Full text: St. Ingberter Anzeiger

Eine Kaiserfeier. 
St. Ingbert, 21. März. Noch selten hat 
eine patriotische Feier in unserer Stadt so leb— 
haften Anklang gefunden, wie die Feier des 
neunzigsten Geburtstages Sr. Maj. 
unseres Heldenkaisers Wilhelm, die 
gestern Abend im Oberhauser'schen Saale stattfand. 
Das Lokal war, der Feier entsprechend, geschmückt 
mit den Bildnissen des Prinz-Regenten Luitpold, 
des Kaisers Wilhelm und des deutschen Kronprinzen, 
sowie zahlreichen Wappenschilden; außerdem waren 
die Wände geziert mit Tannenreisern und Fahnen⸗ 
Guirlanden in bayerischen und deutschen Farben. 
Von hiesigen Vereinen betheiligte sich in offizieller 
Weise außer dem Kriegervereine noch der Sünger⸗ 
chor der „Gemüthlichkeit“. Außerocdentlich stark 
war die Einwohnerschaft unserer Stadt der in 
diesem Blatte ergangenen Einladung zur Antheil- 
nahme gefolgt. Kein Stand, der nicht vertreten 
war. Erwähnt sei, daß bis zum Abgange des 
letzten Zuges auch Herr Bezirkdamtmann Dr. 
Schlagintweit und Herr Rektor Luren⸗ 
burger von Zweibrücken Theil an der Fefstlich 
keit nahmen. Als diese kurz vor 8 Uhr ihren 
Anfang nahm, war der große Saal in allen seinen 
Theilen so dicht besetzt, daß mancher, der später 
tam, froh sein mußte, wenn er sich in der Nähe 
der Thüre noch ein Stehplätzchen erobern konnte. 
Recht würdig wurde die Feier von unserer Berg⸗ 
kapelle mit einem Festmarsch eröffnet, dem sie als⸗ 
bald eine Ouverture folgen ließ. 
Als die letzten Töne verklungen waren, eröffnete 
Herr Dr. Bartholomace mit folgenden Worten 
die Reihe der Toaste: 
„Geehrte Festversammlung! Von ganz Deutsch⸗ 
land und wohl an allen Orten, wo Deutsche woh⸗ 
nen, wird das 90. Geburtsfest unseres allgeliebten 
Kaisers, der seit 16 Jahren an der Spitze des 
durch die Einigkeit der Fürsten wiedererstandenen 
Deutschen Reiches steht, gefeier. Wir Bayern 
tönnen mit großer Freude dieses Fest begehen, 
wissen wir uns ja doch eins mit unserem Herrscher⸗ 
hause in treuer Anhänglichkeit an Kaiser und Reich 
Wir werden daher unser heutiges Kaiserfest nicht 
besser und würdiger beginnen, als wenn wir mit 
Vertrauen und Dank aufblicken zu dem weisen 
Regimente unseres Prinz⸗Regenten, und wenn wir 
diese Gefühle ausklingen lassen in dem Wunsch: 
Möge uns unser Prinz⸗-Regent noch lange erhalten 
bleiben zum Heile und Segen Baherns. Se. Kgl. 
Hoheit Prinz Luitpold, Bayerns Regent. lebe hoch! 
jJoch! hoch!“ 
Begeistert stimmie die Versammlung in das 
Hoch ein und mächtig durchbrauste dieses den Saal. 
Stehend sangen die Anweserden im Anschlusse 
daran die Königs-⸗Hymne „Heil, unserm König! 
Heil!“ — Es folgten nun wieder musikalische 
Vorträge, in denen die Bergkapelle mit den Sängern 
der „Gemüthlichkeit“ abwechselte. Alsdann ergriff 
Herr Pfarrer und Distriktsschulinspektor Ferckel 
das Wort zu der nachstehenden hochpatriotischen 
Ansprache: 
„Verehrte Herren! deutsche Männer! 
Des Kaisers neunzigster Geburtstag! 17971887 
— welches reiche Menschenleben, welche Fülle von 
überwältigenden Erinnerungen/ 
Neunzig Jahr ee5 
Silberhaare, 1 
drauf ein ewig grüner Kranzz 
Völker blicen — — 
mit Entzücken —— 
auf des Kaisers Siegesglanz!“ 
Welche wunderharen Wendungen, welchen gewalti⸗ 
zen Wechsel schließen diese Jahre ein! dee— 
Lassen wir eine Reihe von Bildern am geisti⸗ 
gzen Auge vorüberziehen: 
Im einfachen Schlosse zu Hohenpieritz 
bei Strelitz hängt an der Wand ein vergilbter 
Kranz aus Eichen, Rosen und Wiesenblumen. Ihn 
hat die Hand des Prinzen Wilhelm ge⸗ 
wunden am Sierbetag der Mutter, jener unver⸗ 
geßlichen Luise, die wie ein Stern leuchtet im 
Kranze deutscher Frauen. Wie hat schon die Seele 
des Knaben mitempfunden die Schmach des Vater⸗ 
landes, über der seiner theuern Mutter das Herz 
gebrochen war. Das war am 19. Juli 1810. 
Und wieder kam ein anderer 19. Juli. Nach⸗ 
dem im Jahre 1870 mit echt französischer Leicht— 
fertigkeit die keckste Herausforderung dem König 
Wilhelm ins ehrwürdige Angesicht war ge— 
schlendert worden und in nächtlichem Kriegsrat der 
Krieg beschlossen war, da besuchte der König am 
19. Juli ganz allein das Mausoleum in 
Charlottenburq. wo die Asche seiner Mutter 
neben der ihres Gatten ruht, und verweilte lange 
an ihrem Marmorsarge. Welche Bilder der Ver⸗ 
gangenheit sind da vor seine Seele getreten! Wie 
sind da lebendig geworden die Worte einer deut 
chen Mutter, die einst ihren Knaben zugerufen 
jatte: „Werdet Männer, geizet nach dem Ruhme 
zroßer Feldherren und Helden. Koͤnnt ihr aber 
mit aller Anstrengung den niedergebeugten Staat 
nicht aufrichten, so sucht den Tod, wie ihn Louis 
Ferdinand gesucht hat!“ 
Nun war aus ihrer Asche der Rächer erstanden. 
Der König stellte sich an die Spitze des deutschen 
deeres und konnte in seiner Proclamation vom 
2. August von Mainz aus verkünden: „Ganz 
Deutschland steht einmütig in den Waffen gegen 
den Nachbarftaat, der uns überraschend und ohne 
Grund den Krieg erklärt hat.“ 
Am 10. März 1813, dem Geburtstage der ver⸗ 
ꝛwigten Königin Luise, stiftete Friedrich Wilhelm III. 
das eiserne Kreuz. Kein anderes Denk- und 
Ehrenzeichen paßte für jene Zeit der schweren Not. 
Es sollte eine Erinnerung sein an den eisernen 
Druck, die eisernen Ruten, die eisernen Ketten, 
womit der Korse Deutschland heimgesucht; es sollte 
aber auch hinweisen auf den gläubigen Heldenmut, 
der des Eroberers Ketten zerbrach im Feuersturm 
eziner Begeisterung, die gleich einer mächtigen 
Flamme über Deutschland emporlohte. Ein Denk⸗ 
zeichen sollte es zugleich sein an jene edle Kreuz 
rrägerin auf Preußens Thron, denn das erste 
eiserne Kreuz war „der unvergeßlichen Luise“ ge— 
jandt, die damals noch im Schloßgarten zu Hohen⸗ 
hieritz ruhte. Am 10. März 1814 ward auf dem 
Schlachtfelde von Bar⸗sur⸗Aube ein Jüngling mir 
diesem Ehrenzeichen geschmückt, der heute als unser 
Kaiser der einzige noch lebende Ritter des alten 
eisernen Kreuzes ist. Aber um ihn her welcht 
mächtige Schaar von Trägern dieses herrlichen 
Schmuckes: Bismarck, der des Reiches Feder 
führt, ein Roon, der des Reiches Waffen geschmiedet 
unser Kronprinz, des Reiches Feldmarschall und 
Moltke, der Mann des Schweigens und des Rates 
— bis herab zum gewöhnlichen Mann aus dem 
Volke. der in solcher Feierstunde mit Hochgefühl 
des Tages gedenkt, da seine Brust mit diesem 
Zeichen der Ehre geschmückt ward! »Sie haben 
ich's Alle geholt auf jenen Schlachtfeldern auf 
ranzösischer Erde, wo uns're Tapferen und Braven 
sen Franzosen klar gemacht haben, daß unser deut— 
ches Land nicht ferner das Schachbrett sein wolle 
jür des Nachbarn frevelhaftes Spiel. Das war 
nicht mehr die Armee, die einst geschlafen hatte 
uuf den Lorbeeren Friedrichs des Großen. Einen 
neuen Geist hatte ihr der oberste Kriegsherr ein⸗ 
zehaucht ⸗⸗; 3 
Ein anderer Märztag“ Es, war im Jahre 
1848. Unter ein Fenster des prinzlichen Palais 
jatte die Faust der Empörung das Wort: „National⸗ 
igentum“ geschrieben; der Prinz lebte als Ver⸗ 
zannter in London. In der Savohykirche daselbst 
vird ein Gesangbuch aufbewahrt, in welchem bei 
inem Lied des Gotivertraun's der Prinz die Worte 
ingeschrieben hat: „Bei meinem ersten Besuche des 
Bottesdienstes in der Savoykirche in London am 
2. April 1848 gesungen.“ Als er zurückgekehrt 
var, erinnerte er eine Deputation an jene Aufschrift 
in seinem Palais und sprach die Hand aufs Herz 
zelegt: „Hier ist ein Rationaleigentum 
des Vaterlandes!“ Wie herrlich haben diest 
Worte sich erfüllt! die Tausende, die jetzt täglich 
venn am Mittag die Wachtparade vorüberzieht, 
inter demselben Fenster an des Kaisers Palais 
warten, bis des alten Soldaten tiefgefurchtes freund⸗ 
iches Antlitz sich zeigt, sie begrüßen mit ihrem 
Jubel und tausendstimmigen Hurrah nicht den 
driegshelden, sondern den Friedensfürsten mif 
einem treuen Herzen. 
Sein schönster Schmuck, schön über alle Sieges⸗ 
orbeeren und Ehrenkränze, die voll und reich sein 
hrwürdig Haupt belauben, ist das treue Herz. 
Wie treulich hat er gerungen und geworben um 
Bermania, die holde Braut, einst das Aschenbrödel 
inter den Völkern, jetzt zu Ehren gekommen und 
öniglich geschmückt durch den hohen Königssohn, 
der fie erwählt. Ist's nicht Treue, mit der er bis 
in des Alters Tage nur seiner Pflicht, nur seinem 
Volke und dem Wohle seines Volkes lebt? Ist's 
aicht Treue, womit er festhält auch in Sturm und 
Drang an den Räten und Helfern seines großen 
Werkes, wie an den Zielen und Wegen, die ihm 
als die rechten aufgegangen sind? In solq. 
Treue sind neunzig Jahre ihm verflofsen und 
den wechselnden Geschicken seines Lebens spiege 
fich die Geschichte unseres Volkes in 
19. Jahrbundert. Schmach und Ruhn, 
beides theilt es mit seinem Kaiser. 
In den Beginn des Frühlings fallt sein Ge 
buristag. Er hat den Frühling gebracht dem deus 
schen Volke: 
Waterland, in tausend Jahren 
Ward dir solch ein Frühling kaum; 
Was die alten Väter waren, 
Ist nicht länger mehr ein Traum! 
Nach langer harter Winternacht, noch tiefer 
Noth und schweren Zeiten, in denen das deutsche 
Reich aus tausend Wunden blutete, ist ihm e 
Lenz aufgegangen, herrlicher und schöner denn je 
Freilich wie draußen Schnee und Eis noch deg 
Frühlings Kommen hindert, so hemmt uoch dieles 
das neugeeinte Reich an voller Entfaltung seine, 
Segenskraft. 
Aber es ist doch der Frühling da! Gott 
Dank! Noch gelten Schenkendorfs Worte: 
Es haben wohl gerungen 
die Helden dieser Frift, 
doch nun der Sieg gelungen, 
übt Satan neue List. 
Doch, wie sich auch gestalten 
im Leben mag die Zeit, 
du sollst mir nicht veralten 
o Traum der Herrlichkeit! 
Nein, wie einen eisernen Ring schließen wir di⸗ 
Reihen um des Kaisers Thron! 
Neunzig Jahre, 
Volk, o schaare 
dich um deines Kaisers Thron! 
Heil'ge Treue 
gib aufs neue, 
gib die Herzen ihm zum Lohn! 
So klingt die Mahnung dieser ernsten großen 
Zeit mit ihren ungelösten Fragen und drohenden 
Wetterzeichen zum Geburtstag des lieben alten 
Zaisers. So glühe es von hl. Feuer in unsern 
Herzen, ihr deutschen Männer, die wir als Pflicht 
es erklannten, an diesem einzig großen Ehrentage, 
den nie ein Fürst erlebte, Farbe zu bekennen. 
Unsere Farbe ist die Farbe unseres Kaisers; unsere 
Farbe ist die Treue, die von jeher einen guten 
Klang gehabt hat in deutschen Landen. Und sie 
soll ihn behalten! das erste Hoch auf Kaiser 
Wilhelm hat am 18. Januar 1871 der Groß—⸗ 
herzog von Baden im Schloß zu Versailles aus 
jebracht. Viel tausendfach ist es seitdem erklungen, 
joweit die deutsche Zunge klingt. In mächtiger 
Begeisterung schalle es auch in diesen fehlichen 
Räumen aus treuen deutschen Herzen: 
Kaiser Wilhelm hoch! hoch! hoch!“ 
Die zündenden Worte des Redners fanden bei 
den Zuhörern begeisterten Wiederhall und jubelnd 
lang das vielhundertstimmige Hoch auf den edlen 
Fürsten, dem die Feier gali. Im Anschlusse an 
dieses Hoch intonierte die Bergkapelle „Heil dir im 
Siegerkranz“ und kräftig stimmten Alle mit ein. 
Einen großartigen Eindruck machte hierauf auf 
die Versammlung ein lebendes Bild: unter ben⸗ 
zalischer Beleuchtung die mit Lorbeer bekraͤnzte 
Büste des Kaisers, umrahmt von dunkelm Tannen⸗ 
zrün und Fahnenbändern, zu beiden Seiten flanbirt 
von deutschen Kriegern in den verschiedensten Uni⸗ 
formen. J 
Den letzten offiziellen Toast brachte als dritter 
Redner, der Vorstand des Kriegervereins, Herr 
Kaufmann Fischer, auf die deutsche Armee mit 
folgenden Worten aus: 
„Meine Herren! Wenn sich Jemand ein Haus, 
ein Geschäft gründet, so braucht er dazu dreierlei: 
Unternehmungsgeist, Mittel und die Kraft zur Er⸗ 
haltung des Errungenen. 
Der Unternehmungsgeist muß ihm den Impul⸗ 
zur Schaffung seines Planes geben, die Mittel die 
Macht zur tüchtigen Betreibung des Unternehmen⸗ 
und ein fester Wille die erhaltende Kraft, um dem 
Unternehmen die Krone der Arbeit und des Sieges 
zu fichern. 
Unter diesen Gesichtspunkten, m. H., wurde vot 
16 Jahren ein Haus gegründet, unter der Firma: 
Deutsches Reich und demselben ein mit dem größten 
Unternehmungsgeiste ausgestatteter Leiter überstellt 
welchem die nöthigen Mitiel zur Betreibung de⸗ 
Geschäftes in den Personen seines ersten Geschäfts— 
sührers, des Reichskanzlers Fürsten Bismaré