Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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FE 56. 
Eine deutsche Jubelfeier. 
Am 22. März begeht Alldeutschland eine Jubel⸗ 
,ier der seltensten Art. An diesem Tage vollendet 
er erste und höchste Vertreter des Deutschthums, 
er ruhmgekrönte Kaiser Wilhelm, sein neunzigstes 
ebensjahr, und die göttliche Vorsehung fügt mit 
iesem Tage ein neues wunderbares Ereigniß und 
men neuen Gnadenbeweis dem gottbegnadeten 
eben des erhabenen Gründers und Schirmherrn 
es deutschen Reiches zu. Gott hat wahrhaftig 
nit diesem erhabenen Greise das deutsche Vater⸗ 
ind gesegnet, denn ohne Kaiser Wilhelm, ohne 
ine männlichen Tugenden und ritterlichen Eigen⸗ 
haften, ohne seine unübertroffene Pflichttreue und 
hne seine weise Mäßigung nach großen kriege- 
ischen Erfolgen konnte kein neues deutsches Reich 
atstehen und bestehen, konnte der einst verachtete 
eutsche Name nicht zu den Ehren gebracht werden, 
ie er in den letzten zwanzig Jahren erlangt hat. 
diemals, seit die Germanen eine weltgeschichtliche 
dolle spielen, gab es einen besseren Vertreter deut⸗ 
her Kraft und deutscher Würde als Kaiser Wilhelm. 
Bie hoch mußte doch das Vertrauen dieses Mon⸗ 
iichen auf das gute Recht seiner politischen Misfion 
ein und wie richtig mußte Kaiser Wilhelm deutsche 
stacht und deutsche Tapferkeit, wie er solche bereits 
ilz Preußenkönig vertrat, würdigen, wenn er es 
wvagen konnte, bereits im Greisenalter stehend, das 
herk der nationalen Wiedergeburt Deutschlands zu 
mternehmen und gewaltige Schlachten gegen die 
IIV 
Belche hohe Einsicht mußte ferner Kaiser Wilhelm 
eseelen, daß er fich zum rechten Werke auch die 
echten Männer auszuwählen wußte und sich und 
em Vaterlande glänzende Staatsmänner und Feld⸗ 
erren zu schaffen und zu erhalten wußte! So 
ehr auch das deutsche Heer Kaiser Wilhelms eigen⸗ 
ies Werk ist und so stolz er auch auf dasselbe 
sets blicen konnte, so ist er doch sich auch stets 
ewußt gewesen, daß mit dem Schwerte allein kein 
zolk beglückt werden kann, und als das blutige 
dehaude des neugeschaffenen Reiches in blutigen 
„chlachten gezimmert worden war, dachte er auch 
hon daran, ein Mehrer friedlicher Guter und ein 
zchützer der Armen und Geplagten zu sein. An 
jeser erhabenen Gefinnung haben auch die Frevel⸗ 
haten nichts geändert, welche verblendete Schurken 
egen sein dem Wohle des Vaterlandes gewidmetes 
eben richteten. Von der durchausz richtigen An⸗ 
hhauung ausgehend, daß die untersten Volksschichten 
iner größeren staatlichen Fürsorge bedürfen, um 
een gefährlichen Verführungskünsten socialistischer 
sxrlegrer allmählich entzogen zu werden, hat Kaiser 
bilhelm in einer seiner derühmten Boischaften die 
dothwendigkeit socialer Refotnmen betoni und ist 
auch bereits ein großer Theil derselben ausge⸗ 
ührt worden. — Nicht genug kann es wohl auch 
eschätzt werden, welch starker Hort Kaiser Wilhelms 
jriedensliebe in der unruhigen Epoche ist, welche 
dit gegenwärtig zu durchleben haben und welche 
as Aufgebot neuer Machtmittel nöthig machte, um 
ie Schutzwehren des Friedens zu verslärken. Der 
erzliche Wunsch jedes ehrlichen Patrioten und 
des echten deutschen Mannes ist daher an diesem 
age eines seltenen Jubelfeier: 
zott segne auch ferner das ehrwürdige 
Oberhaupt ves deutschen Reiches! 
— ⸗ ⸗ ⸗ 
Samstag, 19. März 1883. 
22. Jahrg. 
Deutsches Reich. 
Straßburg, 16. März. Der Statthalter 
dohenlohe reist heute Abend nach Berlin 
Berlin, 16. März. Die Osterferien sollen 
om 27. März bis 19. April dauern. — Der 
„Reichsanzeiger“ publiziert die von der internatio⸗ 
ralen Berner Konferenz zwischen Deutschland, 
Frankreich, Italien, Oesterreich Ungarn und der 
-„chweiz vereinbarten einheitlichen Vorschriften über 
ollsichere Einrichtung der Eisenbahnwagen im in⸗ 
ernationalen Verkehr, welche am 1. April in 
zraft treten. 
Berlin, 17. Maärz. Der Reichshaushalt 
oll womoglich bis zum 26. März festgestellt und 
ann der Reichstag bis zum 19. April verltagt 
verden. 
Die ,„Nat. Zig.“ veröffentlicht eine ihr aus 
Straßburg zugegangene Zuschrift, in welcher 
ingesichts der durch die Manteuffel'sche Wirthschaft 
herbeigeführten deutschfeindlichen Wahlen gesaqt 
vird: 
„Es muß endlich ein für alle male mit dem 
rüheren Streben gebrochen werden, aus Elsaß⸗ 
dothringen einen von 193 Millionen Franzosen be⸗ 
wohnten deutschen Bundesstaat herzustellen. In 
diesem falschen Bestreben wurzelt ein großer Theil 
der Mißerfolge der deutschen Verwaltung. Zwar 
darin, daß die staatsrechtliche Stellung Elsaß ˖ Loth⸗ 
eingens als eines sogenannten „Reichslandes“ auf 
die Dauer unhaltbar ist, stimmt alle Welt längfi 
iberein — Eingewanderte und Eingeborene. Von 
em durch die letzten Reichstagswahlen gebotenen 
Standpunkte aus liegt die Reorganisation aber 
nicht in der Richtung einer Umwandlung des 
steichslandes in einen Bundesstaat, sondern in 
er Trennung Lothringens und des Elsaß, zweier 
zeschichtlich, landschafllich und ethnologisch sehr 
zerschiedenartiger Provinzen, und in dem Anschluf 
eder derselben an einen der bestehenden Bundes⸗ 
daaten. Fuür Lothringen ist kein anderer Anschluß 
ils an Preußen und speziell an die preußischen 
Kheinlande möglich; vielleicht wäre Vereinigung 
nit dem Regierungsbezirk Trier und anstoßenden 
Theilen zu einer neuen Provinz (Moselprovinz) das 
zweckmäßigste ..... Für das Elsaß wäre der 
Inschlufß an das gegenüberliegende Großherzog 
hum Baden der ralurlichste. Es muß aber mit 
secht bezweifelt werden, daß Regierung und Be—⸗ 
yölkerung dort geneigt sein würden, ein Land von 
olcher Groͤße und Bevölkerungszahl wie das 
xẽUsaß zu annektieren. Die hieraus sich ergebenden 
Hefahren für das Großherzogthum und dessen spe⸗ 
ielle Interessen liegen zu Tage. Bietet das Groß⸗ 
jerzogthum Baden zu einer Annexion des Elsaß 
nicht die Hand, so wäre die Umwandlung des 
ẽlfaß in eine preußische Enklave — wie die ehe⸗ 
naligen hohenzollernschen Fürstenthümer — und 
ie Errichtung einer preußischen Provinzialverwal⸗ 
ung in Straßburg das Angemessenste. Die Kon⸗ 
ervierung zweier Regierungsbezirke: Unter und 
Ober⸗Elsaß hat schon unter den gegenwärtigen Ver⸗ 
ältnissen keinen Sinn.“ 
Zu dieser Korrespondenz bemerkt die „Nat. 
Ztg.“ folgendes: 
Darüber, daß es 1871 ungleich richtiger 
jewesen wäre, Elsaß-Lothringen mit Preußen zu 
hereinigen, anstatt es als Reichsland der Verwal⸗ 
ung eines traditionslosen, weil aus allen deutschen 
Bundesstaaten zusammenkommenden Beamtenthums 
inter der Kontrole französisch gesinnter Notabeln 
u üherlasen, kann beute keine Meinungasverschie⸗— 
denheit mehr bestehen. Daß es nicht zu spät wäre, 
den begangenen Fehler zu verdessern, scheint uns 
weifellos. Aber Preußen oder der Reichskanzler 
vird wohl schwerlich den Vorschlag der Annexion 
nachen; er müßte von den Bundesstaaten ausgehen, 
velche 1871 aus „föderalistischen“ Bedenken die 
Finrichtung des Reichslandes veranlaßten·“ 
Ausland. 
Gala⸗Diner bei Boulanger. Einem 
Pariser Telegramm der „Post“ zufolge war das 
Zala⸗ Diner, welches General Boulanger dem 
diplomatischen Korps am Montag gab und dem 
nuch Graf Münster und der erste Militär-Attachö, 
dauptmann Freiherr v. Huene beiwohnten, überaus 
Jänzend. Anwesend waren auch Flourens und 
Freycinet. Die Musik der Garde republicaine spielte 
vährend der Tafel sämmtliche National⸗Hymnen 
und begann mit der deutschen: „Ich bin ein 
Breuße, und „Heil Dir im Siegerkranz'“. Nach 
jem Diner war eine zahlreich besuchte Soirée. 
Die frauzösische Ostgrenze hat, wie 
ein dem General Boulanger nahestehendes Fachblatt 
La Pranqe militaire“ schreibt, in ihren Befestig⸗ 
ingen im Norden von Longwy bis Verdun und 
n der Mitte von Nanch bis Epinal größere Lücken, 
velche den Einfallen feindlicher Reiterei Vorschub 
eisten, ohne wegen der fehlenden Eisenbahnen das 
Findringen großer feindlicher Streitkräfte zu gestatten. 
ks wird in der ganzen Befestigungsanlage darin 
ein Fehler erblickt, daß die einzelnen Werke zu weit 
useinander liegen, als daß sie das Vorfeld unter 
dreuzfeuer nehmen könnten. Hieraus ergäbe fich 
dem genannten Blaite zufolge eine mangelhafte 
Ddecung der Mobilmachung, und man solle daher 
chleunigst die im Boulanger'schen Militärgesetz ge⸗ 
orderten 40 Jagerregimenter errichten, damit diese 
ie Sicherung der Mobilmachung vornehmen könnten. 
Diese Vorschlaͤge sollen von einem „hoͤheren Offizier“ 
nusgehen, und es scheint faft, als ob die Baracken⸗ 
haulen an der Ostgrenze in einem innern Zusam⸗ 
nenhang mit der Errichtung dieser Jäger⸗Regimenter, 
welche die französische Volksvertretung ficher bewil⸗ 
ligen dürfte, stehen. 
2652 Ind pfaãlzische Nachri chten. 
— Wörsbach, 12. März. Heute ereignete sich 
hier ein Votfall, wie er noch selten vorgekommen 
jein dürfte. Der Sonntagsschüler Karl Maue zu 
Rauschenmühle war von der Ortsschulkommission 
wegen vorsätzlicher Versäumniß des protestantischen 
Religionsunterrichts zu sechs Stunden Schularrest 
erurtheilt. Da die Einbringung desselben durch 
die Ortspolizei nicht gelang, so wurde die k. Gen⸗ 
darmerie von Otterberg hierzu requirirt und der 
widerspenstige Bursche unter Eskorte von 8 Mann 
deute Mittag in den Schularrest v/rkrcht 
Mer isce Swurgerice. 
L. Quartal. 
— Zweibrücken, 15. März. 1) Jacob 
Mayer, 27 Jahre alt, 2) Wilhelm Maher, 22 
Jahre alt, beide Winzer von Grethen, der 
Körper⸗Verletzung mit nachgefolgtem Tod ange⸗ 
klagt. Eine interessante und zum Glück seltene 
Verhandlung spielte sich heute vor dem hiefigen 
Schwurgerichte ab. Auf der Anklagebank sitzen 
zwei Brüder, von denen der eine am 14. März 
1884 auf Grund des Spruchs der Geschworenen 
dahier wegen Koͤrperverletzung mit nachgefolgtem 
Tode zu einer Zuchthausstrafe von 8 Jahren ver⸗ 
urtheilt war. Nachdem der damalige Angeklaate 
——