Full text: St. Ingberter Anzeiger

meisten europäischen Großmächten abgelehnt. Nach ˖ 
dem Deutschland und Rußland eine dahin gehende 
Erklärung bereits abgegeben haben, soll nun auch 
Desterreich damit nachgefolgt sein, und das Gleiche 
erwartet man von Italien. Als Grund wird an— 
Jegeben, daß sich Monarchien nicht an einem Unter⸗ 
nehmen betheiligen konnten, das sich zugleich als 
eine Feier der Revolution darstelle. 
Brüssel, 18. April. Die im Februar abge⸗ 
laufene deutsch⸗belgische Stchienenkonvention wird 
nicht mehr erneuert. 
London, 13. April. Aus Wien wird der 
„Morning Post“ gemeldet, es verlaute aus bester 
Quelle, daß die Türkei ihre Bereitwilligkeit ausge⸗ 
drückt hätte, der Tripelallianz beizutreten, aber sich 
vorher Erklaͤrungen darüber erbat, ob es wahr sei, 
daß Tripolis an Italien abgetreten werden solle. 
Es wurde der Pforte geantwortet, daß die Tripel⸗ 
allianz rein friedliche Zwecke verfolge, und daß, 
solange der Friede aufrechtgehalten wird, der status 
quo in Europa in keiner Gefahr schwebe, kompro⸗ 
mittirt zu werden. 
London, 13. April. Allem Anscheine nach 
beabsichtigt China eine wesentliche Verstärkung seiner 
Wehrkraft. Chinefische Abgesandte sollen bereits 
auf einer Reise nach Europa begriffen sein, um 
die militärischen Verhältnifsse der europäischen Staaten 
an Ort und Stelle kennen zu lernen. 
Petersburg, 18. April. Das französische 
Anerdieten eines Bündnisses, von dem kürzlich das 
Gerücht umlief, ist, nach der „Köln. Ztg“, eine 
Thatsache, ebenso aber auch die auf Befehl des 
Zaren erfolgte abschlägige Antwort. Letztere gewinnt 
noch dadurch an Bedeutung, daß zu gleicher Zeit 
auch die Beteiligung an der franzöfischen Weltaus⸗ 
stellung verweigert wurde. Diesmal hat also die 
Politik des Herrn v. Giers einen weit entschiedeneren 
Sieg über Katkow davongetragen, als neulich an⸗ 
läßlich des Verweises. Sollte es sich wirklich be⸗ 
stätigen, daß Giers am russischen Osterfeste einen 
besonderen Gnadenbeweis erhält, so wäre eine 
solche Auszeichnung gerade jetzt ven großer Bedeu⸗ 
tung. Der hiefige französische Botschafter schein 
den Mißerfolg seiner Regierung schwer zu empfinden 
Er tritt öffentlich nicht mehr mit der Sicherheit 
auf, die ihn früher auszeichnete und welche durch 
das Gefühl eingegeben schien, daß er sich als 
Freund unter Freunden bewege. So erfreulich die 
jetzige kaiserliche Politik für die Aufrechterhaltung 
des Friedens auch ist, so darf man sich freilich doch 
der Anficht nicht verschließen, daß die Mehrheit der 
russischen Gesellschaft dieselbe mit scheelen Augen 
ansieht. Doch so lange die kaiserliche Regierung 
in dieser Politik verharrt, ist dies ja nicht von 
Bedeutung. 
In der Schweiz ist die Stadt Zürich 
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und anarchistischer Agitatoren und allerhand son⸗ 
stiger verdächtiger, meist aus dem Auslande stam 
mender Elemente geworden. Dieselben haben durch 
ihr turbulentes Treiben, das schließlich in Straßen ⸗ 
exzesse und andere Vergehen gegen die öffentliche 
Ordnung ausartete, die Aufmerksamkeit des 
Bundesrathes erregt, welcher vom eidgenössischen 
Justiz⸗ und Polizeidepartement Bericht über diese 
seltsame Fremdenkolonie einforderte. Infolge dessen 
hat sich das genannte Departement um unverzüg⸗ 
liche Anordnung einer Untersuchung an die züricher 
Polizeidirektion gewandt und steht die Ausweisung 
dieser das Asyl⸗ und Gastrecht der Schweiz miß⸗ 
brauchenden Perfönlichkeiten zu gewärtigen. — Die 
gesetzgebenden Körperschaften der Schweiz sind am 
Dienstag zusammengetreten. Der Staͤnderath 
wählte Scherb (radikal) aus Thurgau, zum Präfi⸗ 
denten und Herzog (klerikal) aus Luzern zum Vize⸗ 
hräsidenten 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Die kgl. Regierung der Pfalz erläßt soeben 
folgendes Ausschreiben: Es liegt in Absicht, im 
Laufe des Monats Mai eine Prüfung für Huf- 
schmiede, abzuhalten, weßhalb hiermit alle 
jene Hufschmiede, welche sich dieser Prüfung unter⸗ 
ziehen wollen, aufgefordert werden, ihre bezuͤglichen 
Gesuche längstens bis 1. Mai hierorts einzureichen. 
Diese Gesuche müssen gemäß 8 8 der allerhöchsten 
Verordnung vom 1l Mai 1884 1. mit einem 
glaubhaften Nachweis über die Beschäftigung des 
Gefuchstellers im Hufbeschlag Gewerbe während 
eines Zeitraumes von mindestens 3 Jahren, 2 
mit einem Geburtsschein des Bewerbers belegt sein 
und 3. genaue Angabe des Ortes enthalten, an 
dem der Bewerber sich aufhält, und der Adresse, 
unter welcher die Vorladung zur Prüfung an ihn 
zu erlassen ist. Von der Beibringung des in 
Ziffer 1. bezeichneten Nachweises einer S8jährigen 
Beschäftigung im Hufbeschlaggewerbe sind entbun⸗ 
den diejenigen Hufschmiede, welche bei den Trup 
pentheilen (in den Escadrons⸗ Batteries ꝛc. Schmie 
den genügend ausgebildet worden sind und darüber 
ein vorschriftsmäßiges Zeugniß zerhalten haben. 
— Die anerkemenden —2* der Direktior 
iber das Personal der pfalzischen Bahnen lauten:; 
„Dem gesammten Personal der pfälzischen Eisen⸗ 
bahnen darf auch für das Berichtsjahr 1886 das 
Zeugniß treuer Dienstleistung nicht versagt und 
soll hier noch ganz besonders anerkannt werden, 
daß bei den Betriebsstörungen im Dezember das 
Personal aller betheiligten Dienstzweige in Erfüllung 
einer erschwerten Dienstespflichten rühmenswerthen 
ifer und standhafte Ausdauer an den Tag gelegt 
hat.“ — Die Staatszuschüsse incl. eines Vorschusses 
don 800,000 M. in 1886 betragen bis jetzt ins 
gesammt 20,175,242 M. 50 Pf. 
— Kusel, 13. April. Gestern früh nach 
feierlichem Hochamt wurde der erste Spatenstich 
zum Ausgçraben des Fundaments für die neue 
katholische Kirche dahier vorgenommen. 
— Neustadt, 11. April. Unter Vorfitß 
des Gauleiters Herrn Fr. Lang von Speyer fand 
heute dahier eine Sitzung des pfälzischen Bundes 
Turnrathes statt, zu welcher sämmtliche 9 Turn 
rathsmitglieder erschienen waren. Zunächst wurder 
aus der Unfallkasse Entschädigungen im Gesammt⸗ 
detrage von über 200 M. bewilligt, darunter einige 
für sehr schwere Unfälle; es wurde bei dieser Ge⸗ 
legenheit wiederholt betont, wie dringend nothwendig 
eine sehr strenge Beaufsichtigung des Turnbetriebes 
durch Turnwart und Vorturner sei. Nach dem 
Berichte des Vorsitzenden zählte der pfälzische Tur— 
nwerbund am 1. Januar 1887 54 Vereine mit 
5126 Vereinsangehörigen gegen 45 Vereine mit 
1423 Mitgliedern am 1. Januar 1886. Zunahme 
im Jahre 1886 daher 9 Vereine und 703 Mit⸗ 
gzlieder. Durch Aufnahme von 5 weiteren Vereinen 
ist die Zahl der Bundesbereine bis heute auf 59 
mit 5500 Mitglieder gestiegen. Nachdem nock 
berschiedene andere Angelegenheiten erledigt waren 
wurde der nächste pfälzische Turntag auf den 22. 
Mai in Neustadt festgesetzt. 
Vermischtes. 
FBurbach, 13. April. Gestern Abend gleich 
nach 6 Uhr verunglückte in der neuen Kohlenwäsch 
der Burbacherhütte der 26 Jahre alte Joh. Wey⸗ 
and aus Malstatt dadurch, daß er sfich in gan, 
unbegreiflicher Weise während des vollen Betriebes 
in einem Zahnräderpaore welches in fast 5 Meten 
döhe funktionirte, zu thun machte. Wenige Mi— 
nuten, nachdem ihn die Räder erfaßt hatten, gal 
derselbe dem „St. Joh.Sbr. Anz.“ zufolge seinen 
Beist anf. 
FSaarunion, 12. April. Das zweite 
Bahngeleise Saaralben⸗Berthelmingen ist fertig 
ind seit dem 1. dem Betriebe übergeben. Auch die 
»em Orte Finstingen gegenüber angelegte Militär— 
ampe ist dbis auf einige unwesentliche Arbeiten 
fertiggestellt und der größte Theil derselben bereit 
mit der Packlage versehen. Die Herstellung ge⸗ 
währte während des verflossenen Winteis etwa 
200 Arbeitern lohnende Beschäftigung. (Sg. 3.) 
Eckfeld, 12. April. Ein schauderhafte⸗ 
Uuferstehungsfest wurde unserer Nachbargemeinde 
Bislenfeld am Morgen des Ostersonntag zutheil 
Hegen 5 Uhr bemerkte man eine gewaltige Rauch— 
adule. Sofort rückte unsere Feuerwehr ab. Det 
zrößte Theil des Oberortes Gillenfeld stand in 
Flammen. Durch angestrengteste Thätigkeit konnt 
gegen 9 Uhr dem Weiterumsichgreifen des rasenden 
Elementes Einhalt gethan werden. 19 Wohnhäuser 
nit ebenso vielen Oekonomiegebäuden sind nach der 
Tr. Zig. in Schutthaufen verwandelt. Viel Vieh 
zmentlich Schafe, sind verbrannt. Auch trug ein 
24jähriger Mann lebensgefährliche Brandwunden 
dapon. Mehrere Gebäude sollen gar nicht, die 
anderen nur gering verfichert sein. Viele Familien 
ind obdachlos. Rosche Hulfe ist nötig. 
F Waldmünchen, 11. April. (Kampf 
nit Schmugglern.) Vor,einigen Tagen wurden vom 
Stationsführer Meifel von Großsteinlohe und Wald⸗ 
nufseher Busl von Spieberg 2 Stück Ochsen 
dem königl. Hauptzollamte eingeliefert, welche Tags 
juvor, Nachts zwischen 8 und 9 Uhr in der Nähe 
von Kritzenthal aus Böhmen eingeschwärzt, aufge⸗—⸗ 
u 
griffen wurden. Die Thäter, welche Anfangs ent 
flohen, wollten der weggenommenen Ochsen wied 
habhaft werden, wobei Busl mit einem große 
Prügel einen wuchtigen Hieb auf den Kopf erhiel 
Busl machte von seiner Schußwaffe Gebrauch un 
gab einen Schuß ab. der einen der Thät reniede 
streckte, welcher sofort todt blieb. Der Getroffen 
war der Bauer X. Liegl von Eglsee. 
fVerurtheilter Amtsrichter. Diu 
am 9. in Nürnberg zu Ende geführte dreitägig 
Schwurgerichtsverhandlung gegen den Amtsrichn— 
J. B. Gauth aus Altdorf wegen Verbrechens n 
Amte in 76 Faällen führte zur Verurtheilung de 
Angeklagten zu vier Jabren Zuchthaus, 5400 M 
Geldstrafe oder weiteren 360 Tagen Zuchthaus, so 
wie zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte au 
5 Jahre. 
4In Sicenhofen bei Heiligenstad 
wurde ein „armer Reisender“ beim Betteln ertappt 
welcher Geld und Staatspapiere im Gesammtwerih— 
von 16,000 Mt. bei sich führte. Der „vagabun. 
dirende Bankier“ hatte das meiste Geld in Packes 
hen mit Kordel an den Unterbeinen befessigt und 
in den Schaftenstiefeln hängen. Neben einer feinen 
zoldenen Taschenuhr hatte er noch eine ander 
weniger werthvolle Uhr in seiner zerfetzten, mi 
stordel nothdürftig zusammengehaltnen Kleidung 
derborgen. Derselbe wurde wegen Bettelns zu⸗ 
Wochen Haft verurtheilt. 
FMerzig, 12. April. Die Provinzialber 
valtung hat das sog. Landrathsgut Wiesenhof un 
33,000 Mtk. für die hiesige Irrenanstal— 
angekauft. 
4* Mainz, 12. April. In dem großer 
Tunnel vor dem hiesigen Centralbahnhof ereignett 
fich am Donnerstag Abend, als eben der um 
Uhr 10 Minuten von hier nach Frankfurt abgehend 
Personenzug eingelaufen war, ein Vorkommnis, 
hurch welches die Passagiere des Zuges in keinen 
geringen Schrecken versetzt wurden. Der mit dem 
Foupieren der Billets beschäftigte Conduckeur war 
um sich vor einem Unfall zu schützen, in dem 
Tunnel in ein Coupe J. Classe gestiegen, das er f 
leer hielt, in welchem er aber bei dem Einsteigen 
in der jenseitigen Ecke eine einzelne Dame wahr 
nahm. Noch ehe der Schaffner Zeit gefunder 
hatte, fich zu entschuldigen, fing die Dame, wohl 
chlimme Absichten vermuthend, heftig an um Hilf⸗ 
zu schreien und die Fenster einzuschlagen. Dieses 
Belärm und Geschrei hörte ein im Coupee neben 
an sitzender Offizier und brachte durch die Carpenter 
bremse den Zug mitten im Tunnel zum Stehen 
In begreiflicher Angst stürzten sämmtliche Passagier 
nach den Waggonthüren, indem jeder ein Unfal 
dermuthete. Dauk der Besonnenheit des Zugper 
sonals konnte der Zug, nachdem die Urheberin der 
ganzen Scene, wie die übrigen Passagiere beruhig! 
waren, noch rechtzeitig genug weiterfahren, um nich 
mit dem wenige Secunden später kommender 
Wormser Personenzug in dem Tunnel noch einen 
Zusammenstoß zu belommen. Die Dame, welch! 
die ganze Stoöͤrung verursacht hatte, war schon vor 
Coͤln mit dem Zug gekommen und ist währenn 
der ganzen Fahrt dem Personal durch ihr excen 
trisches Wesen aufgefallen. 
4 Mainz, 13. April. Heute Morgen er 
hängte die Frau eines in der Margarethenstraß 
wohnenden Schuhmachers ihr 6 Jahre altes Kind. 
eilte dann an den Main und ertränkte sich. De— 
Mann der Frau ist seit gestern Abend spurio⸗ 
verschwunden. 
FEm glückliches Lämndch enn ist das Fürsten 
thum Luheck, zum Großherzogthum Oldenburg ge 
hoͤrig. Von dort wird gemeldet: „Die glüchch 
Finanzlage unseres Ländchens hat es der gtoß 
herzoguchen Regierung gefiattet, die fällige halb 
jahrige Einkommenfteuer nicht zu erheben.“ 
C(dauserwerth in Berlin.) Das Haus Untn 
den Linden Nr. 29, dicht neben dem Cafe zu 
Oper, ist von seinem bisherigen Befißer, den 
Rentner Schulße, für den Preis von 151202,00 
Mk. an einen Großzinduftriellen verkauft wordes 
Schönes Wort. Das „Echh ⸗“ hatte eine 
kleinen Preis für das langste und lustigste Wor 
ausgesetzt, das ihm aus seinem Leserkreise zugehen 
würde. Das Preisausschreiben ist nun beendel 
und ist folgendes Wort prämiirt worden: Trans 
vaaltruppentropentransporttrampelthiertreibertrau⸗ 
angsthränentragödie“. Das heißt: Die Thränen 
tragödie der Trauung eines Trampelthier · Treiber 
heim Transport der Transvaaltruppen nach den 
Tropen.