zt. Jugherter Atzeiger
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der „St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal woͤchentlich mit Unterhaltungs
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M 46.
Samstag, 5. März 1887.
22. Jahrg
Deutsches Reich.
München, 3. Maärz. Der Prinz Leopold
bon Bayern ist zum General der Kavallerie und
Kommandirenden des ersten Armeekorps ernannt.
Prinz Leopold, Kgl. Hoheit, ist der zweitälteste
Sohn des Prinz⸗ Regenten, geb. 9. Febr. 1846,
seit 9. April 1873 Schwiegersohn des Kaisers von
Desterreich.)
Berlin, 3. März. Im Reichstag waren heute
252 Abgeordnete anwesend. Alterspräsident Graf
Moltke setzte die Präsidentenwahl auf morgen (Frei⸗
ag) fest.
Berlin, 3. März. Die Thronrede, mit
welcher heute der Reichstag von dem Staaissekretär
o. Bötticher eröffnet wurde, enthält die dem letzten
Reichstag gemachten Vorlagen, sie betont die Noth⸗
wendigkeit der Beschaffung neuer Einnahme⸗
suellen und hofft das Zustandekommen einer Ver⸗
jändigung über eine Reform des jetzigen Steuer⸗
ihstems, wozu die Vorarbeiten sofort in Angrifj
jsenommen werden. Betreffs der auswärtigen Be—
siehungen Deutschlands versichert die Thronrede, es
seien solche dieselben, wie bei der Eröffnung des
ietzten Reichstages. Die Thronrede spricht die Ge⸗
augthuung des Kaisers aus über die Kundgebungen
des Papstes, welche das Interesse desselben für den
innern Frieden des deutschen Reiches bethätigten.
die Politik des Kaisers sei beständig auf Erhaltung
und Pflege des Friedens, namentlich mit unsern
Nachbarn gerichtet. Der Reichstag werde hoffent⸗
lich diese Friedenspolitik durch schnelle, freudige
und einmtüige Annahme der Heeresvorlage unter⸗
ützen und den festen Willen der Nation bekunden,
gegen jeden Angriff die ganze Fülle unserer natio—⸗
nalen Kraft aufzubieten; schon durch diese Beschlüsse
illein und noch vor deren Ausführung werde er
die Friedensbürgschaften wesentlich stärken und alle
Zweifel beseitigen, welche durch die bisherigen
Keichstagsberhandlungen eiwa hervorgerufen worden
ein könnten. .
Berlin, 83. März. Bisher ist der Ausfall
bon 38 Stichwahlen bekannt. Es wurden gewählt
dNKonservative, 8 der Reichspartei angehörige, 5
Jationalliberale, 5 dem Zentrum angehörige, 14
deutschfreisinnige, 5 Sozialisten und 2 Welfen.
Bei den Stichwahlen wurden gewählt in
Berlin Klotz, Virchow. Munckel und Baumbach;
in Frankfurt Sabor; in Stettin Broͤmel; in Brom⸗
berg Hahn (kons.); in Königsberg Hoffmann (nat.);
in Danzig Schrader; in Koͤln Braubach; in Halle
Veyer; in Breslau⸗Osten Seydewitz, Westen Kraͤcker;
in Waldenburg Websky (nat.); in Würzburg Roß
giemlich sicher; in Elberfelde Barmen Harm; in
Dresden (Altstadi) Hultzsch (national.): in Bremen
zulle (F.)
Der neue Reichstag weist in seiner äußeren
hyfiognomie im Vergleiche mit seinem aufgeloͤsten
borgänger theilweise bedeutende Veränderungen auf.
hauptsachlich wird die linke Seile des Haufes von
diesen betroffen, denn die Freisinnigen müssen den
rößten Theil ihrer bisherigen Plähe den in fast
erdoppelter Zahl einrückenden Nationalliberalen
iberlassen, waͤhrend die acht Vertreter der Volks⸗
)artei überhaupt ganz verschwunden find. Das
dentrum seinerseits wird einige Plätze auf seiner
achten Seite den konservatiben Fraktionen ein⸗
lumen müssen; die Elsässer und die Sozialdemo⸗
taten behalten ihre bisherigen Sitze, die sie hinter
den Nationalliberalen einnahmen.
Die „Kreuzzeitung“ meldet, England werde bei
ushruch von Normicksungen m Dreont pin—
Mittelmeerflotte nach den Dardanellen entsenden, jRußland und Frankreich ihre Pläne jetzt nicht durch
zur eventuellen Erzwingung der Durchfahrt ins einen Krieg zu realisiren suchen, so thun sie es
Schwarze Meer. nur aus Furcht vor der ihnen gegenüberstehenden
Berlin, 8. März. Der, Nordd. Allg.“ Ztg.“ dereinigten Macht, aber keineswegs aus Friedens-
wird aus Cuxhafen berichtet: Ein Dampfer brachte liebe, wie sie es glauben machen wollen.
die Nachricht, daß am 28. Februar von Helgoland Bukarest, 2. März. Die „Agence Havas“
nus beobachtet wurde, wie ein französisches Kriegs· nmesdet: Geruͤchtweise verlautet, die Garnison von
chiff die Tiefen der dortigen Gewässer auspeilte. Lompalanka, Schumla und Plewna hätten sich
n — gegen die Regentschaft ausgesprochen.
Giurgewo, 2. März. Ueber den Aufstand
in Silistria liegt der „Köln. Ztg.“ folgende Mit⸗
heilung vor: Hauptmann Kistew, der Führer der
druschina Silistria, ließ in der Nacht auf den
i. März alle Beamten und Officiere daselbst ver⸗
jaften, die ihm als Anhänger der Regentschaft be—
annt waren, nachdem er, wie es im November
in Burgas geschehen war, erklärt hatte, daß das
Volk und das Heer die Regentschaft nicht aner—
ennen. Auf die von den Behörden von Rustschuk
in ihn gerichteten Anfragen antwortete Kistew mit
Frechheiten. Die Regierung hat kräftige Maß—
egeln gegen die Aufrührer ergriffen, deren Zahl
500 nicht übersteigen kann. Je ein Bataillon aus
stustschuk und aus Varna und vier Geschütze, zwei
rus Schumla, und eine Schwadron aus Schumla,
as Ganze unter dem Befehle des Hauptmanns
Drandaremski, find nach Silistria abgegangen.
Die Truppen müssen schon vor Silistria angekommen
iein, wo sie den Aufrührern die Flucht nach der
nur 2 Kilometer entfernten rumänischen Grenze
ibzuschneiden suchen werden. Die Grenze ist von
rumaänischen Truppen besetzt. — Aus Sofia liegen
eine erwäbnenswerehen Nachrichten vor.
Ausland.
Brussel, 3. März. Der Graf von Flandern,
Bruder des Koönigs, wird sich zur 90jährigen Ge—
zurtstagsfeier Kaiser Wilhelms nach Berlin begeben.
Eondon, 3. März. Ein Telegramm aus
Bombay von heute meldet: Hier eingegangenen
Nachrichten zufolge erließ der Emir von Afghanistan
einen Aufruf an seine Unterthanen, sich auf einen
baldigst beborstehenden „heiligen Krieg“ vorzube⸗
reiten.“
Herr v. Giers soll, wie der „Times“ aus
Petersburg berichtet wird, dem dortigen türkischen
Botschafter gegenüber geäußert haben, daß das ge⸗
törte europäische Gleichgewicht bald hecgestellt wer⸗
den würde und für geraume Zeit ein Krieg ver⸗
nieden sei. Die bulgarischen Angelegenheiten wür⸗
den den Frieden nicht stören, weil die Mächte schließ⸗
tich Rußlands legitime Forderungen in Bulgarien
anerkennen müßten. — Schließlich ist zu erwähnen,
daß nach der offiziösen Budapester Korrespondenz
der Kaiser Franz Joseph drei Wochen in Pest zu
verbleiben gedenkt, da die auswärtige Lage sich so⸗
weit gebessert habe, daß sie eine längere Abwesen⸗
heit des Kaisers aus Wien gestatte. Das sind ge⸗
wiß erfreuliche Botschaften, aber es wird auch jetz!
noch Leute geben, die wohl die Botschaft hören,
denen aber der Glaube fehlt. Allerdings darf man
mit vollem Rechte annehmen, daß nicht allein der
Ausfall der Wahlen in Deutschland, sondern auch
die Erneuerung des Bündnisses zwischen Deutsch
land, Oesterreich und Italien in Frankreich und
Rußland höchst ernüchternd gewirkt hat, ob selbsff
ein franzosisch⸗russischer Bund einer solchen Koalition,
der sich überdies noch andere Staaten eventuell an⸗
chließen würden, gewachsen sei. Trotzdem wird
mnan sich auch darüber nicht täuschen dürfen, daß
in Rußland und nicht viel weniger in Frankreich
die Entscheidungen unberechenbar sind. Nebenbei
mag bemerkt werden, daß die von der „Times“
berichteten angeblichen Aeußerungen des Herrn Giers
sich auffallend widersprechen. Wenn derselbe erklärt,
das gestörte europäische Gleichgewicht werde bald
jergestellt werden, so stimmt damit herzlich schlecht
der Ausspruch, ein Krieg sei für eine geraume Zeit
jermieden. Was ist unter dem gestörten
europäischen Gleichgewicht zu verstehen ? Im
russischen Sinne doch nur das Uebergewicht des
deuisch⸗ österreich⸗ italienischen Bundes. Und auf
welche Weise soll das gestörte Gleichgewicht bald
hergestellt werden? Dies kann im russischen Sinne
nur durch ein Bündniß Rußlands und Frankreichs
seschehen, und dieses Bündniß kann nicht zu defen⸗
iven Zwecken geschlossen werden, da Niemand
daran denkt, Frankreich oder Rußland anzugreifen.
AUuch die angebliche Aeußerung, die Mächte müßten
chließlich die legitimen Aeußerungen Rußlands in
Zulgarien anerkennen, ist bedeutungslos. Die legi⸗
timen Forderungen Rußlands, ja; aber Rußland
tellt Forderungen, die von den Mächten nicht als
legitim angesehen werden und die sie nicht anerkennen.
Auf der anderen Seite leistet Frankreich auf Elsaß
dothringen keinon ehrlichen Norzicht Moenn daher
Lokale und vfälzische Nachrichten.
— Nach den endgültig festgestellten Ergebnissen
der letzten Volkszählung bestand die Bevölke—
rung der Pfalz am 31. December 1885 ein⸗
chließlich Militär aus 696,375 Seelen. Die Zu⸗
nahme in den letzten 5 Jahren betrug nur 19,049
hezw. 5,6 pCt., während die beiden vorausgegan⸗
genen Zählperioden 10,8 und 11,0 pCt. ergaben.
Nach den regelmäßigen Geburts⸗AUeberschüssen hätte
man allerdings auch diesmal einen stärkleren Zu⸗
wachs erwarten sollen. Indessen von den 47,984
mehr Geborenen als Gestorbenen kamen blos
28,890 als Ersatz in Rechnung für ebenso Viele,
welche in vorgeschrittenem Alter durch Auswande⸗
cung zu Verlust gegangen waren. In den letzten
Jahren 1875 —80 hatte die Zahl dieser nur
17,102 und 1871— 75 noch weniger, blos 18,911
betragen. Auch diese Zunahme war übrigens nicht
in allen Theilen der Pfalz gleichmäßig; während
sie in einzelnen industriellen Gegenden sehr erheb⸗
lich, sind andere, die meisten Ackerbaudistricte, zurück-
Jegangen; bis zu den 40er Jahren war die Be⸗
völkerungezunahme in der Pfalz eine ganz allge⸗
meine und auch ziemlich gleichmaͤßige. Das Leben
hewegte sich damals in noch sehr einfachen Ver⸗
hältnifsen; größere Industrie war noch so gut wie
unbekannt, die Städte hielten sich noch in sehr be⸗
scheidenen Grenzen. Die Dichtigkeit der Bevoͤlke⸗
rung entsprach vorwiegend der Fruchtbarkeit des
Bodens. Landau, Edenkoben, die vorderen Partieen
von Neustadt, Dürkheim, Grünstadt, Frankenthal,
Mutterstadt, Bergzabetn, standen oben an. Mit
dem Jahre 1846 haben diese Verhältnifse ihren
»öhepankt erreicht. Das folgende Jahr war ein
stothjahr. In der ersten Hälfte des fünften Jahr⸗
lehnis fand jene große Auswanderung statt, durch
desche vamentlich die ländlichen Rozirko schmor qe⸗