Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Donnerstag/ 13. Januar 188s88. 20 Jahrg 
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DSeutsches Reich. 
Berlin, 11. Januar. (Reichsstag.) Abg. 
pon Huene referirt als Berichterstatter kurz über 
die Ergebnifse der Kommissionsberatzhung. 
Nachdem Abg. Dr. Buhl nil. kurz über die Peti⸗ 
nionen referirt, ergreift das Wort: 
Abg. Graf Moltike und sagt: wenn irgend ein 
Staat für die Fortdauer des Friedens wirken könne, 
so sei es Deutschland, welches sich nur in der 
Defensive befinde, dazu müsse es jedoch stark kriegs⸗ 
gerüstet sein. Das heutige Votum des Reichstags 
werde die Wirkung nach außen nicht verfehlen. 
Die Bewilligung auf kürzere Frist als sieben Jahre 
jei nicht annehmbar. 
Abg. Frhr. v. Stauffenberg (Freisinn). Die 
Deutschfreisinnigen werden Alles dewilligen, nur 
uber die Dauer der Vorlage schwebten Differenzen 
die nicht auszugleichen seien. (Während seiner 
Rede tritt Fürst Bismarck in den Saal.) 
Fürsit Bisssmarck fieht dem Verlangen aller 
militarischen Autoritäten gegenüber nur die Abg. 
RNichter, Windthorst und Grillenberger. Es sei 
ichwer gewosen, den Frankfurter Frieden zu mochen, 
noch schwerer ihn zu erhalten. Unsex Verhäliniß 
zu Oestetreich sei ein so vertrauensvolles inniges 
wie nie zu Zeiten des Deutschen Bundes. Geboton 
sei es, dem Welttheil den Frieden zu erhaltem; dazu 
bedarf es eines starken Heeres. Die Beziehungen 
zu allen Machten seien die Besten. Rußland gegen⸗ 
über seien unsere guten Bezichungen über jeden 
Zweifel erhaben. Uns beseeli wahrlich Kine Rauf⸗ 
lust und läßt sich solche schwerlich von NRußland 
besorgen. Wir werden sicher beinen Krieg mit 
Rußland beginnen; an eine etwaige Coalition 
wischen Frankreich und. Rußland haben wir bei 
Einbringung der Vorlage nicht gedacht. Alle 
dahin gehende Argumente in dieser Richtung sind 
uns unterschoben. Die Presse, welche die Vorlage 
betämpfe. hat alles daranges⸗zt, um uns im einen 
Krieg für Bulgarien mit Rußiand zu verwidein. 
Ich hätte mir Landesverrath vorgeworfen, hätte ich 
mich nur einen Augenblick auf solche Dummheiten 
eingelassen. Voͤllig gleichgiltig iss uns — sagt 
Finrst Bismarck weiter —, wer in Bulgarien re⸗ 
giert; die Freundschaft mit Rußland ist uns wich 
liger, als die mit Bulgarien. Die guten Bezieh⸗ 
ungen zwischen den Machten zu erhalien, ist unsere 
schwierige Aufgade, die wir uns nicht durch jour 
nalistisch⸗ porlamentarische Angriffe vereiteln lassen. 
Zu Frankreich sei die Erhaltung der gegenwärtigen 
zuten Beziehungen schwieriger, weil dort die Ver— 
gangen heit noch nicht vergessen sei. Wir haben 
mnsererseits Alles hierzu gethau. Wir wollen keinen 
Krieg mu Frankreich, fürchten ihn aber auch nicht. 
Unter keinen Umssänden werden wir Frankreich 
angreifen, aber wir müssen stets gerüstet sein, um 
tinem Wiederausbruch des Lrieges gewachsen zu 
jein Dies sei das Ziel der Vorlage. Ich glaube 
an die friedliche G sinnung der jetzigen franzoͤsischen 
Regierung und eines Theiles de franzoͤsischen 
Volles In Frankreich Dune aber Ploͤtßzlich eine 
R gierußg an das Ruder lommen, welche den Krieg 
bringe. damit sei zu rechnen. Aber nicht erst dann 
lonne man die enisprechenden Vorkehrungen treffen 
In Frankreich verzichte lein Blau und din⸗ Stimm 
auf den Rückerwerb von Elsaß· Lothringen. Wat 
würd; dann werden, wenn die Franzosen uns be⸗ 
si gten? Die Regierung könne um kein 
boerbreit von dem Septennat abweichen. 
Der Koiser könne nicht daß Wert seines Lebens 
aufarben; non der Annabme ver Vorlage sei di⸗ 
Wehrhaftigkeit Deutschlands abhüngig. Werde die 
Vorlage nicht angenommen, so stelit Furst Bismard 
die Auflösung des Reichstages in Aussicht. 
Abg. Windihorst spricht fuͤr dreijährige Bewil⸗ 
ligung der ganzen Regierungsvorlage und bestreitet 
daß Deutschland keine Interessen im Orient habe 
Er glaubt, durch eine Reichstagsauflösung werde 
nichts erreicht. — Fürst Bismarck erwidert, die 
Frage sei, ob das Heer ein kaiserliches oder rin 
parlamentarisches sein solle. Man köonne nicht 
edes Jahr eine Präsenzstärke bewilligen. Eine 
ihnliche Nörgelei gegenüber den Forderungen für 
ie Sicherheit des Reiches sei nirgends üblich, wie 
'n Deutschland. Anlangend die Drientpolitik, sei 
ochmals zu bemerken, wenn auch Deuischland sich 
Desterreichs und Oesterreich Deutschlands Interessen 
mnehme, so habe Deutschland doch Interessen, die 
Zesterreich nicht berühren. und Oesterreich Inter 
ssen, die Deutschland fernliegen. Jede Macht 
müsse da ihre eigenen Wege gehen. Windthorst's 
Reußerung, Rußland sei Deutschlands Verbündeier, 
sei nicht zutreffend. Bei allen guten sonstigen Be⸗ 
iehungen und bei einem elwaigen Kriege mit 
Frankreich habe er (Bismarch überhaupt auf keinen 
Bundesgenossen gerechnet, noch auch zu rechnen. 
Bismarck hält die finanziellen Lasten der Vorlage 
nicht für unerträgliche. Die Entscheidung der Frage 
liege im Plenum. Mit der Kommission könne die 
Regierung fich nicht weiter einlassen. Er koͤnn 
seine Zeit nicht in der Kommission berlieren. Die 
Enischeidung liege im Hause. — Das Haus ver · 
tagt sich darauf bis morgen 12 Uhr. 
Berlin, 11. Jan. Die Militärvorlage hai 
einen Zwiespalt in der freisinnigen Parlei dotumen⸗ 
irt. Richter, Bamberger, Baumbach, Virchow und 
uind viele Andere werden keineswegs für den Ricert 
Stauffen berg'schen Eventualantrag stimmen, der sich 
zollständig mit Windihorst'schen (468,000 Mann 
zuf 8 Jahre) dedt. Die Rechte — Reichsparte; 
stonservative, Nationalliberale — haben den An— 
rag auf Wiederherstellung der Regierunsvorlage 
eingebracht. Die Volkspartei stimmt überein mit 
der freisinnigen Minorität Richter's. 
Berlin, 12. Januar. (Deuischer Reichstag.) 
Bei der Fortsetzung der Beraihung der Milnarvor. 
lage spricht zuerst der Abg. v. Helldorf (kons.): 
Nach den gestrigen Ausführungen des Reichskanzlers 
eir es patriotische Pflicht, für die unveranderle Vor 
lage zu stimmen. Redner tritt für die Negierungs⸗ 
dorlage ein. wobdei er die Reichseinkommensteuer 
belämpft. (Während seiner Rede erscheint der Reichs⸗ 
lanzler.) — Abg. Haseneleber (sozialdem.): Di⸗ 
xstrige Rede des Reichskanzlers müsse auf dal 
Ausland den Eindruck gemacht haben. daß wir 
kriegsluftig feien. Derdulede habe am Reichskanzler 
seinen Meister gefunden. Der franzoͤsischen Repu⸗ 
zlik gelte der Kampf, und wenn er auch kein An⸗ 
janger einer Bourgeois⸗Republik sei, so wehe doch 
enseits der Vogesen ein freierer Wind für die Ar 
heiter, als hier. Die Voͤlker seien friedlich; Frank⸗ 
reich werde uns nicht angreifen. Die Zufriedenhen 
des Volkes sei mehr werih, als eine siarke Armee. 
Redner greift den Reichslanzler heftig an, worauf 
er einen Ordnungsruf des Vizepräsidenten d. Fran⸗ 
lenstein erhält. — Der Kriegsminister weist auf die 
crommisstons verhandlungen hin, wo die Regierung 
ausgeführt habe, daß die bisherige Ftiedenspraͤsenz⸗ 
darle nicht mehr ausreiche, und diejenige Vermehr⸗ 
ung, welche die Vorlage fordere, umerläßlich fei. 
Alle Ziffern seien dabei genauestens und zutreffendfl 
angegeben worden. — Graf Bebhr spricht für un. 
verklürzie Annahme der Vorlage. — Dr. Windt⸗ 
jorst kommt auf die Aeußerung des Reichskanzlers 
»ezüglich des Koͤnigs von Hannover zurück. Der 
dame „Welf“ sei ihm ein Ehrenname. Er em⸗ 
ffiehlt schließlich die dreijährige Bewilligung der 
janzen Vorlage. — Fürst Bismarck erwiedert, man 
önne in drei Jahren ganz veränderten Verhält⸗ 
aissen gegenüberstehen. Freilich seien die Verhält— 
nisse in sieben Jahren auch nicht berechenbar, aber 
bis dahin sei die Ausbildung der Armee gefoördert 
und ein Kompromiß möglich. Im Centrum ver 
einigten sich heterogene politische Elemente. Werde 
diese Vereinigung immer bleiben ? Sei ihre Fortdauer 
bei den nächsten Wahlen sicher? Eine Parlaments⸗ 
armee sei eine solche, die von der Abstimmung 
des Parlaments abhänig sei. Tavon könne und 
solle bei uns nicht die Rede sein. Als die Verfas⸗ 
ung viele Freiheiten und Rechte gegehen, da habe 
nan nicht gedacht, daß es zu so elenden Streitig⸗ 
eiten kommen könne, wie eine solche hier vorliege. 
Wenn er von einer kaiserlichen Armee spreche. so 
volle er nicht der Heereshoheit der souveranen 
Bundesstaaten zu nahe treten. Das Budgetrechi 
wurde nicht bestritten, wenn der Reichstag auf die 
Vorschlage der Regierung eingehe. Auf die Bürg⸗ 
schaft Windthorsts für den Frieden nne man sich 
aicht verlassen. Anlang end die Karolinenfrage, 
werde man woht zugeben, daß es nicht geraten ge⸗ 
vesen sei. deßhall mit Spanien in Krieg zu ge⸗ 
raten. Die Arbeiterfrage möge man nicht herein⸗ 
ziehen. Auf des Kaisers Ruf wären sicher die 
AUrbeiter allezeik bereit, für ihr Vaterland einzu⸗ 
treten. Die Angelegenheit des verstorbenen Konigs 
pon Hannover anlangend, sei es richtig. daß 
Preußen Verhandlungen mit demselben abgewiesen 
habe, der Koͤnig habe vorher alle Bitten und Vor— 
stellungen nicht beachtet und die von ihm ge⸗ 
machten Zugestandnisse nicht gehalten. Der Kanz⸗ 
ler schloß mit der Versicherung, daß er weder jetzt 
noch später von der Vorlage im vollen Umfange 
auch nur ein Haar breit ablassen werde. — Zori 
setzung moragen. 
and. 
ELemberg, 11. Jan. Kurier Lovski“ be⸗ 
nichtet: Die Direktion der Karl Ludwig⸗Bahn erhielt 
vorgestern den Befehl, binnen 24 Stunden den Fahr⸗ 
ylan für den Krieazfall auszuarbeiten. 
je und Alzische Nachrichten. 
SO St. Inadbert. Beklanntlich waren zur 
Zeit des Rittertums mit Festlichkeiten, z. B. Hoch⸗ 
Jeiten und dergleichen Kampfspiele verbunden, bei 
denen es sehr häufig nicht ohne Rippen⸗ Arm⸗ und 
Beinbrüche abging. Diese alte Sitte wieder auf⸗ 
leben zu lassen, scheint am verflossenen Dienstag 
zeine Hochzeitsgesellschaft sehr lebhaft empfunden zů 
jaben. Nachdem man längerr Zeit an Speise und 
Trank sich gutlich gethan, lam es zu einer ganz 
olennen Keilerer, bei der es blutige Kopfnüfse und 
diverse Nippenstöße absetzte, deren Spuren wohl 
Jeute noch ersichtlich sind. Der gute Mond, der 
sichon so oft Zeuge solcher Sceunen ist, wird von 
dem Verlaufe dieser Kraftübungen wohl näheres 
erzaͤhlen koͤnnen, zumal der Haupiacktt und Schluß 
sich auf der Straße abgespielt haben soll. 
— Kaisersauslern, 12. Jan. (P. P.) Die 
Baumwollspinnerei und Weberei G. F. Grohé⸗Hen⸗ 
rich Kaiserblautern wurde heute durch notariellen 
Akt in eine Altiengesellschaft umgewandelt. Die. 
hdisberige Eigenthümerin. das Bankbaus GG. F.