Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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auf welche die Expebdilion Auskunft eriheilt, 18.3, Neklamen 80 B. Bei 4maliger Einrüdung wird nur dreimalige berechnet. 
22. Jahrg. 
P 53. 
Montag, 14. März 18873. 
an der Seine und wohl auch an der Newa wäre 
Die Weltlage. I g daher ganz Recht gewesen, wenn Rußland die 
Seit dem berüchtigten „Staaisstreich“ von Rusischuker Katastrophe zum Ausgangspunkt einer 
Zofia, durch welchen in Bulgarien eine revolutio⸗ entjchiedenen Action in der bulgarischen Krisis ge⸗ 
te Regierung die Zügel der Herrschaft für den macht hätte. Aber glücklicher Weise waltet auch 
genbuct an sich riß, ist Europa aus dem Zu⸗ in den maßgebenden Petersburger Kreisen das 
Ade tiefgreifender Beunruhigung nicht herausge⸗ Zefühl der ungeheuren Verantwortlichkeit vor 
men und der künftige Geschichisschreibetr des 19. welche man übernehmen würde, wenn man nun- 
Jahrhunderts wird diese Periode als eine der eigen⸗ mehr die Lunte an das bulgarische Pulverfaß legen 
humlichsten dieses doch so gewaltigen Zeitraumes wollte und die neuesten Kundgebungen aus Peters⸗ 
hezeichnen müssen. Trotz der mit mehr oder weniger durg beweisen, daß daselbst die friedlichere oder 
eserbe ausgesprochenen Friedensversicherungen der vielmehr die vorsichtigere Ströͤmung noch immer 
Dplomaten weht ein Zug des ausgeprägtesten Oberwasser hat. Freilich, die Frage, ob Krieg, 
dußtrauens durch die gegenseitigen Beziehungen der bb Frieden, ist allmälig auf „des Messers Schneide“ 
sihierungen wie der Völker und findet derselbe zerückt und wahrscheinlich wird fich in naher Zeit 
fine. dezeichnende Illustration in den fortgesetzten diese schwerwiegende Entscheidung vollziehen, jo 
güstungen der europäischen Staaten. Die seltsame vollziehen müssen. 
Verquikung der beiden Hauptfragen der europäischen 2 
poluit, der bulgarischen Krifis und des deutsch ⸗ der8 rteich. n 
sranzofischen Verhaͤltnissez, macht indessen die all⸗ Muunchen, 12. März. Prinz Luitpold feierte 
gemeine Beunruhigung hinlänglich erklärlich, wenn heute seinen ersten Geburtstag als Regent unter 
ast die Kanonen am Balkan donnern werden, wird angewöhnlicher Theilnahme der Behörden, Beamten 
ihe ͤchs an den Vogesen nicht ausbleiben und und der Bevdllerung. Die Siadt ist auf das 
jomit der seit Johr und Tag drohende furchtbare Reichste beflaggt und große Menschenmengen dbe⸗ 
Welibrand entzündet sein. wegen sich in den Straßen. Die Schulen find 
Bislang in die Diplomatie noch immer thatig zeschlofsen. Die Huldigung der Truppen hat be⸗ 
gewesen, den Funken auszutreten, dessen edß nur »eits stattgefuuden. Am Abend ist Festvorstellung 
edurfte, um die laängst defürchtete politische Ex· im Hof⸗ und Gärinertheater. Vor dem Residenz⸗ 
siosion herbeiguführenwird dies nochmals gelingen? schlosse fand eine Mufitk-Aufführung sämmilicher 
Denn auch jehtin dieser Funke, um im Bilde zu Milisarkapellen statt. Der Gesammteindruck der Feier 
kleiben, wiederum vorhanden: Die Rustschuker Hin⸗ ist ein sympathischer. 
richtuugen haben die bulgarische Frage in eine neue Stuttgart, 12. März. Wie der „Schwä- 
Phase gedrängt und hiervon hangt immer wieder bische Merkur“ mitteili, sind in Stuttgart fiehen 
bie fernere Entwickelung der Beziehungen zwischen ürkische Officiere aus Konstantinopel angekommen, 
den Mächten ab. Die Hinrichtung der Partei- um nach Oberndorf zu gehen und dort in der 
snger Rußiands — denn was waren die in Rusie Gewehrfabrik bei der Gewehrlieferung die Ober⸗ 
ui erschossenen meuterischen Offiziere anders? — aufficht zu üben. Dieselben wurden in Stuttgart 
st in Petersburg sehr unangenehm berührt und von Herrn Paul Mauser empfangen und nach 
die Kommentare der russischen Blätter über das Oberndorf geleitet. 
zlutige Finale des jüngsten bulgarischen Militär⸗ Berlin, 9. März. Wie der „Hann. K.“ 
nufstandes bestätigen dies vollauf -- sprach ja das erwähnt, hatte in der heutigen Reichstagsfitzung 
Journal de St. Petersbourg“ schon dabvon, daß der erste Vizepräfident Herr Dr. Buhl zum ersten 
die duhersten Grenzen der Geduld überschritten seien. Mal fur langere Zeit den Vorsitz übernommen. 
Wenn darum nun eine affene energische Altion Berlin, 11. Marz. Die Arbeiten zur Aus⸗ 
Rußlands gegen das widerspenstige Bulgarien, führung des Nord⸗Ostsee-Kanals werden 
welches sein · Martyhrium“ durchaus weiter tragen im Frühjahr beginnen. Die Regierung ordnete 
vill, angekündigt worden wäre, jo hätte das nicht die Errichtung von Baracken zur Unterbringung 
aberraschen können; statt dessen heißt es jetzt auf der Arbeiter und sonstige Maßnahmen an, um die 
inmal, daß Rußland die Vermiitlung der Mächte Arbeiten möglichst zu fördern. 
ehufs einer ‚„revanche pour Roustschouk“ in An- Berlin, 12. Maärz. Der Reichsanzeiger ver- 
pruch nehmen werde — woher diese abermalige Iifentlicht heute bereits das Gesetz über die Frie- 
iberraschende ‚ Maßigung“? 4 denspräsenzstärke ves deutschen Heeres, das gestern 
Nun, sie wird einigermaßen erklärlich, wenn dem Bundesrate mitgeteilt und sofort zur kaiser⸗ 
nan den Blick auf verschiedene bedeutsame Vor⸗ lichen Vollziehung gebracht wurde. 
jaänge der letzten Zeit wirft. Da erscheinen die Berlin, 12. Marz. Beim gestrigen Parla⸗ 
deuijschen Reichstaggwahlen, welche die Stärkung menisdiner beim Reichskanzler ist die Politik nicht 
der deutschen Wehrkraft verbürgen, der Verbleib berührt worden, wodurch jedenfalls diejenigen ent⸗ 
des Ministeriums Depretis⸗Robilant auf seinem däuscht wurden, welche Enthüllungen Aber die 
Josten und hiermit der Fortbestand des deutsch- schwebenden inneren und auswärtigen Fragen er— 
serreichisch⸗italienischen Buͤndnifses, sowie auch die vwarteten. Fürst Bismardkerzählte blos seine Erleb- 
militärische Kräftigung Oesterreich-⸗Ungarns infolge nisse während seines Petersburger Aufenthalis. 
der betreffenden Beschlüsse der Vertretungsköͤrper — — 
des Kaiserstaates als Ereignisse, welche die Mäßi- 
vung Rußlands auch in dem neuesten kritischen 
Stadium der bulgarischen Krifis genügend erklären. 
die Art und Weise, wie die genannten Ereignisse, 
)eren innerer Zusammenhang unverkennbar ist, von 
er europaischen Hetzpresse aufgenommen worden 
st, bekundet charaiteristisch, wie wenig dieselben, 
n sie fich als Friedensmomente geben, gewissen 
Leuten in den Kram paßt und den Kriegsfanatikern 
lin private Auskünfte über die Reise des Herrn 
jon Lesseps. Obwohl diese Reise offiziell keinen 
volitischen Charakter hat, sol der „große Franzose“ 
in seiner Unterredung mit Herrn von Bismard einen 
HZegenstand berühren, der eine weitgehende Bedeu⸗ 
ung haben wird. Es handelt fich um die Be⸗ 
heiligung Deutschlands an der Ausstellung von 
389. Es ist dies keine Erbffnung, welche die 
rauzösische Regierung machen wird; allein Herr 
on Lesseps wird hierdurch dem Wunsche entsprechen, 
den man in Paris hegt, darüber im Klaren zu 
sein, was Herr von Bismarck jetzt, nach dem Votum 
»es Septennats, über die Beziehungen zwischen 
Frankreich und Deutschland in Zukunft denkt. Herr 
von Lessepskönnte so leichter als Herr Herbette, 
Botschafter Frankreichs, die wahrscheinlichen Be⸗ 
dingungen anhören, die der Kanzler für die Voll⸗ 
iehung eines Altes stellte, der ein Friedenspfand 
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nit dem Kanzler nur einen Austausch von An⸗ 
ichten: Herr de Lesseps wird eine Unterhaltung 
hdaben. Nach meinen Informationen würde ein 
Finvernehmen in Berlin keineswegs als unmöglich 
angesehen. Vielleicht wird man aber verlangen, 
die Ausstellung bis 1890 zu verschieben. Sollte 
dies geschehen, so würde dies gewiß die Theilnahme 
Desterreich⸗ Ungarns herbeiführen.“ 
Baris, 11. Marz. Der Zollausschuß lehnte 
den Antrag auf Erhöhung des Wehlzolles auf 
10 Fr. ab und beschloß eine Erböbung auf 8 Fr. 
Daf⸗e und pförezcae Nachrichten. 
* St. Ingbert, 14. März. Der Stadt⸗ 
at in Ludwigshafen hat nach dem „G. A.“ 
u den Kosten der Feier des 90. Geburtstags Sr. 
Majestät des deutschen Kaisers einen Beitrag aus 
der Stadtkafsse von 1600 Mk. bewilligt. 
— Den protestantischen Pfarrämtern im Regie⸗ 
ꝛungsbezirke der Pfalz wurde gestattet, am 19. 
Mai (Himmelfahrtstag) eine Kirchenkollekte zum 
Besten der deuischen protestantischen Kirchengemein⸗ 
den zu Paris für deren Kirchen und Schulen, so⸗ 
vie für die Gründung einer ebangelischen Kirchen⸗ 
jemeinde nebst Gouvernantenheim zu erheben. — 
der katholischen Kirchengemeinde Wiesbach, k. Be⸗ 
zirkgamts Homburg, wurde zur Aufbringung der 
Mittel fuür den Neubau eines Pfarrhaufes eine 
dollekte in sammtlichen katholischen Kirchen der 
pfalz bewilligt und zur Vornahme dieser Kollekte 
zer 1J. Osterfeiertag (10. April). 1887 bestimmt. 
— Pirmasens, 12. Maärz. Goch nicht 
zagewesen ) Heute ging vom hiesigen Bahnhofe 
jum ersten Mal ein Zug ohne Personenbeförderung 
ib. (P. A.) 
— Ein Glücdskind ist der Adjunct Groß in 
daiserslautern. Demselben fiel in der 
Deininger Prämien ˖ Ziehung (100 Thaler⸗Loose) 
ein Gewinn von 35,000 Thalern zu. 
— Edenkoben, 10. März. Die hiesige 
Bolksbank hat pro 1886 einen Reingewinn von 
18071 Mi. 91 Pfg. erzielt und wird 7 pCt. 
—XE M. 3.) 
Vermischtes. 
4 Der Abbsé Kuntz, Redalteur des klerilalen 
Elsässer“, ist heute wegen Beleidigung des Kriegs 
ninisters Bronsart von Schellendorf, begangen in 
inem am 9. Dezember 1886 erschienenen Artikel 
des „Elsässer,“ zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt 
vorden.