Full text: St. Ingberter Anzeiger

Minimum dessen, was Deutschland braucht, um 
ich im Angriffsfalle seiner Haut wehren zu können! 
Zommentar überflüssig!“ 
Ueber den Entschluß der Pforte, das Mauser⸗ 
Bewehr einzuführen, bemerkt die „N. A. Z.“: 
„Die Raschheit, mit welcher dieser Entschluß, 
ungeachtet der vielen, bis in die jüngste Zeit hin⸗ 
ein bestandenen Bedenken gefaßt wurde, wird in 
den politischen Kreisen Konstantinopels mit den 
Meldungen in Zusammenhang gebracht, welche über 
die allgemeine Lage in Europa und die allseitigen 
Rüstungen der Staaten einliefen. Man besorgt in 
fürtischen Kreisen von der Eventualität einer Zu⸗ 
pitzung des Verhältnisses zwischen Deutschland und 
Frankreich unberechenbare Rückwirkungen auf den 
Drient und ist entschlossen, sich durch Verdoppelung 
er militärischen Vorkehrungen gegen die von dieser 
Zeite her drohende Gefahr vorzusehen“. 
Denutsches Reich. 
Muͤnchen, 10. Februar. Die „Neuesten 
Nach richten“ melden aus Rom: Es wird uns 
von hochgeschätzter Seite die Nachricht vermittelt, 
vaß der Papst durch Widerwilligkeit der Centrums⸗ 
ührer auf's schmerzlichste bewegt wurde; er sieht 
das Fehlschlagen seiner Vorstellung geradezu als 
ein Zeichen für den Verfall seines Einflusses an. 
Ausland. 
Paris, 8. Febr. Der Konkordatsausschuß 
er Deputirtenkammer hat sich mit 11 gegen 9 
— die Trennung von Staat und Kirche 
»nklärt. 
ELokale und pfäl⸗zische Nach ricmten. 
— Aus der Pfalz. Die Reservisten des 
Jahrgangs 1879, welche zur Landwehr, und die 
Wehrleute des Jahres 1874, welche zum Land⸗ 
turm bei der diesjährigen Frühjahrs⸗Controlver⸗ 
ammlung übertreten. haben jetzt die Mil itärpässe 
vei dem Bezirksfeldwebel abzugeben. 
— Um das Wahlrecht der Lehrer nicht zu be⸗ 
rinträchtigen, wird am Tage der Reichstagswahl 
— 21. Februar — der Unierricht an sämmtlichen 
Schulen und Lehranstalten des Königreiches ausge⸗ 
jetzt werden. W 
— Pirmasens, O9. Febr. Herr Gastwirth 
und Poststallhalter Friedrich Schneider, Besitzer des 
„Hotel Lamm,“ ist heute nach kurzem aber schwerem 
deiden an einer Lungenentzündung verschieden 
— Rohrbach (bei Landau). Vor einigen 
Tagen kam hier eine Zigeunerin zu einer Frau, deren 
A5 jührige Tochter schon vier Jahre krank darnieder⸗ 
siegt und versprach ihr, sie wolle ihre Tochter wie 
der gesund machen, denn ihr Vater sei Doktor und 
hre Mutter Hebamme gewesen und deren Bücher 
habe fie im Besitz; sie habe in anderen Orten 
cchon viele solche Kranken gesund gemacht und ver⸗ 
iange für die Heilung n ur 200 Mk. Die leicht⸗ 
gläubige Frau gab hierauf der Zigeunerin, da 
fie nicht mehr Geld hatte, 27 Mk., ein goldenes 
streuzchen, einen Fingerring, ein Hemd, Strümpfe, 
wei Sadchen- Bettfedern und einen Käse. Dar⸗ 
nach zog die ganze Zigeunerbande mit ihren sieben 
Wagen weiter nach Winden, wo sie Ahends in 
der Brauerei Adel zechten und es sich gut schmecken 
üeßen. Unterdessen erkundigte sich die beschwindelte 
Frau bei den Leuten, welche die Zige unerin ge⸗ 
heilt haben wollte, und erfuhr zu ihrem Schrecken, 
baß nichts Wahres an der Sache sei. Sie eilte 
den Zigeunern nach, erhielt aber nur noch 7 Mk. 
und das Kreuzchen wieder zurück und als am an⸗ 
dern Tag die Gendarmerie von Kandel die Sache 
untersuchte, fand sich von den der Frau abgeschwin⸗ 
delten Gegenständen nichts mehr vor und die be⸗ 
reffende Zigeunerin selbst war verschwunden. Es 
bedurfte dann noch großer Anstrengungen seitens 
der Polizei, bis sich die Bande bewegen ließ, in 
der Richtung nach Bergzabern weiterzuziehen. 
— Neustadt, 9. Febr. Wagnermeister Lauer, 
dessen Sohn bei Fuhrwerkbesitzer Valentin Fischer 
in Arbeit steht, wollte gestern Abend in einer jäh—⸗ 
‚ornigen Aufwallung darüber, daß derselbe nicht 
hei ihm arbeitet, seinen Sohn erschießen. Er lud 
ine Doppelpistole und drang in die Fischer'sche 
Wohnung, wo er aber statt seinen Sohn der Ehe⸗ 
frau Fischer in's Knie und Fischer selbst in den 
Oberschenkel schoß. Lauer wurde sofort verhaftet. 
N. Zig) 
2Speier, 9. Febr. An die hiesigen Back⸗ 
tein⸗Fabrikanten ist von Metz aus die Anfrage 
zelangt, welche Ouantitäten von Bachsteinen sie 
äglich zu liefern im Stande seien. Es sind 
nuch bereits beträchtliche Lieferungen abgeschlossen 
vorden. 27 
— Grünstadt, 7. Februar. Ein Colpor⸗ 
eur Namens Nikolaus v. Recum aus Hettenheim 
»er sich mit dem Betrieb eines der berüchtigten 
Sensatonsromane über König Ludwig P. befaßt, 
vurde heute wegen einer in einem hiefigen Wirths⸗ 
jause begangenen Beleidigung des deutschen Kaisers 
und des Fürsten Bismarck verhastet. 
VBVermißschtes. 
37 Aus Hagenau, 8. Febr., wird der St. 
ß3. berichtet: In unserer Stadt herrscht seit einigen 
Tagen ein außerordentliches militärisches Treiben. 
Stundlich kommen Truppen an und gehen solche ab. 
Am 6. d. M haben nahezu 8000 Mann unseren 
tgahnhof durchfahren und außerdem fanden noch 
ahlreiche Einquartierungen stalt. Gestern zogen 
unabsehbare Reihen von Reservisten, noch nicht 
ingekleidet, lachend und scherzend dem Bahnhofe 
zu. Es waren etwa 2000 Altelsäffer, junge 
Männer] aus der Umgegend, ein erfreulicher An⸗ 
olick. 
b Iy Straßburg sollen sechs neue Proviant⸗ 
nagazine errichtet, das artilleristische Material ver⸗ 
nehrt und die Autzenforts in ihren Kasemattirungen 
zerart verstärkt werden, daß sie auch den stärksten 
neuen Explosivgeschossen widerstehen können. 
7 Strafßburg, 10. Febr. Die Kriegs⸗ 
urcht war bier dieser Tage so groß, daß auf der 
Sparkasse nicht weniger als 120000 Mt. gekündigt 
und erhoben worden sind. 
Mörchingen, 9. Febr. Vor ca. 10 
Jabren wurden infolge der Bankerotte der zu 
Mörchingen amtirenden Notare Bastien und Ganst 
inzählige Familien ruinirt. Vor Kurzem noch 
zersetzte das Fallit Gandar zu Remilly alle Ge⸗ 
nüther in Aufregung, denn es handelte sich um 
Millionen, die zu Grunde gegangen; heute nun 
ildel die Flucht des Herrn Pougnet zu Landorf 
zas allgemeine Tagesgespräch. Verflossenen Sonn⸗ 
ag mit dem 3 Uqhr Zug verließ der letzte Sprosse 
der Familie Pougent seine Heimath, um nie wie⸗ 
der zurückzukehren. Die Familie Pougnet, eine 
er angesehensten und reichsten im Lande, war seit 
zielen Jahren schon an großen industriellen Unter 
iehmungen betheiligt, bei denen sie wohl viel ver— 
oren haben mag und ist dieses in Verbindung 
nit einem freigebigen Wesen und dem Concurs 
dandar (Herr P. soll hierbei 600, 000 Fres. 
erloren haben) wohl die Folge des eigenen Unter⸗ 
janges. Unmöglich konnte Pongnet seinen Ver⸗ 
yflichtungen nachkommen, und Zeuge der Auction 
vollte er nicht sein, so raffte er die Reste seiner 
dabe zusammen — 100 Miark — verkaufte noch 
jor der Flucht sein Mobiliar an Dritte, um die 
ahlreichen kleinen Giäubiger, die bei ihm Geld 
sinterlegt, womöglich vor Verlust zu schützen und 
2fort war er.“ Fort ist aber auch das Vertrauen 
der Bevölkerung zu den Geldhleuten, bemerkt 
pierzu die F. Z“, und die nächste Folge davon 
ȟrfte eine nicht unerhebliche Steigerung im Preist 
des Landes sein; denn Aeder und Wiesen sagen 
die Bauern, können doch nicht so leicht mitgenom⸗ 
men werden. 
F Mannheim, 7. Februar. Das Reichs- 
zericht hat in seiner gestrigen Sitzung in der Ehe— 
heidungsklage des Banquiers Koester das Urtheil 
des Oberlandesgerichts in Karlsruhe, wonach die 
dinder der Mutier zugesprochen wurden, aufgehoben 
ind dieselben nunmehr dem Vater zugesprochen 
.Munchen. Eine Dame, die ihre Tour ˖ 
rüre mit einem harten Gegenstande ausgepolstert 
gatte, stieß in einem Friseurladen so energisch an 
inen eisernen Kleiderssänder, daß dieser umstürzte. 
inem vor dem Spiegel sitzenden Herrn auf das 
ben frisch gebrannte Lockenhaar fiel und dem Adonis 
in großes Loch in den Kopf schiug Statt auf 
den Ball mußte der Unglückliche mit verbundenem 
dopfe in's Bett fahren, wo er vielleicht weniger 
iber die Schmerzen, die ihm die klaffende Wunde 
erursachte, als über die schauderhafte Hinterfront⸗ 
Ausrüstung unserer Modedamen gejammert haben 
vird. 
F Straubing, 7. Februar. Zu dem ein ⸗ 
indfünfzigjährigen, vollständig erblindeten Dreh⸗ 
ixgelspieler Johann Nickl, der mit der 45jährigen 
dadernsammlerin Anna Urban, seiner Führerin, 
in Lande herumbettelte, gesellte sich am 27. Sept. 
d. J. der verwittwete Metzger Georg Gottschall von 
Stadlern, der indessen bald die Eifersucht des 
Blinden erregte, da er die Urban von Nickl weh 
zulocken suchte. Es kam, nachdem sich eines Tagth 
alle drei total betrunken hatten, zu einem Stres 
zwischen den beiden Männern, wobei der Blinde 
den Gottschall durch einen Messerstich —W 
ödtete. Das Schwurgericht verurtheilte den Nid 
zu 1*3 Jahren Gefängniß. 
Straubing, 8. Febr. In dem abgelqu— 
jenen Schwurgericht befanden sich unter den abgqe— 
artheilten 41 Fällen nicht weniger als 19 Fälh— 
wegen Korperverletzung mit nachgefolgtem Tod!! 
Fürt diese 19 Fälle allein wurden 8712 Jahr 
Zuchthaus und 288*4 Jahr Gefängniß ausgespto⸗ 
hen. In seinen Abschiedsworten an die Geschworenen 
hetonte der Vorsitzende, daß dieselben im Großen 
und Ganzen ihre Wahrsprüche richtig gefällt und 
auch mit Zudilligung der mildernden Umstände in 
den meisten Fällen das Richtige getroffen haden. 
Issel, 5. Feb. Als heute Morgen ein 
Diensiknecht aus Issel, nach Zemmer ortsgehörig 
mit seinem Sohne über den Leinpfad fuhr, ging 
das Pferd in der Nähe des Lielberges durch, wo 
bei es mit dem Fuhrwerke und dem darauf de— 
findlichen Sohn- des Knechtes in die Mosel lief 
und den Knecht selbst, welcher das Pferd am 
Zügel hatte, miriß. Vater und Sohn ertranken 
benfalls das Pferd, welches bei Schweich gelande 
wurde. Der Verunglückte hinterläßt laut der 
„Tr. Zig.“ eine Frau mit noch 6 unmündige— 
Kindern. 
FBirkenfeld. Der „Birkenfelder Landeß 
ztg.“ wird aus Schwollen birichtet: Am 18. 
d. M. hat der hiesige Gemeindediener mit der 
Schelle in ortsüblicher Weise nachfolgende sonder 
vare Bekanntmachung ausgeschellt: „Oberstdörfe— 
Weiber sollen sich ein Vierteljahr um sich bekümmer 
und sollen den Dreck vor ihrer Thür kehren und 
sollen die Unterstörfer Weiber gehen lassen. 
r Einer der ältesten Rathskeller Deutschlande 
der Rathskeller zu Gesra, feiert dieser Tag 
sein 400jaͤhriges Jubilaum Vor 400 Jahren 
wurde dem Geraer Rathskeller die Gerechtsame der⸗ 
liehen und seit jener Zeit ist ununterbrochen in 
denselben Räumen, welche die Zerstörung der Stadt 
—XL 
3Z0jahrigen Krieg und den großen, die ganze Stad! 
in Asche legenden Brand' von 1780 überdauer 
haben, ausg übt worden. 
4 In der Strafsache wider die zwölfjährig 
Marie Schneider, welche belanntlich ein 
kleines Mädchen durch Hinauswerfen aus einem 
hoch belegenen Treppenflur Fenster getödtet hatt 
und vom Landgericht J Berlin wegen Mordes ver 
rtheilt worden war, hat das Reichsgericht, 2 
Straff., durch Urtheil vom 14. Dezember 1886 
olgenden bemerkenswerthen Rechtssatz ausgesprochen 
Die mangelhafte geistige Entwick lung eines Indi 
piduums, welches demzufolge statt ethisch rechtlicher 
—X— 
ichteit zu verwerthen weiß. schließt nur dann die 
Zurechnungsfähigkeit desselben im Sinne des Strah— 
Jesetzbuches aus, wenn sie aus einer krankhafter 
Zeistesstörung zu erklären ist. Beruht dieser Mange 
iber auf mangelhafter Erziehung, auf Vernech 
äfsigung und Verwiiderung, so kann er höchften⸗ 
eine geminderte Zurechnung motiviren. 
rFJapaner als Maurer in Berlin. 
Fine Anzahl Japaner lernt soeben in Berlin die 
eutsche Bauari. An einem im Rohbau fast vol 
ndeten Gebäude wird ihnen praktisch gezeigt und 
zelehrt, wie man hier zu bauen pflegt. Das drilt 
„tockwerk eines hinteren Flügels ist ihnen eingeräum 
ort wohnen sie, schlafen fie und geuießen in der 
Zormittagsstunden den Unterricht im Bauhandweil 
Die Japaner, ein Dutzend etwa, sind die Söhn 
hiederer Handwerker, fiehen im Alter von 18 bi 
20 Jahren und sind zumeist kleine Gestalten. Si 
ragen vollkommen europäische Kleidung und haber 
ich schon in der kurzen Zeit ihres Hierseins au 
die hiesige Lebensart gewöhnt. Sie derstehen de 
reits ganz leidlich deutsch befleißigen fich auch, deutfe 
zu reden, wenn sie auch noch nicht viel mehr sprecher 
sonnen, als ,Tag“ und ,Mahlzeit.“ In den Rach 
nittagsstunden wandern sie auf dem Bau herum. 
fragen min Bewegungen nach Allem, nach Werl⸗ 
ugen, die gerade daliegen, und deren Gebrauch 
umd werden oft auf die drolligste Weise von der 
chten, mit Spreewasser getauften Arbeitern belehrt 
Wenn fie durch ihren Lehrmeister genügend ausg 
ildet sind, werden sie. Jeder nach seinem Fadt 
inem Meister überwiefen unter dessen Leitung 
hätig mit eingreifen müssen, um vollständig fert