Full text: St. Ingberter Anzeiger

ist ja dieses in unseren einheimischen Geschäften 
der Fall. Man sehe sich nur einmal bei den In⸗ 
habern derselben um und der Beweis wird sich 
dann wohl finden. Der Lokal⸗Patriotismus, 
der die Einwohnerschaft in erster Linie 
bei den Einkäufen, besonders zur Weihnachts 
zeit, die Geschüfte am Orte selbst berücksichtigen 
läßt ist also gewiß begründet. Die gemeinsamen 
Interessen der gesammten Einwohnerschaft machen 
es aber geradezu zur Pflicht, wie wir ja schon 
angedeutet haben, zuecst die Mitbürger zu berück 
fichtigen und das Geld nicht auswärtigen Lieferanten 
zukommen zu lassen. Wird dieses zum Prinzip bei 
Allen, dann werden die guten Früchte nicht 
ausbleiben. Wer also Weihnachts⸗-Einkäufe zu 
machen hat, der gehe an den hiesigen Läden nicht 
borüber, der zeige seinen Lokal Patriotismus, welcher 
gebieterisch mahnt: „Kauft am Platze!“ 
Zweibrücken, 8. Dez. (Schwurgericht.) Ver⸗ 
handlung gegen Friedr. Wil de aus Neustadt, wegen 
Meineid. Vertreter der kgl. Staatsbehörde: Hr. 2. 
Staatsanwalt Wagner; Vertheidiger: Hr. Rechtsan⸗ 
walt Rosenberger. Am 26. Juni hatte der Angek aute 
in einer Schöffengerichtssitzunrg als Zeuge auf eine 
Frage des Anwalts Hecht im Zustande unverkenn⸗ 
barer Erregtheit erklärt, daß er sich nicht mehr er⸗ 
innern könne, von wem er seinerzeit den Hund 
gekauft habe, und ferner, daß letzterer seinen Namen 
Schwuchow) schon grhabt habe. 
Die Anklage stellt nun auf, Wilde habe diese 
Angaben wissentlich falsch und sich hiedurch des 
Verbrechens des Meineids schuldig gemacht, da er 
erst seinem Hunde den beregten Namen gegeben 
habe und ohne Zweifel den Namen des Verkäufers, 
mit welchem er öfters sogar korrespondirt, hätte 
angeben können. 
Seitens der heute produzirten Zeugen, insbe⸗ 
sondere durch die Aussagen des Herrn Bürgermeisters 
Mack von Neustadt, wird Wilde als ein hochge— 
schätzter und allenthalben geachteter und angesehener 
Bürger geschildert. den man der Verübung einer 
solchen That, wie die ihm zur Last gelegte, für 
absolut unfähig erachten müsse. Der Angeklagte 
erklärt heute wie auch früher bereits, er habe auf 
die bezügliche Frage von Rechtsanwalt Hecht nur 
geantwortet: „Er hat so geheißen“, womit er 
jedoch nicht habe sagen wollen: „Er hat schon bei 
seinem früheren Besitzer den bereits erwähnten 
Namen erhalten, sondern lediglich: „Er hat bei 
mir einmal früher geheißen, während ich ihn jetzt 
bei seinem ursprünglichen Namen rufe. — Der 
Name des Verkäufers sei ihm in jener Sitzung 
entfallen gewesen und habe er ja gleich nach seinen 
damaligen Angahen erklärt, er könne zu Hause den⸗ 
selben nachsehen, falls man Gewicht darauf lege. 
Den Geschworenen wurden drei Fragen zur 
Beantwortung gestellt und bejahten dieselben die 
dritte auf fahrlässigen Falscheid gerichtete. 
Der Gerichtshof verurtheilte auf Grund dieses 
Spruches hierauf unter Berücksichtigung der Erregt— 
heit des Angeklagten zur Zeit seiner damaligen 
Vernehmung, sowie insbesondere dessen bisherigen 
tadellosen Leumunds denselben, wie gestern bereits 
mitgetheilt, in eine Gefängnißstrafe von drei Monaten. 
— Dreisen, 8. Dez. Der Hollidahof, 
einer der schönsten Güter in der Nordpfalz, ist 
gestern unter Zudrang zahlreicher Liebhaber in der 
Bahnhofrestauration Stauff dahier erst im einzelnen, 
dann im Ganzen zur Versteigerung ausgeboten und 
zur Hälfte Herrn Staatsanwalt Scherrer in Zwei⸗ 
brücken, zur Hälfte den Herten Pfarrer Kemmer 
in Mörzheim, Oekonom Kemmer in Einöd und 
Notar Kemmer in St. Ingbett zugeschlagen worden. 
Besagtes Hofgut besteht aus ewa 100 Morgen 
des besten Acker- und Wiesenfeldes, liegt an der 
Kaiserstraße zwischen Dreisen und Standenbühl, in 
unmittelbarer Nähe der Eisenbahnstation Göllheim⸗ 
Dreisen und hat ausgedehnte Wohn- und Oekono— 
miegebäude, nebst Gemüse:, Obst und Weingarten. 
hier wäre einem oder zwei rationalen Landwirthen 
eine günstige Gelegenheit zu einem vortheilhaften 
Erwerb gegeben. Einer vornehmen Familie böten 
die weiten Räaume des Deene sogar aus⸗ 
reichend Platz zu einem angenehmen Sommeraufent⸗ 
halt. Es wäre schade, wenn das schöne Gut nicht 
zusammenbliebe und zerschiagen würde. Wie ge— 
sagt wird, beabsichtigen die jetzigen Besitzer, es 
wieder im Ganzen abzugeben, wenn sich ihnen 
aünstige Gelegenheit dazu bietet. 
— Der 5. außerordentliche Verbandstag, der 
Pereine für Kreditreform findet am 12. und 13 
a 2 ν— n —6344 MeaAsy. Tun⸗ 
dathien man diesem Institute (Schutz des kaufm. 
stredites) entgegenbringt, beweist die Thatsache, daß 
der Verband zur Zeit aus 124 Vereinen, gegen 
56 im Vorjahre, besteht 
— Speyer, 9. Dez. Der frühere Associe 
einer hiesigen Weinhandlung, Wilhelm Fickeisen, 
welcher wegen eines Verbrechens des 8 176 des 
R.St. G⸗B. nach Amerika geflüchtet, hat sich dort 
erhängt. 
— Frankenthal, 7. Dez. Ein „Ukas“, 
velcher jüngst dem Bureaupersonal einer hiesigen 
veltbekannten Firma zur Kenntniß gebracht wurde, 
vird hier lebhaft besprochen. In demselben ver— 
angte der Geschäftsinhaber, daß seine Angestellten 
naicht nur ihn, sondern auch seine Bekannten und 
die Herren vrom Gerichte bei eventuellen Begeg⸗ 
iungen auf der Straße zu grüßen haben. Das 
rinverständniß mit dieser sonderbaren ,Verordnung“ 
nußte von dem Personal durch Namensunterschrift 
zekundet werden. Die Beamten der Firma werden 
zut thun, jeden ihnen Unbekannten zu fragen, ob 
r nicht etwa zu den Bekannten des betreffenden 
derrn zählt. 
— 
Bermischtes. 
F Neunkirchen, 9. Dez. Heute Morgen 
unt 5 Uhr wurde das seit mehreren Jahren be— 
tehende Projekt, flüssiges Roheisen von 
den Hochöfen der Herren Gebr. Stumm nach 
dem Stahlwerk zu schaffen, verwirklicht, indem die 
erste Pfanne flüssiges Eisen per Lokomotive unter 
Begleitung der zuständigen Betriebs-Ingenieure nach 
»em Stahlwerk auf dem im Laufe des Sommers 
jebauten und unter der Saarbrücker Chaussee durch⸗ 
ührenden Schienengeleise abging. Ungefähr eine 
Ziertelstunde nahm die Zeit der Abfahrt von den 
—WVVVV 
Anspruch. Wie wir hören, stehen der Projektaus— 
ührung keine wesentlichen Schwierigkeiten mehr 
entgegen, so daß der normale Transportbetrieb in 
iaher Aussicht steht. — Auch die Drahtseilbahn 
des Neunkircher Eisenwerks nach der Grube Dechen⸗ 
deinitz zur Herbeförderung der Kohlen ist seit 
einigen Tagen theilweise im Gange und wird vor⸗ 
aussichtlich die volle Förderung spätestens im letzten 
Viertel dieses Monats stattfinden können. — Die 
für die hiesige neue katholische Kirche bestimmten 
oier Glocken werden nach »heute eingegangener 
Mittheilung am nächsten Freitag— per Bahn hier 
anlangen und dann im Querschiff der neuen Kirche 
ausgestellt werden. Die Glockenweihe findet am 
Zonntag, Nachmittags gegen 2 Uhtr statt, und sind 
die Vorbereitungen zu dieser Feierlichkeit bereits in 
Ungriff genommen. (Saar· u. Bl. Ztg.) 
Am Sonntag hat eine Frau aus Louisen⸗ 
hal, Mutter von vier Kindern, den Tod in der 
Zaar gesucht und gefunden. Von der Fenn 
zus sah man, daß die Unglückliche, auf Haänden 
uind Füßen kriechend, am rechten Ufer sich in den 
jochgeschwollenen Strom fallen ließ, der sie 4 -500 
Schritte weit mit sich forttrieb, bis sie nach ver⸗ 
weifeltem Kampfe in dem nassen Grabe verschwand. 
FGolkszählung.) Dürkheim hat 6110 
Finwohner, Zweibrücken 10,657, Homdurg 4025, 
Annweiler 2802, Frankenthal 10,925, Germers⸗ 
jeim 6132, Edenkoben 5008. Wachenheim 2397. 
sandel 3620. 
Augsburg 65.476, Mannheim 61,370, Karls- 
ruhe 60,750, Kulmbach 6278, Erlangen 15 814 
Fürth 35,320, Darmstadt mit Bessungen 51,998, 
Nainz 58,732, München 260,000, Wurzburg 
55,036, Bayreuth 23,531, Landshut 17868, 
Kosenheim 9246, Freising 9171, Moosburg 8016, 
stothenburg a T. 6804 Leipzig 170,076, Dresden 
245,515, Chemnitz 1101693,. Barmen 102.921. 
Ultona 104,475. 
fF Koln, 8. Dez. Die Gemüsesendungen aus 
Algier und dem südlichen Frankreich haben bereits 
hren Aafang genommen; es trifft schon jetzt täg⸗ 
ich ein mit Gemüse beladener Wagen über Varis 
hier ein. 
fKöln, 9. Dez. Oberbürgermeister Becker 
welcher seit fünf Monaten schwer erkrankt war, ist 
jeute von einem Blutsturz befallen worden und 
nfolge dessen gestorden. 
f Die Kölner Dombauloose dürfen 
auch in den Jahren 1886 mit 1888 in Bayern 
derkauft werden. 
Crefeld, 5. Dez. Mehr als 100 Kin— 
der, welche die Volksschulen an der Fischelner 
dandstraße besuchen und vor einiger Zeit der Re— 
rnceinntion unfteroöorfron urdon find qu Ner A⸗ßsh 
jucht erkrankt. Der Umstand, daß ausnahm 
revaccinirte Kinder an der Gelbsucht erkranmß 
während kein einziges der nicht ein 
stiuder von dieser Krankheit heimgesucht wu 
aßt es unzweifelhaft eascheinen, daß durch w 
Inrsuns die Massenerkrankung hervorgetufen wor 
f. Augsburg, 9. Dez. Der Schreinet 
selle Friedrich Voll wurde wegen Raubuen 
derübt an der Gastwirthin Schwendemann zu 
othurn, heute vom Schwurgerichte zum I 
herurtheilt. — In einer leerstehenden Sann 
dei Zusmarshausen wurde nach bn 
Gewehrfeuer eine höchst gefährliche E inbrenn 
dande durch sieben Gendarmen festgenommen 
FAugsburg, 6. Dez. Die völlig unhe⸗ 
choltene Colporteurswittwe Emma Koch von Kim 
ten, früher in München, welche einen Leihdaus. 
zettel gefälscht hatte, um ihren hungernden indn 
Brod kaufen zu können, wurde gestern vom Schwin 
zericht, nachdem sie nur der Privaturkundensassh 
ing schuldig gespcochen worden, zu sieben Tage 
Befangniß verurtheilt. Die Koch, welche zu⸗ 
Jahre hindurch neben ihren Kindern auch och 
einen kranken Mann zu ernähren gehadt hahe 
drach während der Verhandlung vor Entkräftung 
ohnmächtig zusammen; die Geschworenen verans 
eten unter sich eine Sammlung, deren Erge.mß 
ie dem armen Weibe überreichen ließen. 
F München, 9. Dec. Se. K. H. Herps⸗ 
Zarl Theodor in Bayern wird nach Weihnachin 
eine augenärztliche Praxis in Tegernsee forhsehn 
ind Lönnen Augenleidende von Neujahr an'in 
vortigen Krankenhause wieder Aufnahme finden. 
FPassau, 3. Dez. Gymnasialproseso 
kEhrlich sprang dieser Tage in selbstmörderischa 
Absicht vom Kettensteg aus in die Donau und 
'onnte nur mit vieler Mühe von einigen Mautroser 
halblodt aus den hochgehenden Fluthen gerelte 
werden. 
FBerlin, 7. Dez. Die Wirklichkeit ühe— 
rrifft stets noch die kühnste Phantasie. So ist 
auch wieder bei de Volkszählung gegangn 
So mancher Scherz ist über den Musterhausheh 
des Herrn Karl Feldmann gemacht worden, aber 
die mannigfache Zusammensetzung desselben ist bon 
der Wirklichkeit noch bedeutend überholt wor'en. 
Da finden wir z. B. den Haushalt eines Kauf⸗ 
manns L.; er ist mosaisch. Seine Frau ist katho— 
lisch, die Kinder evangelisch. Seine adelige Köchin— 
ein Fräulein von Z., ist lutherisch, seine schweiza 
Gouvernannte reformirt, seine englische Bonne doch 
iirchlich. 
fF Berhin. Um die anscheinend erkalteid 
Zuneigung ihres Gatten zu erwerben, hatte di 
Frau eines Photographen in Oranienburg do 
kxperiment gemacht, sich ein 14 Tage altes Kind 
aus Berliu zu holen und als ihr eigenes zu unken 
schieben. Der Kniff kam aber ans Tageslicht un 
die hübsche junge Frau erhielt drei Tage Gefängüiß 
FWien, 9. Dez. Gestern Abend sind ur 
der Arlbergbahn, in der Nähe von Bludenz, sjut 
Personenzüge zusammengestoßen. Zwei Schaffue 
hlieben todt, zwei Passagiere sind schwer verlck 
Details fehlen. 
F Paris. 6. Dez. Am 28. Aprild. 
hetrot ein schlecht gekleidetes Individuum das de 
lizeikommissariat auf der Place Bellecour zu Lyn 
and reichte dem Sekretär, Namens Morel, ein m 
zeitsbuch zum Visiren hin. Während Morel om 
dem Inhalte desselben Kenntniß nahm, zog 
unbelannle ein catalonisches Messer aus der Leit 
ind stieß es ihm tief in die Brust. Als goh 
darauf der Polizeikommissär eintrat, hatte der An 
vundete nur noch Zeit, zu sagen: „Es ist al⸗ 
nit mir“, und starb. Gestern stand der Mordn— 
)er Recividist Bossuat vor den Geschworenen vi 
Rhone⸗ Departements. Er gestand cynisch, et hit 
»as elende Gefängniß satt gehabt und einen — 
ühren wollen, um nach der „Nouvelle“ 
Laledonien) zu kommen. Waährend der Haft un 
r ausgebrochen. aber in einem —A 
pieder entdeckt worden. Der Staatsanwalt An 
ard verlangte die Verurtheilung zum Tode, 
Lertheidiger suchte ihn als wahnsinnig datzusteln 
Ddie Geschworenen nahmen milbernde Umstände — 
ind Bofsuat wucde nach seinem Wunsche zu lehn 
änglicher Zwangsarbeit verurtheilt. Als et 
jörte, rieb er sich unter dem Murren des ane 
zigen Publikum und dem Beifall des ihm befte 
zeten Gesindels schmunzelnd die Hände. Zin 
Rn ormurden in Raris670 We