Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funfmalz: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltunch 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1.M 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1.) 75 4, einschließlia 
40 A Zuftellungkgebahr. Die Einrückungsgebühr fur die A4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 1I5 4,. Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalise berechnet. 
— 
M 23. 
Sonntag, 1. Februar 1885. 
20. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
»Der Reichstag setzte am Donnerstag die 
Berathung des Antrags Kablé auf Abschaffung 
der außerordentlichen Gewalten des Statthalters 
jort. Der Abg. Guerber betont, er sei durch 
die gestrigen Ausführungen des Unterstaatssekretärs 
d. Puttkamer von der Nothwendigkeit des Diktatur⸗ 
paragraphen nicht überzeugt worden. Lenzmann 
spricht für den Antrag Kablé Freihert v. Ham⸗ 
merstein und Dr. Böttcher sprechen dagegen. 
Dr. Boltcher hebt hervor, daß Elsaß⸗Lothringen zur 
Sicherung des Reiches annektirt worden sei und 
daß kein Reich einem annektirten Gebiete gegenüber 
so schonend verfahren sei, wie gerade Deutschland 
zgegenüber Elsaß-Lothringen. Baron Zorn v. 
Bulach, der für den Antrag eintritt, betont da⸗ 
rauf, die Unzufriedenheit in Elsaß-Lothringen sei 
leine politische, sondern eine wirthschaftliche. Frhr. 
v. Stauffenberg tritt den Ausführungen 
Boͤttchers entgegen. Dr. Windthorst ergreift 
dann das Wort und erklärt, das Reichsland könne 
keinen besseren Statthalter erhalten, als gerade den 
Feldmarschall Manteuffel; doch sei eine definitive 
Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichslandes 
aöthig. Die erste Lesung wird jetzt geschlossen, 
vorauf der Abg. Winterer, als Mitantragsteller, 
den Antrag zurückzieht, da die Klagen der Elsässer 
nunmehr verhandelt, der Zweck des Antrages somit 
erreicht sei. 
ung gewiß nicht fehlen. Um auch die Sparsamkeit 
in gleicher Weise zu pflegen, wurde seit Neujahr 
dahier eine Distrikts-Sparkasse gegründet, über die 
im Anzeiger Nr. 17 und 20 bereits berichtet 
vorden ist. 
Im Inseratentheile des heutigen Blattes gibl 
der Spar⸗Kassen-Rechner bekannt, daß von heute 
in Einlagen in diese Kasse gemacht werden können. 
Die Einführung solcher Kassen ist schwer, weil 
nicht jeder den Nutzen sogleich erfaßt oder doch nich: 
den Anfang machen will. Wir wenden uns daher 
zunächst an die Herren Arbeitgeber, Dienstherren 
und Gewerbetreibende mit dem Ansinnen, ihre Ar⸗ 
beiter über den Nutzen dieser Kasse zu belehren 
und sie zum Einlegen aufzumuntern. Dienstboten 
und sonst jugendliche Arbeiter können sich leicht ein 
kleines Kapital ersparen, das ihnen in späteren 
Jahren, wenn sie sich selbstständig machen oder 
derehelichen wollen, mehr werth sein wird als das 
Bewußtsein, den in der Jugend verdienten Lohn 
leichtsinnig verdentelt zu haben. 
Wenn ein Familienvater für ein neugeborenes 
sind wöchentlich 20 Pfennig in die Sparkasse ein⸗ 
legt, so ergibt dies bis zum 20. Lebensjahre ein 
ftapital von 208 Mk. und an Zinsen 90 Mark, 
zusammen also 298 Mk. Der geringste Arbeiter 
st in der Lage seinem Kinde diese Mitgift zu ver⸗ 
chaffea. Sollten diese Zahlen nicht die Lust er⸗ 
vecken sich sogleich ein Sparbuch anzulegen? — 
Auch sonstige Personen des Beamten⸗ und Ge⸗ 
verbestandes sind vielleicht in der Lage ein größeres 
dapital, das sie nach und nach ansammeln wollen, 
zei dieser Kasse anzulegen, bis sie sonstige Ver—⸗ 
vendung hiefür haben. Die Kasse ist für alle ge⸗ 
zründet, die kleinern Summen zinstragend zu einem 
zrößeren Kapitale ansammeln wollen. Insbesondere 
ollen Kinder durch die Spar⸗Marken den Reiz des 
Sparens kennen lernen, damit sie später den Werth 
)es Geldes höher schätzen. In Zeiten, wo die 
Arbeitslöhne geringer sind ist das Sparen 
am allernothwendigsten, weil in Unglück-»fällen der 
Rückhalt an leichtem Erwerb fehlt und nur das 
helfen kann, was man wirklich besitzt. Darum ihr 
Arbeiter helft euch selbst dann helft euch Gott! 
Die Direltion der pfälz. Eisenbahnen erließ 
dieser Tage an ihre Dienststellen eine Verfügung 
welche auch für weitere Kreise nicht ohne Interesst 
ist, da sich mancher durch Beachtung der betreffen⸗ 
den Vorschriften Weiterungen ersparen kann. Nach 
den Betriebsreglements müͤssen alle Stückgüter sorg⸗ 
ältig und deutlich bezeichnet und die Bezeichnung 
bestehend in Zeichen und Nummer oder Adresse) 
janz genau in dem Frachtbriefe angegeben sein. 
In der neueren Zeit werden nun die betreffenden 
Bestimmungen vielfach außer Acht gelassen und 
zäufig Stückgüter, welche außer der Beklebung mit 
den Namen der Versandt und Empfangsstation 
eine Bezeichnung trugen, und Frachtdriefe, in denen 
Zeichen und Nnmmer fehlen, abgegeben und auch 
zur Beförderung angenommen. Alle Erpeditionen 
werden deshalb unter Androhung von Ordnungs⸗ 
strafen aufgefordert, solchen Unregelmäßigkeiten, 
welche Verwechslungen begünstigen, und das Um⸗ 
und Ausladen an den Zügen sehr erschweren, ent⸗ 
zegenzutreten und genau auf Erfüllung der Be⸗ 
timmungen der Betriebsreglements zu achten. 
— Wie der „Pf. K.“ erfährt, ist der Abschluß 
der Jahresrechnung der Pfälzischen Eisen- 
bahnen pro 1884 erfolgt und wird nach dem⸗ 
selben der nach den Garantiegesetzen zu leistende 
Zuschuß des Staates sich auf 1003624 Marf 
86 Pfg. belaufen, daher um 127,644 Ml. 91 Pfg. 
niedriger sein, als im Jahre 1883, in welchem die 
Zuschußsumme 1,131,628 Mt. 77 Pfg. betrug. 
— Pirmasens, 831. Januar. Der Abzug 
des Circus Bügler aus hiesiger Stadt ist wieder— 
holt Personen verhängnißvoll geworden. Außer 
dem schon gemeldeten Unfall in der Eisenbahnstraße 
durch einen Bügier'schen Wagen hatte derselbe noch 
ein weiteres IUnglück im Gefolge. Einige Wagen, 
an denen Thiere hinten angebunden waren, souten 
den Weg über Rodalben nehmen. Als ein Wagen, 
hinter dem das große Drsmedar herging, das Zwei⸗ 
brücker Thor passirte, fuhr auch ein mit Eis be⸗ 
ladener Wagen des Weges. Durch einen Schrei des 
Dromedars wurden die Pferde der Eisfuhre scheu 
und gingen durch. Der Fuhrmann gerieth unter 
den Wagen und wurde ihm ein Bein so unglück⸗ 
lich überfahren, daß es amputirt werden mußte. 
— Die Wittwe von Peter Rech aus Tripp⸗ 
stadet wurde am Dienstag von der Strafkammer 
des kgl. Landgerichts Kaiserslautern wegen fahr⸗ 
lässiger Tödtung ihres kleinen Kindes zu 2 Jahren 
Gefängniß verurtheilt. 
— Duürkheim, 30. Januar. Heute Morgen 
erschoß sich der Buchhändler v. N. hierselbst. Äls 
Ursache wird Geistesstörung vermuthet. Gestern 
hat der 60 Jahre alte Weber L. von hier durch 
Erhängen seinem Leben ein Ende gemachi. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 30. Januar. Die gestern von der 
Conferenzcommission erledigte Declaration, betreffend 
die Bedingungen bei den neuen Erwerbungen in 
Afrika, besagt, daß die Macht, welche fortan an 
den Küsten des afrikanischen Continentes ein neues 
Bebiet besetzt oder erwirbt, oder das Protektorat 
daselbst übernimmt, den anderen Mächten eine be— 
zügliche Notifikation zugehen läßt behufs etwaiger 
Rellamationen; ferner erkennen die Signatarmächte 
die Verpflichtung an, in den occupirten Gebieten 
eine hinreichende Autorität einzusetzen, um die er— 
worbenen Rechte, sowie die Handels- und Trandsit⸗ 
freiheit zu schüßen. 
Ausland. 
Paris, 30. Januar. Ein hier verbreitete? 
Gerücht besagt, Rußland betreibe die Ersetzung des 
Prinzen von Battenberg in Bulgarien durch den 
Prinzen Weldemar non Danemari 
le prure ische Rachrichten. 
*St. Ingbert, 31. Januar. Das Ober⸗ 
posiamt in Speher hat eine Verfügung getroffen, 
daß die Postschalter an Sonntagen von 8' bis 
9 und von 11 bis 12 Vormittags und Abends 
bon 5 bis 7 Uhr geöffnet sein sollen. Die Schalter⸗ 
stjunden an Feiertagen werden dahin geregelt, 
daß Vormittags und Rachmittags je zwei Siun— 
den das Schalter geschlofssen ist. 
„Als Feiertage haben für die Pfalz zu 
gelten: 
J. Allgemein: Neujahr, Ostermontag, Namens⸗ 
fest 8. M. des Königs, Charfreitag, Christihimmel—⸗ 
—R Pfingstmontag, Weihnachtsfest und Stephans 
iaßz; 2. an Orten mit überwiegend kathol. Be⸗ 
oölkerung: Frohnleichnamatag, Maria Himmelfahrt 
and Allerheiligen. 
t. St. Ingbert, 80. Januar. Zu den 
schoͤnsten deutschen Tugenden gehören Fleiß und 
Sparsamkeit. Um Fleiß laßt da unsere Rebznen. 
Vermisctes. ..... 
fF GBVier Menschen erfroren.) Wie aus 
Dlmuü gemeldet wird, wollte in dem slavischen 
Dorfe Olschau ein fremder Mann mit vier Kindern 
in einem der dortigen Wirthshäuser übernachten, 
vurde jedoch, da er kein Schlafgeld hatte, nicht 
aufgenommen. Die Armen blieben im Freien, und 
der Mann erfror sammt drei Kindern. Ein Wickel⸗ 
kind blieb am Leben. 
FGEin treues Thier.) Eine wahrhaft 
rührende Hundegeschichte wird aus Spanien be— 
richtet. In einem Hause der Gemeinde von Al— 
jama lebte eine Familie, bestehend aus Muiter, 
Vater und zwei Kindern. Im Zimmer schlief 
ꝛegelmäßig auch ein junger, großer Neufundländer, 
uind mit Vorliebe legte er sich zu den Füßen des 
Finderbettes nieder, vielleicht in dem Glauben, er 
sei berufen, die zwei jungen Geschöpfe zu hüten. 
Als das Erdbehen auch Alhama heimsuchte, war 
jenes Haus als eines der ersten von den Wirkungen 
der Katastrophe getroffen; es stürzte zusammen und 
die unglücklichen Insassen wurden unter den Trüm— 
nern begraben. Inmitten des großen Lärmes, der 
Schredens. und Schmerzenslaute der Verunglückten 
jelang es dem Hunde mit großer Muhe und nicht 
»hne fich Verwundungen zuzuziehen, aus den 
Trümmern sich zu befreien. Im Munde trug das 
reue Thier — ein Kind, das jungste, das noch 
lebtel. .. Der Neufundländer lief auf die 
Straße, wo et das Kind mit der größten Rorsicht 
niederlegte. Hierauf sprang er eiligst nach dem 
‚ertrümmerten Hause zurück: hier winselte er un⸗ 
aufhörlich auf den Trümmern, spürte und scharrte 
lräftigft mit den Pfoten in den Schutthaufen, bis 
er endlich nach langem, mühevollem Suchen auch 
das zweite Kind fand, welches aber bereits todt 
var. Obwohl selbst am Kopfe und an den Füßen 
chwer verletzt und ganz erschöpft, versuchte das 
treue Thier noch einmal, in den Trümmechaufen 
einzudringen, aber es kehrte nicht mehr wieder. 
Als man die Ruinen des Hauses wegräumte, fand 
man seinen Cadaver. 
xüür die Redaktion deramworiis F.xX. Denmer