Full text: St. Ingberter Anzeiger

Nom, 7. Febr. Die Anspielung Jakobinis 
bezüglich der Einwirkung Deutschlands zur Ver⸗ 
befserung der Lage des Papstes hat hier einen 
züustigen Eindrud gemacht. 
Für unsere Fortschrittler wird es gewiß von 
Interesse sein, zu erfahren, wie man im Lande der 
Freiheit, Amerika, über ihr Verhalsen der Militär⸗ 
vorlage gegenüber urtheilt. In dieser Beziehung 
sind die Berichte lehrreich, welche die in Portland 
Oregon) erscheinende „Staatszeitung“ über die 
betreffenden Debatten des Reichstags bringt. Wir 
wollen nur die sehr charakteristische Ueberschrift 
hier wiedergeben: „Bismarck wieder auf dem 
Platze in einer kräftigen Rede, worin er den Dumm⸗ 
öpfen im Reichstage den Standpunkt klar macht.“ 
Cafssagnac gegen Boulanger. 
Paul de Cassag nac veröffentlicht in seiner 
Auioritéo“ abermals einen heftigen, gegen den 
riegsminister General Boulanger gerichteten 
Artikel, welcher mit Recht großes Aufsehen hervor⸗ 
ruft. Unter der Ueberschrift: „Démission! demis· 
zion!“ schreibt Cassagnac: 
„Was ist angesichts der entsetzlichen Lage zu 
thun? Waos schon geschehen sein sollte. Was 
ein Ministerium schon gethan haben sollte, wenn 
es nicht mit geringen Ausnahmen aus wahren 
Lumpen, Missethätern und Hochverräthern bestände. 
Mit einem Wort: Die Entlassung des Gene— 
rals Boulanger muß erlangt werden. Es 
ist dies das einzige Heilmittel, wenn es 
überhaupt noch ein solches giebt und es noch 
nicht zu spät ist. Wenn das Ministerium seiner 
pflichten eingedenk wäre, würde es zu dem Gene⸗ 
ral Boulanger sagen: „Gehen Sie, oder sonst 
gehen wir! Aber die Herren denken nicht ans 
Gehen. Die Mehrheit unter ihnen mag nicht den 
General Boulanger, wagt jedoch nicht, ihm den 
Rath zu ertheilen, er solle seine Entlassung nehmen. 
Sie hätten dabei ihr Portefeuille auf's Spiel ge⸗ 
setzt und wollen lieber Frankreich aufs Spie⸗l setzen. 
Darum ist es an uns, die wir unser Vaterland 
leidenschaftlich lieben, zu dem Kriegsminister ohne 
Zorn, ohne Haß und mit der bitteren Traurigkeit. 
welche vielleicet dem Ende vorangeht, zu sprechen: 
General, auch Sie lieben Ihr Land. Wir wissen 
es und achten Sie als einen der Achtenswerthesten. 
Sie träumen von der Größe des Landes, aber Sie 
träumen laut davon. Sie waren unvorsichtig, sehr 
undorfichtig in den überflüssigen Einzelheiten, durch 
die Sie sich mit den dummen Revancheteulern, mit 
der Patriotenliga bloß gestellt haben, in der man 
glaubt, man müsse den Patriotismus ausbrüllen 
Mit Recht oder Unrecht hält Deutschland Sie für 
die Seele der nächsten Repressalien. Ueber Ihren 
Namen erhitzt man sich zur Stunde in Deutschland. 
Wir wissen, dak dies Alles nur ein Vorwand sein 
kann; wir wollen glauben, daß die sich irren, welche 
Ihnen einen fieberhaften Ehrgeiz zuschreiben, daß 
die fich noch mehr irren, welche Ihnen kriegerische 
GBedanken beimessen, während Frankreich nur den 
Frieden will. 
„Aber was Sie auch sagen, was Sie auch 
hun mögen, Sie werden an der herausfordernden 
Bedeutung Ihres Namens nichts ändern. Unter 
solchen Umständen können Sie unmöglich 
24 Stunden länger am Ruder bleiben 
4 Ihr Land Ihretwegen allein dem Kriege preis- 
geden. Sie, der Sie froh für Frankceich in den 
Tod gingen, würden Sie vor dem Opfer Ihrer 
Persönlichkeit zurückbeben, und sollten Sie nicht 
auf der Höhe der Tugend, der wahren Tapferen 
flehen, welche man die Selbstverläugnung h⸗ißt? 
General, nur Ihr Rückritt wird die Lage 
klären. Man wird dann gleich sehen, ob der 
Groll nur Ihnen gilt. Und Ihr freiwilliger Rück⸗ 
tritt wird gezeigt haben, daß wir alles, alles thun 
wollen, was menschenmöglich ist, um den Frieden 
zu erhalten. Wenn sich aber im Gegentheil das 
wiederholen sollte, was sich im Jahre 1870 zu⸗ 
trug, als man behauptete, der Krieg gelte dem 
Kaifer, während er haupisächlich Frankreich galt, 
wenn es sich herausftellt, daß Ihr Name nur ein 
Vorwand zu unehrlichen Klagen war, dann werden 
wir nicht die Letzten sein, die Ihnen zujubeln, wenn 
Sie sich an unsere Spitze stellen, um den Feind 
zurückzudrängen. Statt eines Krieges, den man 
den Ihrigen nennen, den man Ihrer Verblendung 
zuschreiben könnte, hätte man den wabren 
nationalen Krieg, in dem es keine Republi— 
kaner und keine Monarchisten mehr giebt, in dem 
aAlle sich erheben, um zu siegen oder zu sterben unken 
den Falten der dreifarbigen Fahne. 
General, noch ein Wort. Wir haben ohne 
Widerspruch Ihr Kriegsbudget bewilligt. Und doch 
hatten wir Grund zu berechtigtem Grolle gegen 
biejenigen, welche die ruchlosen Gesetze anbahnten, 
die die Söhne Frankreichs des Landes verwiesen. 
Die Söhne Frankreichs, welche jetzt blutige Thränen 
veinen, weil Sie ihnen das kostbarste Gut entrissen 
saben, die Ehre, sich für das Vaterland zu schlagen 
ind zu fallen. Zur gegenwärtigen Stunde steig' 
einer von uns auf die Tribüne, um zu beweisen 
wie gefährlich Sie für das Land geworden sind 
Sie find aber frei, Sie müssen begreifen und han⸗ 
deln! Aber eilen Sie sich, denn wenige Augen⸗ 
hlicke trennen die Stunde, in der man Ihnen auf 
Ihrem Wege zujubeln könnte, von der Stunde, 
da Alle sich anspannen würden, um Sie als einen 
Berräther durch die Straßen zu schleppen. (Str. P.) 
Zof e und pfälzische Nachriuten. 
— Die Direktion der Pfälzischen Eisenbahnen 
macht bekannt, daß am 4. und 5. April d. Is. 
wieder eine Aufnahmeprüfung für den Dienst der 
ßfälzischen Eisenbahnen stattfindet und daß auch 
Mililäranwärter mit Zivilversorgungsschein bis zum 
Alter von 35 Jahren zur Prüfung zugelassen 
werden. Gesuche um Zulassung zu dieser Prüfung 
and längstens bis zum 24. März mit den nöthigen 
Zeugnissen belegt an die Direktion einzusenden. 
— Der Vorstand des deutschen Krieger⸗ 
—XDDD— 
Das Erste ist: Fehle Niemand von Euch am 21 
Februar an der Wahlurne. Das Vaterland ruft, 
Jas Ihr mit Euren Leibern gedect habt und jeder⸗ 
zeit wieder zu decken bereit seid. Schmach über 
den alten Soldaten, der solchem Rufe nicht Folge 
leistet. Entschuloigungen giebt es für ihn nicht. 
Das Zweite ist: Es giebt keine Parteirücksicht, 
kein Parteiinteresse, das Euch veranlassen könnte, 
dei der Wahl oder Stichwahl einem Socialdemo⸗ 
fraten oder einem anderen erklärten Gegner unseres 
Deutschen Reiches und seiner monarchischen Grund— 
agen Eure Stiimme zuzuwenden. Wer Euch das 
Begentheil sagt, ist ein Betrüger, ihm weist mil 
Berachtung den Rücken. Sorge Jeder von uns, 
zaß wir alle nach wie vor offen den Blick erheben 
und freudigen Herzens einstimmen können in den 
alien Kriegsruf: „In Treue fest! Gott schütze 
das Reich! Se. Majestät der Kaiser lebe hoch!“ 
— Kaiserslautern, 6. Februar. Das 
tlir den Neubau der hiesigen kath. Kirche erforder⸗ 
iche Steinmaterial wird aus den Steinbrüchen bei 
dandstuhl und Bruchmühlbach geliefert werden. 
— Von der Oberhaardt, 5. Februar. 
Bei uns herrscht soeben im Weingeschäfte wieder 
was mehr Leoen, als dies bisber der Fall war. 
Bon größeren Häusern mit Aufträgen bedachte 
Weinkommissionäre besuchen fast tagtäglich unsere 
Hhegend und wurden in lehzterer Zert auch ganz 
gennenswerthe Verkäufe perfekt. Fur 1886er Weine 
zus Ortschaften unterhalb Landau wie Wehher, 
Burrweiler, Gleiswiler, Roth ꝛc. wurden pro 1000 
duer 3000 390 Mark bezahlt. Die Preise fin 
Beine desselben Jahrganges aus Ortschaften ober— 
jalb Landau wie Klingenmünster, Pleisweiler ⁊tc. 
ewegten sich zwischen 280—310 Mk. In Ham— 
hach, St. Martin und Maikammer wurden da⸗ 
Fuder 18867 mit 400 -500 Mk. verkauft. Mehr 
ioch sind 1885er verlangt und zu Preisen von 
100 — 500 Mark und darüber bezahlt. Am unteren 
daardtgebirge in den Gemeinden Kallsladt und Ung— 
ein werden 1886er gerne gekauft und dafür 700 
»is 900 Mark biwilligt. Doch ist in letztgenannten 
Hemeinden noch sehr wenig 1886er zu finden, da 
hekanntlich die Winzer schon während des Herbstes 
zu hohen Preisen absetzen konnten. 
Am 1Maärz' d. Is. wird in der Kreis— 
Arr?en⸗ und Pflege⸗ Anstalt zu Frankenthal 
in ð Monate dauernder Unterrichtskurs für Bader⸗ 
zehilfen eröffnet werden. Diejenigen, welche an 
— 2 
Tage vorher bei dem kgl. Direktor der genannten 
Anflalt Dr Zöller anzumelden und hierbei das 
Zeugniß über bestandene Vorprüfung nach 817 
Äbs. 1 der Allerhöchsten Verordnung vom 24 
Juni 1884 die Verhältnisse der Bader betr., vor⸗ 
sulegen. Bewerber um einen Freiplatz in der 
Anstalt während des Unterrichtskurses haben ihre 
Resuche längstens bis zum 20. Februar nächsthin 
ei der kal Verwaltung der Kreis-Krankene und 
ßflege⸗Anstalt einzureichen und demselben ein hürger— 
meisteramtliches FJeugniß über ihre Bedürftigken 
anzuschließen. 
fEhrenzeichen für 25jähriger 
Feuerwehrdise ust) wurden im Namen de 
Rönigs verliehen an die Herren: O-konom 9 
Buchheit, Bäcker Frz. Danner, Baumeister Leonh 
Friedrich, Kirchendiener J. Jung, Handelsman— 
Mos. Levy. Kaufmann Karl Schramm, sämmtlich 
in Homburg. Rentner D. Baab in Dürkheim, Ver— 
einsdiener Jakt. Deutsch, Maurer L. Gerber, Kräme— 
Pet. Hambrecht, die Winzer: Joh. Hauer und 
Martin Karst Schuhmacher Gg. Nölker. Zeugschmie 
Conr. Reitz, sämmtliche in Dürkheim, Maurermeiste 
Thom, Siauder in Deidesheim, Maurermeiste 
vat. Merler in Gersheim. B⸗N. Zweihrücken. 
Vermischtes. 
Trier, 4. Februar. Heute Morgen hrat 
im Mutterhaus Feuer aus. Dosselbe zerstörte da 
Vorderhaus. Die Rettung und sorgsame Unterbrin⸗ 
ung der Kranken, die sich natürlich in großer Auf 
rꝛegung befanden, war das erste, was man vornahn 
Die gewaltigen Leinenvorräthe und das übrige In 
»entar, das im oberen Stockwerke untergebrath 
var, konnte gerettet werden. Unglücksfälle fim 
keine vorgekommen. Das Gebäude ist gut verfichen 
— Schlimme Tage. Das Jahr 188 
zringt zwei Sonnen⸗ und zwei Mond-⸗Finsternif 
jon denen die erste Mond⸗Finsterniß heute Dienstag 
3. Feb. stattfand. Dieselbe war eine theilweise 
es detrug die Verfinsterung 0,48 der Mondscheibe 
Sie begann Vormittags 10 Uhr und endete B 
Ahr 17 Min. Mittags, war also in Europa nich 
ichtbar, wohl aber konnte sie im großen Ozean, n 
Australien und an der Ostküste Afiens beobacht 
werden. Wir hätten demnach kaum Anlaß, derselbe 
irgend welche Beachtung zu schenken, wenn nich 
der durch seine Erddebenprophezeiungen allbekannt 
Rt. Falb für diese Tage des Himmels Zeugniß an 
gerusen hätte, für seine Fluth⸗Attraktionstheorie 
Rtach dieser Theorie sollen zwischen dem —A 
Februar durch Zusammentreffen wichtiger Fluth 
faktoren. als welche er ganz besonders Sonnen 
und Mondfinsternisse, sowie Erdnähe des Monde 
bezeichnet. von gewaltigen athmosphärischen Stor 
ungen, Erdbeben, Gasexplofionen in Kohlengrube— 
ec, heimgesucht werden. In einem vor vier Mo 
naten hierüber öffentlich gehaltenen Vortrage be 
schwor er für diese Tage die finsteren Mächte d 
Natur und machte speziell darauf aufmerksam, dan 
an verschiedenen Orten Mitteleuropa's Gewitter 
erscheinungen stattfinden werden oder doch die Ten 
denz hiezu vorhanden sei. Seldstverständlich müss 
wir uns auch noch auf übrige meteorische Er 
zesse, wie Regengüsse oder Schneeftürme — je na 
der Lage äines Ortes — heftige Orkane gefah 
machen. Und all diese Schrecknisse werden dan 
am 20. Febhruar, wo eine bei uns unsichtbar 
Sonnenfinsternißz stattfindet, in zweiter Auflag 
wiederkehren, dorausgesetzt, daß nicht die Netu 
kräfte die Anerkennung der verkündeten Lehre vrr 
weigern. 
pWorms., 4. Febr. Ein hiefiger Frucht 
zändler ist seit einigen Tagen mit Hinterlassun 
bedeutender Schulden von hier abgereist; demselbe 
oll.n verschiedene hiesige Private, sowie Bar 
Jeschäfte. darunter auch ein Mannheimer Hau 
dachweinen. Der Mann ist das Opfer verfehli⸗ 
Börsenspekulationen geworden. (W. 3) 
Frankfurt a. M., 3. Febr. Nen 
Forschungen in England haben die erste Enisie 
ing des Menschengeschlechts wieder um ein hübsch 
Stück zurückverlegt, nämlich bis vor den Begin 
der Eiszeit. Dr. Hicks hatte bereits 1884 
einigen Höhlen im nördlichen Wales interessant 
eberreste gefunden, die ihm älter zu sein schiene 
As die Eiszeit, erregte aber damit den Wide 
spruch nicht nur aller Frommen, sondern auch enig 
hedeutenden Geologen. Die englische Gesellscho 
fur Forderung der Wissenschaft bewilligte ib 
daraufhin die Mittel zu größeren Ausgrabung 
und diese haben ihn in den Stand gesetzt, auf d 
vorjährigen Versammlung der Gesellschaft ein sor 
fäluͤg bearbeitetes Stück Feuerstein vorzulegen, w 
ches in der Grotte von Cas Gwyn in zwanz 
Fuß Tiefe gefunden worden war, die Sandschid 
Delher es entdammte, wurde von einer 20 9 
hobcn Schicht mit Knochen pleistocäner Thiere 
deat und' über dieser lagerten die gewöhnlic 
Sedimente der Eiszeit. Der Mensch hat alse 
dem rauhen Nordwales schon existirt, ehe die gt 
Senkung eintrat, welche die Eiszeit einleitete n