Full text: St. Ingberter Anzeiger

Jacob Mayer schon im Laufe jener Verhandlung 
auf das Entschiedenste seine Unschuld betheuert und 
zereits 2 Jahre seiner Strafe verbüßt hatte, reichte 
er am 20. Januar 1886 ein Gesuch um Wieder⸗ 
aufnahme des Verfahrens ein, das jedoch abschlä⸗ 
gig beschieden werden mußte, da er keine neuen 
Beweise seiner Unschuld vorzubringen vermochte. 
Am 9. März 1886 legte dann sein Bruder, der 
heutige Mitangeklagte, vor der Staatsanwaltschaft 
dahier ein Geständniß ab, worin er sich als den 
damaligen Thäter bezeichnete. Dies führte zu 
neuen Erhebungen, welche den Wilhelm Mayer 
wirklich belasteten und eine abermalige Verhand⸗ 
lung der Sache veranlaßten, sowie die sofortige 
Verhaftung des Wilhelm und die vorläufige Ent⸗ 
afssung des Jocob Maher zur Folge hatten. Der 
Sachverhalt ist wie folgt: Am Abend des 81. 
Dctober 1883 kehrte der Winzer Konrad Helbig 
yon Grethen nach eingebrochener Dunkelheit mu 
ꝛinem Wägelchen nach Hause zurück. Seine beiden 
Söhne zogen das Wägelchen, er folgte demselben. 
In Grethen angekommen, sah er den Jacob Mayer 
un ihrer Hausecke stehen und kam an ihm vorüber. 
Nachdem er kaum einige Schritte an ihm vorbei 
zemacht hatte, erhielt er einen heftigen Schlag auf 
die linke Seite des Kopfes, so daß er zu Boden 
türzte und am 9. November darauf an den Fol⸗ 
gen der Verletzung starb. Noch vor seinem Hin⸗ 
cheiden konnte er eidlich über den Hergang ver⸗ 
nommen werden, wobei er angab, er habe nicht 
zesehen, wer ihn geschlagen habe, er vermuthe aber, 
daß es Jacob Mahyer gewesen sei, weil er sonsi 
Niemand in der Nähe gesehen habe. Zur Ver⸗ 
jandlung find 34 Zeugen und 3 Sachverständige 
geladen, deren Vernehmung zum größten Theile 
m Laufe des heutigen Tages erfolgte. Die Be— 
veisaufnahme förderte für Jacob Mayer äußerst 
zünstige Momente zu Tage, so daß dessen Nicht⸗ 
schuld an fraglichem Verbrechen jetzt schon mehr als 
wahrscheinlich und seine Bestrafung auf einem be⸗ 
dauerlichen Verhängniß zu beruhen scheint. Die 
zutachtlichen Aeußerungen der Sachverständigen 
timmen dahin überein, daß sich nicht mit voller 
Bewißheit behaupten lafse, mit welchem der zu 
Berichtshanden gekommenen Instrumente, mit einer 
charfen Axt oder, wie Mayer angibt. mit einem 
Spaten die in Rede stehende Verletzung des Helbig, 
deren unausbleibliche Folgen der Tod sein mußte, 
derursacht worden. Das Gutachten des Herrn 
dandgerichtsarztes Dr. Demuth aus Frankenthal 
ichildert den Wilhelm Mayer als einen unter dem 
zewoͤhnlichen Niveau der allgemeinen Bildung und 
Fähigkeiten stehenden Menschen, der indessen wohl 
Recht von Unrecht zu unterscheiden vermöge, sodaß 
eine Zurechnungsfähigkeit keineswegs in strafrecht⸗ 
ich relevantem Grade gemildert sei. Jacob Mayer 
detheuert heute, wie auch früher, durchaus un⸗ 
schuldig zu sein an jenem Verbrechen, während 
iich sein Bruder unumwunden als Thäter bekennt 
und die That Uverübt haben will, um sich an 
delbig zu rächen, da er einige Tage vorher mit 
diesem einen Woriwechsel gehabt habe. 
Wilhelm Mayer wurde zu 71 Jahren Zucht ⸗ 
jausstrafe verurtheilt 
tes. 
Neunkirqhen, 16. März. (N. Bztg.) 
Bestern Mittag gegen 8 Uhr kam auf der Herberge 
zur Heimath dahier ein Handwerksbursche. seines 
Berufes Schreiber, an. Er ließ sich ein Glas Bier 
jeben und gab zwei bei sich habende Ueberzieher 
zum Aufheben ab. Einige Minuten später kamen 
noch zwei andere Handwerksgesellen an, wovon der 
eine eine Reisetasche zum Aufheben abqab. Alle 
drei entfernten sich kurz darauf, behufs Umschau im 
Orte zu halten. Nach ungefähr einer Stunde 
ehrie der jugendliche kaum 17 dan alte Schreiber 
jurück, ließ fich vom Herbergsvater seine beiden 
Ueberzieher, sowie die Tasche des andern geben. 
Da die Tochter, welche die Sachen abnahm, nicht 
da war, so wurden ihm auch ohne Anstand die 
Sachen ausgehändigt. Er nahm die Sachen, schlug 
zinen andern Weg ein, als sein Reiseziel es vor⸗ 
schrieb und entfernte sich. Zehn Minuten später 
'amen die beiden andern zuruͤck, wovon der eine 
eine Tasche verlangte. Jetzt war der Betrug am 
Tage. Kurz entschlossen entfernten fich der Herbergs⸗ 
dater mit den zwei Gesellen und noch ein in der 
Wirthschaft anwesender Gast, um einen Streifzug 
zorzunehmen, welcher ihnen nach ðastündiger Arbeil 
gelang, indem sie den Dieb eine halbe Stunde von 
hier entfernt unter einer Brücke sitzend, die Tasche 
Nexrruie 
schon erbrochen um den Inhalt sich anzueignen, 
antrafen. Er wurde mit einer Anzahl Prügel be— 
zrüßt und zurück auf die Heimath gebracht, wo er 
die Tasche in einem Nebenzimmer abgeben mußte 
und dort ihm von Frischem das Fell so gegerbt 
wurde, daß er mit blauen Zeichen, sich bedankend, 
so noch davon gekommen zu sein und mit den 
Worten: „Ich thue es in meinem Leben nicht mehr, 
lieber schneide ich mir den Hals ab!“ entfernte. 
St. Wendel, 16. Mäaärz. Am letzzten 
Samstag verunglückte ein in Selbach (oldenburgisch) 
vohnender unverheiratheter Arbeiter, der in einem 
Steinbruche, gelegen an der Groniger Grenze ar⸗ 
zeitete. Ein Mitarbeiter bemerkte, daß sich das 
äberhängende Gestein loslöste, und warnte seinen 
dameraden, der sich jedoch zu lange besann und 
nach der S. u. Bl. Z. von dem herabstürzenden 
Bestein todt gedrückt wurde. 
F Grevenbroich, 15. März. Der Bier⸗ 
»rauer Karl Mühlenbroich, welcher seit Jahren in 
em benachbarten Neuenhoven Steuerdefraude betrie⸗ 
jen, erhielt wegen Zuschüttung unversteuerten Malzes 
(ca. 100 Pfund bei jedem Gebräu) in 152 Fällen 
und Zusetzung von Traubenzucker, Bierkouleur 
Stärkemehlsyrup und anderen Schmieralien in 111 
Fällen, sowie wegen Verleitung zur Hilfeleistung 
ine Geldstrafe von zusammen 9900 M., event. 
3Monate Gefängniß und 4 Tage Haft, und seine 
Benossen, der Lehrling Schiffer, eine Strafe von 
380 Mk. event. 22 Tage Gefängniß, der Brauer— 
geselle Steiger 390 Mk., event. 260 Tage Gefäng—⸗ 
aiß und der Braumeister, jetzt Bierbrauer Sassen 
ꝛine Geldstrafe 4120 M. event. 6 Mongie Gefäng 
niß. Für die Strafen seiner beiden erstgenannten 
Benossen ist Mühlenbroich hastbar. 
FMannheim, 14. März. Im Gasthaus 
„zu den drei Kronen“ spielte sich gestern Abend 
in Akt unglaublicher Roheit ab, dem leider vor⸗ 
rusfichtlich ein Menschenleben zum Opfer fallen 
pird. Gegen 11 Uhr kam ein Arbheiter als Gaßp 
inn die Wirthschaft und verlangte noch zu trinken, 
das ihm der Wirih, Herr Haas, verweigerte, da 
»er Mann noch stark bei ihm in der Kreide stand. 
Sofort zog der etwas angeheiterte Gast ein Messer 
ind versetzte dem Wirth 4 Stiche, welche sämmt⸗ 
iich lebensgefährlich find. Der Verletzte mußte nach 
»em Spital überführt werden, und der Thäter, 
velcher sich schleunigst aus dem Staube gemach 
zatte, wurde noch im Laufe der Nacht verhaftet. 
FRettungsapparat fürsscheintodt 
Beg rabene. Der Metallwaaren⸗Fabrikant Herr 
stedl hat einen, Rettungsapparat für scheintodt Be⸗ 
zrabene“ konstruiert, durch dessen Anwendung die 
defahr, die für den Scheintodten aus der Beerdig⸗ 
ing sich ergeben muß, beseitigt werden soll. Der 
rẽrfinder erklärt seinen Apparat folgendermaßen 
Der Rettungsapparat ist ein eleltrischer und tritt 
n demselben Augenblicke, als der im Grabe ruhende 
—„cheintodte die geringste Bewegung macht, in Funk⸗ 
ion. Die Hand desz vermeintlichen Toten isi 
nämlich mit einem Draht umwickelt, der in Kon⸗ 
akt steht mit einer am Sargdeckel angebrachten 
ʒerschiebbaren Klappe. Durch eine Bewegung des 
Zcheintodten wird nun diese Klappe geöffnet, es 
zringen Licht und Luft aus einer bis über die 
Erdoberfläche ragenden und über dem Grabe in ein 
ingebrachtes Schutzhüuschen führenden Röhre in 
»en Sarg, und gleichzeitig wird die an dem Schutz⸗ 
zäuschen angebrachte elektrische Klingel in alarmi⸗ 
ende Bewegung gesetzt. Dem vom Tode Erwach 
en ist es dann auch leicht möglich, durch diese 
Köhre sich mit Personen der Oberwelt zu verständigen 
ind wenn es nothwendig erscheint, kann ihm auf 
ziesem Wege bis zu seiner Befreiung aus dem 
Sarge Nahrung gereicht werden.“ 
7 Bochum, 15. März. Aufsehen erregte vor⸗ 
zestern Morgen ein mit einem kleinen einsitzigen, 
zelocipedähnlich gebauten Dampfwagen hier durchfah⸗ 
ender Engländer. Derselbe hatte mit dem Fahrzeuge 
ereits den Weg von Amsterdam, wo derselbe gebaut 
vurde. nach hier zurückgelegt und gedenkt in diesem 
Sommer ganz Deutschland zu bereisen. Die Heizungs⸗ 
sosten belaufen sich für jede 7,5 Kilometer, die mi⸗ 
dem Wagen in kurzer Zeit zurückgelegt werden 
ruf etwa 5 Pfennig. Ein ganz winzig construirter 
Zessel ist unter dem Sitze angebracht, wobei jedoch 
ꝛine Vorkehrung getroffen ist, daß der Fahrer nicht 
jon der Hitze belaͤstigt wird. Von den drei Räbdkrn, 
uuf welchen das Ganze ruht, können die beiden zur 
Zeite stehenden durch einfachen Griff gebremst werden 
vährend das andere als Leitrad dient. Der selten 
Bassagier trat von hier aus seine Reise nach Berlin an 
7 Mainz, 16. März. Der hiefige an 
schreibt: Das furchtbare Erd beben in Jig 
hat auch eine Mainzer Familie sehr in —E 
schaft gezogen, nämlich den in Mentone wo 
nenden Herrn Peez, Besitzer eines Hotels. Bein 
erderschütierung wurde sein Haus in einen Schuh 
haufen verwandelt, während Herr Peez mit seint 
Frau und acht Kindern kaum das nackte debn 
rettete. Die Familie soll sich nach hierher gekommen 
Nachrichten in einer sehr traurigen Lage befinden 
F Von drei Doggen zerfleicht. J 
einer der besuchtesten Promenaden der Stadi Han 
nover an der Thiergartenstraße, ist am Sonms, 
ein Offizierbursche von drei Doggen überfallen 
arg zerfleischt worden. Der Vorfall, der die Gefah 
der großen maulkorblosen Hunde für das Publifu— 
so traurig erleuchtet, erregt das allgemeine Au 
sehen. 
7 Berhin. An Kaiser WilhelmsG,. 
burtshaus, das heutige Palais des Kronprin 
jzen dahier, knüpfen sich für den hohen Herrn reich 
Erinnerungen. Hier feierte Königin Luise, sem— 
unvergeßliche Mutter, den ersten Geburtstag nas 
ihrer Rückkehr in Berlin, und gleichzeitig ihrer 
etzten. Am 23. December 1809 war das Könige 
paar wieder in Berlin eingezogen und am id 
März 1810 beging es wieder den Geburtstag de 
mit Begeisterung verehrten Königin in dem beschei 
denen hiesfigen Palais. Ohne daß man es be 
der blühenden Schönheit der Königin damals ahnle 
wohnte der Feier eine tiefe Vorbedeutung inne 
„Perlen bedeuten Thränen,“ hatte die Königin 
einmal in der Zeit des tiefsten Unglücks gesagt 
Und so bekam sie unter den Klängen eines Moör 
gengesanges, den Kofkapellmeister Himmel com 
ponirt hatte, einen mit einem Perlenschmuck durqh 
zogenen Kranz duftender Veilchen geschenkt. „No 
schmückten sich die Fluren — Nicht mit des Früh 
lings Pracht, — Doch zeigten sich die Spure 
— Von Ankunft seiner Macht, — Denn Veilchen 
sprachen leise. — Für Sie sind früh wir hie⸗ 
— Und reihten sich im Kreise — Alsbald zin 
Kranze Dir,“ — so erklang süßer Einzelgesan 
Und bedeutungsvoll klang die Huldigung in den 
Chor aus: „Ob Zeiten sich wechselnd bewegen 
— Als heilig Vermächtniß — Im Weltgedächtni 
— Wird feiern den ewigen Freudentag — Ef 
liebend Volk ewig mit Herzensschlag, — Geweit 
durch des Vaterlands Segen!“ 
F(Gas Berliner Polizeipraäsidiur 
hält das Verbot der öffentlichen Schauftellung d⸗ 
dungerers Cettti aufrecht. Es ist nun ein Ab 
ommen getroffen, nach welchem Cetti nur 14 Tag 
hnngern soll und dafür 1400 Mark erhält. Bi 
Montiag nahm er 2 Pfund ab— 
* Von allen Seiten treffen Nachrichten übe 
starke Schneefälle ein. Dänemark ist derar 
verschneit, daß der Postverkehr hat unterbrocher 
werden müssen, und ebenso ist in England viel Schne— 
gefallen. Das Alpengebiet scheint besonders vie 
Schnee bekommen zu haben, namentlich die Schwei 
F Wien. Vor einigen Tagen bestand an 
der Universität ein Student glänzend das zweih 
juristische Rigorosum. Diese Thatsache ist an un 
für fich nicht so ungewöhnlich, aber sie wird mi 
Rückficht auf die Persönlichkeit des Studente 
interessant. Es ist dies der ehemalige Landes 
—A 
Dr. med. Emil v. Amrusch, der gegenwärtig “ 
Jahre alt, sich entschlossen hat, noch Jurispruden 
vi ftudiren. 
Fnr die Nedaktion verantwortlich“ F. X. Deme ß. 
Varum die Juden so alt werden. 
Die in Leipzig etscheinenden Blätter für Nahrungsmitt 
Hygiene schreiben üder diese interefsante Frage wie folgt 
„Or. Picard erklärt das fast sprüchwörtlich gewordene lang 
zeben der Juden und sindei den Grund dafür in dere 
rengen Beobachtungen des Gesundheits⸗Geseher. Das M 
jaische gleich dem allen egyptischen Gesetze ist sehr bestimm 
und streng betreffs Fleischspeisen und anderen Nahrung! 
stoffen. Jedes Schlachtthier wird sorgfältig untersucht ur 
ein bedeulender Theil desselben als ungenießbar erklärt. 
In den Wintermonaten ißt man schwerer zu verdauend 
Speisen als im Sommer, hat aber wenig Bewegung 
man sich nicht sobiel im Freien aufhält. Ueberhaudt 
man im Winter leicht dazu geneig. dem Korper med 
Nahrung durch Essen und Trinken zuzuführen, als et vin 
lich bedarf. Daburch entfiehen sehr hanfig ünregelmäßi— 
keilen und Krankheiten der Nieren, denn Fleisch und ap 
jschwer zu verdauende Speisen enthalten sehr viel Stidfo 
welches durch die Thatigkeit der Nieren vom Blute 
trennt wird. Wenn dieses Organ aber überladen, 
darf dasselbe eines Mittels, welches seine Arbeitsfübio 
vollkommen erbält.