Full text: St. Ingberter Anzeiger

selbst seinen Schuldner verhaften, weil der letztere 
ich weigerte, den ihm auferlegten Offenbarungseid 
zu schwoͤren. Der Glaubiger wurde übrigens zu 
diesem Verfahren durch das höhnische Benehmen 
eines Schuidners, der sich unantastbar wähnte, 
zereizt. Der Gläubiger hat für die Verpflegung 
des Inhaftirten pro Tag 80 Pf. zu zahlen und, 
zalls der Schuldner nicht zahlt oder keinen Bürgen 
tellt, oder sich weigert den Manifestationseid zu 
leisten, das Recht, den Schuldner sechs Monate 
lang in Haft, halten zu lassen; und wenn dann 
der Schudnert nach Verlauf des ersten Tages der 
wiedererlangten Freiheit weiter sich in erwähnter 
Weise sich weigerte, hat der Gläubiger das Recht, 
hn wieder verhaften und sechs Monate lang weiter 
nhaftiren zu lassen. 
Ars a. d. M., 26. April. Nachdem be⸗ 
reits vor zwei Monaten Sprengversuche mit dem 
hon dem Apotheker Herrn Schöneweg aus Dud⸗ 
veiler erfundenen Sekurit in den Eisenwerken 
Zarcher und Westermann angestellt wurden, sind 
ziese Versuche nun auch heute in den Eisenerzberg⸗ 
verken fortgesetzt worden in Gegenwart des Herrn 
Bergraths Wandesleben und des Erfinders. 
(Lothr. 3.) 
Forbach, 26. April. Gutem Vernehmen 
aach ist die seit Novembet v. Is. außer Betrieb 
zeseizte Vallet'sche Glashütte durch Kauf in den 
esitz der Herren Gebrüder Adit hier übergegangen. 
Es herrscht allgemeine Befriedigung darüber, daß 
zieses älteste gewerbliche Etablissement unserer Stadt 
wvieder in einheimischer Hand ist. (Forb. 3.) 
—F Straßburg, 25. April. Die Reichstags; 
wvahl im Wahlkreise Straßburg zum Ersatze fü⸗ 
den verstorbenen Kabls wird im Juni stattfindenr 
über irgend welche Kandidatur verlautet noch nichts. 
Muülhausen. 28. April. Die hiesige 
Strafkammer verurtheilte dieser Tage einen 17jährigen 
Schüler aus Basel, der gelegentlich eines Spazier⸗ 
ganges, den er mit mehreren Kameraden nach 
St. Ludwig unternahm, den dortigen Gendarmen 
Jerausfordernd anschaute und ihm Vive la France! 
ntgegenschrie. Es wurde dem jungen, jetzt klein⸗ 
zauf gewordenen Maulhelden eine Gefängnisstrafe 
»on 14 Tagen zugesprochen, außerdem eine Geld⸗ 
huße von 100 Mk. 
Mannheim, 27. April. Auf Neckar⸗ 
muer Gebiet wurde gestern Nachmitiag an einem 
Sporen die Leiche eines Frauenzimmers aus dem 
Rhein gezogen, welches schon vor vielen Tagen den 
Tod in den Fluthen gefunden zu haben schien, 
denn die Verwesung hatte die Züge zur Unkennt⸗ 
ichkeit entstellt. Nach der Kleidung zu urtheilen, 
vird die Gefundene besseren Kreisen angehört haben. 
— Vorgestern Nachmittag schlug ein in einer Fa⸗ 
hrik jenscits des Neckars beschäftigter Arbeiter seinem 
Collegen, einem Familienvater mit 5 Kindern, 
einen Prügel auf den Kopf, weil derselbe ein 
größeres Stück Eisen fallen ließ, welches Beide auf 
zie Bohrmaschine heben wollten, so daß der Mann 
zewußtlos zu Boden fiel. Der Schwerdbverletzte 
vpurde ins Allgem. Krankenhaus verbracht und ist 
Jestern Nachmittag gestorben. 
Schnäbele, der französische Polizeicom⸗ 
missar, dessen Namen in den letzten Tagen nur 
allzu häufig genannt wurde, ist mit einer früher 
in Mannheim wohnhaften Familie ziemlich nahe 
»erwandt. Frau Mördès, die Frau des längst in 
Mannheim verstorbenen Obergerichtsanwaltes Mör⸗ 
des, soll wie versichert wird, die Schwester des ver⸗ 
hafteten Polizeicommissärs sein. Frau Mördès lebt 
gegenwärtig bei ihrer Tochter. die Opernsängerin in 
—A 
FSchnaäbele soll bei seinem Fluchtversuch 
auf der Grenze bekanntlich so zu Fall gekommen 
sein, daß seine Beine nach Deutschland, sein Kopf 
zach Frankreich zu liegen kam. Ein Witzling wurde 
zefragt, welches Land jetzt Anspruch auf Schnäbele 
machen könne. Rasch gefaßt antwortete er: „Un⸗ 
bedingt gehört er nach Deutschland; nach dem alten 
Satz „ubi bene, ibi patria“, was auf Deutsch 
heißt: „Wo die Beene sind, da ist sein Vaterland!“ 
fFKarlsruhe, 27. April. Heute früh 
brach im Hotel zum „Goldenen Adler“ Feuer aus. 
Die in dem Hotel wohnenden Fremden konnten sich 
cetten, der Oberkellner dagegen wird vecrmißt und 
nan befürchtet, daß derselbe in den Flammen um⸗ 
zekommen ist. 
Der Oberkellner Hildenbrand wurde todt! vor 
)er Thür seiner Mansarde gefunden. Dort dürfte 
zuch der Prand enfstanden sein) 
f Zur Uhland-Feier hat die deutsche 
Tagespresse, wie zu erwarten stand, eine wahre 
Fluth von Erinnerungen, Aneldoten und Kleinig⸗ 
eiten aus dem Leben des Dichters an's Licht ge⸗ 
jogen. Von literarischer Bedeutung ist ein Gedicht 
r7ẽduard von Bauernfeld's, des greisen Wiener 
Dichters, an Uhland. Dasselbe ist ungedruckt, ist 
mlaͤßlich der Auflösung des deutschen Rumpfparla⸗ 
nents an Uhland gerichtet und lautet: 
Wenn Einer recht ein Dichter ist, 
So ist's ein rechter Mensch dabei, 
Und wem der Quell der Lieder fließt, 
Dem bleibt der Busen frisch und frei. 
Wenn einer recht ein Dichtier ist, 
So liebt er auch sein Vaterland, 
Und wie der Mann eiu schlichter ist, 
So bleibt er's bis zuw Lebensrand. 
Du hast gesungen schön und wahr, 
Mit ew'ger Jugend Allgewalt, 
Und hasi gesprochen fest und klar, 
Als Reden mehr denn Singen galt. 
Zur Lenzeszeit, zur Liederzeit 
Da ist das deuische Volk erwacht, 
Und hat in schöner Trunkenheit 
Erhoben sich mit Kraft, mit Macht. 
Die Jugend zog voraus, voran, 
Und trug der Hoffnung grünes Reis, 
Es fehlte da kein wack'rer Mann, 
xẽs fehlte nicht der Dichter⸗Greis. 
Da kam die Stunde der Gewalt, 
Das Friedenswerk, es ward bektiegt — 
Ja, Bajonnette siegen bald, 
Allein der Geist bleibt unbesiegt, 
Du standest stets im Vorderplan, 
Und drängte Dich Gewalt zurück, 
Beharrtest Du, ein fester Mann, 
Und bis zum letzten Augenblick. 
Darum das Volk Dir's nie vergießt, 
Daß dir der Busen frisch und frei, 
Daß Du so recht ein Dichter bist, 
Und auch ein rechter Mann dabei, 
Bauernfeld. 
— Ueber die Besichtigung der König sschlös⸗ 
er sind folgende Bestimmungen erlassen worden; 
der Eintriltspreis beträgt a4. in Herrenchiem 
see: Sonntag 1 Mk. 50 Pf.; Montag, Diens 
ag, Mittwoch und Samstag 8 Mk., Donnerstag 
z Mk.: b. im Linder h'of für das k. Schloß 
3 Mk., für die Grotte 2 Mk., für die Hundings⸗ 
ütte 1 Mk. Die elektrische Beleuchtung der Grotte 
indet nur bei Lösung von mindestens zwölf Ein⸗ 
rittskarten statt; c. Ho henschwangau GNeu— 
chwanstein) 3 Mk. Die Abgabe der Karten erfolgt 
nusschließlich an den Kassen bei den einzelnen 
-‘chlössern. 
'München, 27. April. Der Abgeordnete 
Freiherr von Stauffenberg wird nächsten Herbs 
gzanz nach München übersiedeln. 
München, 27. April. In dem neuen 
Hhauptverzeichniß der kombinirbaren Rundreisebillets 
st Bayern mit 125 Serienstrecken verzeichnet (gegen 
37 im Jahr 1884). Ueberhaupt hat das neue 
Verzeichniß bedeutende Erweiterungen erfahren; zu 
dem vorjährigen Verzeichniß sind 196 neue Serien⸗ 
trecken und neun neue Bahnverwaltungen hinzu— 
jekommen. Sämmtliche Bahnen Belgiens sind 
etzt der Einrichtung beigetreten. 
FAugsburg, 24. April. Aushungern 
vollie sich der ledige Rechenmacher Eppler von 
Burgau und begab sich in angeheitertem Zustande 
n eine Torfhütte. Nach einigen Tagen reute ihn 
ein Vorhaben und er hätte sich gerettet, wenn er 
jätte aufstehen können, allein seine Füße waren 
chon erstarrt. Er nährte sich nur vom Schnee, 
zis man ihn am zehnten Tage halb leblos auf 
'and. In seine Wohnung verbracht, mußten ihm 
die beiden Beine amputirt werden. Nach eiwo 
nierwöchentlichem Leiden starb er. 
pAus Bayreuth wird der „W. Pr.“ 
nitgetheilt, daß dort während der Anwesenheit Sr 
igl. Hoheit des Prinz⸗Regenten Luitpold, und zwar 
nuf dessen ausdrücklichen Wunsch, eine Hummel⸗ 
auern Hochzeit aus dem nahegelegenen Mistelgau 
tattfindet. Der Bräutigam ist ein wohlhabender 
Zauernsohn aus Pettendorf, die Braut eine reiche 
Zauersiochter aus Obernsees. Beide werden früh 
Morgens in Peitendorf von dem dasigen Standes⸗ 
eamten getraut, begeben fich sodann in Begleitung 
iner großen Anzahl yon Hochzeitsgüsten ꝛau Wagen. 
eine eigene Musikbande an der Spitze — —XX 
in der höchtt kleidsamen Tracht der Mistelgauere 
nit ihrem Pfarrer in die protestantische Stadipfarr 
tirche noch Bayreuth zur Trauung. Hierauf große 
Festessen in der städt. Turnhalle, dem die feierlih 
Auffahrt auf die Schützenwiese folgt, woselbs 
duidigung und Nationaltänze vor dem Primg 
Regenien stanffinden. Das Hochzeitspaar wird don 
der Stadt Bayreuth mit einem werthvollen land 
wirthschaftlichen Geschenk überrascht werden. Fern 
findet am ersten Abend der Anwesenheit des Prin 
regenten im kal. Opernhaus — nicht zu verwechsen 
mil dem Richard Wagner Theater — eme Galo. 
vorstellung statt, wozu der Magistrat auf städtisch⸗ 
Nosten die Nürnberger Schauspielertruppe unter dit 
Direktion Reck engagirt hat. Zu dieser Festvot. 
stellung ergehen nur Einladungen. Bei'm Cintrut 
des Prinzregenten in die Markgrafenloge intonit 
das verstärkte städtische Orchester die Jubelouvertute 
von Karl Maria v. Weber, der ein Festprolog voh 
Prof. Wohlmuth und ein kurzes dreiactiges Lus. 
piel folgen. 
Bingen, 24. April. Ein 14jähriger Junge 
der am vergangenen Sonntag konfirmirt worden 
war, Sohn eines hiesigen braven und fleißigen 
Taglöhners, äußerte, als man ihm von einem 
Selbstmörder, der sich erhängt hatte, erzählte, den 
Wunsch zu probiren, welches Gefühl man wohl 
während des Erhüngens haben möge. In einen 
unbewachten Augenblicke führte der Junge seinen 
Vorsatz aus; heute Nachmittag fanden ihn nach 
dem Krzn. Tabl. seine Angehörigen erhängt alßz 
Leiche auf dem Speicher ihrer Wohnung. 
4 Die Verhaftungen von Sozialdemokraten in 
Mainz und die Beschlagnahme der vorgefundenen 
verbotenen Schriften sollen mit den Entdeckungen 
im Rademachergang zu Hamburg im Zusammen 
hang stehen. 
4 Moderne Jugend. Die beiden Söhne eines 
Frankfurter Einwohners — der eine 14, der andert 
16 Jahre alt — gingen am vorigen Samftag 
mit zwei jungen Mädchen durch. Die Mittel zu 
Reise hattea sie sich aus der väterlichen Casse an— 
geeinet. Der Vater der Durchgänger brachte deren 
Reiseroute in Erfahrung, verfolgte sie und holte 
sie in Zürich ein. Gestern Morgen ist die jugendlich 
Reisegesellschaft, die es verstanden hatte, in den 
wenigen Tagen ihrer Flucht gegen 400 Mark aus— 
zugeben, wieder in Frankfurt eingetroffen. 
4 Trau, schau, wem! Eine Frau, ein Muster 
von Weiblichkeit, die mit ihrem Manne schon seil 
langer Zeit auf dem Kriegsfuß gelebt hatte, nahtt 
sich ihm in der Kirche, fiel ihm weinend um der 
Hals und biß ihn derart in die Lippen, daß der 
Arme nur mit Hilfe des Kirchenpersonals aus der 
Umarmung seiner besseren Hälfte befreit werden 
konnte. So geschehn zu Köln a. Rhein. 
Mülheim sa. d. R., 26. April. De 
hiesige Briefträger S. wurde vor einigen Tagen 
bon einer Kugel, die er in der Schlacht bei Spicherr 
1870 in die Brust erhalten und die bisher von 
den Aerzten nicht hervorgeholt werde konnte, im 
hiefigen Krankenhause glücklich hefreit. 
FEin sreicher Bettler ist dieser Tage 
in Kassel verhaftet und ins Gefängniß eingeliefen 
worden. Bei demselben fand man nämlich nich— 
weniger denn 140,000 Mark in Werthpapieren, 
welche der zerlumpte Mensch mit sich herumschleppte. 
Es ist ein gewisser Plaut, der sich diesen Betres 
im Laufe der Jahrzehnte „geschnorrt“ haben wil 
und auch wohl haben mag. Das Geld wurde ihm 
abgenommen und vorläufig bei der Behörde deponith. 
Das Nähere muß die eingeleitete Untersuchung er— 
geben. Wahrscheinlich ergibt sich noch ein Prozet 
wegen Steuerhinterziehung. 
4 Franzisko Cetti, dem in Berlin bei seiner 
Unternehmungen das Glück nicht hold war, wil 
nun in anderen Großstädten sein Heil versuqher 
und ist bereits nach Kopenhagen abgereist. Dor 
will er sich einer 20tägigen Hungerkur unker— 
ziehen und dann zu gleichem Zweck nach London 
gehen. 
Wegen Herausforderung zum Duell wurd— 
in Verinn der Slud. jur, Gerte mit 1 Wot 
und sein Karlelltrager Stud. jur. Josef mit 
Tagen Festung bestraft. 
'Wertösteigerung von Apotheken 
Nach den Angaben einer Petition, welche bon 
Keichstage eine Regelung der Apoihekerfrage u 
zitiei, sollen in letzter Zeit verlauft worden sein 
1) die Simonsapotheke in Berlin, nach ungefh 
Zjäbrigem Besike mit rund 300.000 Mk. Gewinn—