Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Nerzweiler, 5. Dez. Der Feldhüter 
Jung von Esweiler, dessen Tochter bekanntlich 
durch Zusammenbrechen einer Waschküche im Hinz⸗ 
weiler Pfarrhofe ums Leben kam, wird gegen die 
ev. Kirchengemeinde Hinzweiler Entschädigungsklage 
erheben. 
— Landau, 5. Dez. Als Resultat der 
Volkszählung ergiebt fich eine Bevölkerungszahl 
von 9535, gegen 8749 im Jahre 1880, mithin 
eine Zunahme von 786 Seelen. 
— Bergzabern. Auf dem Windhof hätte 
vor einigen Tagen leicht ein großes Unglück 
entstehen können. Nachdem nämlich die Familie 
des Wirthes Unmüßig Nachmittags in der Küche 
ihren Kaffe eingenommen hatte und kaum einige 
Minuten im Wohnzimmer war, that es einen ge⸗ 
waltigen Krach, daß das ganze Haus zitterte. Die 
Küche war mit Allem, was sich darinnen befand, 
plötzlich in den Keller hinabgestürzt. Dieselbe 
wurde erst vor vier Jahren neu gemacht und das 
eiserne Gebälk wurde, statt es in die äußere Um— 
fassungsmauer gehen zu lassen, auf halbfaules 
Nebengebälk gelegt. Offenbar eine große Unvor⸗ 
sichtigkeit und großer Leichtsinn seitens des betr. 
Maurers. (T. f. d. S.) 
— Speyer, 5. Dez. Das Resjultat der 
—A 
8122 weibliche Personen. Abwesend 148. 
Summa 15,522 Civilpersonen, wozu noch etwa 
350 Militärpersonen kommen. 1880: 15,589. 
Zunahme 283 Seelen. 
Vermischtes. 
FSaarlouis, 5. Dez. Ein Metzgergeselle 
aus Fraulautern, welcher seit Samstag vermißt 
wurde, ist heute Morgen, laut dem „Sl. J.“, in 
der Saar, nahe der Gasanstalt aufgefunden worden. 
F Von der Sauer, 3. Dez. Der Salm⸗ 
fang in der Sauer war bis in die letzten Tage 
lohnender als in den Vorjahren, denn es wurden, 
namentlich so lange das Wasser klar war, viele 
Salme mit Netzen oder auf den Wehren oder mit 
der Gabel gefangen. An der oberen Saar stach, 
nach der „Tr. Ztg.“, sogar ein Mann in einer 
einzigen Nacht 14 Salme mit der Gabel. Auch 
von der Brücke zu Ettelbrück aus wurden am Tage 
nicht wenige Salme mit herabgeschlenderten Har 
punen gefangen. Diese Harpunen bestehen aus 4 
Zinken, welche Widerhaken haben. Am Tage schießen 
die Salme in dem klaren Wasser über 
den Kiesgrund, und es gehört, eine nicht ge— 
ringe Geschicklichkeit dazu, den Fisch aus einer 
groͤßeren Distanz zu harpunieren. Dagegen ist es 
ein Leichtes, den Salm des Nachts mit Gabeln zu 
stechen. 
Nach dem Todesverzeichniß zum nächstjäh—⸗ 
rigen „Direktorium“ hat die Diözese Trier seit 
dem 1. Dezember des verflossenen Jahres 18 
Priester durch den Tod verloren, von denen der 
älteste 90, der jüngste 31 Jahre zählte. Vier 
hatten das 80. Lebensjahr überschritten und gleich— 
falls vier ihr goldenes Priesterjubiläum erlebt. 
Das Durchschnittsalter der Gestorbenen stellte sich 
auf 64 Jahre. 
F* Mannheim. Die Volkszählung hat die 
Zahl von 61,370 Einwohnern ergeben, gegen 1880, 
woselbst dieselbe anf 53,465 sich bezifferte, also 
eine Zunahme von 7905 Einwohnern. — Karls— 
ruhe zählt 56,686 Einwohner, mit Mühlburg 
60,750. 
FObercassel, 2. Dez. Diesen Morgen 
wurde in der Nähe von Plittersdorf im Rheine 
eine männliche Leiche aufgefischt. Bei derselben 
fand sich dem „K. Tgbl.“ zufolge oberhalb der 
Nase ein tiefer Schnitt vor. An einem Finger, 
an welchem etwa der Ring gefteckt haben mag, 
trug dieselbe ebenfalls Wunden; die Taschenuhr 
fand sich nicht mehr vor, so daß man wohl nicht 
zu weit zu greifen braucht, um auf ein schweres 
Verbrechen zu schließen. Wie verlautet, soll der 
Todte aus Köln sein. Sicheres hierüber läßt sich 
edoch bis jetzt nicht feststellen. 
fFFinstingen, 5. Dezember. Im Gemeinde⸗ 
hause von D., einem nahe bei Finstingen liegenden 
Dorfe, hatte eine Trauung stattgefunden, wie sie 
selten vorkommen dürfte. Nachdem die Ehegatten 
M. von Finstingen lange und friedlich mit ein— 
ander gelebt und 5 Kinder erzeugt hatten, benutzten 
sie im Jahre 1880 das Ehescheidungsgesetz, um 
sich zu trennen. Der Mann ging nach Amerika 
und kehrte nach vielen Enttäuschungen im Früh— 
linge 1885 aus der neuen Welt zurück, suchte sich 
der von ihm verlassenen Familie wieder zu nähern. 
machte seiner früheren Frau in aller Form den 
Hof, bot ihr seie Hand an, wurde angenommen 
und feierte am 26. November die Hochzeit. 
F Aachen,. 2. Dez. In einem Gewölde des 
nus der Römerzeit sftammenden Grauusthurmes am 
Rbthhause, hat der städtische Archivar, Dr. Pick, 
dier Karren voll Urkunden aufgefunden, von denen 
500 aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert her⸗ 
rühren. 
F Münster, 2. Dez. Eine hübsche Ueber- 
raschung wurde einer hiesigen Dame bereitet. Die⸗ 
selbe hatte längere Zeit ein Kieid nicht gebraucht, 
das mit einer eingehefteten Tournüre versehen war. 
Als sie es dieser Tage hervorholte und anzog, ließ 
ich plötzlich, wie das „K. Tgbl.“ berichtet, ein 
)erdächtiges Rascheln an der Hinterseite der Dame 
vahrnehmen, und gleich darauf erschien unter dem 
Zleide her eine kräftige Maus. Manche Dame 
väre vor Schreck ohnmächtig geworden, die uusrige 
var glücklicher Weise resoluter Natur; rasch ent⸗ 
chlossen, zog sie das Kleid aus und sah, daß in 
»er Tournüre ein rundes Loch befindlich war. Bei 
riäherem Nachsuchen kam ein Mäusenest mit sieben 
ungen Maufen zu Tage, die grausamer Weise im 
Wasser ihren Tod fanden. 
fHildesheim, 1. Dez. In dem einige 
Stuaden von hier entfernten kleinen Stadtchen 
Sarstedt hat sich am vergangenen Sonntag ein 
entsetzlichss Familiendrama abgespielt. Der 25 
Jahre alte Cand. phil. Stolle lebte mit seinem, 
nur um einige Jahre älteren Stiefvater, dem Gast 
wirth Prigge, schon seit längerer Zeit im größten 
Anfrieden, welcher sich schließlich bei Stolle bis 
zum unversöhnlichsten Haß gesteigert hatte, und so 
veit ging, daß er beschloß, seinen Stiefvater bei 
erster bester Gelegenheit zu tödten. Stolle, welcher 
zur Zeit eine Stelle als Hauslehrer in Frankfurt 
1. M. bekleidet, war zum Besuch im elterlichen 
dause anwesend und führte einen Revolber und 
ein Dolchmesser bei sich. Am letzten Sonntag 
Vormittag entstand wieder Streit zwischen ihm 
ind seinem Stiefvater, wobei ersterer den Revolver 
'og und den entfliehenden Stiefbvater mit Revoloer⸗ 
chüssen verfolgte und auf der Straße mit seinem 
Dolchmesser niederstieß. Noch am Sonntag wurde 
»er Mörder, welcher über die grauenhaste That 
nicht die geringste Reue zeigte, verhaftet. 
f(GGefundene Gegenstände.) Aus 
Tübingen, vom J1. Dezember wird geschrieben: 
Bestern in nächtlicher Stunde bot sich dem ehrbaren 
nach Hause wandernden Philister der seltsame An⸗ 
»lick dar, wie eine Anzahl Studenten einen 
Leiterwagen von der größten Sorte im Schweiße 
hres Angesichts die steile Straße hinaufschleppte. 
Betreulich lieferten sie ihn der Polizeibehörde aus, 
nit der biederen Versicherung, denselben gefunden 
zu haben; sie seien ehrliche Leute und verlangten 
teinen Finderlohn. 
fF Ingolstadt, 8. Dez. EGcelbstmocd.) 
Bestern Abends 10 Uhr entleibte fich ein Zahl— 
neister des 10. Inf.“Reg. durch Oeffnen der Puls⸗ 
idern im Bade. 
fKurpfuscherei in Bayern. Nach 
den vom Hofrath Dr. Braun in München festge— 
tellten Ergebnissen der Erhebungen über die Auͤs— 
ibung der Heilkunde durch nicht apprebirte Per—⸗ 
onen für das Jahr 1884 betrug die Gesammtzahl 
erartiger Personen am Schlusse des Jahres 1856. 
Sie ist um 129 geringer als am Schlusse des 
—DDD 
der Periode 13879 - 1883. Das Pfuschpersonal 
ietzt sich zusammen aus 1006 Männern, 350 
Weibern. Entschieden mindern sich die auswärts 
domicilirenden Pfuscher. Dem Stande und Berufe 
nach sind 2 Kategorien zu unterscheiden. Zur 
l. Kategorie gehören solche, welche zwar zu den 
geprüften Medizinalpersonen gehörend, die ihnen 
zustehenden Befugnisse beständig überschritten, also 
Apotheker, Bader, Hebammen, zur 2. solche, welche 
eine Medizinalpersonen sind, sondern verschiedenen 
Jerufsarten angehörigen, also ungeschulte Pfuscher. 
das niederärztliche pfuschende Personal hat im Jahre 
1883 wieder zugenommen. Eine anerkennenswerthe 
ind erfolgreiche Einwirkung von Seite der kirch⸗ 
ichen Oberbehörden ist besonders in Unterfranken 
»on Erfolg gewesen. Die Ausübung der gesamm— 
en Heilkunde durch nicht approbirte Personen hat 
m Jahre 1884 wieder zugenommen, und betrug 
101 Personen gegen 359 im Vorjahre. Dagegen 
hat die Zubereitung und der Verkauf von Arznei⸗ 
nitteln beträchtlich abgenommen. (GBekanntlich 
avon herrührend, daß eine große Zahl von Pfuschern 
»weilig mit Geldstrafen belegt wurde.) Aug den 
mtsärztlichen Berichten geht unzweifelhaft hervor 
zaß sich das Pfuscherthum imdAllgemeinen eh 
nindert, daß diese Verminderung im Zusammen. 
jange steht mit dem Umstande, daß tüchtige junge 
Aerzte zur Praxis gelangen, daß die jüngere ärzi. 
iche Generation namenilich mit der Chirurgie und 
Beburtshilfe vertraut ist. Aus den Berichten gehl 
erner hervor, daß bei Wohlhabenheit der Bevolke 
rung die Zahl der Aerzte eine größere, die der 
Pfuscher eine geringere. daß bei Armuth der Be 
vohner die Zahl der Aerzte eine geringere, die der 
Pfuscher eine größere is.. 
tNürnberg, 2. Dez. Die Schlußabrech⸗ 
aung der internationalen Metallarheiten · Ausstellung 
ergibt ein Defizit; es müssen daher die Zeichnet 
des auf 105,000 Mt. sich belaufenden Garantie 
'onds in Anspruch genommen werden. Der Pro· 
sentsaz ihrer Inanspruchnahme hängt von dem 
Erträgnisse der am 7. Januar stattfindenden Zieh⸗ 
ing der Ausstellungs⸗Lotterie ab. 
f Nürnberg, 7. Dez. Das fünfzigjährige 
Jubilaum der Rürnberg-Fürther Ludwigs. 
»ahjn wird unter der Betheiligung der königlichen, 
tädtischen Behörden und zahlreicher Delegirten aus. 
värtiger Eisenbahnen heute begangen. — Vor dem 
siesigen Ludwigsbahnhof findet die Grundsteinlegung 
zu einem neuen monumentalen Kunstbruunen um 
in Fuͤrth zu einem neuen Bahnhofsgebäude statt. 
F Eine fürchterliche Mordthat ist in Char— 
ottenburg entdeckt worden. Vor 13 Monaten 
verschwand dort plötzlich der Maurer Marunge und 
»ald darauf verhaftete die Polizei dessen Ehefrau 
und einen Sohn, weil sie Grund zur Annnahme 
hatten, Marunge sei von ihnen ermordet und im 
Hrünewald verscharrt worden. Da aber die da— 
naligen Nachgrabungen und die Untersuchung er— 
olglos bliehen. wurden die Verhafteten entlassen. 
Jetzt hat ein Pflegesohn des Marunge, der für sein 
Schweigen vergeblich Geld gefordert hatte und ohne 
veitere Lebensmittel war, vom Hunger getrieben, 
»ei der Behörde den Thatbestand aufgedeckt. Dem⸗ 
intsprechend fand ein Kriminalkommissar in dem 
in das Schlafzimmer angrenzenden Hauskeller die 
deiche in zusammengekauerter Stellung unter der 
ẽrde verscharri. Es scheint kaum mehr einem 
zweifel zu unterliegen, daß die Ehefraus und die 
Söhne den Mord begangen haben. 
F Ein wichtige Frage, und zwar die Frage: 
von welchem Zeitpunkt an unterliegen Prolonga— 
ionen von Mieths-Verträgen der Stempelpflicht! 
zeschäftigte heute die erste Strafkammer des Land— 
gerichts Berlinn 1 aus Anlaß einer gegen den 
Kentier Ignaz Leipziger und den Restaurateur 
Fyrill Langlet stattgehabten Verhandlung. Herr 
ranglet miethete von Herrn Leipziger die Parierre⸗ 
äume des dem Letzieren gehörigen Hauses Unter 
»en Linden 2 für die Zeit vom 1. Oktober 1880 
zis zum 1. Oktober 1888. In dem Miethsver⸗ 
rag wurde die Bestimmung aufgenommen, daß, 
alls der Kontrakt am 1. Oktober 1885 von keiner 
Zeite gekündigt werde, derselbe auf fünf weitere 
Fahre zu gelten habe. Der 1. Oktober 1884 war 
jerangekommen, eine Kündigung aber von keinem 
der beiden Kontrahenten erfolgt, der Vertrag war 
aher stillschweigend auf fernere fünf Jahre ge—⸗ 
chlossen. Die Kontrahenten haben aber den pro⸗ 
ongirten Vertrag erst im September 1884 mit 
den entsprechenden Stempeln versehen. Die Steuer⸗ 
behörde legte ihnen hierauf ein Strafmandat auf, 
weil sie der Ansicht war, daß der neue Vertrag 
bereits vom 1. Oktober 1884 an stempelpflichtig 
var. Die Kontrahenten erhoben jedoch dagegen 
Widerspruch und baten um richterliche Entscheid⸗ 
ing. Im heutigen Termin beantragte der 
Staatsanwalt Oppermann gegen die Ange—⸗ 
lagten eine Geldstrafe von 1060 Mk. Der 
Vertheidiger Justizrath Leonhard plaidirte indeß 
auf Freisprechung seiner Klienten und führte hierbei 
anus, daß eine Verurtheilung gegen das Grundprinzip 
des Stempelgesetzes verstoßen würde. Nicht vom 
Zeitpunkt der stillschweigenden Vereinbarung, son⸗ 
vern von dem der tharsächlichen Prolongation des 
Vertrages, also vom 1. Oktober 1885 an, unter⸗ 
liege der neue Vertrag der Stempelpflicht. Der 
Berichtshof schloß sich diesen Ausführungen vollin⸗ 
zaltlich an und sprach die Angeklagten frei. 
F Berlin, 5. Dez. Die Einwohnerzahl 
Berlins beträgt nach der Volkszählung 1. 316,882 
—A