
hlatt. Nr. 49 enthält: Gedächtnißtage. Sonst 
und jetzt. Eine Verlobung mit Hindernissen. 
Schreckenstage. Die Patriotin von Lautern. Die 
Schlacht am Hasenbühl. Vom Badergesellen bis 
zum Appellationsgerichts-Präsidenten. Das Haus 
am Walde. Rundschau im Pfälzer Land. In's 
Merkbuch. Vom Büchertisch. Briefkasten. Inserate. 
Vermiĩchtes. 
F. Spiesen, 4. Sept. Diese Nacht brannte 
zie mitten im Dorfe gelegene Wirthschaft des Herrn 
dohler nieder, deren Saal fast bis zur letzen Stunde 
)er Ort vieler lustiger Kirmestünzer war. Die 
Nachbarshäuser, selbst die anschließenden Oekonomie— 
jebäude, welche mit Stroh und Heu vollgepfropft 
ind, wurden dank der aufopfernden Thätigkeit der 
siesigen freiwilligen Feuerwehr, von den Flammen 
nicht ergriffen, so daß nur Haus und Möbel den— 
elben zur Beute fielen. 
Dem Vernehmen nach schreibt der „St. 
Foh.⸗Sbr. Anz.“ launig, hat der hiesige Geflügel⸗ 
uchtverein beschlossen, die in Ottweiler stattfin⸗ 
»ende Geflügelausstellung nicht mit Spaniern zu 
heschicken, weil andernfalls ein Kampf derselben mi 
dem deutschen Hühnergeflügel voraussichtlich sich 
entspinnen würde. — Einer der Hühnerologen hai 
eine Spanier bereits abgemurkst. 
f Metz, 5. Sept. Die elsässischen Nationali— 
äts⸗Verhältnisse. Ein vor Kurzem erschienenes 
tatistisches Handbuch für ElsaßLothringen gibt 
olgende Auskunft über die elsässischen Nationali⸗ 
ats· Verhältnisse. In ganz Elsaß⸗Lothringen ge⸗ 
hören von den Gemeinden 72 pCt. dem deuisch.n, 
22 pCt. dem französischen und 4 pCt. dem ge⸗ 
mischten Sprachgebiete an. Ein wesentlich ver⸗ 
ichiedenes Verhältniß ergibt sich, wenn wir die 
einzelnen Bezirke ins Auge fassen; denn während 
n Unter⸗Elsaß 95 pCt. und in Ober⸗Elsaß 85 
Ct. der Gemeinden auf das deutsche Sprachgebiet 
entfallen, erreichen in Lothringen die deutschen Ge— 
meinden nicht ganz die Häfte; es find nur etwas 
iber 49 pCt., gegenüber 45 pCt. französischen und 
pCt. gemischten. Wesentlich gür.stiger gestalte! 
ich das Verhältniß, wenn wir nicht die Gemeinden 
elbst, sondern die Civilbevölkerung berüchsichtigen; 
son diesem Gesichtspunke aus haben wir auch in 
dothringen nicht nur Gleichgewicht, sondern ein 
leines Ueberwiegen der deutschen: es sind deren 52 
»Ct. gegenüber 28, resp. 18 pCt., die dem franzö⸗ 
ischen, resp. dem gemischten Sprachgebiete ange⸗ 
rören. Die Zahl der Gemeinden endlich, die auf 
grund des Gesetzes vom 31. Mai 1872 vom Ge⸗ 
rauche der deutschen Sprache als Geschäftssprache 
isspensirt waren, betrug am 1. Januar, 1884 
noch 417 bei einer Gesammtzahl von 1668. 
fF Metz, 7. Sept. Ein der letzten Nummern 
des „Petet⸗Journal“ wurde mit Beschlag belegt 
und durfte nicht ausgegeben werde. Veranlassung 
hierzu dürfte ein Artikel desselben „La falsisfication 
illemando“ sein, welcher sagt, daß in Deutschland 
alle Lebensmittel, als Brod, Bier, Wein, Brannt⸗ 
wein, mit Ausnahme des Futters für die Kanonen 
oxcept la chair à canon) verfalscht würden. 
F Mainz, 6. Sept. Zu dem hier vollführten 
Doppelmord wird gemeldet: Mehrere Umstände 
drängen zu der Ansicht, daß Herbst und Wothe 
zemeinschaftlich vielleicht noch mit einem Dritten 
inen bei der prostituirten Ehefrau Wothe gewesenen, 
zis jetzt unbektannten Fremden beraubt und umge⸗ 
yracht, dann auch die Wothe selbst als lästige Zeugin 
jetödtet haben und daß der Mitschuldige Wothe 
das Weite gesucht habe. 
FKreuznach, 7. Sept. Die Trauben 
sind schön in den Wein gegangen und versprechen 
bdei günstigem Wetter eine gute Crescenz. Schade 
ist aber, daß die Ernte nur eine kleine wird, eiwa 
in gutes Drittel so groß, wie im vorigen Jahre. 
Ztödke tragen gar keine oder nur sehr wenige 
Trauben, der Riesling nur zeigt durchweg einen 
ziel befseren Stand. 
F Frankfurt a. M., 4. Sept. Das „In⸗ 
telligenzblatt“ berichtet: Ein junges Madchen hatte 
die Belanntschaft eines hiesigen Bankiers gemacht 
und dessen Versicherungen von Liebe und Treue 
rollen Glauben geschentt. Nach einer kurzen Ab⸗ 
vesenheit von Frankfurt kehrte sie vorgestern wie⸗ 
der hierher zurück und scheint nun Dinge erfahren 
zu haben, die ihr eine bittere Enttäͤuschung berei⸗ 
eten. Sie schrieb sofort an den Geliebten einen 
HZrief, in welchem fie ihm drohte, ihm zu ködten 
wenn er fie nicht mehr liebe und verlassen wollte 
Der Bankier meinte die Drohung ernst und beeilt⸗ 
sich, ihr ein vorläufiges Schmerzensgeld von 
10,000 Mark zu übermitteln. Das Mãdchen 
fand darin eine „Unverschämtheit“ und theilte ihr⸗ 
Entrüstung darüber in keineswegs schmeichelhaflen 
Ausdrücken einigen Bekannten des Bankiers mit. 
Dieser ließ nun die ehemalige Geliebte vor di 
Schiedsmann laden,wo nach längerer erregter Ver 
handlung ein Vergleich dahin zu Stande kam, daß 
das Mädchen sofortige Bezahlung von 40, 000 
Rark auf alle weiteren Ansprüche verzichtet und 
Schweigen gelobt. 
Frankfurt, 4. Sept. In einem Herren— 
Barderobegeschaft an der neuen Kräme kaufte gestern 
ein Fremder einen vollständigen guten Kammgarn. 
anzug mit Ueberzieher und bat den Geschäftein— 
jaber, ihm diese Waaren mit quittierter Rechnung 
in seine Wohnung, ein Hotel dritten Ranges 
zringen zu lassen; diesem Wunsche wurde ent— 
Prochen, und als der Ausläuser mit den Sachen 
im Zimmer des Kaufers erschien, wurde er von 
)emselben in sehr freundlichen Worten gebeten, ihm 
einen sehr eiligen Einschreibebrief zur nahen Post 
anstalt zu besorgen. Der Ausläufer ging nichl 
auf diesen Leim, erklärte sich aber bereit, ihm seinen 
Wunsch auf dem Rückwege zu erfüllen, was dem 
Fremden indeß nicht in seinen Kram paßte; und 
da der vorsichtige Ausläufer selbst auf dessen 
reundlichste Bitte bei seinem Entschluß behartte, 
vurde er von dem Fremden mit den Worten zum 
Zimmer hinausgejagt: „Na, dann machen Sie 
haß Sie 'naus kommen!“ Dieser kurzen Abfertig 
ang folgten die Kleidungsstücke als Beigabe, welcht 
aus dem Zimmer hinausgeschleudert wurden. Der 
Ausläufer erhielt von seinem Prinzipal für seine 
Vorsicht ein gutes Trinkgeld. 
FHeidelberg, 5. Sept. In den Stein⸗ 
brüchen in der Nähe des Wolfsbrunnen wurd 
heute Morgen die Leiche eines Studenten auf 
gefunden, der sich durch einen Revolverschuß ent 
leibt hatte. Der Verlebte, der sich in sehr guten 
Verhältnifsen befand, dürfte in einem Anfalle von 
Melancholie den Tod gesucht haben. 
4 Münster. Die auf der hier tagenden 
Katholiken-Versammlunng gefaßten sozial 
politischen Resolutionen haben folgenden Wortlaut 
„1) Die 32. Generalversammlung erklärt es für 
eine Pflicht der christlichen Obrigkeit, den abhängigen 
Arbeitern das Recht auf Sonntagsruhe und Sonn⸗ 
tagsheiligung, welches durch ein göttliches Gebol 
zeheiligt ist, durch Gesetz zu sichern. 2) Die 32 
Beneralversammlung fordert die Arbeiter und Arbeit⸗ 
zeber auf, für den christlichen Sonntag mit aller 
draft einzutreten, mit der Ueberzeugung, daß die 
Erfüllung der religiösen Pflicht, die Pflege des 
Familienlebens, die Erholung für Koörper und Geist 
am Sonntag auch die Entwickelung der nationalen 
Industrie auf die Dauer nur fördern kann. 8) 
Die 32. Generalbversammlung giebt gleichzeitig der 
Forderung Ausdruck, daß neben der Fürsorge für 
den kranken und invaliden Arbeiter auch der ge⸗ 
sunde Arbeiter gegen eine übermäßige die Gesund— 
heit vnd das Familienleben schädigende Arbeitszeit 
durch Geset geschützt werde, daß dor Allem durch 
Beschranlung, beziehungsweise Verbot der Kinder⸗ 
arbeit und der Beschäftigung verheiratheter Frauen 
in der Fabrik der drohenden Auflssung des Fami⸗ 
lienlebens gesteuert werde. — Ferner wurde de⸗ 
schlossen: „Die 32. Generalversammlung erkenn! 
gegenüber den zersetzenden Wirkungen der Gewerbe— 
freiheit und der freien Konkurrenz die Nothwendig⸗ 
keit eines gesetzlichen Schutzes für den Handwerker⸗ 
stand in der Form des Befähigungsnachweises— 
sowie durch Verleihung wirkungsvoller Vorrechte an 
orporative Handwerlerverbaͤnde (Junungen) an. 
um den für den Staatsorganismus unentbehrlichen 
zewerblichen Mittelstand vor vollständigem Versal 
Ju bewahren. Die 32. Generalbersammlung richtet 
in Anknüpfung an den Beschluß der Generalver⸗ 
sammlung in Ddüsseldorf an alle Katholiken Deutsch 
ands, insbesondere an die christlichen Vereine, die 
dringende Bitte, der wachsenden Ueberhandnahm⸗ 
der übertriebenen Vergnügungssucht entgegenzu— 
treten.“ 
fLampertheim, 3. Sept. Die Staals- 
anwaltschaft ließ hier ein großeres Ouantum 
Wein“ mit Beschiag belegen, welches keinen 
Tropfen Rebensaft enthalten und aus Essenzen 
Jergestellt worden sein soll, die aus Baden bezogen 
vpurden.