Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Ingberte 
Anzriger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
al und Sonntagß mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 14 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen LAMN 75 à, einschließlic 
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anßf welche die Erveduion Auckunft ertheilt, I3z 4, Neclamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
V 199. Sonntag, 11. Oktober 1888. —— 20. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
»Zwei bedeutsame Ereignisse heben 
amer den Vorgängen auf dem Gebiete der 
„wärtigen Politik in dieser Woche besonders ab: 
je Anerkennung der Personalunion 
ufgariens mit OstRumelien unter dem 
zürsten Alexkander durch den Sultan und die 
ranzösischen Wahlen. Erstere Nachricht 
ingt die „Agence Havas“ aus Philippopel, wo 
us Stadthaupt die auf die Vorstellungen der 
hotschafter hin erfolgte Anerkennung der bulgarischen 
hion seitens des tuͤrkischen Herrschers durch öffent⸗ 
ihen Anschlag bekannt gemacht hat. Hiermit ist 
je unter den Vorgängen auf der Balkan⸗Halbinsel 
ißz jetzt am meisten hervorgetretene Frage: Wie 
ich die Pforte zum ostrumelischen Aufstande stellen 
vderde? in einfachster Weise gelöst worden. Abdul 
hamid beugt sich den vollzogenen Thatsachen und 
tennt die Vereinigung Bulgariens mit Ost ˖ Ru⸗ 
nelien unter dem Bulçgarenfürsten als ein Faktum 
m und somit wird wenigstens das Blulvergießen 
m der bulgarisch⸗ türkischen, oder vielmehr rumelisch⸗ 
irlischen Grenze verhindert. Aber freilich — 
jermit ist die Ruhe auf der Balkanhalbinsel noch 
uücht wieder hergestellt, denn gerade jetzt, wo die 
zulgaren am Ziel ihrer Wünsche angelangt sind, 
verden Griechenland und Serbien ihre Ansprüche 
uf „Kompensation“ stärker erheben. Jenes refleh⸗ 
itrt belanntlich auf türkische Gebietstheile an der 
äechischen Grenze und auf Ktreta und Serbien 
lamirt Alt⸗Serbien für sich. Beide Länder sind 
vllkommen bereit zum Losschlagen und vielleicht 
ibt die Vereinigung Bulgariens mit Ost⸗Rumelien 
ierzu das Stichwort. Die diplomatischen Bemüh⸗ 
mgen der Mächte in Athen und Belgrad zur Ver⸗ 
üfung eines kriegerischen Vorgehens der Griechen 
und Serben haben bis jetzt anscheinend nur einen 
jeht geringen Erfolg aufzuweisen und unter solchen 
Umstäͤnden spielt denn auch die Botschafter⸗· Kon 
erenz in Konstantinopel eine ziemlich klägliche 
Rolle. Ob die österreichischen und russischen 
driegsschiffe, deren Ankunft in den griechischen Ge⸗ 
dassern signalisitt wird, den Eintritt ernster Er⸗ 
aiignisse verhindern werden, muß man noch abwarten. 
— Was nun die Neuwahlen zur französischen 
depulirtenkammer anbelangt, so erregt ihtr Ausgang 
ast noch mehr Interesse, als die Balkankrise. Das 
chatalteristilum der dießsmaligen Wahlen in Frank⸗ 
rich ist der glänzende Wahlsieg der vereinigten 
Nonarchissen, welche gleich im ersten Wahlgange 
174 Kandidaten durchgebracht haben, während im 
danzen nur etwa 145 Republikaner gewählt wur⸗ 
en. Falls die Monarchisten bei den am nächsten 
Sonniage stattfindenden Stichwahlen noch etliche 
erjolge erringen —- und daran ist kaum zu zweifeln — 
wird ihre Zahl in der neuen Kammer zum 
Nindesten 200 betragen. Wahrscheinlich werden 
ie alsdann im Stande sein, init den Radikalen 
ine - wenn auch unnatürliche — Majorität zu 
ilden und wie sich dann ein Kabinet lange halten 
oll, ist unerfindiich; jedenfalls ist für Frankreich 
nurch die Wahlerfolge der monarchistischen Parteien 
ine ernste innere Krisis hereingebrochen. Daß die 
hkepublilaner durch ihre Uneinigkeit, besonders aber 
vurch ihre Mißwirihschaft ihre Niederlage selbsl 
xtschuldet haben, liegt auf der Hand, offendar 
geht heute ein siarker monarchistischer Zug durch 
Frankreich und imit gerechter Besorgniß moͤgen die 
Nanner, welche heute an der Spize der französischen 
kepublii stehen, den kommenden Ereignissen ent⸗ 
degensehen 
Unter den Begebenheiten in den inneren? 
Angelegenheiten stehen diesmal die gerichtlichen Er⸗ 
enntnisse in zwei bekannten Prozessen voran. An 
ꝛin⸗ und demselben Tage. am Mitwoch, ist in 
Berlin das Urtheii im Prozesse Gräf und in 
Lhemnitz im Sozialistenprozesse ge⸗ 
prochen worden. Dasselbe lautete in beiden Fallen 
reisprechend für simmtliche Angeklagte. Einen 
dommentar zu beiden Prozessen, von denen der⸗ 
enige gegen den Professor Gräf ein eigenthümliches 
Bild don gewissen sozialen Zuständen in Berlin 
entrollte, müssen wir uns hier versagen. Nur 
insichtlich des Chemnitzer Sozialistenpiozesses sei 
hemerkt, daß sich die Freisprechung darauf gründet, 
daß keiner der bier zur Verurtheilung gemäß der 
Anklage unumgänglich nothwendigen Thatbestands⸗ 
momente als durch die Ergebnisse der Beweisauf⸗ 
nahme erbracht anzusehen sei. 
Ausland. 
Wien, 8. Oktober. Die Regierung scheint 
ich angesichts der immer trostloser werdenden Zu⸗ 
tände in Böhmen doch ermannen zu wollen. Die 
zechische Gemeindevertretung von Koͤniginhof wurde 
rämlich durch Statthaltereierlaß aufgelöst und ein 
Zwölfer ˖ Ausschuß ernannt. Die Gendarmerie 
vurde verstärkt und unter den Befehl eines Offi⸗ 
iers gestellt. In der benachbarten Festung Joseph ⸗ 
tadt war für den Fall von Ausschreitungen ein 
Bataillon Infanterie in Bereitschaft gestellt und ein 
Sonderzug geheizt. 
Paris, 8. Oktober. Die Aufregung in 
Baris dauert fort. In den revolutionären und 
adikalen Kreisen ist man ernstlich für die Repu⸗ 
zlik besorgt, da ein Theil der gemäßigten Republi— 
aner, wie Barthölemy St. Hilaire, Léon Say 
und die übrigen „Républicains de raison“ Miene 
nachen, sich den Prinzen von Orleans anzuschließen 
deren Freunde sie waren, ehe Thiers sie im Jahre 
1871 bestimmte, sich für die Republik als die ein⸗ 
zig mögliche Regierungsform zu erklären. 
Paris, 9. Oktober. Der „Temps“ meldet, 
—X 
nicht zu unterstützen. Oesterreich räth nunmeht 
Serbien ab, die beabsichtigten Schritte zu thun 
Die Diplomatie wolle die Sache solange hinziehen 
his die kürkischen Rüstungen vollendet sind 
Lole und pfäl⸗ische Nachrichten. 
* Sst. Ingbert, 10. Oktober. Die dies 
ährigen Herbst-Kontrolversammlungen 
ür den Kompagniebezirk BRlieskastel finden 
tait: in St. Ingbert am Dienstag den 10. 
November, Vormittags 9 Uhr; in Blieskaste! 
am Miliwoch, den 11. November, ebenfalls Vor⸗ 
mittags 9 Uhr. Das nähere ist aus den amtlichen 
Bekannimachungen des kal. Landwehr⸗Bezirks⸗Kom 
mandos zu ersehen. 
Si. Ingbert, 10. Oktober. Wir er⸗ 
nnern daran, daß die von unserem Obst⸗ und 
Gartenbauverein im Saale des Café Oberhauser 
beranstaltete Ausstellung von Obst ˖ und Gartener 
jeugnissen morgen, Sonntag Nachmittag von 2bis 
4ühr Jedermann zum Besuche offen steht. 
In der letzten Strafkammersitzung des lkgl. 
Landgerichts Kaiserslautern wurden 122 
Angellagten wegen Entziehung der Wehrpflicht zu 
einer Geldstrafe von je 300 Mark, event. 60 Tade 
Befängniß verurtheilt. 
— Kaiserslautern. Der Verein „Her— 
wrqe zur Heimoih“ hier erbielt von dem Zenlral— 
kapitel des St. Johannisvereins in München die 
schöne Gabe von Mk. 800. 
— Die größten Kartoffeln haben bis jetzt die 
Oberotterbacher aufzuweisen; während von 
Dürkheim über die Einerntung einer Kartoffel von 
1125 Gramm und von anderer Seite über eine 
jolche von 1200 Gramm Gewicht berichtet wird, 
kann Herr Adam in Oberotterbach mit einer Kar⸗ 
soffel im kolossalen Gewicht von 1600 Gramm 
aufwarten. 
— Neustadet, 8. Oktober. (Eine Selten⸗ 
heit.) Heute schlachteten die Metzger Lösch und 
dederle eine junge Kuh im Gewicht von 1400 
Pfund, die von Herrn Mechtersheimer aus Lachen 
zekauft war. (N. B.⸗Z3.) 
— Prinzessin Ludwig übeisendete dem 
derrn Vehten aus Speyer, welcher auf so 
jroßartige Weise die Landes ⸗Obstausstellung beschickte, 
inen besonderen Ehrenpreis bestehend aus einem 
ilbernen Tafelaufsatz mit Kristallschale. 
— Speyer, 8. Oktober. »Seit letztem 
Samstag, Vormittags 11 Uhr, wird in Altlußheim 
die ältefte Tochter des dort ansäßigen Ackereck 
Johann Ballreich, Anna Maria Ballreich vermißt. 
Das einundzwanzigjährige Madchen entfernte sich 
um diese Zeit aus dem ebenfalls in Altlußheim 
gelegenen Hause ihrer Tante und ist von andern 
deuien auf dem Wege nach Speyer zu gesehen 
worden. Da bisher alle Nachforschungen vergeblich 
geblieben sind, nimmt man an, daß das junge 
Mädchen, bei dem früher Spuren von Gemüths⸗ 
krankheit zu Tage getreten waren, den Tod in den 
Wellen des Rheins gesucht und gefunden habe. 
Der tiefbekummerte Vater hat eine Belohnung von 
50 Mark ausgesetzt demjenigen, welcher über den 
Verbleib seines Kindes Auskunft zu geben vermag. 
Hoffentlich gelingt es, eine Spur der Unglüdlichen 
u finden, denn die traurige Gewißbeit ist minder 
chrecklich, als Ungewißheit. 
Vermischteu — 
Mühlheim a. Rh., 5. Okltober. Jüngst 
wurde eine Frau aus dem hiesigen Krankenhaus 
entlassen. welche daselbst 4050 Tage gelegen hat. 
Pro Tag 2 Mktk. gerechnet, ergeben sich nicht 
weniger als 8100 Mark Kosien, welche dem Ver⸗ 
nehmen nach der Orts-Armenlasse zur Last fallen. 
Sechzig Züchtlinge, die an der 
Fisenbahn, die jetzt im Comitat Angelina in Texas 
angelegt wird, arbeiten, meuterten vorigen Sonn⸗ 
abend und versuchten nach dem benachbarten Walde 
zu entkommen. Die Wachen gaben sofort Feuer 
auf die Meuterer, wodurch 25 derselben getödtet 
y»dee verwundet wurden. Die übrigen entkamen. 
Dienftesnachrichten. 
Ernannt wurden: der interim. Verweser Georg 
Baldauf zu Beeden zum Schulverweser an der 
neuerrichteien Schulverweserstelle zu Diedesfeild; die 
interim. Verweser Konrad Reiter in Hergersweiler 
uind Jakob Fehlhammer in Altleiningen zu Schul⸗ 
erwesern; der Lehrer an der oberen Schule zu 
Queidersbach, Michael Conrad, zum Lehrer an der 
nittleren Schule in Niederwürzbach; der Schul⸗ 
erweser Georg Schanz in Heuchelheim zum Lehrer 
n Dirmstein. 
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Xur die Nedaltion veranwortlich: F. X. Demeß.