Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
*t. Jugberter Anzeiger“ erscheint woöchentlich füufmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
ati und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 / 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.M 75 4, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunst ertheilt, I3z 4, NReklamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
380. 
Deutsches Reich. 
Metz, 21. April. Die Verhaftung des fran⸗ 
ofischen Polizeilommissärs Schnäbele soll auf 
Fiund deutschfeindlicher Agitationen desselben er⸗ 
lgt sein. 
Ain, 22. April. Ueber den dem Reichs⸗ 
ige zugegangenen Nachtragsetat wird offiziell ge⸗ 
naͤdet: Die Anleihevoriage umfaßt 15,647,702 
Nhark, die an einmaligen Ausgaben anläßlich der 
reres verstärkung pro 188687 außeretatsmäßig 
erwendet wurden. Der Reichskanzler wird ferner 
mächtigt, für die Verwaltung des Reichsheeres 
17,168, 142 Mark, zur Vervollständigung des 
ssenbahnnetzes 36,314 000 Mark, endlich zu Vor⸗ 
düͤssen für die Heeresverwaltung 3. 195. 789 Mt. 
jasgesammt sind sonach 172,325,633 Mark im 
drediwwege flüssig zu machen. 
Berlin, 22. April. Der Reichstag verwies 
je Novelle zum Gerichtskostengesez und der Ge⸗ 
ührenordnung für Rechtsanwälte nach längerer, 
dber wenig erheblicher Debatte an eine 21gliedrige 
kommission. 
Auf dem Gebiete der Parteibewegung 
meine sehr interessante Nachricht zu verzeichnen. 
3 hat sich nämlich innerhalb der deutsch⸗freisinnigen 
zartei eine freie Commission gebildet, welche die 
lufstellung praktischer Reformvorschläge auf social⸗— 
olitischem Felde vorbereiten und zur Kenntniß der — 
mdieser Beziehung obwaltenden Verhältnisse Ma⸗ 
erial sammeln soll. Die Commission will zunächst, 
sie das „B. T.“ meldet, die Innungsfrage in 
herbindung mit der gesetzlichen Anerkennung der 
zerufsvereine in Angriff nehmen und soll für letz⸗ 
re durch ein Normatiodgesetz ein Rechtsboden ge⸗ 
jaffen werden, wie ihn die meisten anderen wirth⸗ 
hzaftlichen Verbände längst besitzen. Welche Er— 
ebnisse die Mitarbeiterschaft der Deutschfreisinnigen 
n den socialpolitischen Reformen zeitigen wird, 
eht noch dahin, jedenfalls ist das Bestreben in 
et deutschfreisinnigen Partei, mit der bisherigen 
bsoluten Negation in diesen Dingen zu brechen, 
ht bemerkenswerth und die Worte Isolanis finden 
mihre volle Anwendung: „Spät kommt Ihr, doch 
hr kommt!“ 
Ausland. 
Paris, 21. April. Heute trat starke Baisse 
nmder Börse hier und in Wien ein auf die Nach—⸗ 
icht von der an der Osigrenze erfolgten Verhaftung 
mes Spezialkommissars in Pagny. Die Agence 
dadas behauptet, daß der Kommissar Schnäbele 
urch mehrere Briefe eines deutschen Komm ssars 
on Ars an der Mosel eingeladen worden sei, zu 
im zu kommen, um mit ihm einige Angelegen 
riten zu besprechen, und daß er plößlich von zwei 
ʒendarmen, die sich versteckt gehalten hälten, ber 
astet und nach Metz gebracht worden sei, als er 
eflern um 2 Uhr nachmittags die Grenze zu Fuß 
derschiitt; ijn Metz angelangt, sei Schnäbele der— 
bit worden. Das Journal',Paris“ will bereits 
yssen, daß die Aufregung an der Grenze sehr 
toß sci. Aus zuverlässiger Quelle wird versichert, 
aß Schnabele nicht durch einen deutschen Kom⸗ 
vssar quf deuischs Gebiet gelockt wurde. (Der 
e Iean bedarf jedenfalls noch sehr der Auf⸗ 
dtung. 
Wien, 21. April. Das Breve des Papstes 
u den Kölner Erzbischof wird ollgemein als der 
Hlutßalt des Friedens Preußens“ mit Rom be— 
chnet. Das „Fremdenblatt“ bemerkt, die Erfolge 
bapstes waren stätker als die Macht des Ceñ⸗ 
Sonntag, 24. April 1887 
trums im Streite. Das Centrum werde fortan 
mit der bisherigen Taktik, welche den Katholizis 
nus in direkten Gegensatz zu Staat und Kirche zu 
zringen suchte, brechen müssen. Die ‚Deutsche 
Zeitung“ drückt ihre Genugthuung aus, daß die 
albvergangene Epoche der Veuillot, Sigl und 
Najunke bis auf weiteres abgeschlossen sei. 
Lokate und pfälzische Rachrimten. 
* St. Ingbert, 23. April. Mit dem 
Ddeutigen schließt in den Volksschulen der Unter— 
cicht für das Wintersemester. Die Somm rschule 
ind damit das neue Schuljahr beginnt Montag, 
den 2. Mai, an welchem Tage auch die Neuauf— 
rahme der schulpflichtig gewordenen Kinder erfolgt. 
— Neustadt, 21. April. Gestern tagten 
ie katholischen Dekane der Pfalz hier, um über 
Bründung eines Pensionsvereins dienstuntauglicher 
atholischer Geistlichen der Pfalz zu berat hen. 
Vermischtes. 
4 Der „Sprechsaal“, Organ der Porzellan⸗, 
Blass und Thonwaaren⸗ Jndustrie, bringt einen 
Artikel gegen die Verwendung von Beton⸗ und 
Fement⸗Röhren zu Canalisirungszwecken. In dem⸗ 
elben wird den auf diesem Wege hergestellten 
Lanälen alles Ungünstige nachgesagt und die Zer 
törung der Cementröhren nach Ablauf weniger 
Jahre in sichere Aussicht gestellt. Die Verwaltungen 
der Städte, welche Canäle ausführen, werden vor 
»er Verwendung von Beton- und Cementröhren 
zewarnt und große Nachtheile für den Fall der 
Richtberücksichtigung dieser Warnung in Aussicht 
gestellt.— 
Rappoltsweiler, 21. April. Der 
ziesige Musikverein „Fanfare“ ist durch Beschluß 
des Bezitkepräsideaten aufgelöst worden. 
FMünchen, 20 April. Das Tagesgespräch 
n der Residenz wie in Augsburg bildet die Ver 
obung unseres Staatsministers Dr. Frhr. v. Lutz 
nit der Wittwe des Großindustriellen und Fabrik 
jesitzers Frau Finanzrath L. A. Riedinger von 
Augsburg. An sich wäre die dritte Heirath des 
*1 Jahre alten Ministerpräsidenten schon ein Dis⸗ 
ussionsthema, aber in diesem Falle kommt der 
nteressante Lebenslauf der Braut, die jetzt eiwa 
13 Jahre alt ist, hinzu und der Roman ist fertig. 
Frau Margarethe Riedinger war nämlich vor zwer 
Jahrzehnten ebenso arm, wie sie heute reich ist, 
ind kam als bildschönes Mädchen aus Kempten, 
vo ihr Vater Bader war, nach Augsbug, um sich 
einen „Dienst“ zu suchen. Grethchen hatte Glück 
ind wurde im Hause des Wittwers und Fabri⸗ 
anten, Finanzrathes Riedinger als Stubenmädchen 
nngagiert. Der reiche Industrielle fand Gefallen 
in dem niedlichen Kammerkätzchen und bald war 
Hrethchen Frau Riedinger, als welche sie über 
Nillionen gebot und tonangebend in der Fugger⸗ 
tadt wurde. Sie selbst hat ein Kind und ist 
Stiefmutter zweier Söhne Riedingers aus erster 
Ehe, die heute Chess des Welthauses L. A. Rie⸗ 
inger sind. Nach dem Tode ihres Gatten ver⸗ 
ehrte die Wittwe fortwährend in verschiedenen 
Munchener Familien und lernte bei dieser Gelegen⸗ 
jeit Se. Excellenz den Staatsminister Dr. v. Lutz 
lennen, der bekanntlich ebenfalls Wittwer nach 
weiter Ehe ist. In erster Ehe war Hert v. Luß 
kanntlich mit einer vom Bolanderhofe bei Kirch. 
eimbolanden gebürtigen Dame (stägy) vermählt. 
Ddie Bekanntschaft endet nun mit der Verlobung 
—Z 
22. Jahrg. 
welcher sofort nach der Rückkehr der Frau Riedinger 
don der Riviera die Hochzeit folgen sell. 
7 Eine Wette. Der Bronzeardeitergehülfe 
Wesely in Ottakring machte am Sonntag Abend 
eine Wette, daß er 20 Stück harte Eier verzehren 
könne. Beim 18. Stück jedoch wurde er ohn⸗ 
mächtig, sank vom Sessel und war bald eine Leiche. 
7 Frankfurt a. M., 20. April. Das 
Oberlandesgericht hat die Stadt Frankfurt ver— 
urtheilt, einem im hiesigen Opernhause verunglück⸗ 
ten Feuerwehrmanne auf Lebenszeit eine Jahres⸗ 
rente von 922 M. zu bezahlen. Der Gerichtsho 
hat seine Entscheidung auf die Bestimmungen des 
Feuetwehr Reglements gegründet, wonach, wenn 
ein Mitglied der Feuerwehr im Dienst verletzt 
werde, dafsselbe eine „nothdürftige Enischädigung“ 
erhalten müsse. Da Kiäger Frau und 6 Kinder 
besitze, so reiche das von ihm bezogene Jahres—⸗ 
gehalt von 1250 M. inkl. Bekleidungsgeld gerade 
aus, um eine solche Familie „nothdürftig“ zu er— 
nähren. Wenn oie Rente auf 922 M. festgesetz! 
worden, so sei man davon ausgegangen, daß nicht 
die ganze Höhe des Bekleidungsgeldes in Rechnung 
zu stellen sei. 
F Eine haarige Hand.) Zu den gegenwärtigen 
Patienten der Klinik Billroth in Wien gehdrt 
auch eine reizende junge Engländerin. Die hübsche 
Miß hatte vor mehreren Wochen das U glück ge— 
habt, zu stürzen und sich dabei den rechten Vorder— 
arm. knapp bei dem Knöchel, zu brechen. Nach 
etwa 3 Wochen konnte ihr der Verband abgenom⸗ 
men werden und damit die auf solche Verletzungen 
ttets folgende Steifheit behoben werde, kam sie in 
spezielle Behandlung des Masseurs an der Klinik 
Billroth, Dr. Kümmerling. Auch diese, allerdings 
sehr schmerzhafte Kur ging glücklich vorüber; aber 
leider hatte sich dabei ein wohl sehr selten vor— 
kommendes tragikomischeßs Folgeübel eingestellt. 
Durch die Massage und die konstante Einreibung 
mit Vaseline hatten sich an jener Stelle des Vor⸗ 
derarmes, bis weit auf den Handrücken, theils die 
Poren stark vergrößert, theils sproßten Uppig dichte, 
zunkle Haare hervor. Die Miß gerieth nach und 
nach in Verzweiflung und fragte in ihrem gebroche⸗ 
nen Deutsch bergebens nach einem Mittel, um sich 
ihrer „Bärentatze zu entled gen. Der junge Me— 
diziner verstand zwar zu massiren, aber nicht den 
prächtigen Haarwuchs zu beseitigen. In ihrer 
Verzwe flung wandte sie sich endlich an einen Assi— 
stenzarzt; aber auch dieser konnte der Armen bei 
aller Galauterie keinen anderen Rath geben, äls 
sich — eine Abonnementékarte bei einem Raseur 
zu kaufen. 
F Eine bezjeichnende Aneldote findet sich im 
.Illusir. Briefm.⸗Journ.““ „Hören Sie, Herr 
Postmeister,“ sagte ein fremder Irlaänder, „ist, diel⸗ 
eicht ein Brief für mich da ?“ — ‚Wer sind 
Sie denn, mein Herr?“ — ‚„Wer ich bink 
Ich bin ich. Wer soll ich sonst sein?“ — „Aber 
vie ist denn Ir Name ?“ — „Wozu brauchen 
Sie denn meinen Namen zu wissen? Steht denn 
her nicht auf dem Briefe?“ — „Aber wie soll 
ich denn den Brief suchen, wenn ich den Namen 
nicht weiß?“ — „Nun gut denn, mein Name 
sst Sat Byrne, wenn Sie es durchaus wissen 
nüssen.“ —- „Dann ihut es mir leid, für Sal 
Byrne ist lein Brief da.“ — „Gibt es noch einen 
inderen Weg, zu Ihnen zu gelangen, als durch 
zieses Fenster?“ — „Nein. — Nun, das isi 
Iht Glück, sonst wollte ch Sie Manieren lehren 
Wie können Sie einen Gentleman auf solche