Full text: St. Ingberter Anzeiger

Namens Krämer; dieser sah, an der Mühle ange⸗ 
kommen, dort einen Menschen umherschleichen; als 
er auf seinen Anruf keine Antwort erhielt, schoß 
er und traf den vorausgeeilten Leyer mitten ins 
Herz, so daß derselbe sofort starb. Der von den 
Räubern mißhandelte Müllerssohn liegt ebenfalls 
im Sterben. Der unglückliche Schütze aber ist dem 
Wahnsinn nahe. 
F Straßburg, 28. Febr. Wie der Straßb. 
Post von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, sind 
in dem hinter der französischen Grenzktation Audun⸗ 
deRoman (Strecke Diedenhofen⸗Sedan⸗Paris) be⸗ 
findlichen Eisenbahn;Tunnel die Sprengminen durch 
französische Genie-Mannschaften mit Schießbaum 
wolle geladen worden. 
(Falschmünzer.) Der „Bad. Landesb.“ 
meldet aus Karlsruhe, 26. Februar: In der 
Höpfner'schen Brauerei wurde gestern Mittag ein 
Mann verhaftet, weil er ein falsches Einmarkstück 
ausgeben wollte. Derselbe heißt Kern und ist aus 
Freiburg gebürtig. Er gestand, dasselbe in seiner 
Wohnung, Gasthaus zur „Traube“ hier, woselbff 
er unter falschem Namen logirte, angefertigt zu 
haben; die hierzu nöthige Presse wurde vorgefunden 
und saifirt. Der Schutzmann, der ihn verhaftete, 
hat ihn der Staatsanwaltschaft überliefert. 
F (Etwas von der „Heilsarmee“.) In den 
Versammlungen dieser lieblichen Gemeinschaft in 
Stuttgart kam es neuerdings wiederholt zu 
wüsten Skandalszenen. Die Polizei verhaftete 
mehrere der Lärmstifter. Als Heilsapostel wirken 
dort schon seit mehreren Monaten ein Herr Fritz 
Schaaf und Frau aus Zurich. 
FWürzburg, 22. Febr. Eine mysteriöse 
Geschichte beschäftigt die Postbehörde und die Po— 
lizei. Die Firma Stahl in Sommerhausen gab 
an den Bürgermeister Schliermann in Escherndorf 
einen Geldbrief von 1800 Mk. zur Post; als aber 
der Brief ankam, war er, anstatt mit Geld, mit 
werthlosem Papier gefüllt. Der Adressat öffnete 
den Brief nicht selbst, sondern ließ ihn durch den 
Postboten öffnen, da ihm die vorgenommene Ab⸗ 
änderung des Gewichtes von 18 auf 12 Gramm 
pberdächtig vorkam. Die Firma Stahl hat ihre zwei 
Angestellten als Zeugen, daß in den Brief ein 
Tausendmarkschein und ein Hunderter hineingethan 
wurden. 
München, 236. Febr. Als Pflegling der 
hiesigen Kreisirrenanstalt befand sich dortselbst seit 
dem Jahre 1882 Dr. Rudolf Löch ner, vormals 
Direktor der Kreis⸗Irrenanstalt Klingenmünster in 
der Pfal z. Der Mann, welcher so manchem 
Geisteskranken Heilung brachte und Pflege bot, 
berfiel im vorigen Jahre während einer Aerzte⸗ und 
Naturforscher -Versammlung in eine unheilbare 
Krankheit (Gehirn -Erweichung), welcher et dieser 
Tage im schönsten Alter von erst 48 Jahren rasch 
erlag. Auf dem AuersFriedhof hat gestern Nach⸗ 
mittag das Begräbniß stattgefunden, welchem außer 
den herbeigeeilten nächsten Anverwandten, die Be⸗ 
amten und Aerzte der hiesigen Anstalt, Medicinal⸗ 
Rath Dr. Kerschensteiner ꝛc. beiwohnten. Ein 
protestantischer Geistlicher besprach ergreifend des 
Verstorbenen tragisches Geschick und am Grabe 
wurden u. A. zwei prachtvolle Kränze niedergelegt, 
der eine durch Direktsr Dr. Grashey im Namen 
der Beamten und Aerzte der hiefigen Anstalt, der 
andere durch Verwalter v. Günther im Namen und 
Auftrag der Beamten und Bediensteten der Anstalt 
Klingenmünster. Niemand verließ ungerührt diefe 
Grabstätte. Möge die allseitige Theilnahme, welche 
der so hart betroffenen Familie, vor Allem auch 
des Verlebten hochbetagten Herrn Vater, dem noch 
immer amiseifrigen Nestor der pfälzischen Aerzte, 
entgegengebracht wird, in eiwas zum Troste ge—⸗ 
reichen! 
f Für die Frequenz der Leihhäuser 3 
des Karnevals in München gibt der Umstand 
Zeugniß, daß während desselben bei einer einzigen 
Versetzerin in der Nähe des Färbergrabens 58 
Betten und Bettstücke, 59 silberne und goldene 
Uhren, 71 Ringe und andere Schmucksachen, 14 
silberne Löffel, 47 Frauenkleider, 63 Herren⸗ 
garderobestücke, 11 Operngläser, 7 Zithern und 
5 Regulatoren versetzt wurden. 
FDeut, 27. Febr. Hier fiel es einem Geck 
ein, einem anderen die Perrücke anzuzünden. Der 
von dieser wahnwitzigen Rohheit Betroffene soll so 
erhebliche Brandwunden erlitten haben, daß er ins 
—AV 
F Dortmund, 24. Febr. Ein trauriges Bild 
der Verwahrlosung unserer großstädtischen Schul⸗ 
ugend entrollte die gestrige Verhandlung der Straf—⸗ 
ammer. Der schon wegen Diebstahls mit 14 
Tagen Gefängnis bestrafte, noch nicht 14 Jahre 
alte Schüler Mar Pamplum hatte als Anführer 
einer Bande gleichaltriger Genossen eine ganze Reihe 
siesiger Läden fortgesetzt mit den verwegensten Dieb— 
tählen heimgesucht. Die gestohlenen Sachen brachte 
damplum in einem Versieck in seinem Elternhause 
unter; dort wurden sie bei einem Wohnungswech— 
el gefunden: allerlei Eßwaren, aber auch Werk 
euge, Garnwaaren, Hüte, Schuhe, Schlittschuhe 
Beldbörsen und anderes. Das strenge, aber ge 
cechte Urteil, auf vier Monate Gefängnis lautend, 
wird das vielversprechende Bürschlein hoffentlich 
auf bessere Wege bringen. 
7 27. Allgemeine deutsche Lehrerversammlung 
Der örtliche Centralausschuß für die 27. Allge— 
neine deuische Lehrerbersammlung in Gotha 
adet alle Lehrer und Freunde des Schulwesens 
‚zum Besuche der in Gotha am 31. Mai, 1. und 
2. Juni d. J. stattfindenden 27. Allgemeinen deut⸗ 
ichen Lehrerversammlung ein. Um die Vorberei⸗ 
sung des Festes, insbesondere die angemessene 
Anterkunft der Gäste zweckmäßig durchzuführen, ist 
es nothwendig, daß die Anmeldung möglichst bald 
und spätestens bis zum 15. Mai d. J. erfolge. 
Der Anmeldung ist der übliche Festbeitrag von 
3 M. beizufügen. 
(In Leipzig) wurde von den Stamm⸗ 
zästen des Eberl⸗Bräu in der Burgstraße folgende 
sumoristische Karte an „Munkelt“ abgesandt: 
Vielleicht zum letzten Mal, Herr Munkelt, 
dat heut' Dein Stern allhier gefunkelt. 
In großen Reden hast Du oft geschunkelt, 
Der Wahrheit Licht mit viel Geschick verdunkelt. 
Allein, mein liebster Freund, bei uns wird nicht 
geprunkelt, 
Drum heut zum Gruß: Du bist hier abgemunkelt.“ 
Die Wähler des 4. 5. 6. und 40. 
Wahlbezirks von Leipzig, die hiermit mit 
herzlichem Beileid die schuldigen Schnäpse 
fordern. (Die Bezirke erzielten 11, resp 
22 Stimmen für den freisinnigen Reichs⸗ 
tags⸗Kandidaten Munckel) 
F Einen blüuhenden Unsinn über das 
deben des Grafen Moltke tiischt der Pariser 
„Figaro“ in einem ernst gemeinten Artikel seinen 
Lesern auf. Da heißt es u. a.; Der achtzigjährige 
Marschall ist auf sein Besitztum nach Schlefien zu—⸗ 
rückgekehrt. Seit mehreren Jahren liebt der Mar⸗ 
cchall die großen Städte nicht mehr, unt das Leben 
der Hauptstadt ist ihm ein Gräuel. Man sieht ihn 
in Berlin jährlich nur einmal — am 1. Januar — 
venn er dem Kaiser seine Huldigungen darbringt. 
Manchmal beruft ihn Herr von Bismarck, um ihn 
don einem neuen militärischen Projekt zu unterhalten 
und um ihn zu bitten, wie er es soeben gethan 
hat, seinen hohen Einfluß zu gunsten der Pläne 
des Kanzlers auf den Reichstag auszuüben. Wenn 
er aber seine Mission erfüllt hat, stiehlt sich der 
Marschall diskret von damen, um sich in seinem 
Schloß Kreßlau zu begraben, wo er ein Eremiten⸗ 
dasein führt. Kreßlau⸗Schloß ist für den Greis 
ein heiliger Ort. Mitten in einem Walde gelegen, 
ist das Schloß dem Lärm der Menge fern, und 
jeden Morgen besucht Moltke das Mausoleum, wo 
seine Gattin seit zwanzig Jahren ruht und dor 
betet er und setzt sich mit seinem , Gott der Schlachten“ 
in Verbindung. 
7(GUm einen Scherz) Ein Selbstmord, 
unter höchst traurigen Umständen verübt, nimmt in 
der Ortschaft Neuendorf bei Potsdam die allgemeine 
Theilnahme in Anspruch. In der dortigen Aktien⸗ 
Spinnerei befand fich bis zum Freitag eine neun⸗ 
zehn Jahre alte Arbeitertn, die mit einem der 
Fabrikarbeiter ein Liebesderhältniß unterhielt. In 
der letzten Zeit wurde das Verhältniß indessen ge⸗ 
lockert und endlich ganz aufgelöst. Beide hatten 
bereits ihre Photographien ausgetauscht, und die 
jehr aufgeregte Braut nahm die Photographie ihres 
Geliebten, stach derselben mit einer Nadel die Augen 
aus und zeigte sie in der Fabrik ihren Mitarbeiter⸗ 
innen umher. Diese nun machten einen Scherz 
aus der ganzen Sache, der böfe enden sollten. Sie 
suchten dem Mädchen einzuceden, daß es sich durch 
das Ausstechen der Augen eine schwere Strafe zu⸗ 
zezogen, die wohl in einer längeren Zuchthaus⸗ 
trafe bestehen könne. Die Aermste verließ die 
Fabrik und stürzte sich in das Wasser. 
FHeilung von der Tollwuth. Ober⸗ 
sulzbach bei Sentheim, 22. Febr. Ein Theil der 
hon dem mit der Tollwuth behafteten Hunde ge⸗ 
hissenen und zur Heilung nach Paris an dat 
Pasteursche Institut gelieferten Kinder kehrte gestern 
wieder in ihre Heimath zurück mit der Hoffnung 
die Gefahr beseitigt zu wissen. 
F Eine Pariser Modenachticht dürfte unser— 
Damen besonders interessiren. In Paris träg 
nan keine Blumen mehr. Während sich in frühere 
Zeiten auf den Hüten ganze Rosenhecken hrei 
machten und förmliche Beete von Margueriten auf 
der Toilette von eleganten Damen Platz fanden 
rägt man nunmehr Vögel, breite Faillemaschen u 
Und nicht nur von den Hüten sind die Blumep 
verbannt worden, auch die Ballkleider sind nur mit 
Bändern garnirt. Die Blumen werden nicht ein— 
mal mehr zur Choiffure junger Mädchen verwendet. 
F Es ist schon off vor dem Eintritt in di— 
französische Fremdenlegion gewarnut worden. 
Besser als irgend Etwas illustriert diese Sache 
'olgende, einem Bericht des Gewährsmannes der 
„Köln. Ztg.“ entnommene Episode. Ein junget 
Belgier, der, von der Arheit ermattet, sich auf den 
Boden niedergelassen hatte, war bereits zu wieder 
holten Malen von einem Sergeanten aufgefordert 
worden, sich zu erheben und Steine zu tragen 
doch so oft er den Versuch machte, dem Befehle 
nachzukommen, sank er erschöpft zurück. Entrüstet 
über die vermeintliche Starrköpfigkeit des Söldnert 
ließ der Sergeant den Belgier zur Lagerwache ab— 
ühren und erstattete von dem Vorfalle dem Kom— 
»agniechef Meldung. Der Arme war der aus— 
zrücklichen Gehorsamsverweigerung angeklagt und 
omit der Craupaudine verfallen. Gleich einem 
Thiere riß man den Unglücklichen zu Boden, der 
wachhabende Sergeant stemmte dem auf dem Bauche 
Liegenden den Fuß in den Nacken, und dann zerrte 
man dessen Arme und Beine dermaßen zufammen, 
daß Hand⸗ und Fußgelenke einander berührten. 
Nunmehr wurden die Gliedmaßen mit einem Zelt⸗ 
tricke gefesselt, so daß das Seil tief in das Fleisch 
ꝛinschnitt. Der Gefolterte stieß einen gellenden 
Schrei aus und schrie heulend um Gnade. Doch 
mnstatt sein Leiden zu lindern, preßten die Un—⸗ 
menschen ihrem Opfer einen Zelistock zaumartig in 
den Mund, bei welchem Verfahren dem Aermsten 
das Blut stromweise aus den zerschnittenen Lippen 
schoß. Das Jammern des Armen verhallte in 
einem krampfhaften Röcheln; die Schaar der Söold⸗ 
linge, welche finsteren Blickes, mit ohnmächtig ge⸗ 
ballter Faust dem an der Menschheit begangenen 
Frevel zugeschaut, zerstreute sich unter lautem 
Murren; sie fühlten nur zu gut, daß sie nichl 
mehr phyfische und moralische Kraft genug besaßen, 
ihre Rechte ihren Unterdrückern gegenüber zu be⸗ 
haupten. Daß sie tief gesunken, gestand sich ein 
jeder, abet doch hielt er sich noch für würdig, übet 
das Vieh gestellt zu werden. — „Der Belgier ist 
todt — er liegt entseelt am Stricke,“ hieß es am 
andern Morgen, und — „der Soldat N. N. fand 
infolge übermähigen Genusses von Spirituosen ein 
plötziiches Ende,“ ward mittags auf Rapport ver⸗ 
lesen. 
F. Deutsche und französische 
Okkupationsheere. Das „dLütticher 
Journ.“ führt heute den Bewohnern Lütiichs eine 
historische Erinnerung vor Augen, die den Unter⸗ 
schied zwischen der Haltung der deutschen und fran⸗ 
zösischen Armee bei dem Einrücken in ein fremdes 
Land äußerst bezeichnend darstellt. Im Jahre 1790 
— so berichtet im Wesentlichen das liberale Blatt, 
das Organ Froͤre Orbans — empoͤrte sich daß 
Gebiet Luttichs gegen den Despotismus des Lütti⸗ 
cher Fürstbischofs Housbroeck; die Lütticher setzten 
ihn ab, aber es gelang dem Bischofe, die Hilfe 
Deutschlands zu gewinnen; deutsche Soldaten zogen 
gegen Lüttich zu Felde; mehrere Jahre hindurch 
widerstanden die Lütticher tapfer, aber schließlich 
wurden fie befiegt. Die deutschen Truppen rückten 
ein und die Lütticher mußten sie erhalten, sie auf⸗ 
nehmen und ernähren. Die Deutschen — es waren 
Preußen — lebten vorzüglich, die reichen Lüttichet 
mußten feine Mahlzeiten auftischen, die Feste en⸗ 
deten nicht, aber die Deutschen rührten kein frem⸗ 
des Gut an. Doch die braven Lütticher wollten 
iich an den Deutschen, die der Bischof wieder ein⸗ 
zesetzt, rächen. Sie wandten fich an die franzoͤ⸗ 
sischen Republikaner. Diese ließen sich nicht zwei 
nai rufem; fie berkrieben die Deutschen sammb 
dem Bischofe. Auf einer Marmorplatte wurde an 
»em Pont des Arches mit goldenen Buchstaben 
zieses Ereigniß eingetragen. Zum Dank dafür 
ollie es den Lüttichern schlimm ergehen. Zuerft 
etßzten die Franzosen eine Volksabstimmung in