Full text: St. Ingberter Anzeiger

welcher er beigewohnt, habe die Erscheinung einer 
hochgradigen Magenentzündung ergeben. Um jeder 
Aufregung der Kranken vorzubeugen, habe er alle 
Bejuche untersagt gehabt und iei, wie er gehört, 
außer ihrem Mann Niemand als ihre Schwester 
und die Mutter des Angeklagten zu ihr gekommen. 
Dr. Medicus, Prof. der Chemie in Würzburg, 
dem Leichentheile zur Untersuchung übersandt wur—⸗ 
den, hat organische Gifte nicht darin gefunden, von 
anorganischen aber Arsenik in ziemlich bedeutender 
Menge, Kupfer dagegen nicht; die Vergiftung sei 
wahrscheinlich mit arseniger Saure erfolgt, nicht 
mit Schweinfurter Grün, welches Arsenik und 
Kupfer euthalie; unter den ihm übersandten, bei 
dem Angeklagten beschlagnahmten Pflanzen habe sich 
nicht Schierling, wohl aber Hahnenfuß befunden. 
In dem von ihm untersuchten Wurstrecht. welcher 
in des Angeklagten Wohnung gefunden wurde, habe 
sich ein Milligramm arseniger Säure entdecken lassen, 
eine so geringe Menge, daß nicht gesagt werden 
könne, ob sie hineingemischt oder z. B. durch Auf ⸗ 
legen auf einen Teller ꝛc. daran gekommen sei. 
Der köonigl. Landgerichtsarzt Dr. Demuth kon⸗ 
statirte bei der Leichendffnung das Vorhandensein 
einer sehr heftigen Entzundung des unteren Ab— 
schnitts der Speiseröhre, des größten Theiles des 
Magens und des oberen Theiles des Darms, die 
Abwesenheit jedes anderen pathologischen Befundes, 
welcher den Tod hätte herbeiführen koͤnnen, und 
den Eintritt des Todes durch starke Entzündung 
der Magendarmhaut. Die Krankheitserscheinungen, 
wie sie der behandelnde Arzt festgestellt, seien derart, 
wie sie nach dem Einnehmen von Arsenik einzutreten 
pflegen. In nur zwei Pfund des Körpers seien 
durch Prof. M. 1834 Miklligramm Arsenik gefunden 
worden, wahrend die Dosis, um einen Menschen zu 
tödten, im Ganzen nur zwischen 100 und 200 
Milligramm schwanke. Die Dosis müsse so groß 
gewesen sein, daß nicht wahrgenommen werden 
könne, die Verlebte habe dieselbe schon lüngere Zeit 
vor dem Tode in den Körper aufgenommen. 
Unter den heute Morgen vernommenen Zeugen 
verdient Erwähnung die Aussage eines Gärtners 
von Reustadt, bei dem der Angeklagte am 2. Mai 
v. Is. in Bouquet bestellte und sich erkundigte, 
wo Schierling wachse. Auf Vorhalt des Herrn 
Vorsitzenden, warum er das Bouquet bestellt und 
nach Schierling gefragt, erweiderte der Angeklagte, 
die Bestellung des Bouquets sei blos Vorwand ge⸗ 
wesen, um etwas über Schierling zu erfahren, und 
nach dem letzteren habe er gefragt, weil er sich mit 
seiner Frau datüber biredet habe, daß sie Schier⸗ 
ling sammeln und in den Apotheken verkaufen soölle, 
wenn fie wieder einmal keinen Verdienst habe.“ 
E * 
. Am Sar⸗stag wurde in St. Johann 
ein Ring von massivem Golde gefunden, in dessen 
Innern sich die Worte „Kaiser Napoleon“ ein⸗ 
gravirt finden. Der seltene Fund ist auf dem 
dortigen Polizeiamte abgegeben worden. 
FSaarbrücken, 28. März. (S. u. Bl. 
Zig.) Wie man fich hier mittheilt, wird in aller⸗ 
nächster Zeit über das Schicksal des zum Tode ver— 
urtheilten Schindler aus Oberstein entschieden werden. 
Dieser ganz gefühllose Mörder ißt trotz seiner Ver⸗ 
urtheilung mit einem Appetit, der seinesgleichen 
sucht, schläft von Abends früh bis in den späten 
Morgen hinein und zeigt von Reue oder Gewissens⸗ 
bissen nicht die Spur; er wird aber keine Sekunde 
aus den Augen gelassen, zwei Wächter lösen sich 
Tag und Nacht ab. 
F Brebach, 23. März. Heute wurde ein 
hiesiger Einwohner, aus der Pfalz gebürtig, der 
Staatsanwaltschaft in Saarbrücken vorgeführt, 
weil er sich gestern höchst unehrerbietiger Ausdrücke 
über unseren Kaisser bedient hatte. (St. J. Z.) 
FAus Lothringen, 20. März. In der 
„Metzer Zig.“ lesen wir folgende Anfrage:“ Wann 
wird in einer deutschen Stadt mit einem deutschen 
Bemeinderath die deutsche Sprache für die Oktroibe⸗ 
amten eingeführt? Ich glaube doch, daß diese 
Herren seit 17 Jahren Zeit genug hatten, deutsch 
zu lernen, uud hoffe ich, daß für die Zukunft es 
nicht mehr nöthig sein wird, daß ein deutscher 
Vaterlandsvertheidiger nach zwölfjähriger Dienstzeit, 
wenn derselbe fich um die Stelle eines Oktroibe⸗ 
amten bewirbt, noch nöthig hat, franzöfisch zu lernen! 
Sollte es auch wirklich wahr und möglich sein, daß 
ein Franzose seit 1874 die Stelle als Oktroi⸗Ein 
nehmer bekleidet hat und erst nach dem 21. Fe— 
oruar, nachdem ihm ein Wink gegeben wurde 
Vermischtes. 
sein Naturalisationsgesuch eingereicht hat? Ich 
will an der Vergangenheit nichts mehr ändern, 
offentlich wird auch in dieser Verwaltung den 
Herren klar gemacht. wessen Brod sie essen, und daß 
dom 1. April ab sämmtliche Oktroi⸗Quittungen in 
deutscher Sprache ausgeführt sein müssen. N 
Braß, Bauunternehmer.“ 
7Eschlkam, 19. Maͤrz. In Geoßaigen 
kamen heute Nachmittag im Pohmer'schen Hause 
die Mutter und der ältere Sohn in Streit, wobei 
der jüngere, 17 Jahre alte Sohn für die BMutter 
Partei nahm und seinem Bruder ein Messer derart 
in den Hals stieß, daß alsbald der Tod eintrat. 
Wegen Gefährdung eines Eisenbahnzuges 
wurde die Bahnwärterstochter Margarete Wich von 
Doos zu drei Tagen Gefängniß verurtheilt. Das 
Mädchen, welches Tags über außerhalb des Hauses 
mit Nähen beschäftigt wax, half mit Erlaubnis der 
Bahnbehörde ihrem bejahrten Vater im Nachtdienst 
aus und halte vom Schlafe übermannt, die Bar⸗ 
rieren zu schließen vergessen, so daß ein Zug die 
Deichsel eines auf das Geleise fahrenden Wagens 
ertrümmerte. Das arme Mädchen hatte Tag für 
Tag nur drei Stunden Schlaf für sich. 
FGeförderung.) Der Fourier Hefssel⸗ 
scchwert in München, welcher sich bekanntlich der be⸗ 
sonderen Gunst König Ludwig's U. zu erfreuen 
hatte, wurde durch besondere Verfügung des Prinz⸗ 
regenten zum kgl. Bereiter im Oberstallmeisterstabe 
vefördert. Hierdurch abancirt Hesselschwert in die 
ategorie der Hofbeamten. 
F GUhrendiebstahl) Samstag Nach 
hrachen Diebe bei dem Uhrmacher Hegel in Augs— 
burg ein, raubten 250 M. baar Geid und 312 
Ahren im Werthe von 10,800 M.; auch fehlen 
Beschäftsbücher. Die Diebe nahmen nur neue 
Ahren. Von den Thätern ist noch keine Spur ent⸗ 
deckt. 
FGladbach. 20 Maärz. Die evangelischen 
Arbeitervereine der Grafschaft Mark und des 
stheinlandes, die evangelischen Männer⸗und Jüng⸗ 
ingsbereine des westdeutschen Jünglingsbundes, der 
hristlich⸗patriotische Männerverein in Bielefeld, sb⸗ 
wie Arbeiter, Handwerker und Kleinbauern aus 
Westfalen und Rheinland haben eine mit 40922 
Unterschriften versehene Adresse an den Kaiser aus 
Anlaß der Feier seines 90. Geburtstages gerichtet. 
7 Frankfurt, 23. März.“Ein Unteroffi⸗ 
zier des hiesigen 81. Infanterie ⸗Regiments, Namens 
Züchmann, hat sich in verwichener Nacht mit seiner 
Beliebten in den Main gestürzt. Seine Leiche 
wurde bereits geländet; nach derjenigen des Mäd⸗ 
hens wird noch gesucht. Einem anderen Blatte 
zufolge sollen während vergangener Nacht zwei 
Unteroffiziere im Main ertrunken sein. 
rKoͤln. Ein hiefiges Dienstmädchen gewann 
den zweitgrößten Gewinn von 80,000. M. in der 
Dombau⸗VLotterie. Einige Tage vorher hatte sie das 
Loos zur Hälfte abgegeben, so daß sie mit 15000 
M. zuüfrieden sein muß. 
Der großartigste Facke l z u g zu Kaisers- 
geburtstag war wohl in Düsseldorf veran⸗ 
altet. An demselben betheiligten sich 10,000 
Fackel · und Lampionträger, sowie 15 Musikkapellen. 
4Seinen 90. Geburtstag feierte gleich⸗ 
zeitig mit unserem Kaiser am 22. März der Par⸗ 
ikulier Ernst Wunnenberg in Hirschberg. — Ferner 
wird aus Münster in Westfalen berichtet, daß dort 
die Witiwe Ph. Heimann geb. Windmüller am 22. 
d. Mis. ihr 97. Gebursfest gefeiert habe. Dabei 
ist die alte Frau noch so rüstig, daß sie ohne Brille 
zu lesen und sogar unoch eine Nadel einzufädeln 
hermag. 
7In Berlin siarb am 18. ds. der Kom⸗ 
nisfionsraih Johann H'off, bekannt durch sein 
„Malzextrakt, dessen Annoncen seinen Namen in alle 
Welitheile getragen haben. 
FGolgender schrecklicher Unglücks 
zall) wird aus Berlin gemeldet: Am Samstag 
Lormittag gegen 11 Uhr steckte der im „Viktoria⸗ 
Speicher“ beschäftigte 30 Jahre alte Arbeiter Netz⸗ 
zand den Kopf durch die zum Fahrfiuhl⸗-Tunnel 
ührende Oeffnung, um einen Kollegen in der 
zöheren Etage anzurufen. In diesem Moment 
enkte sich der Fahrstuhl in die Tiefe, und noch 
he der Erschreckte den Kopf ganz zurückzuziehen 
»ermochte, war ihm die vordere Kopf⸗ und Gesichts⸗ 
eite zerschmettert resp. weggerissen. Durch auf die 
Sohle des Fahrftuhles träufelndes Blut wurden 
Arbeiter in der untersten Etage auf den Unglücks⸗ 
fall aufmerksam gemacht. Sie eilten hinauf und 
fanden den N. in seinem Blute liegend vor. Da 
nan in ihm noch Leben entdeckte, so wurde 
Verunglückte nach dem nahe gelegenen Bethame 
überführt. Dort konnten die Aerzte nur nochn 
bereits eingetretenen Tod konstatiren. Der Vetn 
glückte hinterläßt eine Frau mit zwei Kindern 
Der zweite Sohn des deutschen Kronbrig 
Prinz Heinxtich von Preußen,is 
Jahre alt, er ist Capitanlieutenant in der Min 
Die Braut, Prinzessin Irene, ist die dritte Toh 
—A J 
1866. Prinz Heinrich und Prinzessin Ircne 
Toufin und Cousine, da ihre Mütter Schwehn 
waren. 
fHohes Lebensalter. Am 22.9 
vollendete unser Kaiser das 90. Lebensjahr 
an diesem Tage werden im preußischen Siaale ne 
uͤber 3600 Personen vorhanden sein, welche du 
Altersgrenze bereits seither überschritten habenn 
»on denen mehr als 300 sogar mindestens 
Jahre älter als der Neubegründer des deunt 
Reiches sind. 
In allen Provinzen kommen Personen im Ah 
von 90 bis 95 Jahren moch in ziemlich hehrah 
licher Zahl vor, ältere Personen dagegen name 
lich häufig in den Provinzen Posen, Schlesen 
Westpreußen und Ostpreußen. In Berlin, Saqs— 
und Hohenzollern wurden über 100 Jahre 
Personen gar nicht ermittelt. Die Vertheilungd 
höchsten Lebensalter auf die einzelnen Ptobinz 
zeigt folgende Zusammenstellung. Es wurden Ise 
gezählt: 
naͤnnliche Personen imweibliche Personen 
Alter von Alter von 
od dis ob bis J oo bis Od bie me 
95 100 1001 95 100 6 
Jahren Jahr. Jahr. Jahren Jahren go 
Ostpreußen 136 33 10 271 767 
Westpreußen 137 47 151 281 90 3 
Berlin 26 3 — 73 9 
Brandenburg 132 17 1 254 238. 
Pommern 116 17 2 1984 37 
Posen 164 55 08 386 153 
Schlesien 255 521 25 371 99 
Sachsen 98 10 — 128 18 
Schleswig⸗ Hol⸗ 
X 128 18 2 217 26 
Hannober 16505 18 21171 28 
Wesifalen 106 1112 J 98 19 
Hefsen⸗Nassau 45. 5 2664 10 
Rheinland 190 21 31256 46 
Hohenzollen 5 — — 23 
im Staate 1703 306 72 2766 640 66 
Die Gesammtzahl der im Jahre 1885 uw 
90 Jahre alt befundenen Personen vertheilte 
folgendermaßen auf die einzelnen Altersjahre. 
e ollendet 
ndere J vollendete 
—E——— Männer Frauen ue iehre Männer *tru 
od 7u 12 4 
91. 3895 5701 108. 4 
92. 283 458541] 106. 13 
as8. 190 3801 107. — 
4. 123 1851 108. 
95. 141 281 109. 
o6. 68 186 110. 
97. 31 282 1411. 
98. 41 0527 12. 
99. 280 E — 
00. 10 m — 
101. 748 8. 1 
ioꝛ27 120. ĩ 
103. 8 
Soweit Berufsangaben der über hundert Jo 
alten P isonen überhaupt vorliegen, wiegt bei bed 
Beschlechitern die Zahl der Altsitzer, Ausgedint 
und Leibzüchter, dann die der Orisarmen, Almeße 
empfänger und Hospitaliten vor. Daneben 
scheinen beiderseits in kleineren Zahlen Pensionh 
Emeriten und Rentner, ferner unter den Maͤnnn 
rinige Tagelöhner, Hirten, Kaufleute und ha 
besiher, sowie je ein Lehrer, Förster, X 
und Oekonom, unter den weiblichen Personen ew 
Tagelohnerinnen, Magde und Einliegerinnen, sor 
je eine Hausbesitzerin, Wirthin und Hebamme. 
p. Berlin. Die eiferne Hochzeit begite 
am 16. d. Mts. die Wittwer'schen Ehelene 
Palziger Hammer. Im Jahre 1822 gingen 
selben die Ehe mit einander ein; 65 Jahre. 
ein ganzes Menschenalter haben die Alten r 
friedener und bescheidener Ehe alle Freuden 
Leiden des Lebens mit einander getragen. 
Jubilar, zugleich auch Veteran aus den Freh 
iegen, hal bereits das Aller von 90 Jor 
*5